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In seiner allmonatlichen Kolumne stellt Autor Heiner Kruse in kurzer, knapper Form bekannte und nicht so bekannte Soft- und Hardware vor, bei denen ein genauerer Blick in jedem Fall lohnenswert ist. Alle Hot Tools →

Qu-Bit Nautilus

Der amerikanische Hersteller Qu-Bit hat seinen Firmensitz in Meeresnähe im kalifornischen San Clemente. Ihre jüngste Schöpfung hört auf den Namen „Nautilus“, wobei das gleichnamige U-Boot aus Jules Vernes Roman „Zwanzigtausend Meilen unter dem Meer“ Pate stand. Inspiriert von frühen Eimerketten-Delays, Unterwasser-Kommunikation und Positionsschätzungen von Meereslebewesen durch Echos lädt Entwickler Andrew Ikenberry euch ein, neue Effekt-Pfade zu erforschen. Dabei beleuchten farbige Hintergrund-LED’s die auf dem Modul abgebildeten Pflanzenzweige in blau, weiß, grün, pink, orange oder knallrot. Farben wechseln, es blinkt passend oder wird heller und dunkler, wenn Pegel oder Parameter sich ändern. So könnt ihr auch ohne Display erkennen, was gerade passiert und eingestellt ist.

Das Unternehmen Qu-Bit überrascht die Modulargemeinde oft mit innovativen Konzepten wie zuletzt mit dem „Aurora“ Hall und bezeichnet das als „Future Coast“ Philosophie. Das Nautilusmodul ist ein für Einsteiger und Profis gleichermaßen interessantes Modul mit einem klaren Schwerpunkt auf „Delays“ plus ergänzende weitere Funktionen. Mit 14HP Breite braucht es etwas weniger Platz als die Delay-Mitbewerber. Es verfügt über Stereo Ein- und Ausgänge sowie acht (2×4 pro Kanal) interne Delay-Lines, die jeweils maximal 20 Sekunden Audiomaterial fassen können. Dank eines schnellen Prozessors sind hochkomplexe Ergebnisse möglich. Nautilus beherrscht Pitch-Shift Shimmer Echos ebenso wie verzerrte polyrhythmische und extrem kurze, tonale Delays. Einfache Synth-Melodien, Sequenzen oder Arpeggios könnt ihr schnell zu einem Klangteppich umwandeln, einfachen Drumloops mehr Leben einhauchen und dabei intuitiv mit zwei Händen an wenigen, griffigen Reglern schrauben. Ihr könnt auch ein Clock Signal von außen hineinführen oder das Tempo durch Nutzung der Tap Tempo Taste live einstellen.

Von einfacher Delayprogrammierung hin zu komplexen Ergebnissen

Der Resolution-Regler kontrolliert die Teilung oder Multiplikation des Tempos von 2 Takten bis zu einer sehr kurzen 1/512 Note. „Sensors“ fügt zusätzliche Delay-Lines hinzu, „Dispersal“ verändert die zeitlichen Abstände zwischen diesen. Zudem kann eine zunehmende Zahl an Delay-Lines via „Reversal“ rückwärts abgespielt werden. „Feedback“ bestimmt erwartungsgemäß die Anzahl der Echos – von einem bis hin zu unendlich vielen. Dabei verhindern laut Handbuch interne Schutzmessungen, dass Delays in Stellung „unendlich“ zu laut werden. Die Ergebnisse sind mit Absicht unvorhersehbar und die Regler beeinflussen sich zudem gegenseitig. Mit extrem kurzen Resolution-Settings könnt ihr hingegen völlig andere Klangcharakteristiken wie resonierende Delays entstehen lassen und dem Modul mit Feedback-, Pitch Shifted Down-Shimmer- (siehe unten) und anderen Dispersal- oder Sensors-Settings verschiedene tonale Klänge entlocken.

Besonders ist, dass mit einem voll aufgedrehten Feedback-Regler die Echos unendlich ausklingen, während ihr dabei Einstellungen verändern könnt, so dass neue rhythmische Muster entstehen. Ich hatte fast das Gefühl, dies seien algorithmisch erzeugte Wiederholungen, so kontrolliert wirkt das. Reglerbewegungen etwa am Chroma-Parameter werden aber auf jeden Fall erfasst und neu verarbeitet. Die Gesamtheit der Echovariationen kann, insbesondere bei längeren Delays und Feedbacks, auch als „algorithmisch erzeugte Echo-Topographie“ begriffen werden.

Die Echos können außerdem mit einem Freeze-Button dauerhaft festgehalten oder via  Purge-Taster schnell gelöscht werden. Letzteres fand ich sehr nützlich, um musikalische Themen zu wechseln und etwas Neues zu beginnen, etwa, wenn man auf eine andere Tonhöhe wechseln und ausklingende Echos loswerden will. Ein solches Feature ist anderswo selten zu finden. Was die Freeze-Funktion genau festhält wird von der Clock-Rate und der Resolution-Einstellung bestimmt. So kann Nautilus zu einer Art Beat Repeat Maschine mutieren, wenngleich sich dafür der „Data Bender“ aus gleichem Hause besser eignet, aber immerhin.

Ihr könnt auch zwischen verschiedenen Delay-Typen wählen. „Faded“ reagiert ohne Tonhöhenveränderungen, „Doppler“ mit solchen auf Änderungen der Delayzeiten. Anderswo heißt so etwas „digitales vs. analoges Delay“. Die „Shimmer“-Delays transponieren hingegen das „wet“ Signal. Voreingestellt geschieht das um eine Oktave nach oben oder unten, doch in der Konfigurations-App (siehe unten) kann jeder beliebige Halbtonwert eingestellt werden. Es gilt dabei zu bedenken, dass sich Pitch-Shift Effekte steigern, wenn das Signal via Feedback in den Effekt zurückgeroutet wird. Das klang bei nach oben transponierten Pitch-Shift-Echos manchmal weniger gut, bei den nach unten gehenden Varianten hingegen oft fantastisch. Ihr könnt auch zwischen vier Feedback-Styles wählen, die Rhythmus und Stereobild unterschiedlich verändern.

Mit dem Chroma-Regler stellt ihr die „Beschaffenheit von aquatischem Material ein“. Gemeint sind Verfremdungen durch verschiedene Filter oder Effekte im Signalfluss. Diese sind in Nautilus besonders prägend für das klangliche Ergebnis. Wieder interagieren dafür zwei Regler: Chroma wählt den Effekt und Depth dessen Intensität. Dreht ihr den Chroma Regler von der sieben-Uhr-Stellung im Uhrzeigersinn, ruft ihr nacheinander und knacksfrei verschiedene Effekte auf. Was eingestellt ist, zeigt euch die Farbe der Beleuchtung. „Oceanic Absorption“ ist ein unaufdringlich unresonant klingendes Vier-Pol-Tiefpassfilter, „White Water“ ein ebenso dezentes Hochpassfilter. Gut geeignet als Ausgangsmaterial für Verfremdungen mit länger ausklingenden Delays sind langsam spielende Sequenzen mit kurzen, perkussiven Synth-Sounds in verschiedenen Tonhöhen oder auch Gesang. Wenn ich den Tiefpassfilter als „Chroma“-Effekt eingefügt habe, blinkte das Modul dabei dunkelblau und es kam das versprochene Unterwasserfeeling auf. Ich hätte mir noch ein Bandpassfilter gewünscht, um klassische, nach hinten verschwindende Echos zu erstellen oder etwa ein leichtes Knacksen wegzufiltern, das sich manchmal bei der Entstehung von Echos bemerkbar macht. Die weiteren Modi bieten digitale Artefakte, einen warmen Soft Saturator, bei dem die Zweige gelborange leuchten, einen Wavefolding Effekt oder den „SOS“-Modus. Hier bekommt ihr extremste Verzerrungen, wobei die Lampen krass in rotorange aufleuchten.

Es gibt zum Glück nur wenige versteckte Zweitfunktions-Optionen, hier nenne ich eine davon: Dreht man den „Dispersal“-Attenuator bei gedrücktem Tap Tempo Button, lässt sich die Eingangsempfindlichkeit einstellen. Weil in den Input auch deutlich leisere Signale mit Line-Pegel geleitet werden können und Nautilus sich so als Verstärker nützlich machen kann, entfällt dann die Notwendigkeit eines Input-Moduls. Das ist ein Grund mehr, warum sich Nautilus durchaus auch als erstes Modul und Einstieg in die Eurorack-Welt eignet.

CV Ins und App

Nautilus verfügt über neun CV-Eingänge. Für „Dispersal“ und „Feedback“ sind links und rechts zwischengeschaltete „Attenuverter“ zu sehen, welche eingehende Modulationen abschwächen, invertieren und skalieren können. Über eine App lassen sich diese auch anderen Zielen zuweisen. Weitere konfigurierbare Optionen dort betreffen das Verhalten beim Wechsel von Delay-Modi, bei der Nutzung der Freeze-Funktion sowie den Ausgang am „Sonar“-Ausgang. So kann Nautilus beispielsweise als Master-Clock dienen, die das mit Taps eingespielte Tempo ausgibt, oder es kann durch abgestuft ausgegebene Spannungen die Tonhöhe eines Oszillators auf Basis der Delay-Topografie ansteuern. Praktisch: Ein kompakter, unten aufsteckbarer USB-Drive wird mitgeliefert, um alternative Settings oder Firmwares leicht aufspielen zu können.

Fazit

Qu-Bit überzeugt mit einem weiteren, innovativen Modul. Die Reise durch Delaywelten mit dem Nautilusmodul ist ein Soundabenteuer, auf das sich eure Ohren freuen können. Ihr solltet Zeit mitbringen und gut hinhören, um „Sweet Spots“, also Einstellungen, bei denen es besonders gut klingt, zu finden und offen für Überraschungen sein – typisch Eurorack. Unter https://tinyurl.com/2af4pamk findet ihr auch ein kleines selbstgemachtes Video (in englischer Sprache) mit Sounddemos.

Bewertung:
Next Level Creative Delay Machine

Wo:
https://schneidersladen.de
https://thomann.de

Wieviel:
449,- € UVP