So misst Professional audio
Oder: Der Kurvendiskussion zweiter Teil
In meinem zweiten Artikel möchte ich das Thema Messtechnik in der Professional audio noch um die Themen Wandler-Messungen und analoge Lautsprecher-Messtechnik ergänzen. Außerdem werden unsere Messgeräte kurz vorgestellt.
Von Uli Apel
Wandler-Messungen
Bei diesen Messungen kommt es – auch wenn diese natürlich ebenfalls vorgenommen werden – weniger auf Frequenzgang und Klirrfaktor (siehe Teil 1 in Professional audio 4/2016), sondern mehr auf die Wandler-Linearität und das Jittern des digitalen Signals an.
Wandlerlinearität
Die Linearität des Wandlers ist ein direktes Maß für die exakte Reproduzierbarkeit der Dynamikverhältnisse sowohl bei großen als auch bei kleinen Pegeln. Ein 16-Bit-Signal besitzt theoretisch eine Dynamik von 96 dB, eines von 24 Bit eine solche von 144 dB. Diese Werte werden aber nur unter Idealbedingungen erreicht. Damit ein Signal hörbar wird, muss es D/A-gewandelt werden und hier befindet man sich an der Grenze des Machbaren. Eine Nichtlinearität entsteht durch Jitter und Rauschen besonders bei sehr kleinen Pegeln.
Die Kurve, die wir abbilden ist in einem Koordinatensystem mit dem Eingangspegel auf der Abszisse und dem Ausgangspegel auf der Ordinate. Die Messung beginnt mit dem höchsten Pegel (0 dBFS) und endet mit einem Pegel, der die Linear-Reproduktionsfähigkeit des zu untersuchenden Gerätes mit Sicherheit überfordert. Daher geht die Kennlinie von ihrer (idealen) 45°-Neigung zum Schluss – links unten – in eine zackigere Form über. Hier ist der Punkt erreicht, an dem das System unlinear wird. Je tiefer dieser Punkt liegt, desto besser ist es. Bei 24-Bit-Systeme sollten hier -120 dBFS erreicht werden.
Jitter-Histogramm
Das analoge Audiosignal wird bei der A/D-Wandlung mit einer sehr hohen Frequenz gesampelt und in gleichmäßigen, sehr kleinen Schritten quantisiert (bei 16 Bit sind das ca. 65.000 Schritte). Dann wird es aufgezeichnet oder in einem anderen Gerät bearbeitet und weitergeleitet. Bei der D/A-Wandlung wiederum wird aus diesem Signal mit der gleichen Sampling-Frequenz und den einzelnen Datenworten die ursprüngliche (analoge) Form zurückgewandelt. Um jedem Sample wieder seinen korrekten Amplitudenwert zuzuordnen, ist es einerseits wichtig, dass die Samples in ihrer Reihenfolge erkannt werden und andererseits, dass dies in absolut gleichen Abständen geschieht. Diese Abstände liegen im Nano-Sekunden-Bereich. Bei einem Sample bei einer Sampling-Frequenz von 96 kHz sind dies 11 µs.
Innerhalb dieser 11 µs muss dafür gesorgt werden, dass genau zu Beginn eines Samples mit der Wandlung begonnen wird und diese genau am Ende abgeschlossen ist. Geschieht dies nicht, kann es sein, dass ab und zu ein Amplitudenwert verloren geht und dieses ist durch ein leises Klicken im Ton durchaus hörbar.
Für den exakten Start (High) und das Ende (Low) eines Samples, welches gleichzeitig der Start des nächsten Samples ist, benötigt man nicht nur eine sehr genaue Uhr, welche die (Quarz)- genaue Sampling-Frequenz zur Verfügung stellt, sondern auch eine sehr gute Elektronik, die dafür sorgen muss, dass die Übergänge von Start zu Stopp mit äußerster Präzision erfolgen.
Dies ist nur möglich durch eine Rechteckschwingung, da bei ihr der Übergang von High zu Low in theoretisch unendlich kurzer Zeit erfolgt. In der Praxis sieht das anders aus: Jede Rechteckschwingung hat eine endliche Anstiegs- oder Abfallzeit, die auch mit entsprechendem Equipment messbar ist. Sie liegt in unserem Fall im Nano-Sekunden-Bereich.
In der Audio-Digitaltechnik sind aber gerade die Anstiegszeiten ein direktes Maß für die Qualität des Signals und des daraus resultierenden zurückgewandelten Audiosignals.
Das empfangende Gerät „sieht“ nämlich diese Anstiegszeit und es ist technisch unmöglich, auf dieser Rechteckflanke immer zum absolut gleichen Zeitpunkt von High auf Low zu schalten. Das Ergebnis ist ein Schwanken um diesen Übergang herum. Dieses Schwanken wird als „Jitter“, wörtlich übersetzt: „Zappeln“, bezeichnet. Es spielt sich ebenfalls im Nano-Sekunden-Bereich ab.
Werden mehrere Geräte digital zusammen- oder hintereinandergeschaltet, so ist es durchaus möglich, dass sich der Jitter addiert und demzufolge das Audiosignal verschlechtert. Für die Beurteilung der Güte eines solchen Signals dient das Jitter-Histogramm. Je kleiner die gemessenen Jitter-Werte sind, desto genauer kann das Signal verarbeitet werden. Der „Kamelhöcker“ ist eine Anzeige für die Wahrscheinlichkeit eines Jitterfehlers. Die Einbuchtung in der Mitte ist der Anteil der deterministischen Jitterintensität, die Höckerflanken das Maß für die zufällige Jitterintensität.
Zur Orientierung: Jitter-Werte von zwei Nanosekunden und kürzer gelten in der Studiotechnik als quasi jitterfrei. Hörbar werden Jitterwerte, wenn sie größer als 20 ns sind. Jedoch auch dieser Wert hängt von der Fehlerkorrekturmöglichkeit des entsprechenden Geräts ab.
Lausprecher-Messungen
Der zu messende Lautsprecher wird idealerweise in einem reflexionsarmen Raum aufgestellt und mit dem Leistungsausgang des Ausgangsmodules des Neutrik-Analyzers verbunden. Der abgestrahlte Schallpegel wird mit dem Messmikrofon abgenommen und in das Eingangsmodul eingespeist. Der Abstand zwischen Lautsprecher und Mikrofon soll mindestens 1 m betragen. Steht ein solcher Raum nicht zur Verfügung, so muss die Messung mit einem um +/- eine Oktave gewobbelten Sinussignal durchgeführt werden. Dadurch werden stehende Wellen – hervorgerufen durch Überlagerung des an den Begrenzungsflächen reflektierten Schalles – ausgemittelt.
Eine weitere Möglichkeit bietet nur noch die Messung im (wirklich) freien Feld. Ein frequenzmoduliertes (gewobbeltes Sinussignal) erzeugt an nicht linearen Übertragungskurven Amplituden-Schwankungen, die sich für die Kurvenauswertung störend auswirken. Je steiler die Flanken, desto grösser sind auch die Amplitudenschwankungen. Diese Schwankungen könnend durch die Wahl einer genügend kleinen Schreibgeschwindigkeit ausgemittelt werden. Je kleiner die Schreibgeschwindigkeit gewählt wird, desto kleiner muss auch die Papiergeschwindigkeit gewählt werden, um Abflachungen der Kurve zu verhindern. Das Ergebnis ist eine recht gute Annäherung an den Frequenzgangverlauf des Lautsprechers.
Ausblick
Ich hoffe, es hat Ihnen Spaß gemacht, einmal etwas tiefer in die Messtechnik von Professional audio einzusteigen. Jetzt wissen Sie jedenfalls noch etwas genauer, was dahinter steckt, wenn in einem der Testartikel die ermittelten Messwerte besprochen und ausgewertet werden.
Messcomputer
Audio-Precision SYS-2720
Dieses Messgerät – auch gern als der „Generalmaßstab der Audiotechnik“ bezeichnet – ist mit eines der universellsten, computergesteuerten Messgeräte. Die analoge und digitale Audiomesstechnik lässt sich hier weitgehend automatisieren. So können zum Beispiel mit Hilfe spezieller Programme die Frequenzgänge von Mikrofonen nach der Substitutionsmethode gemessen werden. Das heißt, dass der Frequenzgang eines linearen Mikrofons im normalen Raum gemessen werden kann. Die (naturgemäß stark verzerrte) Kurve wird im Rechner gespeichert. Wird nun das zu messende Mikrofon mit seiner Membran genau an der Stelle positioniert, an der sich das Messmikrofon befand, können alle abweichenden Werte berechnet werden. Das Ergebnis ist der Frequenzgang des (unbekannten) Mikrofons. Ferner können mit diesem Gerät die FFT-Spektren aller Audio-Geräte aufgenommen werden. Aus diesen lassen sich sehr schnell der Klirrfaktor der einzelnen Oberwellen sowie die durch Brummen oder andere elektrische Einflüsse beeinflusste Signalqualität ermitteln.
Mehr Informationen zu den Audio Precision Messcomputern finden Sie auch unter: www.ap.com/de.
Neutrikschreiber
Neutrik Mainframe 3302
Dieses Gerät aus den 80er-Jahren ist ein im klassischen DIN-A4-Format gehaltenes autonomes Systemgerät zur Ermittlung von Frequenzgängen, Impedanzen, Phasengängen und Nachhallzeiten. Die Messergebnisse werden komplett analog ermittelt und auf einem Papierstreifen festgehalten. Professional audio verwendet dieses Gerät, da sich mit Hilfe einer Wobbelmethode Lautsprecher-Frequenzgänge annähernd unter Studiobedingungen messen und dokumentieren lassen.
Kenngrößen elektrischer Signale
Elektrische Wellen besitzen ebenfalls eine Geschwindigkeit, eine Frequenz und eine Amplitude. Bei elektrischen Wellen, wie sie zur Übertragung von Nachrichten dienen, muss zwischen denen im Raum (Hochfrequenz aus einem Sender) und denen in Leitern (Kabeln) unterschieden werden. Hier haben wir es nur mit der drahtgebundenen Übertragung zu tun.
Geschwindigkeit
Die Geschwindigkeit, mit der sich elektrische Wellen ausbreiten, ist im Vakuum 300.000 km/s. In Leitern ist diese Geschwindigkeit geringer. Hier hängt sie auch noch von der Frequenz und der Beschaffenheit des Leiters (Kabel, Freileitung) ab. Diese Eigenschaft ist gerade in der Tonstudiotechnik von großer Bedeutung, denn dadurch ergeben sich teilweise hör- und messbare Unterschiede durch die Wahl von Geräten und den Verbindungen (Leitungen) zwischen ihnen.
Frequenz
Die Frequenz elektrischer Signale erstreckt sich von 0 Hz (Gleichstrom) bis in den sehr hohen Giga-Hertz-Bereich (10²³ Hz). In der Audio-Technik betrachten wir den Frequenzbereich von ca. 10 Hz bis 10 MHz. (Audiosignale in digitaler Form besitzen eine solch hohe Frequenz).
Amplitude
Die Amplitude eines elektrischen Signals wird normalerweise in Volt (Maßeinheit der Spannung) gemessen. In der Audiotechnik hat sich aber auch hier der Begriff dB (Dezibel) eingebürgert, denn dadurch lassen sich gut die akustischen und elektrischen Größen vergleichen. Das dB vereinfacht bei beiden physikalischen Formen der Übertragung die Rechenarbeit mit Verstärkung und Dämpfung. Der dB-Wert ist eine dimensionslose Zahl, die eine logarithmische Darstellung erlaubt.
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