Audio Ahoi! Meine erste Audio-Aufnahme in Linux

So, liebe Leser! Jetzt geht es ENDLICH in die Vollen, nachdem ich Euch mit so „unwichtigen“ Infos über Linux als solches, den Distributionen und der Installation auf die Folter gespannt habe. Trotzdem musste das sein. Schließlich sollt Ihr auch ein wenig Hintergrundwissen erhalten und nicht wie beim blinde Kuh spielen einfach so mir nichts dir nichts in Fallen stolpern, die man auch vermeiden kann. In die bin ich dann schon vorher stellvertretend für Euch getreten und kann davon berichten, wie mans besser macht.

In dieser Folge werde ich vornehmlich für die Ungeduldigen unter Euch erst einmal ganz oberflächlich beschreiben, wie das Prozedere aussieht, um via Linux Audio-Aufnahmen anzufertigen. Die Hintergründe und auch nähere Erläuterungen zu den nachfolgend genannten Applikationen, folgen später in separaten Blog-Einträgen.
So, jetzt ist aber genug geschwafelt, ab ins Vergnügen:

Ubuntu-Programm-Menu

Bild01: Verzeichnis/Programm-Struktur in Ubuntu Studio

Erster Schritt: Bevor es ans Starten von Software geht, brauchen wir natürlich ein Frontend – sprich ein Audio-Interface – mit dem wir Schall in Nullen und Einsen wandeln und in den Rechner transferieren können. Es geht natürlich auch mit der im Rechner integrierten oder jedweden anderen PCI-Soundkarte. Um im letzteren Fall sowohl Line-, als auch Mikrofon-Signale einspeisen zu können, solltet Ihr an die Eingänge ein beliebiges Mischpult (Kanalzahl, Ausstattung egal) anschließen, das zumindest über einen XLR-Anschluss mit schaltbarer Phantomspeisung und Klinken-Eingänge zum Anschluss von Synthesizern, Vorverstärkern, etc. besitzt. Gibt’s obendrein sogar noch eine schaltbare Hi-Z-Funktion in einem Kanal, kann man sogar eine E-Gitarre/-Bass direkt ans Pult anschließen.

Wer über ein Audio-Interface verfügt, schließt dies ganz normal an den Rechner an, also wahlweise über USB oder Firewire. Windows-Anwender werden sich jetzt bestimmt fragen, ob denn keine Treiber-Installation erfolgen muss, um die Hardware erfolgreich mit der Software/dem Rechner in Verbindung treten zu lassen. Die Antwort lautet schlicht und einfach: Nein, nicht nötig. Linux hat seine eigenen Audiotreiber und Architekturen, ähnlich wie Mac OS X mit seinem Core Audio. Linux scannt die angeschlossene Hardware, erkennt sie und stellt sie für den Anwender ohne weiteres Zutun für die entsprechenden Anwendungen bereit. Das ist im Vergleich zu Windows sehr bequem gelöst.
Mittlerweile lassen sich sehr viele Audio-Interfaces problemlos in Linux einsetzen. Im Netz gibt es dazu verschiedene Quellen, die zwar teils schon etwas älter sind, aber Auskunft darüber geben, welche Produkte lauffähig sind (http://wiki.linuxaudio.org/wiki/hardware_matrix und http://www.ffado.org/?q=devicesupport/list ). Zumindest ich kann davon künden, dass es anstandslos klappt mit einem Fireface 400 von RME, der Rig Kontrol3 und dem Komplete Audio 6 von Native Instruments sowie dem Presonus Firestudio Mobile.

Ardour-Setup-menu

Bild02: Projekteinrichtungs-Dialog in Ardour3

Zweiter Schritt: Nachdem wir das Audio-Interface mit dem Rechner verbunden haben, starten wir den Computer, Linux fährt hoch, wir melden uns an und klicken als erstes auf den Menü-Button oben links, um per Ausklappliste Zugriff auf die verschiedenen Applikationen zu erhalten (Bild 01). Wir wählen für unsere ersten Gehversuche aus dem Audio-Reiter die DAW Ardour3 aus. Beim Aufruf will das Programm wissen, ob wir ein bestehendes oder ein neues Projekt öffnen wollen. Bei Letzterem möchte Ardour dafür einige Infos von Euch erhalten, wie etwa den Projekt-Namen, den Speicherort, wieviele Audio-Ein- und Ausgänge bereitgestellt werden sollen und ob die Master-Spur, also die Stereosumme, per se mit den ersten beiden Ausgängen der Hardware verkoppelt werden sollen (Bild02). Für meinen ersten Gehversuch wähle ich das Rig Kontrol3 von Native Instruments. Das kommt schlicht und einfach mit je zwei Ein- und Ausgängen daher.

Dritter Schritt: Nach dem Anlegen des Projekts erscheint der Audio-/MIDI-Einstellungs-Dialog (Bild03). Sofern dies nicht schon vom System selbst erledigt wurde, muss in der Zeile Audiosystem der Eintrag „Jack“ stehen. In der Treiber-Zeile muss für USB-Interfaces „ALSA“ ausgewählt, für Firewire-Interfaces „FFADO“ gewählt werden. Sofern Ardour/Linux das Interface nicht erkannt haben sollte, einfach in der nächsten Zeile das gewünschte Gerät wählen. Der Rest (Samplerate, Puffergröße, Anzahl Ein- und Ausgangs-Kanäle) dürfte selbsterklärend sein. Ist dies geschehen, wird auf OK geklickt und als nächstes öffnet Ardour die Hauptarbeitsfläche, die aus dem Arrangierfenster plus einem Inspector-Dialog links, einem Browser-Dialog rechts sowie einer Menüleiste mit einer Reihe relevanter DAW-Funktionen, unter anderem den Transporttasten und Buttons zum Auswählen verschiedener Maus-Werkzeuge, aufwartet. Wer einmal mit Avid Pro Tools gearbeitet oder zumindest diese DAW schon einmal gesehen hat, wird sehr viele Parallelen im Aufbau entdecken.

Ardour-audio-midi-setting

Bild03: Audio/MIDI-Einstellungs-Dialog in Ardour3

Vierter Schritt: Das Arranger-Fenster besitzt bislang nur eine Master-Spur. Um Aufnahmen anfertigen zu können, müssen wir also als nächstes Aufnahmespuren erzeugen. Das geht ganz einfach per Rechtsklick in die Track-Spalte, woraufhin sich ein Dialog (Bild 04) zeigt, der uns verschiedene Optionen zum Erzeugen unterbreitet (Anzahl der Spuren, Art der Spur – Audio, MIDI -, Kanalzahl, Gruppenzuweisung). Ich erzeuge gleich zwei Mono-Audio-Spuren, nenne sie einfach „Gitarre“, klicke auf „OK“ und schon zeigen sich die beiden Spuren unterhalb der Master-Spur.

Ardour-spur-menu

Bild04: Spurerzeugungs-Dialog in Ardour3 (via Rechtsklick in Trackspalter erreichbar)

Fünfter Schritt: Ich klicke die mit „Gitarre1“ bezeichnete Spur an, um sie auszuwählen, ich betätige den Record-Button, um die Spur scharf zu machen und höre und sehe, nachdem ich in der Transportleiste per Record- und Start-Button die Aufnahme gestartet habe rein gar nichts. Der Grund dafür findet sich im Inspector-Dialog links. Ebenso wie etwa in Steinbergs Cubase-Sequenzer muss ich dort das (Direct) Monitoring noch aktivieren. Wenn es um Aufnahmen gehen soll, muss dabei auf „IN“ geklickt, beim Abhören auf „Disk“ geklickt werden. Nachdem ich das nachgeholt habe, höre ich auch mein Gitarrensignal. Also flugs das Tempo in der Zeile oberhalb der Masterspur angepasst, den Metronom per Schaltfläche aktiviert und die Aufnahme gestartet. Et Voilà: Beim Einspielen sehe ich, wie eine Spur mit meiner Gitarrenlinie inklusive Wellenformdarstellung erzeugt wird (Bild05).

ardour-plus-aufnahme-2

Bild05: Ardour3 Arranger-Fenster mit zwei Audio-Spuren

Sechster Schritt: Ich habe ja noch eine zweite Spur erzeugt und möchte jetzt darauf eine zweite Linie einspielen. Ich klicke in der ersten Spur auf „Disk“ damit ich das zuvor aufgenommene hören kann, schalte die zweite Spur scharf (Klick auf Record- und In-Button), starte die Aufnahme und höre wiederum nichts. Dieses Mal ist das Eingangs-Routing die Ursache für die Sendepause, denn Ardour hat beim Erzeugen der Spuren einfach sukzessiv die Eingangskanäle nacheinander auf die Spuren verteilt. Um dies ändern zu können, klicke ich im Inspector auf die Spurenziffer unterhalb des Spurnamens. Dadurch zeigt sich ein Dialog, ähnlich wie der VST-Verbindungs-Dialog in Steinberg Cubase, der mir per Reiter Zugriff auf verschiedene Quellen gibt (Bild06). Hier interessiert mich zunächst nur der „Hardware“-Reiter, der mir zwei Kanäle „Capture 1“ und „Capture 2“ zeigt. Dahinter verbergen sich die beiden Eingänge des Rig Kontrol3-Interface. Da mein Instrument nach wie vor am ersten Kanal angeschlossen ist, klicke ich den roten Punkt in der Capture2-Zeile weg und setze ihn in die Zeile darüber und schon ist dieser Fehler behoben und der Aufnahme meiner zweiten Spur steht nichts mehr im Weg. Nach Abschluss dieser Aufnahme verführt mich der ständig in seiner Form wechselnde Mauszeiger noch, die Spuren ein wenig zu bearbeiten, indem ich die Anfänge und Enden trimme sowie nach alter Väter Sitte Fades einfüge. Einen separaten Mixer-Dialog (Pro Tools ick hör Dir trapsen!) gibt’s natürlich auch, in dem ich weitere Arbeiten vornehmen kann (Bild07).

Arodur-routing-dialog

Bild06: Routing-Dialog in Ardour3

ardour-mixer

Bild07: Mixer-Fenster in Ardour3

Fazit des Ganzen: Na Bitte! DAS ging ja wohl einfach, oder? Zumindest ich hätte das nicht gedacht und es hat noch nicht einmal großartiges Herumprobieren und Suchen erforderlich gemacht.

Doch ganz so narrensicher ist das Ganze trotzdem nicht. Andere Audio-Anwendungen und DAWs erfordern mehr Vorbereitung und den Einsatz zusätzlicher Software. Das gilt insbesondere auch für Ardour, wenn es ums Aufnehmen von MIDI geht. Das Stichwort lautet „Jack“ und die Bedienung über das Frontend „QJackctl“. Dieser für die Audio-Verarbeitung zentralen Anwendung sowie ein Überblick über die existierenden Treiber-Architekturen in Linux widme ich mich im nächsten Teil.