Wider dem gefährlichen Halbwissen
Ein Nachtrag zur Raumakustik: Wir haben den GIK Acoustics-Experten Lukas Rimbach mit einigen noch offenen Fragen zum Thema gelöchert und spannende Antworten erhalten.
Von Sylvie Frei (Fotos: GIK Acoustics)
Nachdem wir uns in der letzten Ausgabe (Professional audio 8/2016) mit dem Schwerpunkt-Thema Raumakustik befasst haben und im Rahmen der Workshops auf die Do-it-Yourself-Möglichkeiten zur akustischen Optimierung von Aufnahmeräumen sowie auf das Gestalten einer optimalen Abhörumgebung eingegangen sind, wollen wir diesmal einen Hersteller von professionellen Akustikmodulen zu Wort kommen lassen. Lukas Rimbach ist Raumakustikexperte und arbeitet für den US-amerikanischen Hersteller GIK Acoustics, der unter anderem auch in Deutschland eine Zweigstelle besitzt. Mit seiner langjährigen praktischen Erfahrung stand uns Rimbach im Interview Rede und Antwort und vertritt unter anderem die sympathische Meinung, dass man Raumoptimierung auch ohne die Grundlagen eines Physikstudiums effektiv betreiben kann. Dennoch warnt er vor gefährlichem Halbwissen.
„Wir wollen Raumakustik verständlich und nachvollziehbar für alle Anwender vermarkten.“
? Herr Rimbach, GIK Acoustics wurde schon vor 12 Jahren gegründet, können Sie uns ein wenig über die Firmengeschichte und das Unternehmens-Konzept berichten?
! Das Unternehmen wurde 2004 von Glenn Kuras in Atlanta gegründet. Er selbst war Musiker und ist durch die üblichen Umwege zum Thema Raumoptimierung gekommen. Nach einigen Experimenten hat er GIK Acoustics ins Leben gerufen und angefangen, die ersten Produkte zu vertreiben. Einige unserer heutigen Module basieren noch immer auf diesen ersten Prototypen. Im Jahr 2009 wurde bereits ein weiterer Firmensitz im englischen Bradford eröffnet, um europäische Kunden besser beraten und auch beliefern zu können. Dieser wird von David Shevyn geleitet.
Von Anfang an war es unser Anliegen, Raumakustik verständlich und nachvollziehbar für alle Anwender zu vermarkten. Ein großer Schwerpunkt liegt seit Anbeginn auf der Vermittlung von Hintergrundwissen auf eine einfache Art und Weise. Wir versuchen in unseren Artikeln und Videos, welche wir auf unserer Homepage (www.gikacoustics.de) bereitstellen, einen starken Fokus auf die praktische Anwendung zu legen und weniger auf theoretisches Wissen zu setzen, soweit dies möglich ist. Außerdem haben wir schon immer Kunden unterstützt, die ihre Module selbstbauen wollten und vertreiben deshalb auch diverse – Bau-Materialien dafür.
„Wir arbeiten nur mit umwelt- und gesundheitsverträglichen Materialien und beraten unsere Kunden kostenfrei.“
? Es gibt auf dem Markt einige sehr gut aufgestellte Anbieter für Akustikmodule und Akustikberatung. Wie hebt sich GIK Acoustics von der Konkurrenz ab?
! Zuerst einmal sollte man klären, von welcher Art Unternehmen wir sprechen. Da stehen auf einer Seite die Firmen, welche sich auf die Planung und den Studiobau spezialisiert haben und auf der anderen Seite diejenigen, die Akustik-Module herstellen. Natürlich gibt es da Schnittmengen und einige Firmen planen den kompletten Bau und verkaufen gleichzeitig auch die Module, die sie für diesen Zweck herstellen. Wir sind ein Hersteller von Akustikmodulen, der gleichzeitig kostenfrei berät. Natürlich ist das eine andere Art von Service, jedoch würde ich behaupten, dass wir in diesem Bereich sehr versiert sind und über eine Menge Hintergrundwissen verfügen, welches andernorts so eventuell nicht vorhanden ist.
Was unsere Produkte betrifft, heben wir uns sehr deutlich von der Konkurrenz ab. Wir benutzen grundsätzlich nur umwelt- und gesundheitsverträgliche Materialien. Außerdem nutzen wir keine Schaumstoffe, da diese nicht genug Absorptionskraft für tiefen Frequenzen aufweisen und deshalb nie eine ausgewogene Wiedergabe über den gesamten Frequenzbereich leisten können. Außerdem versuchen wir unsere Produkte zu möglichst günstigen Preisen anzubieten, was wir unter anderem durch den Direktvertrieb realisieren. Ein guter Indikator für die Effektivität unserer Produkte sind die unabhängig erstellten Messergebnisse. Wir geben jedes unserer Produkte zum externen Test an eine von zwei mit uns kooperierenden Universitäten, um abzusichern, dass wir vertrauenswürdige Messergebnisse vorweisen können.
„Die Wichtigkeit der Raumakustik für die Musikproduktion wird noch immer unterschätzt.“
? Haben Sie hauptsächlich professionelle Kunden oder sind mittlerweile auch vermehrt Homerecordler und Privatpersonen bereit, für eine professionell optimierte Raumakustik Geld auszugeben?
! Das ist ein interessanter Punkt. Gerade für den Interessenten in Deutschland lohnt sich da ein Blick über den Tellerrand. Unsere Produkte finden Anwendung in ein paar der renommiertesten Studios der Welt, unter anderem Austin City Limits oder Studio DMI in Las Vegas – dem Studio von Luca Pretolesi – um nur zwei Namen zu nennen. Wir beraten und beliefern aber generell eine bunte Mischung von Kunden aus allen Bereichen. Wir arbeiten mit Homestudios, großen kommerziellen Studios, Firmen aus dem Bereich Post Production, Hifi-Räumen, Restaurants, Auditorien, Konferenzräume, eigentlich allen Bereiche, in denen Akustik relevant ist. Um die Frage zu beantworten: Ja, immer mehr Semi-professionelle und Hobbyisten sind bereit Geld für ihre Akustik auszugeben. Eigentlich ist das auch nur logisch, denn der Raum, in dem ich arbeite, ist eine der wichtigsten Faktoren für die Musikproduktion. Das ist ein Faktor, der meinem Empfinden nach noch immer stark unterschätzt wird.
? Welche Ihrer Produkte sind am meisten gefragt und warum?
! Momentan ist es vermutlich die Alpha Series, welche Diffusion mit Absorber-Modulen vereint. Es gibt natürlich auch andere Hersteller, die eine Kombilösung anbieten. Bisher gab es aber nur Produkte, die auf Schaumstoff basieren. Unsere Alpha Series ist die erste derartige Produktreihe, die je nach Typ bis zu 60 Herz und tiefer absorbiert. Das ist meines Wissens bislang einmalig auf dem Markt.
Davon abgesehen sind es tatsächlich immer noch die Basics wie Breitbandabsorber, die 242 Akustikwand oder 244 Bassfalle, Eckbassfallen, wie unsere Tri-Trap und dergleichen, die hohen Anklang finden. Im professionelleren Bereich werden oft unsere gestimmten Bassfallen aus der Scopus Serie und auch unsere Diffusoren angefragt, um bereits gebaute Räume zu verbessern.
? Gibt es ein bestimmtes GIK-Produkt, das sonst kein anderer Hersteller in dieser Form anbietet?
! Es gibt einige Module die auf jeden Fall in Sachen Performance und Preis-Leistung herausstechen. Wie bereits erwähnt die Alpha Series, aber auch unsere Soffit Eckbassfalle, die sehr stark absorbiert und bis zu 40 Hertz und tiefer reicht. Wirklich einzigartig ist aber unser Evolution PolyFusor, ein Poly-Diffusor gefüllt mit Absorptionsmaterial, welcher so auch im tieffrequenten Bereich absorbiert. Poly-Diffusoren sieht man generell heutzutage selten, obwohl sie großartig sind.
? Welche Maßnahmen empfehlen Sie für einen kleinen, welche für einen größeren Aufnahmeraum?
! Aufnahmeräume sind eine sehr spezielle Angelegenheit. Hier geht es oft mehr um subjektive Präferenzen als um einen linearen Frequenzgang. In einem großen Raum würde ich sehr viel mit Diffusion arbeiten, oft kombiniere ich verschiedene Arten von Diffusoren um unterschiedliche Zonen im Raum zu erzeugen. Je kleiner der Raum ist desto mehr Absorption kommt auch ins Spiel, vor allem auch Bassfallen. Kleine Räume tendieren sonst dazu zu dröhnen und unsauber in den unteren Mitten zu klingen. Es spielen aber immer viele Faktoren eine Rolle, weshalb derartige Fragen schwierig allgemeingültig zu beantworten sind.
? Welche Faktoren sind bei einem Abhörraum bzw. einer Studioregie zu beachten?
! Ich breche das ganze gerne in drei Bereiche auf. Der erste Bereich ist die reflexionsfreie Abhörposition. Hierzu müssen Erstreflexionspunkte an den Seitenwänden und der Decke behandelt werden. Meistens würde ich mit Absorption arbeiten. Auch die Rückwand hinter dem Abhörplatz spielt hierbei eine Rolle. Diese geht aber auch schon in den zweiten Bereich, nämlich die Basswiedergabe, über. Die Rückwand ist häufig für viele Bassprobleme verantwortlich, weshalb ich hier meist mit einer Kombination aus starken Bassfallen und Diffusion arbeite. Natürlich sind die Raumecken mindestens genauso wichtig für den Bassbereich. Hier müssen starke Bassfallen installiert werden um den Bassbereich des Raums in den Griff zu bekommen. Es können abgesehen von den vier Raumecken auch die Ecken zwischen Decke und Seitenwand oder Boden und Seitenwand behandelt werden. Der dritte und letzte Bereich sind die hinteren Seitenwände sowie die Frontwand. An den hinteren Seitenwänden arbeite ich je nach Raumgröße mit Diffusion oder einer Kombination aus Diffusion und Absorption. An der Frontwand bleibt es meist bei Bassfallen hinter den Lautsprechern, da sich nur tieffrequente Schallwellen um die Boxen herum biegen.
„Zum Thema Raumakustik kursiert viel gefährliches Halbwissen.“
? Viele von uns haben ein mehr oder weniger ausgeprägtes Halbwissen zum Thema Raumakustik. Zu welchen akustischen Themen herrscht am meisten Aufklärungsbedarf?
Eigentlich zu allen, die Fülle an Mythen und falschen Informationen im Internet ist immens. Es ist oft erschreckend, was für gefährliches Halbwissen in Foren und auf anderen Plattformen verbreitet wird. Als Kunde sollte man sich vor allem mit Materialien beschäftigen. Wenn man sich einmal anschaut, wie seit Dekaden Studios gebaut werden, wird schnell klar, welche Produkte Sinn ergeben und welche eben nicht. Grundsätzlich neigen viele Quellen dazu, wenn es um Raumakustik geht, in physikalischer Theorie und Formeln zu versinken. Das schreckt natürlich ab. Wir versuchen diese Dinge so gut wie möglich auszuklammern. Man kann durchaus an der Akustik eines Raums arbeiten, ohne Physik zu studieren. Jedoch ist dies vermutlich der Grund, warum sich viele nicht mit der Thematik beschäftigen wollen.
? In welchen Fällen empfehlen Sie Tonschaffenden, sich professionelle Hilfe für die Verbesserung der Raumakustik zu suchen?
! Ein Unternehmen wie uns zu kontaktieren, welches Module herstellt und kostenfrei berät, würde ich immer empfehlen, wenn man eine Investition plant. Es kann ja am Ende des Tages nicht schaden. Ein Akustikbüro würde ich nur beauftragen, wenn auch bauliche Maßnahmen durchgeführt werden sollen. Da lohnt sich diese tatsächlich kostspielige Investition immer. Ohne fachliche Kompetenz drauf los zu bauen ist keine gute Idee.
? Viele Konzertsäle und Studios sind bekannt für ihre besonders gut klingenden Räume. Welche Faktoren lassen einen Raum überhaupt gut klingen? Sind es die Ausmaße, die Architektur, die Oberflächen und Materialien oder die Einrichtung? Womöglich alles zusammen?
Wissenschaftlich betrachtet kommt es sehr vereinfacht auf zwei Dinge an: Zum einen den Frequenzgang des Raums, also wie hoch sind die Unterschiede in der Wiedergabe verschiedener Frequenzen im Raum bezogen auf die Lautstärke. Zum anderen die Auskling- oder Nachhallzeiten, also wie lange der Raum bei einer bestimmten Frequenz nachklingt. Gerade die Nachhallzeiten sind ein sehr subjektives Thema und hängen auch stark von der Art des Raums und dem Verwendungszweck ab. Beeinflusst werden diese Faktoren sowohl von den Dimensionen, der Geometrie als auch von den verwendeten Materialien. Das spielt alles zusammen: Ein Raum mit gleichen Maßen und gleicher Geometrie wird mit Stahlbetonwänden völlig anders klingen als mit Holzwänden. Einrichtung spielt natürlich auch eine große Rolle, vor allem bei Regie- oder Hörräumen sind die richtige Positionierung und eine symmetrische Einrichtung essenziell.
? Bei welchen räumlichen Gegebenheiten würden Sie einem Kunden empfehlen, eher einen anderen Raum zu nutzen, als sich bei der Optimierung eines von vorne herein sehr ungünstigen Raums zu verausgaben?
! Grundsätzlich kann fast immer etwas getan werden um die Situation zu verbessern. Man muss dem Kunden dann nur einfach vermitteln, wo die Grenzen liegen und was realistisch zu erwarten ist. In ganz extremen Fällen, sagen wir bei einem sehr kleinen oder asymmetrischen Raum, rate ich den Kunden dazu, sich einen anderen Raum zu suchen, wenn dies eine Option ist. Hat ein Kunde also z.B. einen zwei Meter langen, zwei Meter breiten und zwei Meter hohen Raum, wäre das so ein Fall.
! Wir bedanken uns für das Interview und wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg.
Mehr Informationen finden Sie unter:
www.gikacoustics.de
Erschienen in der Ausgabe 09/2016
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