Ausgeklügelte Weiterentwicklung
Um sich gekonnt in der heutigen Welt in Szene setzen zu können, ist das Medium des Videos unumgänglich geworden. Doch das Bild alleine ist nur die halbe Miete. Der Klang des Videos ist ein nicht zu unterschätzender Faktor. Zum Glück liefern Firmen wie Røde hierzu immer wieder sowohl qualitativ hochwertige, wie auch preisgünstige Tools. Autor Henning Hellfeld hatte das On-Camera-Mikrofon VideoMic NTG im Testeinsatz.
Von Henning Hellfeld
Der Ton macht die Musik. Dieser Leitsatz der Kommunikation lässt sich durchaus zweckentfremden, denn auch im Bereich der Videoproduktion ist ein professioneller Klang nicht zu unterschätzen. Zwar legen viele Filmer ihr Hauptaugenmerk auf die Qualität der Bilder, doch ist eine gute Audioqualität mindestens genauso wichtig. Ich persönlich würde sogar einen Schritt weitergehen und behaupten, dass ein Video, welches mit einem Smartphone aufgenommen ist, aber einen professionellen Ton aufweist, wesentlich überzeugender daherkommt, als auf Hollywood-Kamera gefilmtes Material mit schlechtem Klang.
Wie dem auch sei, die Videografie ist mit Siebenmeilenstiefeln auf dem Vormarsch und die Produktion von Videocontent für Bands, Firmen und Regierungen von elementarer Bedeutung. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es dabei meist sehr spontan zugeht und somit Lösungen, die einerseits ein gutes Ergebnis bringen, aber andererseits nicht Unmengen an Equipment und Personal benötigen, unabdinglich sind. Diesen Trend hat die Firma Røde schon seit langer Zeit erkannt und sich in dieser Nische mittlerweile an die Spitze gekämpft. So befinden sich inzwischen über zehn On-Camera-Mics im Repertoire der Australier. Zuletzt legten sie mit dem VideoMic NTG nach, welches von seinen Features wohl am ehesten mit dem VideoMic Pro zu vergleichen ist.
Smarte Features
Das Røde VideoMic NTG reiht sich mit einer unverbindlichen Preisempfehlung von 279 Euro in die Liga der nicht ganz günstigen On-Camera-Mikrofonen ein. Dafür bekommt man allerdings einiges geboten. Eine Neuheit ist, dass das NTG ein Mikrofon mit integriertem Akku ist, welcher eine Laufzeit von bis zu 30 Stunden verspricht. Hier kann man sich natürlich über den Nachhaltigkeitsgedanken unterhalten, dennoch überwiegt wohl der Faktor der einfachen Handhabung. Das Richtrohrmikrofon wird mit dem mitgelieferten USB-C-Kabel direkt geladen. Außerdem befinden sich noch ein Schaumstoff Windschutz, ein entkoppelnder Kamera Mount sowie ein circa 30 Zentimeter langes vierpoliges Klinkenkabel im Lieferumfang.
Das Mikrofon an sich ist mit seinen 97 Gramm ein echtes Leichtgewicht. Auch die knappen 170 Gramm inklusive Kamera Mount und Windschutz sind immer noch locker zu verkraften. Die Konstruktion aus Metall vermittelt einen sehr soliden Eindruck und mir fallen keine unangenehm lockeren Teile oder minderwertige Knöpfe auf. Auf der Oberseite des Mikrofons finde ich zunächst den Ein- und Ausschalter, welcher gleichzeitig als Wahlschalter für die 20 dB Absenkung fungiert sowie die Safe-Channel-Funktion aktiviert. Oberhalb des Knopfes befinden sich die entsprechenden Kontroll-LEDs für die Funktionen sowie die Warn-LED für eventuelle Übersteuerungen. Direkt darüber sitzt der Knopf für die Tiefpassfilter – wahlweise bei 75 Hz oder 150 Hz einstellbar. Außerdem kann hier auch die High-Frequency-Boost-Funktion aktiviert werden. Seitlich am Mikrofon befinden sich einmal die USB-C-Buchse und der Audioausgang, welcher bei entsprechender Inbetriebnahme als Kopfhörerausgang fungiert. Am Ende des Mikrofons finde ich dann noch das Gain-Control-Rad, welches mir ein Einpegeln direkt am Mikrofon ermöglicht.
Funktionsweise
Das NTG ist ein Richtrohrmikrofon, im Fachjargon auch Shotgun Mic genannt. Diese Mikrofone sind im Filmbereich weit verbreitet und werden aufgrund ihrer Bauart zum „angeln“ des Tons genutzt. Trick der Bauart ist es, vereinfacht gesagt, dass sich Signale welche nicht genau frontal auf die Kapsel treffen in der Rohrkonstruktion gegenseitig auslöschen und somit eine sehr gute Richtbarkeit entsteht. Sprich: ich bekomme auch nur das auf die Aufnahme, auf das gezielt wird.
Trotz der Bezeichnung On-Camera Microphone erweist sich das VideoMic NTG bei genauerem hinschauen als wesentlich vielseitiger. Natürlich ist es in erster Linie zur Montage direkt auf der Videokamera gedacht, dennoch kann es auch an Smartphones oder Tablets angeschlossen werden um dort den Videosound zu verbessern oder sonstige Aufnahmen zu bewerkstelligen. Die dritte Funktion ist die Aufnahme direkt in den Rechner. Diese erfolgt logischerweise über die USB-Buchse. In dieser Funktion wird der Audioausgang zum Kopfhöreranschluss, welcher über das Gain-Control-Rad in der Lautstärke eingestellt werden kann. Für die Inbetriebnahme am Rechner sollte Mac OS 10.12 oder Windows 10 installiert sein.
Funktionsszenarien
Nun will ich die eben erwähnten Nutzungsszenarien in die Praxis umsetzen und dem VideoMic NTG etwas genauer auf den Zahn fühlen.
On-Camera-Variante
Der mitgelieferte Mount hat eine Funktion, welche mir sofort positiv ins Auge fällt. An der unten angebrachten Befestigung für den Blitzschuh der Kamera finde ich ein zweites Rad zum Ausbalancieren des Mikrofons. Dies ist sehr erfreulich, denn gerade bei der Nutzung der Kamera in Kombination mit einem Gimble ist das Ausbalancieren ein echter Drahtseilakt. Oftmals sind Kameras mit größeren Objektiven gewichtmäßig sehr frontlästig, was durch das Aufsetzen eines Mikrofons oftmals noch verstärkt wird. Diesem Effekt kann man mit dem Ausbalancieren des Mikrofons hervorragend entgegenwirken. Das Mikrofon wird mit dem Miniklinke-Kabel direkt an der Kamera angeschlossen und dann kann es schon losgehen. Da die in DSLR- oder System-Kameras verbauten Mikrofonpreamps oftmals rauschen, empfiehlt es sich den Audiopegel in den Settings der Kamera auf Minimal zu stellen und das Einpegeln am Mikrofon vorzunehmen. Je nach Aufnahmesituation empfiehlt sich der Einsatz des Tiefpassfilters. Bei hohen Umgebungsgeräuschen sollte dieser Wahlweise bei 75 Hz oder 150 Hz gesetzt werden – es sei denn, man will natürlich explizit diese Geräusche einfangen. Bei der Nutzung des Mikrofons in Kombination mit dem Windschutz, kann der High-Frequency Boost die abgesenkten Höhen wieder ausgleichen. Allerdings kann dieser auch zum Auffrischen des Audiosignal genutzt werden.
Das richtige Einpegeln und die Kontrolle des Tons mit Kopfhörern sind elementar wichtig, denn die reine optische Kontrolle des Pegels auf der Kamera ist nicht zwingend für den besten Ton verantwortlich. Je nach Hersteller muss an der Kamera beziehungsweise am Mikrofon etwas „getweakt“ werden, um die gewünschten Ergebnisse zu erhalten. Um Pegelspitzen oder Übersteuerungen entgegenzuwirken ist die -20 dB Pegelabsenkung geeignet. Allerdings weist das NTG hier eine tolle Funktion auf: Den Safety Channel. Hierbei wird das Audiosignal getrennt und auf dem linken Kanal wie eingestellt aufgenommen. Auf dem rechten Kanal wird dann gleichzeitig ein um 20 dB abgesenktes Signal aufgenommen. So ist man pegelmäßig immer auf der richtigen Seite und kann unerwarteten Ausbrüchen entgegenwirken.
Nutzung am Smartphone
Sehr praktisch kann dies für die Produktion von Podcasts oder sonstigen Sprachaufnahmen sein, bei denen das Mikrofon aufgrund des kurzen Kabels nicht direkt in die Kamera aufgezeichnet werden kann. Hierzu kann ich die kostenlose Røde Rec LE App empfehlen. Sie bietet eine sehr einfache Handhabung und exportiert die aufgenommenen Files in gängigen Formaten auf andere Endgeräte. Das Mikrofon wird hier ganz einfach an die Kopfhörerbuchse des Smartphones angeschlossen und mit Hilfe des Gain-Control-Rads eingepegelt.
Nutzung direkt am Rechner
Um das Mikrofon auf dem Tisch zu positionieren benötigt man noch ein zusätzliches Stativ. Ist dies vorhanden verbinde ich das NTG per USB-C-Kabel mit dem Laptop. Im Test erkennt Logic X das Gerät ohne dass ein zusätzlicher Treiber von Nöten ist. Wie bereits erwähnt fungiert der Audioausgang in diesem Setup als Kopfhörerausgang. Mit dem Gain-Control-Rad kann ich dann die Lautstärke einstellen. Hier ist genügend Headroom für höhere Lautstärken vorhanden. Die Empfindlichkeit des Mikrofons variiere ich direkt in der DAW. Dieses Setup ist hervorragend für jegliche Art von Sprachaufnahmen geeignet. Auch Instrumentenaufnahmen kann ich mir damit vorstellen. Aber der große Pluspunkt hierbei ist, dass das Setup innerhalb von einer Minute kinderleicht realisiert ist.
Klang
Grundsätzlich lässt sich sagen, dass die Qualität des Signals sehr gut ist. Im Test kann ich kein übermäßiges Rauschen und keine unangenehmen ausbrechenden Frequenzen wahrnehmen. Ich will das Mikrofon in verschiedenen klanglichen Situationen und verschiedenen Abständen zur Klangquelle testen. Zunächst befinde ich mich in einem mäßig gedämpften Wohnraum. Bei einem kleinen Abstand von circa 15 Zentimetern erreiche ich einen sehr vollen und ausgewogenen Stimmklang. Die Anhebung der Höhen macht das Ganze dann noch etwas „crisper“. Der Raumanteil fällt hier nicht ins Gewicht. Mit steigendem Abstand wird der Gesamteindruck natürlich etwas dünner und bei einem üblichen Vloger-Abstand von einer Armlänge ist der Raumanteil schon sehr viel höher. Dennoch ist es noch im vertretbaren und nutzbaren Bereich.
Wie sieht das ganze nun Outdoor aus? Zunächst nehme ich einige Umgebungsgeräusche auf und erhalte ein tolles Ergebnis. Vor allem das satte Lowend ermöglicht in der Postproduktion ein mächtiges Sounddesign. Ohne die störenden Einflüsse eines Raumes erhalte ich in Punkto Sprache ein sehr viel trockeneres Ergebnis. Auch bei höheren Abständen von circa einem Meter ist die Sprachqualität immer noch sehr kräftig und voluminös. Der Tiefpassfilter ermöglicht mir tieffrequente Straßengeräusche optimal herauszufiltern. Das Richtverhalten des Mikrofons ist sehr gut, dennoch nicht so hoch, wie das eines wesentlich längeren Richtrohrmikrofons. Dennoch ist bei direkter Besprechung immer ein klares Signal zu erreichen. Mit aktiviertem Safety Channel werden, wie bereits erwähnt, zwei Signale produziert: Das „normale“ und ein um 20 dB abgesenktes Signal. Dies funktioniert in der Praxis hervorragend. Denn gerade wenn es schnell gehen muss und die Protagonisten während der „Sprechprobe“ eher moderate Lautstärken erreichen, ist man so gegen ein übersteuern durch eventuelle Lacher oder andere unerwartete Pegelausbrüche gewappnet. Ein sehr tolles Feature, denn nichts ist ärgerlicher als eine tolle Bildaufnahme mit übersteuertem Ton. So lässt sich in der Postproduktion unter Umständen sehr viel Zeit sparen.
Fazit
Das VideoMic NTG liefert für seine 279 Euro eine sehr gute Klangqualität und ein hervorragendes Handling. Gerade die smarten Features wie das Gain-Control-Rad, der Safety Channel oder der justierbare Kamera-Mount lassen erahnen, dass sich die Entwickler viele Gedanken für die verschiedenen Einsatzzwecke gemacht haben. Auch der Einsatz am Rechner mit Kopfhörern ist eine tolle Funktion, die das Mikrofon auch für Telefonkonferenzen, Podcasts und ähnlichen Szenarien wappnet.