Der Paradiesvogel
Den Little Labs Lmnopre als einen weiteren Mikrofon-Vorverstärker abzutun, wäre ein großer Fehler. Denn der äußerlich unscheinbare Amerikaner ist klanglich ein Paradiesvogel.
Von Harald Wittig
Little Labs ist ein kleine amerikanische Studiogeräte-Manufaktur, die den Nachnamen ihres Gründers Jonathan Little trägt. Der bebrillte Amerikaner kam 1979 von der San Francisco Bay Area mit einem Diplom in Elektrotechnik in das pulsierende Medienzentrum Los Angeles, um eben dort als Studiotechniker zu arbeiten. Genau das tat er dann auch und es dauerte nicht lange, dass sich Littles Kompetenz in der Szene herumsprachen. Jonathan Little arbeitet in verschieden LA-Topstudios in der technischen Abteilung, wo er mit der Wartung, Optimierung aber auch Weiterentwicklung der Gerätschaften betraut war. In den berühmten Conway Studios wurde er beispielsweise zum Chef-Techniker berufen, in den nicht weniger berühmten A&M Studios veredelte er in zehn Jahren das Aufnahmeequipment, in anderen feinen Studios wie Village Recorder, Cherokee oder Salty Dog durften sich Toningenieure und Musiker gleichermaßen an den Früchten seiner Arbeit erfreuen.
Dabei hat sich Jonathan Little als klangbesessener Tüftler schon bald nicht auf die Wartung und Optimierung vorgefundener Geräte beschränken können und wollen. Er hörte genau auf die Wünsche der Toningenieure und Musiker und entwickelte davon ausgehend schon Anfang der 1980er-Jahre einen Mikrofon-Vorverstärker, der ein echter Kult-Preamp werden sollte. Auf Basis der ersten, von Jonathan Little im Alleingang gebauten Custom-Preamps entstand dann Produkt Nr. 1 der neu gegründeten Little Labs: Der Lmno Microphone Pre-Amplifier war ein zweikanaliger Vorverstärker mit diskret aufgebauten Gain-Stufen. Dieser Vorverstärker war, gemessen an den heutigen Little Labs-Geräten, die in erster Linie Verschönerer mit ausgeprägtem Eigenklang sind, sehr puristisch. Er fand prominente Anhänger und Benutzer wie Bruce Springsteen, Don Henley und Sheryl Crow und ist heute, nachdem er schon länger nicht mehr hergestellt wird, eine gesuchte Rarität.
Jonathan Little hat sich deswegen dazu entschlossen, den Lmno in einer limitierten Auflage neu aufzulegen. Allerdings ist der rund 1.500 Euro teure Vorverstärker kein Nachbau, sondern mit einigen Besonderheiten ausgestattet, die ihn, wie wir gleich sehen werden, zu einem besonderen Vertreter der Gerätegattung machen.
Im Unterschied zum Original Lmno trägt der Vorverstärker mit Lmnopre nicht nur einen etwas abweichenden Namen. Er unterscheidet sich schon mal in einem wesentlichen Punkt: Der Lmnopre ist ein Einkanaler, der zudem mit dem Vorgänger nur das diskret aufgebaute OP Amp-Schaltungsdesign gemein hat. Jonathan Little beschreibt im sehr textlastigen und abbildungsfreien Handbüchlein, dass er ursprünglich den Namen „Mic pre experimental modul“ trug, weil das Gerät mit diversen klangformenden Beigaben ausgestattet ist: Über „Low Frequency Resonance“ lassen sich die tiefen Frequenzen im anliegenden Signal stufenlos beeinflussen, es gibt eine analoge Phasenanpassung, die über die selbstverständlich ebenfalls vorhandenen Phasenumkehrfunktion weit hinausgeht, und schließlich lässt sich über einen Drehregler der Ausgangsübertrager in die Eisensättigung treiben. Sie sehen also schon jetzt: Der Lmnopre hat es faustdick hinter seiner schwarzen Alu-Frontplatte.
Bevor wir uns en Detail mit den Klangformern befassen, wollen wir uns mit den technischen Grundlagen des Amerikaners befassen: Die wie gesagt vollständig diskret aufgebaute Vorstufe verfügt über einen Eingangsübertrager eigener Herstellung, welcher der exakte Nachbau des berühmten ZUTT-Transfomators der Trident A Range-Pulte ist. Da ist der Kenner sofort glockenwach, denn: Die Preamps der Trident A Range-Pulte genießen einen hervorragenden Ruf vor allem für Gitarrenaufnahmen. Eddy Offord, seines Zeichens verantwortlicher Toningenieur bei den wesentlichen Alben der Prog-Legende Yes, schwört auf diesen Klang. Er lässt sich anhand des Akustik-Solos „Mood For A Day“ auf dem Yes-Album „Fragile“, des Stückes „And You And I“ von „Close to The Edge“ mit seiner tragenden 12-Saitigen und mittels des langen Konzertgitarren-Parts „The Ancient“ auf Seite 2 der Doppel-LP „Tales von From Topographic Oceans“ ein Stück weit nachempfinden.
Wer diesen Klang trotzdem nicht mag, hat die Option, den Lmnopre nach seinen Wünschen zu tunen: Auf dem Board im Inneren des Gehäuses ließ Jonathan Little genügend Platz für den Einbau verschiedener Lundahl-Übertrager frei. Da erkennen wir den ehemaligen Studio-Techniker, der selbst stets auch ein leidenschaftlicher Schrauber war, wieder. Wem das Schrauben weniger liegt, hat eine zweite Option: Auf der Rückseite des Geräts findet sich 5-Pin-XLR-Anschluss für einen externen Eingangsübertrager, beispielsweise von Jensen. Allerdings muss der Preamp entsprechend umgeschaltet werden. Der Schalter befindet sich im Inneren, lässt sich aber von außen betätigen, indem ein Schraubenzieherchen in das winzige Löchlein – bitte sehr vorsichtig – eingeführt wird. Ein Umschalter vergleichbarer Machart wie die auf der Frontplatte wäre wohl nicht nur uns angenehmer. Im Handbuch weist Jonathan Little darauf hin, dass sein Custom-Eingangsübertrager empfindlich für die Immissionen elektromagnetischer Felder ist. Sollte das eigene Studio diesbezüglich überhöhte Werte aufweisen, besteht die Möglichkeit, den Lmnopre bei Little Labs elektromagnetisch abschirmen zu lassen.
Dann nähern wir uns der Front und den Hauptanschlüssen und –Bedienelementen des Vorverstärkers. Der Lmnopre verfügt über zwei Mikrofoneingänge – einen auf der Frontplatte, einen auf der Rückseite. Zwischen beiden Eingängen lässt sich über den mit „Mic in rear off“ beschrifteten frontseitigen Schalter umschalten. Das ist eine sehr praktische Sache, um beispielsweise zwischen zwei verschiedenen Gesangsmikrofonen auszuwählen oder die Klangwirkung unterschiedlicher Mikrofon-Positionen zu testen. Das ist die Werkseinstellung, die aber auch mittels interner Jumper aufgehoben werden kann: Dann ist der Frontseite Mikrofoneingang festverdrahtet und das Signal durchläuft nicht mehr den Kontakt des Umschalters. Laut Jonathan Little habe auch dies hörbare klangliche Auswirkungen. Da wir den A/B-Umschalter für eine so sinnvolle und kluge Einrichtung halten, möchten wir zu dieser Operation nicht raten.
Der Lmnopre hat gleich zwei Di-Eingänge: Einen für Instrumente mit aktiven, das ist der „di in b“, und einen für solche mit passive Tonabnehmern, der Eingang „di in a“. „Di in a“ ist ein aktiver, 10 Megaohm HiZ-Eingang mit eigener Verstärkerstufe, „di in a“ ist demgegenüber passiv ausgelegt und mit einer Eingangsimpedanz von 50 Kiloohm vergleichsweise niederohmiger. Bemerkenswert und keineswegs üblich: Die DI-Stufe hat ihren eigenen, speziell angepassten Eingangsübertrager und soll laut Mr. Little „unglaublich“, also besonders gut, klingen. Neugierig sind wir auf jeden Fall, denn die DI-Eingänge amerikanischer Mikrofon-Vorverstärker klingen nach unserer Erfahrung meistens sehr gut. Wir werden hören.
Der Lmnopre hat zwei Gain-Regler: „lo Gain“ regelt den Bereich von 20 bis 48 dB, „hi gain“ von 40 bis 74 dB. Daran ist erkennbar, dass der Preamp genügend Verstärkerpower für leise Mikrofone – wir denken an dynamische Mikrofone und passive Bändchen – hat. Es gibt einen Schalter zum Aktivieren beziehungsweise Deaktivieren von „hi gain“, allerdings benötigen sie immer beide Regler. Aus einem einfachen Grund: Der Lmnopre hat nur einen Vorverstärkerstufe, er benötigt nur zwei Regler, damit der diskret aufgebaute Class A-Verstärker optimal arbeitet.
Jetzt ist es soweit, wir sind bei den Besonderheiten angelangt: Der Lmnopre hat einen Hochpassfilter mit praxisgerechter Eckfrequenz von 120 Hertz und einer Flankensteilheit von 6dB/Oktave – nichts Außergewöhnliches also. Wenn wir aber den Schalter „lf res in“ drücken, ist die bereits erwähnte Sonderfunktion zur Beeinflussung der tieffrequenten Resonanzen aktiv. Über den Drehregler können wir jetzt die tiefen Frequenzen boosten und damit dem Signal mehr Bassanteile hinzufügen. Der Effekt ähnelt klanglich dem Nahheitseffekt eines Druckgradientenempfänger-Mikrofons, wirkt sich aber anders als ein Equalizer nicht auf den Gesamtsound aus. Am Besten und Gewinnbringendsten lässt sich dieses eigen- und einzigartige Ausstattungsmerkmal bei Gesangsaufnahmen nutzen, wenngleich es uns nicht gelungen ist, einer schrillen Piepsmaus einen Barry White-Sound zu verpassen. Nein, es klingt, also stünden Sprecher oder Sänger mit einem Male ganz nah am Schutzkorb des Mikrofons. Mit Instrumenten fällt die Wirkung subtiler aus, dennoch sorgt „low freq res“ dafür, dass unsere testbewährte Ricardo Sanchis 2F- Flamencogitarre mit einer Bassandickung erklingt, die in Richtung Konzertgitarre geht. Wer aus Gründen der überlegenen Basswiedergabe Druckempfänger für die Aufnahme von Bassinstrumenten bevorzugt, kann beispielsweise mit dieser Funktion einen Kontrabass zusätzlich anfetten und die druckempfängertypische Basspräzision behalten. Klasse.
Hinter „Phase Alignment“ verbirgt sich nicht einfach die Möglichkeit, die Phasenlage des Signals anzupassen. Nein, Jonathan Little hat gewissermaßen seinen unter Kennern hochgeschätzten IBP in den Preamp eingebaut. Beim IBP handelt es sich um ein kleines schwarzes Kistchen, mit dem sich die Phasenlage eines Monosignals stufenlos zwischen 0 und 180 grad verschieben lässt. Der Hauptanwendungsbereich ist die Feinjustierung der Phasenlage eines mikrofonierten E-Gitarren/E-Bass-Amps und dem DI-Signal des Instruments. Genau diese Funktion des IBP, der selbst noch einige weitere Ausstattungsmerkmale aufweist, ist in den Lmnopre eingebaut. Mit „Phase Alignment“ lässt sich durch gezielte Manipulation des Reglers eine Fülle von Klangvarianten erzielen, die, bedingt durch Phasenauslöschungen, eher dünn bis hin zu groß und fett, bei optimaler Phasenlage von DI- und Mikrofonsignal klingen können. Damit ist „Phase Alignment“ sowohl ein wertvolles Mikrofonierungs-Werkzeug als auch Mittel zur gezielten Klang(ver)formung. Jonathan Little selbst betrachtet diese Funktion eher und lieber als eine Art vornehmen Klangsteller, sprich Equalizer, da technisch betrachtet die Phasenkorrektur über Filter geschieht, diese aber eben auch eine stark klangbeeinflussende Wirkung haben.
Clever ist schließlich auch die Möglichkeit, über den zuschaltbaren Ausgangsregler, die Sättigung des Ausgangsübertragers zur finalen Klangfärbung zu beeinflussen. Wer allzu beherzt am Regler dreht, kann einen reichlich kaputten Sound erzeugen, der an einen heftig übersteuerten Röhrenverstärker mit k3 und k5-Anteilen im Klang erinnert. Allerdings bleibt der Klang sehr viel fokussierter, wird nicht matschiger und knallt auch in Extremeinstellung ordentlich. Uns gefällt dieser Effekt vor allem bei DI-Signalen – E-Gitarre und E-Bass –, weniger für Mikrofonsignale, gleich ob Instrumente oder Stimmen. Wer den Klang des Lmnopre besonders rein haben möchte, kann den Ausgangsübertrager auch über „output xfromer bypass“ auch komplett umgehen – Jonathan Little hat wirklich an alles gedacht. Sogar eine – indirekte – Stummschaltungs-/Mute-Funktion findet sich: Steht der „output level trim“-Regler auf „0“ kommt hinten auch wirklich nichts raus – einfach, aber gut.
Wir haben bisher schon einige klangliche Feinheiten des Lmnopre benannt und beschrieben, jetzt wollen wir uns mit dem Grundklang des Vorverstärkers befassen. Wir haben im Rahmen des Praxistests mit dem Preamp, einem Royer Labs R-121-PLAT (siehe hierzu Seite 64 dieser Ausgabe) und verschiedenen Akustikgitarren mit Nylon- und Stahlsaiten sowie einer direkt eingestöpselten Fender Stratocaster ein Instrumental aufgenommen. Auszugsweise können Sie das Stück unter https://www.professional-audio.de/klangbeispiele-2/ selbst hören.
Der Lmnopre gehört zur äußerst rauscharmen Sorte der Vorverstärker-Zunft, was gerade bei der Arbeit mit einem leisen Mikrofon wie dem Royer-Bändchen sehr wichtig ist. In dieser Disziplin kann sich der Amerikaner mit unserem Referenz-Preamp, dem Lake People Mic-Amp F355 messen – und das will was heißen. Dank der enormen Verstärkerleistung ist es kein Problem, einen praxisgerechten Arbeitspegel für Aufnahmen zu erregeln. Die klangliche Ausrichtung des Lmnopre ist nicht völlig neutral, ohne dass der Vorverstärker verfärben würde. Im Vergleich zum Lake People ist der Klang etwas präsenter und der Amerikaner scheint ein wenig stärker zuzupacken: Die mit dem Royer-Bändchen mikrofonierten Akustikgitarren klingen etwas direkter, der Bändchenklang bleibt erhalten, wirkt aber ein kleines bisschen schärfer. Als DI-Verstärker ist der Amerikaner eine Bank: Vor allem Bassisten, die häufiger als Gitarristen mal direkt in den Preamp einstöpseln, werden den klaren, dabei aber sehr druckvollen Klang lieben. Vor allem amerikanische Bässe, vorzugsweise von Fender, klingen super über den Lmnopre. Das gilt aber gleichermaßen auch für E-Gitarren: Unsere Strat knallt ordentlich. Auf der Aufnahme haben wir allerdings den Sättigungsregler für den Ausgangsübertrager, der für die Mikrofonaufnahmen komplett umgangen war, bemüht und den Klang noch ein wenig knalliger gemacht.
Fazit
Der Lmnopre von Little Labs ist ein außergewöhnlicher Mikrofon-Vorverstärker, der es klanglich faustdick hinter seiner schwarzen Front hat und bei vorbildlicher Rauscharmut und klarem, leicht präsenten Grundklang außergewöhnlich viele Klangvarianten offeriert.
Erschienen in Ausgabe 06/2014
Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 1489 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: befriedigend
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