Hot Tools

In seiner allmonatlichen Kolumne stellt Autor Heiner Kruse in kurzer, knapper Form bekannte und nicht so bekannte Soft- und Hardware vor, bei denen ein genauerer Blick in jedem Fall lohnenswert ist. Alle Hot Tools →

Ableton’s Push 3 ist ein innovativer neuer Controller, mit dem ihr Ableton Live im Computer ansteuern könnt. Push 3 ist auch als Stand-alone-Variante mit Intel i3, 8GB RAM, 256 GB und Lithium Akku verfügbar. Um das Produkt nachhaltig zu konzipieren, hat Ableton die Möglichkeit eingeführt, die günstigere Controller-Variante (mit Audio-Interface) nachträglich via Upgrade-Kit zur Stand-alone-Version aufrüsten zu lassen. Zudem soll in der Zukunft auch die Stand-alone Version nachträglich aktualisiert werden können.

Unabhängig davon sind vor allem die MPE-Pads von Push 3 etwas Besonderes. Mit 64 Pads Drums oder Instrumente spielen zu können, ist gewissermaßen konkurrenzlos. Ein vertikales Bewegen des Fingers über die Pads kann ebenso zu ganz besonderen Ergebnissen führen wie horizontales Pitch-Bending. In den Voreinstellungen könnt ihr das Verhalten der Pads von Push 3 im Detail justieren.

Besonders interessant für viele Leser, die Ableton Live nutzen, aber erst mal nicht Push 3 erwerben möchten, ist, wie sehr Ableton Live von Push 3 profitiert. Denn im Rahmen der Entwicklung wurden viele Instrumente und Presets grundsätzlich für das Spiel mit einem MPE-Controller optimiert. Hervorzuheben ist auch die Fähigkeit von Live’s Simpler, Slices aus Audiofiles mit Echtzeit-Pitch-Bending abzuspielen, ohne dass dies das Timing betrifft. Bei der Entwicklung dieses Features hatten die Ingenieure durchaus Push 3’s MPE-Pads im Sinn, die sich hierfür optimal eignen. So etwas kann noch nicht einmal Serato Sample als ausgewiesener Slicing-Spezialist.

Zudem könnt ihr in Live’s Simpler immer auch den Algorithmus für das Time-Stretching wählen, um das klangliche Optimum für Drums, mehrstimmige oder einstimmige Sounds herauszuholen. Auch die jüngste Optimierung der Transienten- und Timingerkennung für lange Files ist für Push wichtig, weil dort manche nachträglichen Edits etwas schwieriger machbar sind als am Bildschirm, doch auch Live profitiert davon.

Push 3 ist vor allem ein Instrument, mit dem ihr MPE Sounds spielen, Ideen sammeln und performen könnt. Das recht breite, aber nicht besonders hohe Display zeigt maximal acht Clip Slots in der Session View, nicht jedoch die Arrange Ansicht an. Das Komponieren in einer loopbasierten Clip-Ansicht ist für viele User Bestandteil des Produktionsworkflows geworden und wurde von anderen DAW’s kopiert (Bitwig, Logic und zuletzt sogar Pro Tools), ist aber dennoch nicht jedermanns Sache. Dass Push 3 Standalone nahezu exakt, aber nicht vollständig Ableton Live integriert (VST/AU Integration und Arrange-Ansicht fehlen), ist Fluch und Segen zugleich. Segen, weil ihr auf ein ausgereiftes System zurückgreifen könnt, das viele Wünsche bezüglich Sounddesign und Features abdeckt, so dass sich eine Einarbeitung wirklich lohnt. Fluch, weil keine rein an Hardwareworkflow-   oder Transportbedürfnissen orientierte Lösung entstanden ist. Ableton Live‘s Session Ansicht fehlt eine Option, Audiofiles an Taktpositionen ansteuern zu können, die sogar in Maschine oder Sonicware Smpltrek eingeführt wurde. Das ist in Live nicht schlimm, weil es die Arrangement Ansicht gibt, die Push Standalone fehlt. Da ist es fast schon konsequent, wenn nur Live Intro beim Kauf von Push 3 Standalone integriert ist und die Suite separat erworben werden muss. Freilich sind die Workflows von Push 3 als Controller im Zusammenspiel mit Ableton Live auf dem Computer im Studio gut und ausgereift.

Den Konkurrenten gegenüber vorbildlich ist auch, wie ihr Sounds zwischen Push 3 Standalone und dem Computer in Ableton Live austauschen könnt. Push taucht unter „Places“ ähnlich wie eine Festplatte auf. Allerdings ist hierfür eine WLAN-Verbindung nötig. Bemerkenswert ist auch, dass Push über ADAT I/O’s und zwei Pedal Stereo-Outs verfügt, die sich auch zur Steuerung eines Modularsystems nutzen lassen.

In gewisser Weise ist Push 3 Standalone ein wahr gewordener Musiker-Traum, um ohne Computer performen zu können. Andererseits ist Push 3 selbst ein Computer, vier Kilo schwer, durchaus sperrig und fährt langsamer hoch als mancher moderne und leichte Laptop. Im Schatten davon ist  Ableton Live en passant nochmal zu einer besseren DAW geworden, die im Markt auch aufgrund der Praxisorientierung, Firmenethik, Einfachheit und Benutzerfreundlichkeit eine führende Stellung einnimmt.

Bewertung: Gemischte Gefühle für ein State-of-the Art Produkt
Wo: https://ableton.com
Wieviel:
Push 3 Controller Version (inkl. Live Intro und 40 GB an Packs) ca. 950 €
Push 3 Standalone ca. 1950 € (akt. Sonderpreis: 1520 €)

Reason Objekt

Objekt ist ein Physical Modeling Synthesizer, der für mich auf der diesjährigen Superbooth eine der überzeugendsten klanglichen Entdeckungen war. Der Synth ist Teil der Reason-Software, die ihr benötigt, um den Objekt Synthesizer spielen zu können. Reason könnt ihr Stand-alone (als DAW) oder Reason Rack als VST/AU Plug-in (ohne Sequencer) in anderen Workstations wie Ableton Live, FL Studio oder Logic nutzen.

Reason war im Jahr 2001 eines der ersten Programme, das komplette Produktionen am Rechner ermöglich hat. Nicht nur das: Durch eine grafische Orientierung an Hardware mit Retro Charme (Instrumente und Effekte werden in einem Geräterack angeordnet) und rückseitigen CV/Gate Verkabelungsoptionen war Reason schon damals eine Software, die Workflows aus Modularsystemen aufgriff. Führend waren auch die Lösungen rund um Slicing und das Standardformat der Rex-Files. Die Erfinderfirma Propellerhead aus Schweden heißt mittlerweile Reason Studios.

Der Objekt-Synthesizer folgt grafisch und konzeptionell dem vertrauten Stil der Schweden, den ich auch heute noch gelungen finde. Ein wenig gewöhnungsbedürftig ist die relativ kleine, aber aufgeräumte Darstellung im Rack für User anderer DAW’s aber schon. Manche Features wie LFO’s, Curve Modulator, Macros oder die opulente Effektsektion mit EQ, Distortion, Compressor, Delay und Reverb können fast übersehen werden.

Klänge erzeugt ihr in den Bereichen Exciter, Modal sowie Objekt 1 und 2 und könnt sie in einem Mixer fein dosiert zusammenmischen. Im Modal-Bereich werden acht resonierende Filter von einem Signal angeregt. Dieses kommt aus dem Exciterbereich mit vielen einstellbaren Parametern, auch ein externes Audiosignal kann verwendet werden. Die Objekte 1 und 2 sind gestimmte Feedback-Delays im Karplus Strong Stil, die hier mit je acht Delay Lines arbeiten und ebenfalls ein eingehendes Signal verarbeiten, das vom Exciter, aber auch aus der Modal-Sektion kommen kann.

Auch ohne große Synthesekenntnisse könnt ihr spielend leicht gute Sounds programmieren. Für den Modal-Bereich und beide Objekte gibt es jeweils unabhängige Randomize Optionen – und vorgefertigte Templates. Unter „Modal“ findet ihr 15 davon – welche Bell, Bowl, Chimes, Chordal, Harp, Drawbar, Metal Bar, Tines oder Wood heißen. Die Liste der Templates für Objekt 1 und 2 zeigt je 25 Einträge, darunter verschiedene Varianten von Bell, Metal, Skin, String, Synthetic oder Wood. Die Namen der Einträge verraten euch schon, welche Arten von Sounds Objekt besonders gut produzieren kann. Doch wenn ihr mit einem „Init“ Setting startet oder solche Templates in unkonventioneller Weise kombiniert, können sehr leicht ganz neue Instrumente und Drumsounds mit recht natürlicher Klanganmutung entstehen, die ihr so zuvor noch nicht gehört habt. Das ist die größte Stärke von Objekt, der Synth ist beim Designen von Sounds freier konfigurierbar als andere Physical Modeling Synths. Dazu trägt auch noch die integrierte Modulationsmatrix im typischen Reason-Stil bei. Ich erinnere mich, dass mir auf der Superbooth gar ein Schwede flüsterte, dass künstliche Intelligenz bei der Klangerzeugung im Spiel sei. Dazu habe ich dann keine Infos gefunden, doch klingt der Objekt Synth so gut, dass es hätte wahr sein können. Die zahlreichen Presets klingen sehr gut und inspirierend.

Zusätzlich beeindrucken mich noch Drumkit-Presets, auch wenn Objekt selbst keine Kits im Sinne von unterschiedlichen Sounds pro Taste erzeugen kann. Reason 12 User finden aber in einem Combinator-Gerät sechs zusammengefasste Drumkits, die aus Objekt-Synth-Einzelsounds bestehen, fünf davon klingen akustisch, eines synthetisch. Vergleichbare Authentizität und klangliche Vielfalt von Drums habe ich von Physical Modeling Synths so noch nicht gehört. Zurecht wird Objekt daher vielerorts als bester neuer Reason-Synth seit langem gefeiert, der auch das Programm selbst attraktiver macht.

Bewertung: Ein Synth, der die Realität nachbildet – oder neu erfindet.
Wieviel: 110 € oder Rent to own (10 € monatlich)