Boden-Torpedo

Two Notes Audio Engineering bringt jetzt seinen 19-Zoll-Simulator auf den Boden. Der Torpedo C.A.B. hat zwar gegenüber den Vorgängern deutlich abgespeckt, verspricht aber dennoch für nur noch 553 Euro die ganze Palette an hochwertigen Cabinet- und Mikrofonierungsemulationen.

Von Michael Nötges 

Am grundlegenden Prinzip des neuen Boden-Torpedos hat der französischen Hersteller Two Notes Audio Engineering im Vergleich zu den Vorgängern VB-101 (Test in Heft 6/2010) und VM-202 (Test in Heft 10/2011) nichts verändert. Thema ist immer noch die digitale Simulation der Aufnahmekette, angefangen beim Poweramp über das Cabinet bis hin zur Mikrofonierung (Mikrofon und Preamp). Mittel der Umsetzung ist die proprietäre Adaption von Faltungstechniken, die ausgehend von genauen Messungen eines Boxen/Mikrofon-Setups im Raum das Klangbild digital nachbilden. Das Ziel ist die Vermeidung aufwendiger, teurer und fehleranfälliger Mikrofonierungen und eine große klangliche Flexibilität im Studio und auf der Bühne.
Auch wenn der C.A.B. (Cabinet in A Box) natürlich auch im Studio hilfreich sein kann, will und gehört die DinA5-große Stompbox im Rock ‚n‘ Roll-Outfit in erster Linie auf die Bühne. Und zwar zu Füßen eines Gitarristen oder Bassisten, der es leid ist, sein Cabinet von Auftritt zu Auftritt zu schleppen und aufwendig zu mikrofonieren. Er richtet sich also an anspruchsvolle Musiker und Tontechniker, die digitale Simulationen nutzen wollen, dabei aber keinesfalls auf lange zurechtgetüftelte Edelsounds und analoge Spezialeffekte verzichten wollen. Für diesen Zweck hat zwar Two Notes Audio Engineering bereits den Torpedo Live entwickelt, der C.A.B. geht noch einen Schritt weiter, ist kein 19-Zoll-Gerät mehr, sondern eine kompakte Pedalboard-Lösung.

Dabei stehen dem C.A.B.-User insgesamt alle 45 unterschiedliche Gitarren und Bass-Cabinets zur Verfügung. Vom Marshall-Klassiker bis zur modernen Bogner-Box ist alles am Start, was Rang und Namen hat. Außerdem gibt es acht Mikrofone und ein Poweramp-Modul mit vier unterschiedlichen Röhrenbestückungen in zwei Betriebsmodi (Class-A und –AB). Im Gegensatz zu den großen Brüdern (VB-101 und VM-202: 192 Kilohertz/24 Bit) setzt Two Notes Audio Engineering bei den Live-Spezialisten (Live und C.A.B.) auf A/D- und D/A-Wandler mit einer Auflösung von 96 Kilohertz bei 24 Bit. Ansonsten beschränkt sich der C.A.B. in puncto Anschlüsse und Zusatzfeatures auf das Nötigste .Was nicht nur Größe und Gewicht (750 Gramm) auf ein handliches Maß bringt, sondern auch den Preis auf 553 Euro drückt. Inbegriffen sind dabei schon die Remote- und Capturesoftware, zum Erstellen eigener Impulsantworten (IRs), welche kostenlos zum Download bereitstehen.
Zunächst ist der C.A.B. aber auch völlig autark funktionstüchtig. Er muss also weder auf der Bühne noch im Studio mit einem Computer verbunden sein. Dabei spielt der Bodentreter mit weiß lackiertem Stahlgehäuse seine Stärke aber erst so richtig im Rampenlicht aus. Dort bleibt er nämlich unauffällig und bietet auf engstem Raum die üppige Cabinet-Auswahl der Torpedo-Serie. Auf einem Pedalboard nimmt er den Platz zweier typischer Boss- oder Ibanez-Bodeneffekte ein und macht nicht zuletzt wegen seiner beiden Metallfußtaster (A, B) und den fest verschraubten 6,35-mm-Klinkenbuchsen einen sehr robusten und widerstandsfähigen Eindruck. Alle Anschlüsse – das sind im Vergleich zum üppigen Schnittstellengewimmel des VB-101 oder des VM-202 recht wenige – finden sich auf der Rückseite des C.A.B.. Der symmetrische Eingang, an den aber auch unsymmetrische Ausgänge angeschlossen werden können, lässt sich mit einem winzigen Schiebeschalter umfunktionieren. Wahlweise steht so ein hochohmiger Instrumenten- oder ein Line-Eingang zur Verfügung. Dadurch ist es genauso möglich, den letzten Effekt-Ausgang einer „Tretmienen“-Kette (Gtr) anzuschließen, wie den Output eines vorgeschalteten Preamps (Line). Auf die analogen Lieblingseffekte muss also keinesfalls verzichtet werden. Ähnlich flexibel geht es beim Ausgang zu. Dieser lässt sich vom Line- in den Amp-Betrieb umschalten, je nachdem ob eine Endstufe (C.A.B. ist über den FX-Weg eingeschleift) oder beispielsweise ein Audio-Interface für Aufnahmen folgt. Ist ein Poweramp angeschlossen, sollte die interne Simulation ausgeschaltet sein, um eine doppelte Endverstärkung zu vermeiden. Um den C.A.B. per MIDI-Device fernzusteuern, gibt es einen entsprechenden Eingang. Das Durchschleifen oder Ausgeben solcher Befehle ist nicht möglich. Neben der Buchse für das externe Netzteil befindet sich die USB-Schnittstelle, mit deren Hilfe Firmware-Updates gefahren werden können aber vor allem die Fernsteuerung per Remotesoftware möglich ist.

Wie gesagt, es geht auch komplett ohne Computerschnickschnack. Dann ist man aber auf die beiden griffigen Endlosdrehregler, den Edit-Button und das schmale, zweifarbige Display zurückgeworfen, was insgesamt wenig Bedienkomfort verspricht. Ein Beispiel: Um in den Setup-Modus zu gelangen, muss der A-Button gedrückt gehalten und zusätzlich der Edit-Button bedient werden. Die dann erscheinenden kryptischen Abkürzungen wie ‚A SW‘ oder ‚A Ho‘ stehen – das versteht man nicht zwingend intuitiv – für die Belegung des ersten Fußschalters: ‚SW‘ steht dabei für das kurze Betätigen ‚Ho‘ für das Gedrückthalten des Bedienelements. Jeder der beiden Schalter-Modi kann jetzt (natürlich gilt das auch für den zweiten Fußschalter) mit den folgenden Funktionen belegt werden. Der Value-Regler eröffnet folgende Auswahl: None, Preset+. Preset -, Bypass, PA Bypass, Cab Bypass, EQ Bypass und Mute. Auch wenn es etwas Gewöhnung bedarf, ist die Hardwarebedienung als Ergänzung zur Remote-Steuerung hilfreich. Sollen beispielsweise vor oder während eines Auftritts Parameter geändert werden, muss es auch ohne Computeranbindung gehen. Aber beim Blick auf das Setup-Fenster des GUIs, welches mit übersichtlichen Pop-up-Menüs auch die MIDI-Einstellungen (MIDI-CC, DIDI-PC und MIDI Channel) ermöglicht, wird klar: Am besten bereitet man den C.A.B. auf seinen folgenden Einsatz in Ruhe am Computer vor.
Der Perform-Modus muss nicht mit einer Tastenkombination aufgerufen werden, sondern ist immer sofort aktiv, wenn der C.A.B. gestartet ist. Der linke Regler (Preset) dient zur Auswahl der Presets, der rechte (Out Level) bestimmt die Ausgangslautstärke. Das ist übersichtlich und gut. Im kontrastreichen Display wird lediglich die Preset-Nummer, Name und Anzahl der Cabinets sowie die Ausgangslautstärke angezeigt. Letztere kann unabhängig vom jeweiligen Preset eingestellt werden.

Mithilfe des Edit-Buttons (Edit-Modus) gelangt man in die Menü-Tiefen für die Parametereinstellungen. Angefangen beim Poweramp mit vier weiteren Unterpunkten, über die Miking- und die Equalizer-Sektion mit jeweils sechs Unterpunkten. Schlussendlich steht jeweils ein Preset-Level-Regler zur Verfügung. Natürlich ist die Anpassung und das Abspeichern (Edit-Button lange drücken) der Presets auch mit den Reglern und Buttons der Hardware möglich. Aber der Einfachheit halber ist auch hier das übersichtliche GUI der etwas kniffeligen Direktbedienung vorzuziehen.

Alleine die üppigen Ein- und Ausgangspegelanzeigen der Remotesoftware (siehe Screenshot, Seite xx) verleihen direkt ein sicheres Gefühl. Die Hardware hat eben nur eine Clip-LED. Ich vermisse auch die Pegelautomatik der großen Brüder, die mir sehr komfortabel in Erinnerung geblieben ist. Aber beim einfachen Fußvolk von Two Notes Audio Engineering, zu dem der C.A.B. gehört, kann man nicht zu viel Luxus erwarten.
Das Poweramp-Modul in der GUI offeriert die Auswahl der Röhrenbestückung (6L6, EL34, EL 84 und KT88) und Verstärkertopologie (Class-A oder AB). Wobei im AB-Betrieb neben dem Volume- und Depth- (Bandbreite) noch der Presence- Regler (Lautheit) aktiv ist und damit weitere Klangoption eröffnet werden. Wem das noch nicht genügt, der hat noch die Qual der Wahl bei der Röhrenbetriebsart. Der Pentoden- eröffnet im Gegensatz zum Trioden-Modus mehr Lautstärke und Headroom.
Es stehen insgesamt 22 Gitarren- und zehn Bass-Cabinets in übersichtlichen Pop-up-Menüs zur Auswahl. Wobei auch die stilisierte Abbildung der Boxen hilft, sehr schnell zu sehen, ob es sich um einen 1x12er-Combo, eine 2x12er- oder 4x12er-Box handelt. Gleiches gilt für die acht Mikrofonsimulationen, deren Auswahl im GUI wesentlich leichter fällt, als wenn man nur die Namen im Display liest. Das Auge isst eben mit. Außerdem hat Two Notes Audio Engineering noch den sogenannten Quick-Preview-Modus implementiert. Liegt eine Datenbank mit zahlreichen Impulsantworten beispielsweise eines Drittanbieters vor, ist es möglich, auch sehr große Dateien sehr schnell zu laden und vorzuhören. Ein Klick auf den Send-Button schickt die Auswahl zum C.A.B.. Gleiches geht übrigens im Memory-Manager-Fenster ohne Quick-Preview einfach per Drag-and-Drop.
Am deutlichsten ist der Unterschied zwischen Remotesoftware- und Hardware-Steuerung in der Miking-Sektion zu spüren. Das Mikrofon lässt sich einfach mit der Maus im Aufnahmeraum vor dem Verstärker positionieren, wobei der Distance- und Center-Regler sich der jeweiligen Position entsprechend mitdrehen. Auf diesem Weg ist von einer Nahmikrofonierung direkt am Kalottenzentrum (on-axxis) bis zu einer drei Meter entfernten Aufstellung möglich. Durch Ändern des Center-Parameters verschiebt sich der Abstand von Lautsprecherachse zum Mikrofon. 100 Prozent off-axxis bei einem minimalen Abstand, bedeutet in diesem Fall eine Verschiebung des Mikrofon um einen Meter zum Lautsprecherrand. Das hat eine Verringerung des Höhenanteils und eine Betonung der Bässe zur Folge. Natürlich lässt sich das Cabinet auch von hinten abnehmen, wofür lediglich der Front-Back-Switch umgelegt werden muss.
Der 5-Band-Equalizer (siehe Tabelle) erklärt sich von selbst. Spannend ist allerdings, dass es einen Gitarren- und einen Bass-Modus mit speziell auf das jeweilige Instrument abgestimmten Einsatzfrequenzen gibt. Übrigens kann jedes Modul (Poweramp, Miking, und EQ) separat und auch der komplette C.A.B. gemutet werden.

Für den Praxistest verbinde ich den FX-Send eines modifizierten Engl Squeeze 50 Preamps mit dem C.A.B. und höre das Ergebnis über Kopfhörer ab. Dabei habe ich zusätzlich den Boden-Torpedo per USB-Kabel mit einem Notebook verbunden auf dem die komfortable Remotesoftware installiert ist. Das Spielgefühl ist überaus authentisch, die Latenzen – der Hersteller gibt einen Wert von 2,875 Millisekunden an – beeinträchtigen das Spielen keinesfalls und sind faktisch nicht zu merken. Ich schalte zunächst alle Module aus und vergleiche den direkten Sound des Preamps (Bypass) mit dem unbearbeiteten Signal, welches durch den C.A.B. läuft. Ein Unterschied ist eigentlich nicht auszumachen. Störgeräusche oder Qualitätsverlust kommen nicht vor. Wenn es überhaupt einen Veränderung gibt, klingt das Signal beim Einsatz des Boden-Torpedo ein wenig edler, was durch minimal abgerundete Transienten und weichere Höhen zum Ausdruck kommt. Allerdings muss ich an dieser Stelle sehr vorsichtig sein, nicht die Flöhe husten zu hören. Einbußen gibt es aber definitiv nicht und der Grundsound ist transparent, offen, originalgetreu und fein aufgelöst.

An dem hohen Qualitätsniveau ändert sich auch beim Ausprobieren unterschiedlicher Presets nichts. Im Handumdrehen wird aus meinem kleinen Combo (1×12) ein mächtig klingendes 4×12-Setup oder eine britische 2x12er-Lösung á la Vox AC30. Dabei gefällt uns das Engl- oder Diezel-Cabinet mit Celestion V30-Speakern für brachiale Rock-Sounds am besten. Wobei durch den Einsatz der unterschiedlichen Mikrofone viele Klangfacetten zur Verfügung stehen. Mehr Biss für einen durchsetzungsstarken Solosound bringt mir das Shure SM57 oder das Sennheiser MD-421. Da beide mir persönlich beim stark verzerrten Sound des Engl-Preamps zu harsch klingen, wähle ich das Bändchenmikrofon R-121 von Royer, um den Höreindruck abzurunden. Für wirklich cleane Sounds gefallen mir die Vintage Roland JC-120-Simulation oder der Vintage Fender Twin Reverb mit zwei Jensen C12K-Speakern sehr gut. Wobei ich das Neumann U87 wegen seiner ausgewogenen feinen und angenehm kräftigen Art sehr schätze. Das Blue Dragonfly fängt als Alternative klirrende Höhen sehr angenehm auf und entschärft diese. Für moderne Pop-Sounds finde ich einen Geheimtipp mit der Brunetti Neo1512 (1×15-, 1×12-Speaker). Diese nehme ich mit dem U87 ab und verwende den Poweramp mit einer KT88 (Pentode) im AB-Betrieb. Der Sound ist gleichsam satt und frisch. Die Höhen kommen sehr angenehm und der Anschlag klingt durchsetzungsstark. Besonders die Zwischenstellungen meiner Musicman Axxis Sport kommen sehr klar, rund und organisch.
Die verschiedenen Röhrenbestückungen haben übrigens starke klangliche Auswirkungen. Mit einer 6L6 in der Endstufe kommen viel Druck und üppige Bassanteile ins Spiel, eine KT88 ist da etwas zurückhaltender. EL34 oder EL84 bringen mehr vornehme Zurückhaltung. Es ist sehr spannend, welche Nuancen sich durch die Röhrenwahl, die Betriebsart (Triode, Pentode) aber auch durch die beiden Verstärkertopologien (Gleichtakt, Eintakt) ergeben. Zusammen mit dem Presence- und Depth-Regler lässt sich alleine mit dem Poweramp-Modul der Sound sehr detailliert formen.
Selbstredend ist der letzte Feinschliff durch den Einsatz des Equalizers möglich. Wobei ich zunächst die meisten Klangveränderungen mit dem Poweramp- und dem Miking-Modul hin bekommen. Positionierung und Wahl des Mikrofons, die sehr unterschiedlichen Cabinets und der flexible Poweramp lassen kaum Wünsche offen. Dennoch kann mit dem Equalizer – die Einsatzfrequenzen der Bänder sind optimal gewählt – noch das letzte Klang-Quäntchen herausgearbeitet werden. Beispielsweise um den eigenen Sound den Gegebenheiten im aktuellen Bandkontext anzupassen.

Fazit

Der Torpedo C.A.B. von Two Notes Audio Engineering überzeugt durch sein hohes Klangniveau und empfiehlt sich als vielseitiger Live-Spezialist. 45 Cabinets, eine flexible Endstufe, acht Mikrofone inklusive Aufnahmeraum und ein Equalizer wiegen nur noch 750 Gramm und kosten 553 Euro.

Erschienen in Ausgabe 10/2012

Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 553 €
Bewertung: gut – sehr gut
Preis/Leistung: gut – sehr gut