In seiner allmonatlichen Kolumne stellt Autor Heiner Kruse in kurzer, knapper Form bekannte und nicht so bekannte Soft- und Hardware vor, bei denen ein genauerer Blick in jedem Fall lohnenswert ist. Alle Hot Tools →
Sonicware Smpltrek
Auf der Suche nach einer kompakten Sampling-Workstation ist Sonicware Smpltrek ein heißer, neuer „Kandidat“ und Geheimtipp. Die japanische Firma Sonicware hat schon einige Geräte für mobile Musikproduktion auf den Markt gebracht. Es begann mit dem ELZ-1, einem „Gadget“, das mit Pete Townshend von „The Who“ einen unerwarteten Fürsprecher fand und Parallelen zu Teenage Engineering’s OP-1 aufwies. Es ging weiter mit der „Liven“ Serie (etwa „Liven Beats & Bass“, siehe Hot Tools 05/22). Und jetzt kommt „Smpltrek“, ein mobiles Produktionsstudio mit Sampler und Live-Performance-Features. Hätte man diese kleine Kiste in den 80er-Jahren Studio-Ikonen wie Trevor Horn oder Peter Gabriel in die Hand gedrückt, sie hätten das Gerät vermutlich zum Zentrum ihres Setups gemacht – oder wären vorher in Ohnmacht gefallen.
Smpltrek fand via Kickstarter viele Abnehmer, ist mittlerweile auch hierzulande im guten Handel erhältlich und interessanter denn je, denn viele früher geäußerte Kritikpunkte sind in der aktuellen Version beseitigt worden. Aktuell könnt ihr mit dem Gerät vier Drum-Tracks und vier Instrumenten-Tracks gleichzeitig betreiben. Kurz vor Redaktionsschluss erhielt ich das 1.4 Update mit Workflow-Verbesserungen und der Option, Instrumente schnell wechseln zu können.
Anschlüsse, Autarkie, Audio-Interface
Smpltrek besitzt zwei Klinken-Eingänge, um ein dynamisches Mikrofon, eine E-Gitarre oder Line-Signale in mono und stereo, wahlweise auch via USB, aufzunehmen. Auch ein Resampling mit internen Effekten ist immer besser möglich. Im ersten Test klang alles überraschend gut (ein Beispielvideo findet ihr auf sound.report). Mit dem durchaus verwendbaren internen Mikrofon, dem kleinen internen Speaker und sechs eingelegten AA Batterien könnt ihr auch loslegen, wenn sonst nichts angeschlossen ist. Sonicware legt Wert auf „Autarkie“. Smpltrek besitzt zudem auch eine Audio-Interface-Funktionalität. Der interne Sequencer arbeitet mit Loop-Slots und Scenes. Ihr könnt Smpltrek auch als eine Art reduzierte Hardwareversion von Ableton Live oder NI Maschine mit 16 Szenen, Clips und 13 Spuren (davon sind drei „global“) betrachten. Man nimmt auf den verschiedenen Spuren Clips auf, die in Szenen mit einstellbarer Länge, Taktart und Repeats zusammengefasst sind. Für schnelle Workflows gibt es 15 anschlagsempfindliche Pads, 16 nummerierte Buttons (zum Beispiel für Szenen und Step Sequencing) und viele weitere Taster, gerastete Endlosdrehregler und eine Art Fadenkreuz-Navigationssystem („Direction“-Tasten). Das integrierte 1,5 Zoll Display hilft bei der Bedienung enorm und zeigt fast immer an, welche Optionen es gibt.
Smpltrek unterscheidet zwischen Loop-, Shot-, Instrument-, Drum (Kit)- und MIDI-Spuren. Die „Shot“ Tracks ermöglichen das Live-Triggering von Samples oder deren Anordnung in einer internen, vorprogrammierten Sequenz. Das kann sinnvoll sein, wenn eine Kick separat mit Effekten bearbeitet werden soll, was in einer Drum Kit Spur nicht geht. In einer Sequenz positionierte Samples könnt ihr in den Shot-Tracks weitere Settings „per Step“ verpassen. Die globalen Tracks (leider nur mono) können unabhängig von Szenen im Arrangement „durchlaufen“ werden, etwa für Vokalaufnahmen. Ein ähnliches Konzept kenne ich von NI’s Maschine. Ihr könnt akustische Live-Performances in Clip-Slots aufzeichnen oder sampeln. Aufnahmen lassen sich nachträglich, etwa in Loop-Tracks, auch ohne Tempoänderungen transponieren Tempoanpassungen in Echtzeit klappen hingegen nicht. Stattdessen sind destruktive Edits von Samples mit Timestretching möglich. So oder so sind freilich Artefakte zu hören.
Holprige Anfänge eines tollen Produktkonzepts
Es gibt in Smpltrek einerseits viel mehr Möglichkeiten als bei einem einfachen Recorder oder Sampler, andererseits Stolpersteine beim ersten Kontakt mit dem Gerät. Die Einarbeitung lohnt sich aber und es gibt viele durchdachte Problemlösungen für Anwendungsfälle.
Ich musste erst mal verstehen, dass ich eine eingelegte SD-Karte, obwohl ich mit dieser bereits arbeiten konnte, nochmal vom Gerät formatieren lassen soll, um an „Factory Contents“ wie Drumkits und Samples heranzukommen. Es gibt zudem versteckte, aber sinnvolle Einstellungen wie ein automatisches Deaktivieren des Lautsprechers, wenn vom internen Mikro aufgenommen wird, um Rückkopplungen zu vermeiden. Das ist doppelt relevant, denn das Gerät will euch, als Sänger oder Instrumentalist live zu dem, was es abspielt, performen lassen, indem die Aufnahmequelle, etwa das interne Mikro, in den Mix geroutet ist. Hierfür schaltet ihr die Quelle mit dem „Ext Source“ Pad wie einen Track an und aus. Ähnlich könnt ihr ein via USB eingehendes Signal (auch von einem Smartphone) über das „USB Audio“ Pad in den Mix routen und umgekehrt. Zudem könnt ihr eure Performance via Smartphone und USB direkt an den Rest der Welt streamen.
Projekt-Basics
In einem neuen Projekt müsst ihr euch in der „Home“ Ansicht mit den Richtungs-Buttons erst genau auf einen Clip-Slot bewegen, bevor ihr dort Inhalte eines Tracks mit Pads spielen oder einen Clip aufnehmen könnt. Beim Laden von Drum-Kits und Instrumenten ist es mit dem neuesten Firmware-Update möglich, Samples im Ladedialog probezuspielen. Zudem könnt ihr spielerisch zwischen Echtzeitaufnahme und Step Recording wechseln. Im Display seht ihr nach der Aufnahme getriggerte Steps. Ihr könnt mit den Richtungstastern zu Noten/Drumsounds und Steps navigieren und durch Drücken von Pads Steps löschen oder neu einfügen. Mit den 16 nummerierten Buttons über den Pads, die bei aktiven Steps rot leuchten, lässt sich sogar mit klassischer Lauflichtprogrammierung arbeiten. Die Kombination aus Realtime und Step-Recording und -Editing klappt im Test nicht nur gut mit Drums, sondern auch, wenn man mit Instrumenten-Tracks arbeitet.
Per Step im Drum-Track können Automationen wie Send Level, Velocity, Volume und MicroTiming vorgenommen werden. Send-Level-Automationen gelten dann per Step, aber fürs ganze Kit. In Shot Tracks mit Sequence-Mode könnt ihr hingegen Send-Levels und sogar Pitch-Settings per Step auch einem speziellen Sample zuweisen.
Klangeinstellungen gibt es vergleichsweise wenige, für einfache Envelope-Edits von Drums musste ich gar ein neues Kit speichern. Dafür könnt ihr bei laufendem Pattern Kits (und seit Version 1.4 auch Instrumente) austauschen und probehören. „Instrumente“ werden aus einem einfachen Sample gebaut. Smpltrek ist mehr aufs „Musizieren“ ausgelegt.
Sampling und Pegel
Gut gefällt mir auch, dass auf verschiedenen Screens immer noch eine Pegelanzeige zu sehen ist. So machen Sampling und Audioaufnahmen Spaß. Das suche ich anderswo vergeblich. Auch sind zwei dezidierte kleine Knöpfe zum Aussteuern des linken und rechten Eingangssignals unter dem Lautsprecher angebracht, so dass ihr schnell eine Aufnahme einpegeln könnt, ohne in Menüs tauchen zu müssen. Smpltrek speichert Aufnahmen als Wav-Dateien, die sich leicht von der SD Card überall hin transferieren lassen. Samples könnt ihr beim Editing durch einfache Definition von BPM und Taktlänge schnell mit der richtigen Länge für einen Loop schneiden – das finde ich ein wertvolles und anderswo vermisstes Feature. Via manuellem oder automatischem Slicing könnt ihr auch schnell ein neues Drum-Kit bauen. Natürlich könnt ihr eigene Samples und sogar smf-Midi-Files importieren.
Mixer, FX, Resampling und Audio Export
Ein Klick auf die Mixer-Taste zeigt die vier wichtigsten Settings pro Track. Ihr könnt jeden Track direkt mit einem Track Button auswählen oder an- und ausschalten, und die vier Parameter Level, Pan, FX Send und EQ oder sogar gleichzeitig mit bereits zugewiesenen Endlosencodern verändern. So könnt ihr dem angeschlossenen Input oder einer USB-Soundquelle Hall verpassen. Smpltrek besitzt eine gute Allround-Effektauswahl mit den wichtigsten gängigen Effekten. Beim Ausprobieren wussten der druckvolle Sound des Compressors oder eine leicht modifizierte Version des „Cassette“ Effekts ebenso zu gefallen wie Hall und Delay-Effekte oder Flanger und Chorus. Ihr könnt einen Insert Effekt, einen Send-Effekt und einen Master-Effekt aktivieren. Immerhin gibt es pro Spur ja noch einen eigenen, wenn auch etwas versteckten, EQ (mit Filteroptionem wie Hoch- und Tiefpass) und Send. Die Prozessorleistung ist also begrenzt, doch das „Resampling“ von per Insert-Effekt versehenen Tracks oder dem Master ist mit der aktuellen Version sehr gut möglich. Es gibt sogar eine Audioexportoption, um den Mixdown oder in einem Rutsch die individuellen Tracks zu exportieren. Das ist superb. Auf meiner Website sound.report findet ihr ein Video, in dem ich euch Smpltrek vorstelle.
Bewertung: Sampler und Loopstation für Profis
Wo: Thomann, Sonicware.jp
Wieviel: 559,- Euro (UVP)
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