„Das Wichtigste ist immer der Song“

Der Münchner Songwriter und Produzent Tom Appel ist ein recht umtriebiger Zeitgenosse. Er komponiert und produziert für Werbekampagnen (u.a. MINI, Audi, Sparkasse, Continental) sowie für TV- und Kinoproduktionen. Er tritt mit einem Akustik-Duo auf und arbeitet derzeit an einem neuen Soloprojekt, von dem er hofft, dass es bis Februar 2022 reif für die Bühne sein wird.

Seit Januar 2021 ist er außerdem noch Studiobesitzer, im malerischen Dorf Hohenbercha betreibt er das Stereoloft. Wir sprachen mit ihm über seinen Werdegang und den Aufbau des Studios.

 

Hallo Tom, schön, dass Du dir Zeit für Professional audio nimmst. Schildere uns doch bitte zum Anfang deinen musikalischen Werdegang?

Gerne. Ich habe mit etwa zwölf Jahren begonnen Gitarre in diversen Bands zu spielen, auch schon die ersten Live-Erfahrungen zu sammeln. Ich bin jetzt 33, über 20 Jahre mache ich also bereits Musik. Nach dem Abi 2009 habe ich in München einen Gig auf so einem Launch-Event von Absolut Vodka in einem Münchner Nachtclub gespielt, einfach ein paar Coversongs ohne große Ambition. Da waren dann aber Leute, die für eine Plattenfirma beziehungsweise einen Verlag arbeiteten und die sagten „wir nehmen dich unter Vertrag“. Da hat sich für mich die Tür geöffnet und ich habe überhaupt erstmals daran gedacht, mehr aus der Musik zu machen. Wenige Tage darauf bekam ich tatsächlich einen Verlagsvertrag von Universal Music Publishing angeboten, welchen ich kurz darauf auch unterzeichnete. Entsprechend war ich mehrere Jahre als Komponist und Textdichter exklusiv für Universal Music tätig.

2010 kam meine erste eigene Band „Monday Tramps“ ins Spiel. Für die habe ich Songs geschrieben und das erste Album auch mitproduziert. In einem Studio in Taufkirchen, das haben wir mit der Band sogar mitgeholfen aufzubauen. Da war der Deal mit dem Besitzer, dass wenn wir helfen und eben Arbeiten übernehmen, wie Absorber bauen oder Boden verlegen, dann dürfen wir so lange aufnehmen, wie wir wollen. Das haben wir selbstverständlich genutzt und diese Zeit hat meine Liebe zur Tontechnik und zu Studios entfacht. Der Besitzer hat Wort gehalten, uns viel Freiraum gelassen und wir als Band haben dann angefangen, uns selbst zu produzieren, mit sozusagen sensationellem Equipment, zum Beispiel sämtlichen Neumännern, die man so kennt. Das war mein Einstieg ins Recording. Die letzten Jahre habe ich eher versucht, mich in der Branche Werbemusik und allgemein Auftragsmusik zu etablieren.

Die Studioregie des Stereoloft.

Die Studioregie des Stereoloft.

 

Du hast dich der Musik und der Tontechnik also rein autodidaktisch genähert?

Richtig. In der Jugend habe ich zwar etwas Gitarre spielen gelernt, aber ich bin kein ausgebildeter Gitarrist. Noch vor der Gitarre hatte ich Akkordeon-Unterricht. Ich bin auch Fan des Akkordeons in der Popmusik, es macht mir Spaß, das hin und wieder in Songs zu integrieren. Die Gitarre sehe ich aber als mein Hauptinstrument. Singen habe ich auch nicht gelernt, es einfach gemacht und offenbar treffe ich die Töne.

Hast du, bevor du ins Stereoloft bist, im Heimstudio gearbeitet?

Das nicht. Ich hatte mir ein kleines Studio eingerichtet, damals noch im Proberaum in München. Das war im Keller einer Baufirma, ohne Tageslicht. Pünktlich um 16 Uhr waren immer die Arbeiter im Nebenraum und haben ihr Feierabend-Bier getrunken, geraucht, waren laut – das wurde irgendwann einfach ein bisschen unangenehm.

Dann hast du dich auf die Suche nach einer Alternative gemacht?

Ich habe aber gar nicht aktiv geschaut, wo ich mich  stattdessen einrichten könnte, das hat sich eher glücklich gefügt. Mein ehemaliger Schlagzeuger wohnt hier in Hohenbercha, einem kleinen Dorf etwas außerhalb von München, auf einer Art Hof. Über einer Garage befinden sich zwei Räume, die ich vorher schon kannte, die hatte er vermietet. Plötzlich standen sie leer. Ich habe sie mir dann nochmal angeschaut und mir war sofort klar: „Da kann ich etwas draus machen“. Ein halbes Jahr später haben wir es dingfest gemacht und jetzt bin ich schon seit Januar 2021 hier drin.

Ein Wurlitzer 200a gehört ebenfalls zum Inventar.

Ein Wurlitzer 200a gehört ebenfalls zum Inventar.

 

Über wie viel Platz verfügst du denn jetzt?

Es gibt zwei Räume auf zwei Ebenen. Der Aufnahmeraum ist circa drei Meter hoch und hat um die 26 Quadratmeter. Ungefähr dieselbe Fläche hat die Regie, die ist über eine Treppe mit dem Aufnahmeraum verbunden und liegt knapp einen Meter höher. Die Regie ist nicht komplett akustisch getrennt vom Aufnahmeraum. Das hat hier insgesamt eher den Charakter eines Wohnzimmers, eines Wohlfühlraums, als den eines reinen, vollprofessionellen, sterilen Aufnahmestudios.

Mehr Platz, mehr Ruhe, das klingt nach einer enormen Verbesserung gegenüber dem vorigen Proberaum-Studio…

Definitiv, vor allem habe ich nun auch Tageslicht, das ist schon mal was (lacht)! Und die beiden Räume haben wie ich finde richtig gute akustische Eigenschaften. Es klingt hier warm und organisch, natürlich habe ich auch noch entsprechend akustisch optimiert. Ich denke, das Studio ist für alle Anforderungen gut nutzbar. Schlagzeugaufnahmen klingen hier zum Beispiel wahnsinnig gut! Ich habe mich zu 100 Prozent verbessert gegenüber dem, wo ich herkomme.

Nutzt du das Studio nur für dich oder können es interessierte Künstler*innen buchen?

Das Ziel war von Anfang an, dass ich die besseren Möglichkeiten dieses neuen Studios nicht nur für mich nutze, sondern auch Leute hierher kommen, sich einbuchen, denn hier kannst du alles machen, vom Songwriting bis hin zur finalen Produktion. Zu allererst aber war mir wichtig, das Studio nach meinen Bedürfnissen einzurichten. Ich brauche keine 24 oder noch mehr Kanäle, werde keine 6- oder 8-köpfigen Bands hier aufnehmen. Es soll eher ein Ort sein, an dem die Kreativität ins Fließen kommt. Wo man, bevor man an die Produktion denkt, an der Essenz arbeitet, also dem Schreiben eines richtig guten Songs! Ich habe hier viele akustische Instrumente und setze mich mit einem Künstler gerne erstmal ans Klavier, ans Wurlitzer oder die Gitarre und arbeite an den Songs. Darauf liegt mein Hauptaugenmerk.

 

Bucht man dich als Songwriter und/oder Produzent immer mit oder kann man auch nur das Studio buchen?

Es ist auch möglich nur das Studio zu buchen. Am liebsten wäre mir es jedoch, wenn ich mit einbezogen würde.

Bist du noch auf einen Nebenjob angewiesen oder kannst du vom Schreiben und Produzieren leben?

Ich produziere ja schon längere Zeit Musik im Kundenauftrag und komme damit ganz gut über die Runden. Zumal ich immer häufiger auch an meist Song- orientierter Filmmusik arbeiten darf, was lange ein Traum für mich war. Allgemein genieße ich es sehr, in verschiedenen Teilbereichen der Musik arbeiten zu dürfen – als Songschreiber, Textdichter, Produzent, Studio- Gitarrist und Sänger oder als Live-Musiker auf der Bühne. Und auch wenn mal nichts ginge, wüsste ich mich über Wasser zu halten – zum Beispiel als Behelfs-Zimmermann in der Firma meines Bruders.

Nimmst du auch an Songwriting-Camps teil oder bleibst du für dich im Stereoloft?

Ich war letzthin häufiger in solchen Songwriting-Camps. Das ist etwas, das mir große Freude bereitet, gemeinsam Songs zu schreiben, Ideen auszuarbeiten. Da kann ich echt viel beisteuern aus meiner bisherigen Erfahrung. Richtig klasse war es letzthin im Almenland Songwriting Camp in der Steiermark. Da ging es zwischen den beteiligten Produzent*innen und Songwriter*innen sehr familiär zu. Das war eine tolle Erfahrung, für die ich dankbar bin. Manchmal können solche Camps auch etwas von „Akkordarbeit“ haben, wenn auf „Knopfdruck“ mindestens ein Song pro Tag immerhin demofertig abgeliefert werden soll. Das liegt mir dann weniger. Ich mag es lieber, wenn man erstmal ankommt in der Umgebung, einen Kaffee trinkt, sich wohlfühlt und dann wie gesagt ans Wesentliche geht. Sich auch die Zeit nimmt, etwas wirklich Schönes fertigzubringen. Und diese Möglichkeit will ich hier bieten. Man kann zwischendurch rausgehen, keine 200 Meter, dann bist du im Wald, links und rechts von hier nur Felder…hier kann man wirklich runterkommen, den Kopf frei kriegen und sich dem Wichtigsten widmen: Und das ist meines Erachtens immer der Song!

In meiner Vorstellung sind drei Punkte besonders wichtig, wenn man wie du eine sich ergebende Gelegenheit beim Schopfe packt und sich ein möglichst smartes, flexibles Studio einrichtet: Die Akustik, die Verkabelung und das Mobiliar. Nun kennt sich kaum jemand in allem aus. Konntest du alles selbst machen oder hast du externe Expertise eingeholt?

Die Verkabelung betreffend habe ich mich selbst eingearbeitet. Die ist bei mir auch nicht so aufwändig: Aus der Regie durch die Wand geht ein Multicore recht unsichtbar hinter Couch und Bassfalle verlegt in den anderen Raum in eine XLR-Bay, das war es im Grunde. Das Multicore und auch alle anderen Instrumenten-, Mikrofon- und sonstigen Kabel sind von Cordial. Seit meinen Anfängen habe ich immer Cordial-Kabel benutzt. Die ersten Kabel von damals, die ich auf unzählige Gigs mitgeschleppt habe, sind sogar mit hier ins Loft gezogen und funktionieren auch nach Jahren noch tadellos. Daher war für mich klar, dass ich weiterhin auf deren Kabel setze. Auf deren Homepage findet man im Grunde auch alles, was man wissen muss, gut aufbereitet. Ich hatte dann ein paar Modelle ins Auge gefasst, nicht die billigsten, sondern welche mit größerem Kupfer-Querschnitt und habe Cordial dann einfach mal kontaktiert, ob ich auch alles Wichtige bedacht habe. Kabel sind vielleicht nicht so sexy, aber essenziell. Mir nützen ja das beste Mikrofon und der beste Preamp nichts, wenn sie mit einem schlechten Kabel verbunden sind. Da wollte ich nicht am falschen Ende sparen. Mikro, Kabel und Preamp, da muss es passen…wenn’s da schon hakt, hast du hinten raus nur noch Probleme. Das ist der „Klassiker“: Was schlecht aufgenommen wird, kann kaum gut wiedergegeben werden. Cordial kam auch vorbei und hat ein Video über mich und das Studio gedreht, weil die cool fanden, was ich hier aufbaue. Die unterstützen einige Künstler, auch hier aus der Region.

Höfner Violin Bass samt Edition-25-Kabel von Cordial.

Höfner Violin Bass samt Edition-25-Kabel von Cordial.

 

Und wie bist du in puncto Akustik und Mobiliar vorgegangen?

Bezüglich des Mobiliars brauchte ich keine Unterstützung und habe es wie alles andere auch simpel gehalten. Die Räume haben Ecken und Nischen, die ich als Stauraum nutzen kann. Ich habe schöne alte Holzkisten aus der ehemaligen Bäckerei meiner Groß- und Urgroßeltern aufbereitet. Darin verstaue ich alles, was nicht im Studio rumliegen soll, aber doch schnell griffbereit sein muss. Ansonsten steht hier eine große, bequeme Couch. Eine stimmige Inneneinrichtung war mir schon sehr wichtig. Insgesamt geht der Stil etwas in Richtung Sixties und da sollte sich dann alles ins Ambiente fügen. Optisch passt das Edition-25-Kabel von Cordial zum Beispiel sehr gut zu meinem Höfner-Bass.

Absorber und Bassfallen habe ich auch selbst mit meinem Vater zusammen gebaut, in der Zimmerei meines Bruders. Die Nachhallzeit habe ich gemessen, die war schon so ganz gut und ich wollte es eh nicht zu trocken haben. Hier geht’s mir ja vor allem ums Songwriting und wenn man am Klavier sitzt und dazu singt, da soll sich die Luft schon noch bewegen. Zwei Freunde, die sich mit Akustik auskennen, haben sich das Ergebnis dann mal angehört. Aber im Prinzip habe ich es selbst gemacht, mich durch entsprechende Foren geklickt und bin ansonsten nicht zu tief in die Physik rein, sondern habe auf meine Ohren vertraut, immer wieder Sachen verschoben und umgestellt, bis ich zufrieden war.

Du scheinst einen ausgeprägten DIY-Ansatz zu verfolgen…

Absolut, das war immer schon so, nicht nur beim Musikalischen, sondern auch das Handwerkliche betreffend, für das ich ebenfalls ein Faible habe. Die Tische im Studio habe ich selbst gebaut, die zuvor erwähnten Holzkisten aufbereitet. Ich mag es, wenn Dinge, aber auch Musikstücke, Einzigartigkeit ausstrahlen. Daher benutze ich auch so gut wie nie Splice oder andere Sample Libraries. Ich schaue immer, was ich hier so rumstehen habe und was ich damit machen kann. Man könnte sagen, da mache ich mir die gewisse Eingeschränktheit ein bisschen zum Vorteil, nutze sie als  Stilmittel. Mir ist wichtig, dass Sounds nicht direkt hundertprozentig reproduzierbar und überall zu hören sind. Ich will Sounds kreieren und Momente einfangen.

Emotionale Wirkung steht für dich über technischer Perfektion?

Definitv!

Danke für das Gespräch und weiterhin alles Gute für dich und deine Projekte!

https://stereoloft.com/