Von Golf über Psychobilly zum Pop
Abseits von der medialen Aufmerksamkeit aktuell angesagter Musiker, gibt es auch bemerkenswerte Karrieren von Musikschaffenden hinter den Kulissen des Musik-Business, die nicht minder atemberaubend und wendungsreich sind. Einer dieser Shooting-Stars ist Daniel Flamm, der als Songschreiber für Udo Lindenberg und Christina Stürmer zurzeit mächtig durchstartet.
Von Georg Berger
Der Gebrauch abgedroschener, weil inflationär eingesetzter Schlagworte und Superlative ist immer sehr knifflig und besitzt leicht einen schalen Beigeschmack. Betrachtet man aber die wechselhafte Vita und die Karriere von Daniel Flamm, dann lässt sich dies nicht anders als mit den Schlagworten „Shooting Star“ und „Wunderkind“ umschreiben. Der 29-jährige Flamm kann auf ein turbulentes letztes Jahr zurückblicken, in dem er als Songschreiber an Udo Lindenbergs aktuellem Album „Stärker als die Zeit“ beteiligt war und auch für die aktuelle Single „Seite an Seite“ von Christina Stürmer verantwortlich zeichnet. Beide Produktionen gehen zurzeit durch die Decke, ein Erfolg, von dem manch einer ein Leben lang nur träumen kann. Dabei sah für den in Ratingen-Lintorf bei Düsseldorf geborenen Flamm zunächst alles ganz anders aus. Doch lesen Sie selbst.
Hallo Daniel, erzähl uns zunächst einmal ein bischen etwas über Dich. Wie bist Du zum Musik machen gekommen, was waren Deine Anfänge, welches Musikinstrument hast Du gelernt?
Eigentlich habe ich ganz klassisch mit musikalischer Früherziehung angefangen. Später wurde ich zum Klavier und noch später zur Geige „genötigt“. Das habe ich ein paar Jahre gemacht und mich in der klassischen Musik herumgetrieben. Dann fand ich aber für mehrere Jahre Sport besser als das Musik machen. Im Alter zwischen 7 bis 14 Jahren habe ich in der Schulzeit Golf als Leistungssport betrieben und war auch im Nationalkader. Ich war ganz gut darin und man nahm an, dass da bei mir eine Karriere bevorstünde .Ich spielte übrigens im Kader zusammen mit Martin Kaymer, der ja mittlerweile Deutschlands Golfer Nummer eins ist.
Der Startschuss, selber Musik zu machen, kam schließlich mit 14 Jahren und der Veröffentlichung des „Garage Inc.“-Albums von Metallica. Auf MTV und VIVA sah ich das Video zu „Whiskey in the Jar“ und ich fand das total irre und spannend, was da ablief. Auf einmal öffnete sich eine Welt, die ich so noch gar nicht kennengerlernt hatte und genau da wollte ich hin : Dahin wo die verrückten Dinge passieren. Daraufhin wollte ich selbst Gitarre lernen. Also bin ich mit 14, 15 in die Musikschule gegangen und habe mir einen Gitarrenunterricht verpasst. Schon bei den Probestunden haben die Lehrer gemerkt, dass der Junge Talent haben könnte, nicht zuletzt weil ich da auch sehr viel Seele, Zeit und Energie reingelegt habe. Denn ich wollte ja schnell Rockmusik machen und all das tun, was ich in dem Metallica-Video gesehen habe – einfach ganz schnell in der Rock’n Roll Welt mitmischen, Klares Ziel war dann : Rockstar werden. Nebenbei habe ich auch die ganze Rockmusik-Geschichte nachgeholt und natürlich blieben auch Sachen wie Piercings und bunte Haare nicht aus, die mit der Golf-Ideologie geclasht haben. Außerdem merkte ich schnell, dass man mit der verruchten Rocker-Nummer auch irgendwie besser bei den Mädels ankam, was natürlich sehr angenehm war. Das Gitarrenspiel habe ich echt schnell erlernt. Ich war richtig versessen darauf und im Alter von 17 Jahren fragte mich mein Gitarrenlehrer, ob ich denn nicht als Gitarrist bei einer Band mit Plattenvertrag mitspielen wolle, deren Mitglieder allerdings alle zehn Jahre älter waren als ich. Also habe ich dort vorgespielt und die fanden das Klasse und sagten schließlich, „OK, den nehmen wir mal mit auf Tour“. Zu der Zeit kollidierte das natürlich mit der Schule. Gottseidank haben meine Lehrer das damals mitgemacht, nachdem ich denen glaubhaft versichert hatte, dass ich Berufsmusiker werden wollte. So bin ich dann mit der Psychobilly/Punk’n Roll Band Heartbreak Engines auf Europa-Tour gegangen. Das habe ich schließlich jahrelang getan, wobei die schulischen Leistungen darunter extrem gelitten haben.
Als sich Heartbreak Engines auflösten, spielte ich in diversen Bands in Düsseldorf und Köln. Mit 21 hatte ich dann eine kanadische Freundin, Sarah Blackwood (jetzt Mitglied in der Band Walk off the earth, die mit dem Cover von Gotye „Somebody that I used to know“ einen veritablen youtube-Hit gelandet haben; https://www.youtube.com/watch?v=bK3XtXVZhFg), mit der ich zu zweit durch Europa, Kanada, Russland und die USA getourt bin.
Während der Tourpausen machte ich mir immer mehr Gedanken, ob das Leben als Tour-Musiker so wirklich das Wahre ist, wobei ich mich gleichzeitig immer mehr auch für andere Instrumente und das Song schreiben interessierte.
Du hast dann eine Ausbildung an der Deutschen Pop gemacht. Welche Ausbildung war das und was wurde Dir darin vermittelt?
Wie gesagt, ich saß also da und fragte mich „Was kann man denn noch so machen?“, und erhielt von Freunden den Rat, ich solle doch nach Mannheim an die Pop-Akademie gehen. Irgendwie bin ich dann in Köln hängen geblieben, weil ich Köln zu der Zeit recht attraktiv und schön fand. Ich nahm mir eine Wohnung in Köln-Mülheim und beim Durchstreifen des Stadtviertels fiel mir das Gebäude der Deutschen Pop auf. Das habe ich mir etwas näher angesehen, fand das interessant und habe mir gesagt, „OK, das mache ich jetzt mal. Vielleicht bringt das ja was.“ Als erstes belegte ich zwei Kurse in Komposition. Allerdings kannte ich lustigerweise schon alles, was mir dort vermittelt wurde. Offen gestanden, war der Besuch dieser Kurse in erster Linie für mich, aber auch für meine Eltern, eine Rechtfertigung, dass ich ja schließlich auch etwas mache und nicht einfach nur herumstreune. Abseits dessen habe ich dort eine Menge Kontakte und neue Freunde gefunden, mit denen ich heute noch engen Kontakt habe. Als nächstes machte ich einen Projektmanagement-Kurs, den ich aber ganz hart verkackt habe und schließlich zwei Recording-Kurse. Die habe ich auch nur mit Ach und Krach absolviert. Dafür gab es verschiedene Gründe, nicht zuletzt aber auch durch das Experimentieren und Einnehmen von allem Möglichen und ganz viel Partyprogramm. Abschließend kann ich aber sagen, dass die Zeit bei der Deutschen Pop sehr schön war, auch wenn die Inhalte, die mir vermittelt wurden für mich selbst nicht so relevant waren. Ich habe zwar eine Menge an wertvollen Grundlagen, Tipps und Tricks gelernt, hier vor allem den souveränen Umgang mit Apple Logic. Ich hatte die Möglichkeit mit einer Menge Equipment hantieren zu können. Aber das Recording-Handwerk, also meine Technik, habe ich mir letzten Endes selbst durch ständiges Ausprobieren, also learning-by-doing, beigebracht. Das selber machen war für mich dabei immer das Wichtigste. Und auch wenn das jetzt wie Anti-Werbung klingt: Vieles, was mir dort vermittelt wurde, wollte ich auf diese Weise ganz bestimmt nicht machen und habe es auch nicht gemacht beziehungsweise mein eigenes Ding durch Ausprobieren durchgezogen. Aber auch das empfinde ich letztlich nicht als nutzlos. Wenn Du selber sehr viel machen willst, um Dich selbst weiter voran zu bringen, dann ist die Deutsche Pop trotz meiner eigenen Erfahrungen immer eine Empfehlung wert. Du erhältst eine Menge Informationen, die Dich in Deiner eigenen Entwicklung und Inspiration ohne Zweifel weiter voran bringt.
Wie ist es dazu gekommen, dass Du schließlich Songschreiber für Udo Lindenberg und Christina Stürmer geworden bist?
Wie vorhin erwähnt kann man sagen, dass ich bis ich 27 ein schweres Drogenproblem hatte. Bei 300 Gigs weltweit pro Jahr, dem permanenten Party-machen oder rastlos nach neuen Kicks suchen, ist man ja völlig aus der Welt, komplett ungeerdet und versucht „Glücksgefühle“ zu synthetisieren. Also habe ich mich acht Monate lang nur mit mir selbst beschäftigt, mich komplett aus allem rausgezogen, einen dreimonatigen stationären Drogenentzug gemacht, inklusive nachfolgender Therapie. In letzterer wurde auch der Versuch unternommen, mich gesellschaftlich zu „normen“. Also hatte ich daraus hervorgehend als nächstes die Idee, Lehrer für Musik und Englisch zu werden. Ich erkannte aber sehr schnell, dass das nichts für mich ist. Lehrer sein ist wahrlich ein toller Beruf. Aber ich erkannte für mich recht schnell, dass das wohl doch nicht so das Richtige sein würde. Nach dieser ernüchternden Erkenntnis war ich erst einmal ziemlich deprimiert und erneut stellte ich mir die Frage, was ich denn jetzt machen soll.
Just zu dem Zeitpunkt wurde ich von meiner Band „The Creepshow“, bei der ich in dieser Zeit spielte, gefragt, ob ich denn nicht wieder fit sei und mit ihnen auf Tour gehen wolle. Da ich ja nichts anderes zu tun hatte, habe ich das am Ende gemacht. Als wir in Berlin gespielt haben, habe ich mich mit Ingo Heinzmann, dem Senior Director A&R von Universal Music getroffen, dessen Kontakt ich schon länger hatte. Leider hat es sich jedoch nie ergeben, dass wir uns mal treffen konnten. Ich hatte schon früher die Idee, mal über etwas wie einen Verlags-Deal mit ihm zu sprechen. Nur haben wir es in 5 Jahren nie geschafft, uns mal zu treffen. Ich habe ihn in diesen Jahren bestimmt gefühlte tausend Mal angeschrieben und nach einem Treffen gefragt, aber es hat sich nie ergeben. Tatsächlich ist er dann aber genau dieses mal meiner Einladung gefolgt und war auf dem Konzert der Band in Berlin und danach haben wir uns ausgetauscht.
Das Ergebnis war, dass er mir die Chance gegeben hat, mich als Songschreiber im Popbereich zu beweisen. Nach einigem Hin und Her habe ich als erstes ein paar Songs für die Scorpions geschrieben, die zwar sehr gut angenommen wurden, aber letzten Endes doch keine Verwendung gefunden haben. Das war Ende 2014. Ausgehend von dieser Erfahrung war ich anschließend ziemlich verknallt in die Perspektive, Songs für und vor allem mit den Großen zu schreiben, nicht zuletzt weil ich auch gemerkt habe, dass da was geht und ich es mir zutraute.
Den Kontakt und die Zusammenarbeit mit Udo Lindenberg habe ich meiner ganz engen und lieben Freundin Michele Huesmann zu verdanken. Sie ist Leiterin von Kids on Stage, einer Institution, die Kindern außer Singen, auch Tanz und Schauspielerei beibringt. Und wenn Udo Lindenberg auf Tour geht, dann ist der Kids on Stage Kinder-Chor von Michele immer mit von der Partie. Nun kam es, dass ich eine Reihe meiner Songs, die mit englischem Text versehen waren, auf Deutsch umgetextet habe und einige davon Michele von Zeit zu Zeit mal präsentiert habe. Einfach so, als jemand, dessen musikalischen Geschmack ich sehr schätze. Jedenfalls war ein Song darunter, den Michele besonders beeindruckend fand und sie fragte mich, ob sie den nicht mal Udo schicken dürfte. Ich sagte nur, „Klar. Warum nicht?“, und das weiß ich noch genau, am dritten Januar 2015 rief Udo Lindenberg bei mir an. Da war ich gerade irgendwo im Münsterland im Auto unterwegs und zunächst hörte ich nur eine nuschelige, unverständliche Stimme und obendrein brach auch noch das Funknetz zusammen. Ich fuhr auf einen Parkplatz, rief zurück und wurde dann gewahr, dass es sich um Udo Lindenberg handelte, der mich mit den Worten „Lindenberg hier, ja Flammi, Du schreibst ja ganz schön geile Lieder. Ob ich das mal singen darf, das Lied, das Du da geschrieben hast? Das ist ein Super Liedchen.“ So sind wir in Kontakt miteinander gekommen und haben uns am Telefon bestimmt so vier bis fünf Stunden über meine und seine Themen ausgetauscht und dass er jetzt auch wieder eine Platte machen wolle. Die ersten drei Monate haben wir uns noch aus der Ferne gegenseitig unsere Ideen hin und hergeschickt und im März haben wir uns das erste Mal richtig getroffen. Zur gleichen Zeit habe ich auch einen Verlags-Vertrag bei Universal Music unterschrieben. Im Mai kam Udo dann auch ein paar Mal hier in mein kleines Projektstudio in Berlin, wo ich sozusagen „direkt am Mann“ zusammen mit ihm ein Lied geschrieben habe, das er voriges Jahr auf seiner Stadion-Tour auch live gespielt hat.
Welcher Song war das?
Das war der Song „Wir werden jetzt Freunde“, ein Lied in dem es um die Flüchtlings-Problematik geht. Ich war sehr stolz darauf, ein Lied mit so einer wichtigen Thematik zusammen mit Udo und der Texterin Schwessi gemacht zu haben und nicht zuletzt auch deswegen, weil es das erste neue Lied war, was er seit Jahren (live) präsentiert hat. 1 Das war für mich schon sehr faszinierend und eine große Ehre.
Wie muss man sich die Zusammenarbeit mit Udo Lindenberg konkret vorstellen? Hast Du ihm vorproduzierte Tracks geschickt zu denen er improvisiert hat und Du dann weiter an diesen Ergebnissen gearbeitet hast?
Zu Anfang habe ich anhand seiner Themenliste, die wir im Auto besprochen haben, Playbacks und Melodie-Ideen sowie Textideen an ihn in vorproduzierter Demo-Form geschickt. Allerdings kannte ich ihn zu dem Zeitpunkt noch nicht gut. Ich dachte, ich schicke ihm die Songideen rüber und er sagt dann „Ja, das machen wir so“. Das war aber überhaupt nicht der Fall, sondern die Ideen und Songs sollten erst peu à peu über das Jahr wachsen. So richtig los ging es erst, als wir im August letztes Jahr beschlossen haben, dass wir uns zusammen ins Studio setzen und genau wie bei „Wir werden Freunde“ gemeinsam an den Stücken arbeiten. Er ist erneut bei mir vorbeigekommen, hatte die Gitarre in der Hand und wir beide haben uns gegenseitig Texte und Melodien hin und hergeworfen. Anhand einer Sprach-Memo, die ich dabei habe mitlaufen lassen, habe ich mich nachhaltig hingesetzt und auf Basis dessen dann die Songidee gebaut, eine Musikästhetik entwickelt und so weiter. Wenig später habe ich auch anderthalb Monate im Sommer 2015 im Atlantic-Hotel, in Hamburg, gewohnt. Dabei haben wir jeden Tag immer wieder Texte besprochen, weil es bei Udo , noch mehr als bei vielen Kollegen, sehr sehr stark um die Texte geht. Die Musik kommt letztlich irgendwie hinzu und ist dann auch Aufgabe des Produzenten und ich habe dazu dann auch die Musik entwickelt, etwa zum Stück „Eldorado“. Das ist aber immer im direkten Kontakt mit Udo passiert.
Ihr habt also immer als Duo zusammen an den Stücken gearbeitet?
Genau. Diese Platte ist 1000 Prozent Udo Lindenberg. Er hat an jedem Lied mit den entsprechenden Kollegen gearbeitet, um das Beste rauszuholen, was ging. So saßen wir beide nächtelang zusammen und tauschten uns aus – ob beim Spaziergang um die Alster, in den Raucherlounges dieser Welt oder am Pool. Es gab so viele tolle Augenblicke auf dieser Reise zu DEM Text oder DER Musik, der es dann schließlich wurde. Ein außergewöhnlicher Trip, den ich niemals vergessen werde.
Das hört sich jetzt so an, als ob Udo Lindenberg reglerecht einen Narren an Dir gefressen hat.
Wir sind sehr sehr gute und enge Freunde geworden und ich bin ihm für so vieles so dankbar. Wir haben uns einfach zur richtigen Zeit in unser beider Leben getroffen. Wir freuen uns immer, wenn wir uns wieder sehen. Es entwickelte sich eine ganz innige Freundschaft, wie das im übrigen in der ganzen Panik-Familie gang und gäbe ist. Da hält jeder zueinander. Das ist schon ein sehr tolle Sache – mit lauter Menschen, die das Herz am richtigsten Fleck haben. Das hat mir tatsächlich sehr viel bedeutet, dort eingebunden zu sein, insbesondere wenn es um den Austausch untereinander ging. Wahrscheinlich haben wir uns auch deshalb so gut verstanden, weil man mit Udo tatsächlich auch sehr viel über private Dinge redet. Natürlich fand er auch meine Vergangenheit interessant – es gab ja so einige Parallelen. Immer auf der Suche nach den dicken Dingern in der Welt und überall herumgereist und immer auf Action aus hinweg durch die hohen und tiefen Zeiten.
Wie stark warst Du denn in die Produktion des Albums eingebunden?
Am Anfang erst einmal gar nicht. Erst als es in die Recordings der Produktion ging und die Jungs (JEM, Henrik Menzel und Andreas Herbig) merkten, dass ich Gitarre spielen kann und auch ein Ohr für den ein oder anderen Sound habe und dass wir geschmacklich auf einer Wellenlänge schwimmen – plus, dass Udo mir vertraute. So habe ich für bestimmte Titel Gitarren aufgenommen und selber gespielt, ich habe ästhetische Aspekte mit den Producern entwickelt, ich habe zusätzliche Bläsersätze recordet, kurzum additional recording für das Album abgeliefert. Und am Ende war ich in den letzten zwei Monaten der Produktion bei den Vocal-Recordings von Udo noch mit dabei.
Erzähl uns auch noch ein bischen darüber, wie es dazu gekommen ist, dass Du für Christina Stürmer die Single „Seite an Seite“ geschrieben hast.
Anfang 2015 habe ich einen Song für den Schauspieler Tom Beck geschrieben und dabei habe ich den Produzenten Markus „Eki“ Schlichtherle und den Songwriter und Produzenten Christoph Koterzina kennengelernt und wir haben uns auf Anhieb sehr gut verstanden. Danach haben wir uns erst einmal aus den Augen verloren. Als ich in Berlin meinen Geburtstag in einer Kneipe feierte, waren beide zufällig auch in Berlin und kamen vorbei. Während dieser Feier habe ich mich mit Eki verabredet, dass wir wieder etwas mehr miteinander zusammen machen wollten, weil die vorherige Arbeit schließlich super geklappt hat. Wenig später haben wir über Skype zusammen erst einmal ein paar Ideen für künftige Lieder entwickelt. Er hatte zwei Songs, die wir gemeinsam gemacht haben, in die Produktion reingebracht, von denen am Ende einer, nämlich „Neue Farben“, am Ende auf dem Album gelandet ist. Die Single „Seite an Seite“, die ich mit Eki und Christoph geschrieben habe – ich kann mich an die Details nicht mehr genau erinnern – habe ich zuerst meinem Verlag vorgespielt. Daraufhin habe ich den A&R-Manager von Christina Stürmer getroffen und der hat das Lied dann Christinas Manager geschickt. Am Ende ist das bei Christina gelandet und alle fanden das Lied ganz toll und der Rest ist Geschichte. Das ist einfach der normale offizielle Weg, den so ein Lied nimmt.
Ohne jetzt nach einem Erfolgsrezept fragen zu wollen, aber was macht für Dich den idealen Pop-Song aus?
Eigentlich möchte ich ja gar keine Popmusik machen (lacht dabei), wenn Du weißt was ich meine. Ich wurde jetzt mit Udo direkt am Anfang so ein bisschen verwöhnt, dass man halt mit ihm irre Dinge machen konnte, über verschiedenste Themen sprechen kann, man kann Tiefgang in die Musik hineinbringen und so weiter und so fort. Aber ich habe ja auch nicht die Singles geschrieben. Warum „Seite an Seite“ als erste Single gewählt wurde, da kann ich auch nur das anführen, was die Labels schon dazu gesagt haben, nämlich das der Song eine tolle Bildsprache besitzt, mit einer einfach zu verstehenden Hook-Line daherkommt, er hat eine tolle Melodie und er hat eine zeitgemäße nicht-generische Ästhetik. Manchmal orientiert man sich als Songschreiber schon an diesen Aussagen und Kriterien. Abseits dessen kann ich Dir aber sagen, was für mich ein guter Song jenseits irgendwelcher Stile und Genres ausmacht.
Und das wäre?
Für mich macht ein guter Song aus, das er etwas Natürliches besitzt in dem Sinne, dass man auf eine bestimmte Weise an die Natur, die Umgebung und die Welt in der man lebt erinnert wird, ganz gleich in welcher Form auch immer und unabhängig davon ob das nun am Text oder an der Musik festgemacht wird. Ein sehr gutes Beispiel dafür ist meine derzeitige Lieblings-Platte, das letzte Album von Angus & Julia Stone. Dieses Album besitzt sehr viel Natürliches, Raues, Aufreibendes, Weiches, und so weiter. Es gibt nur wenig Hall auf der Stimme, die Songs besitzen eine tolle Bildsprache, teils kratzt es und die Lieder in Kombination mit der Produktion lösen einfach Dinge in einem aus, die man in der Natur wiederfindet. Und das ist eigentlich das, was ich an meinen Liedern am meisten mag, und wenn sie in die Produktion gehen, dass sie immer noch diese Art von Natürlichkeit behalten. So werde ich stets versuchen, egal ob ich einen Punk/Rock/Pop/Folk/Dance/Schlager/etc.-Song schreibe oder produziere, eine Art natürliche Note zu finden. Am Ende ist es das Wichtigste, dass der Künstler das Stück liebt und sich wiedererkennt. Deswegen möchte ich nur ungern Sachen machen wie „Künstler XY sucht ein Lied, schreib mal was“. Das mag ich nicht besonders gern. Das gemeinsame Erforschen und die gemeinsame Reise zu etwas ganz Besonderem geht dabei verloren, wie ich finde. Aber manchmal ist es eben so – und da sollte es immer die Prämisse sein, dass es einen selbst berühren sollte. Sonst wird es sicher nicht mit anderen Menschen resonieren. Mit Udo, Christina und auch anderen Leute habe ich schon das große Privileg, mit den Künstlern direkt zusammen zu schreiben und zu produzieren, so dass ich dadurch auch den Menschen in ihrer Persönlichkeit gerecht werde. Ich finde, wenn ein Künstler gerade in Deutschland sich mit dem wohlfühlt, was er macht, dann ist das das Größte. Leider wird aber in Deutschland der textliche und musikalische „Wahnsinn“, so wie es ihn in den 70ern oder 80ern gab, in der Popmusik recht klein geschrieben. Ausnahmen bestätigen hier natürlich die Regel.
Woran liegt das Deiner Einschätzung nach?
Deutschland hat, meiner Meinung nach, ein unglaubliches Understatement. Es ist sehr schick oder anders ausgedrückt, sehr wichtig verständlich zu sein, nahbar zu bleiben. In Deutschland ist deshalb nur sehr wenig Platz für musikalische wie textliche Spinnereien, wohlgemerkt für diejenigen, die davon leben wollen. Wie gesagt, Ausnahmen bestätigen die Regel. In den USA ist das völlig anders. Da gibt es textliche wie musikalische Abstrusitäten, die am Ende sogar mit Platin bedacht werden. In Deutschland ist so etwas gerade undenkbar. Manch ein Künstler würde sogar gern so etwas machen wollen, aber der Mut fehlt und die Angst des „Ich-werde-nicht-genug-Platten-Verkaufen-Syndroms“ tritt ein. Deutschland hat auch viel härtere Spielregeln was etwa Sound und Zeitgeist anbetrifft. So ist momentan immer noch die Vierviertel-Bass-Drum angesagt und auch Dezimen-Gitarren. Oder was mir auch sehr stark auffällt sind Akkord-Einsätze auf unbetonten Zählzeiten. Das ist alles popmusikalischer Zeitgeist. Ich versuche für meine Songs und die Produktionen in denen ich arbeite Farben zu benutzen, die auffallen, ob es nun im Text oder der Musik oder im Sound zu finden ist.
Mit Stand 2016 stehe ich dafür, dass ich nicht einfach nur sinnloses Zeug in die Welt hinaus lassen möchte.Es geht um Ehrlichkeit – etwas, das man spüren kann. Ich möchte, dass ein Künstler am Ende mit dem glücklich ist, was ich für ihn gemacht habe oder was wir gemeinsam entwickelt haben. Da ist mir dann die Musik, die Zwischenmenschlichkeit und die Energien die damit zu tun haben ungleich wichtiger als der Taler auf meinem Konto.
Das klingt jetzt sehr idealistisch. Wie sieht es denn bei Dir mit Deinen eigenen musikalischen Ambitionen und Präferenzen aus?
Ja das stimmt. Aber deswegen bin ich froh, erst sehr spät in die Popmusik-Welt eingestiegen zu sein. Selbstverständlich habe ich auch Ambitionen, selber Platten zu machen. Das gehe ich aber gelassen an und gucke, wie sich das gestalten wird und wann die Zeit reif ist. Ich sammle gerade vor allem Texte und schaue mal, wann sie bereit sind, um dazu Musik zu entwerfen. Es gibt auf jeden Fall viel zu tun und wir bleiben dran. Ich habe auf jeden Fall große Lust, die Welt in den nächsten Jahren noch mit Musik zu tapezieren. Mal sehen wie es so gelingt.
Dann wünschen wir noch viel Erfolg und danken für das aufschlussreiche Gespräch.
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