In seiner allmonatlichen Kolumne stellt Autor Heiner Kruse in kurzer, knapper Form bekannte und nicht so bekannte Soft- und Hardware vor, bei denen ein genauerer Blick in jedem Fall lohnenswert ist. Alle Hot Tools →
Mit Hilfe der UVI IRCAM Prepared Piano 2 Library für UVI’s Falcon oder den kostenlosen UVI-Player könnt ihr Sounds eines Prepared Pianos in einem Sampler nutzen. Bei präparierten Klavieren werden typischerweise alle möglichen Gegenstände auf oder zwischen den Saiten eines Flügels platziert oder Saiten auf besondere Weise zum Schwingen gebracht.
Das Konzept wurde durch den Komponisten John Cage und sein Prepared Piano vor mehr als 80 Jahren berühmt. Komponisten suchten zu dieser Zeit mitunter nach Wegen der Verfremdung der damals verfügbaren Klänge. Dies geschah durchaus bereits in Erwartung elektronischer Musikinstrumente, die es noch nicht gab. Zum Beispiel wollte man Pianos auch mal perkussiver klingen lassen. Doch auch nachdem elektronische Tools verfügbar waren, blieben die Sounds von Prepared Pianos attraktiv, auch für John Cage, der weiter damit komponierte. In der jüngeren Vergangenheit wurden solche Instrumente beispielsweise von Künstlern wie Aphex Twin oder Deine Lakaien benutzt.
In UVI’s IRCAM Prepared Piano 2 könnt ihr euch selbst ein individuell verändertes Klavierinstrument auf Basis eines in den IRCAM Labs in Paris aufgenommenen Yamaha C7 Flügels konfigurieren. Denn für jede einzelne Taste könnt ihr (microtonales) Tuning, Volume und Preparations einstellen, wobei ihr aus 45 Variationen wählen und zwei davon durch Soundlayering gleichzeitig einsetzen könnt. Auch für das zweite Layer sind Tuning und Volume dann justierbar. Verfremdende Elemente (wie: Paper, Eraser oder Screw & Nut) werden mit Varianten der Saitenanregung (wie: normal, Stick, Pick, Mallet) in der UVI Library auch mal als Preparation kombiniert und heißen dann zum Beispiel Eraser Mallet oder Eraser Stick. Beim Editieren helfen zahlreiche Zufalls-, Link- und Kopierfunktionen.
Die erste Version der Library wurde seinerzeit übrigens in Heft 11/2013 getestet. Die zweite Version profitiert jetzt von neuen Falcon-Effekten und Tools, etwa in Form eines dynamischen Arpeggiators oder des Rain Arps. Letzterer erzeugt für 12 Noten einer Oktave jeweils eine individuelle Rhythmussequenz, wobei Schläge unterschiedliche Velocities aufweisen können. Eine gespielte Taste kann also nicht nur ein Intervall aus zwei Tönen auslösen, sondern auch eine Sequenz – und das völlig unabhängig vom Nachbarton der Klaviatur.
Version 2 der Library bietet auch viele gut programmierte neue Presets, die euch das Potenzial direkt optimiert an die Hand geben. Ihr findet auch ein an Cage’s gleichnamige Komposition angelehntes „Bacchanale“ Preset oder eine „Animated“ Kategorie, hier wurden die beiden Arpeggiator gut eingebunden. Außerdem bietet die Effektsektion sechs gut klingende Effekte.
Was könnt ihr davon klanglich erwarten und was nicht? Die vielen Dimensionen des Spiels mit einem akustischen Instrument sind bei so einem präparierten Instrument noch schwerer zu erfassen als bei einem „normalen“ Flügel. Im Idealfall müsste man jede Bearbeitung jeweils mit vielen verschiedenen Anschlagstärken oder Variationen aufnehmen. Genau das ist teilweise auch geschehen und es gibt viele Einstellmöglichkeiten, wie etwa für globale Parameter. Mit einer akustischen Performance, die jedes Mal ganz anders klingt, kann eine Library naturgemäss aber nur begrenzt konkurrieren, im Detail vermisse ich insbesondere sanfte „Felt“-Anschlagstärken ein wenig. Sicherlich liefern euch die auf knapp 6 GB verteilten 12.000 Samples aber zahlreiche unterschiedlich, eigenwillig und immer wieder anders akustisch klingende Klangexperimente in vielen Nuancen. Die metallisch klingenden „Coin“ oder „Screw“ Preparations gefallen mir dabei besonders gut. Ob es wirklich sein musste, nun auch ein iPhone auf die Saiten zu legen, sei dahingestellt. Das Ergebnis klingt für mich wie eine Art Honky Tonk Piano. Mit den „Bow“ oder „E-Bow“ Preparations und einstellbaren Hüllkurven werden auch schöne, weiche Flächenklänge möglich. Mitunter fände ich es besser, wenn beim Wechsel zwischen Presets nicht stets über 6000 Keygroups neu geladen werden müssten (auch wenn dies via SSD schnell geht), sondern stattdessen „Snapshots“ wie etwa in Kontakt aufgerufen würden, welche nur die Settings wechseln, ohne die Samples austauschen zu müssen.
Die Sounds der UVI IRCAM Prepared Piano 2 Library lassen sich sehr gut für ausdrucksstarke Filmmusik einsetzen – aber natürlich auch für besondere Kompositionen, denen ihr eine avantgardistische, akustische Note verleihen möchtet.
Bewertung: Als Instrument und FX einsetzbares akustisches Sounddesigntool
Wo: https://uvi.net
Wieviel: 300 Euro oder im Sonicpass-Abo für 24 Euro/Monat, 240 Euro/Jahr
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