Winz-Synthie mit Kult-Potenzial

Soviel ist sicher: Wer ihn das erste Mal sieht und hört, kann ihn einfach nicht ignorieren. Die Rede ist von Monotron, Korgs jüngster Synthesizer-Schöpfung, die trotz ihrer winzigen Dimensionen einen mächtigen Eindruck hinterlässt. Professional audio konnte sich dem Reiz dieses Winzlings jedenfalls nicht entziehen.   

Von Georg Berger 

Der japanische Hersteller Korg hat offenbar ein Faible für Miniaturisierung. Dies beweisen Produkte wie der Effekt-Prozessor Mini Kaoss Pad, der Digital-Synthesizer Kaossilator und die USB-Controller der Nano-Serie (Test in Heft 12/2008), die allesamt durch eine überaus kompakte Bauweise bestechen und trotz ihres niedlich wirkenden Spielzeug-Aussehens ernstzunehmende Produktionswerkzeuge mit hohem Brauchbarkeits-Faktor sind. In exakt die gleiche Kerbe schlägt jetzt auch der jüngste Wurf des Herstellers, der monophone Synthesizer Monotron. In etwa so groß und so schwer wie ein Mobiltelefon, wartet das Instrument, man höre und staune, mit einer rein analogen Klangerzeugung auf sowie einer überschaubaren Zahl an Eingriffsmöglichkeiten in den Klang. Damit dürfte sich Korg problemlos für das Guinness-Buch der Weltrekorde in der Kategorie „kleinster Analog-Synthesizer der Welt“ empfehlen. Klein ist auch der Verkaufspreis, der mit knapp 70 Euro sehr attraktiv ausfällt.

Besonderheiten: Anstelle herkömmlicher Keyboardtasten besitzt der Monotron einen Ribbon-Controller mit aufgedruckten Tasten zur Orientierung beim Spielen. Überdies haben die Entwickler dem Mini-Synthesizer die Filterschaltungen der mittlerweile legendären Korg-Modelle MS-10 und MS-20 mitgegeben und es lassen sich sogar externe Signale in den Monotron einspeisen, die anschließend durch den Filter geschickt werden. Doch der Reihe nach. Als reinrassiger Analoger ist der Monotron der subtraktiven Synthese verpflichtet. Er verfügt über je einen Oszillator, Filter und LFO. Eingriffe in die Klangformung sind über lediglich sieben Drehregler und einen Drei-Positionen-Schalter möglich, was die Ausstattung nicht zuletzt auch aus Platzgründen recht überschaubar macht. So lässt sich der Oszillator lediglich in der Tonhöhe variabel ändern. Ein per Schraubendreher regelbares Poti auf der oberen Schmalseite erlaubt, den spielbaren Tonumfang einzugrenzen. Die Oszillator-Wellenform siedelt sich in etwa zwischen Dreieck und Sägezahn an. Das Filter ist in üblicher Weise per Cutoff- und Resonanz-Regler einstellbar. Am LFO lässt sich hingegen die Geschwindigkeit – anschaulich dargestellt durch ein pulsierendes rotes Leuchten im transparenten Drehknopf – und die Intensität einstellen. 

Das Routing des LFO auf die Klang formenden Elemente geschieht über den Wahlschalter, der den Monotron auch auf Standby schaltet. Als Modulationsziele stehen, wen wunderts, die Oszillator-Tonhöhe und das Filter-Cutoff zur Auswahl. Um den Monotron in Betrieb nehmen zu können, sind zwei AAA-Batterien erforderlich, die erfreulicherweise im Lieferumfang enthalten sind. Ein Netzgeräte-Anschluss fehlt, wird aber auch nicht vermisst. Der Winzling ist konsequent auf mobil getrimmt und will unabhängig von behindernden Strippen gespielt werden. Dies bestätigt sich auch durch den eingebauten Mini-Lautsprecher mit dem das Instrument wahrhaftig autark einsetzbar ist. Die Lautstärke ist per Drehregler auf der Schmalseite einstellbar. Der dahinter agierende Verstärker ist jedoch etwas schwachbrüstig, weshalb wir die Lautstärke permanent voll aufgedreht lassen, was aber in Ordnung geht. Denn größere Verstärkungsreserven würden nicht nur den Lautsprecher übersteuern, sondern auch das gesamte Kunststoff-Gehäuse des Monotron in Vibration versetzen. Im Test gibt der Lautsprecher logischerweise nur ein frequenzbeschnittenes Klangbild ab, aber immerhin. Über ein Mikrofon ab- und aufgenommen versprüht der Lautsprecher-Sound den Charme alter, oftmals abgespielter Tonbänder, was ästhetisch durchaus gefällt. Wer das volle Klang-Potenzial des Mini-Synthesizers hören will, schließt einfach einen Kopfhörer an den Ausgang an, oder verbindet das Gerät mit einem Mischpult oder Verstärker. Dabei schaltet sich der interne Lautsprecher automatisch ab. 

Im Hör- und Praxistest lassen wir uns voll und ganz vom eigentümlichen Flair des Monotron einfangen. Trotz eingeschränkter Klangformungs-Möglichkeiten lässt sich dem Instrument dennoch eine Vielzahl unterschiedlicher Spektren und Klangfarben entlocken. Sicherlich, mit einem Oszillator klingt er nicht gerade fett, doch das machen das Filter und der LFO wieder wett. Ohne Zutun dieser essentiell wichtigen Klangbausteine klingt der Monotron piepsig-dünn, je nach Tonlage ähnlich wie monophone Handyklingeltöne der ersten Generation, perfekt für Minimal-Electro. Doch sobald wie Filter und LFO ins Spiel kommen wird der Klang lebendiger und wirkt auch deutlich runder. Dabei packt das Filter auf brachiale Weise zu und das Resonanzpfeifen ist selbst durch den Mini-Lautsprecher äußerst präsent, um nicht zu sagen bissig hörbar. Noch besser: Bei Anschluss an eine Verstärkeranlage oder Mischpult dreht der Monotron erst richtig auf. Denn er klingt sehr breitbandig und steht seinen großen Brüdern wahrlich in nichts nach. Wuchtige, kellertiefe Bässe, schneidend scharfe Höhen und dramatisch klingende Filter-Sweeps dringen aus den Lautsprechern, was einen entsprechend drastischen Effekt – großer Klang aus kleinem Kistchen – nach sich zieht, gerade im Live-Einsatz auf der Bühne. Gleiches gilt auch für das Einspeisen externer Signale ins Gerät, die sich ebenso eindrucksvoll vom Filter verbiegen lassen. Allerdings macht sich der externe Eingang durch Rauschen deutlich bemerkbar, was nur etwas für diejenigen sein dürfte, die einer Trash-Ästhetik frönen. Aber immerhin, solch ein Feature gehört längst nicht zu den Selbstverständlichkeiten. Doch zurück zu den Klangformungs-Möglichkeiten: Je nach Modulationsziel und Geschwindigkeit des LFO sind Blubber- und Zwitscher-Sounds in Nullkommanix realisiert. Doch da ist noch mehr, denn der LFO schwingt bis hinauf in den Hörbereich und bettelt förmlich darum, extrem eingestellt zu werden. Das Ergebnis: Eine einfache Frequenzmodulation ist möglich, die scharfe, verzerrte, bisweilen metallisch klingende Spektren liefert und aus dem Monotron eine bissige Effekt-Maschine macht. Richtig zur Geltung kommen die Effektklang-Orgien erst durch intensive Nutzung des Ribbon-Controllers, der die Funktion der Keyboardtasten einnimmt und aus einer durchgehenden Fläche besteht, die bei Druck mit dem Finger an jeder Stelle einen Kontakt schließt und einen Ton auslöst. Vorteil: Unabhängig von Halb- und Ganztönen ist somit das Spielen von Viertel-, Achtel- und weiteren Mikrotönen möglich. Besser noch: Wir streichen mit dem Finger über den Controller und spielen mühelos Glissandi in atemberaubender Geschwindigkeit. Eine Glide-/Portamento-Funktion oder gar ein Pitchbend-Rad sind damit überflüssig. Nachteil: Allerdings ist das Spielen von Melodien schon eine Herausforderung, gerade für Anwender mit dicken Fingern. Eine halbwegs sauber intonierte Melodie auf dem Monotron zu realisieren erfordert daher Geschick und Übung. Besser geht es, wenn anstelle der Finger ein Stift – Stylophone lässt grüßen – benutzt wird. Im Test macht das Spielen auf dem Monotron jedenfalls uneingeschränkt Spaß, der Umgang mit dem kleinen Kistchen ist sehr inspirierend und das trotz überschaubarer Eingriffsmöglichkeiten. Auffällig: Der Korg-Winzling löst aufgrund seiner Niedlichkeit bei uns eine Art Beschützer-Instinkt aus, bei dem das Kindchen-Schema zum Tragen kommt, weshalb wir es ohne Einschränkung sofort in unser Herz schließen. Wir machen schließlich einen weiteren Test und drücken den Monotron Leuten in die Hand, die noch nie ein Instrument, geschweige denn einen Synthesizer bedient haben. Das Ergebnis beeindruckt: Binnen kurzer Zeit haben sich auch diese Neuanwender regelrecht in das kleine Kistchen verliebt und gehen, ähnlich wie kleine Kinder mit einem neuen Spielzeug, fasziniert auf Klangreise.   

Mit dem Monotron liefert Korg weitaus mehr als nur ein nettes Spielzeug ab. Vielmehr haben sie den Spagat geschafft, einen vollwertigen analogen Synthesizer mit Lifestyle-Qualitäten auszustatten. Das Kistchen dürfte alleine schon wegen seiner Größe demnächst auf vielen Bühnen für Aufsehen sorgen und dabei nicht nur als netter Gag verkommen. Selbst im Alltag dürften diejenigen, die ständig versuchen, mit den vielen Features ihrer Smartphones anzugeben, ganz schön blass aussehen, wenn man im Gegenzug auf einmal den Monotron aus der Tasche holt und eher beiläufig ein Feuerwerk an Effekt-Sounds zu Gehör bringt. Denn mit dem klug gewählten „Arsenälchen“ an einstellbaren Parametern lässt sich klanglich eine Menge anstellen. Sicherlich, der Monotron wird dabei zumeist mehr als Effekt-Maschine, denn als Melodien-Lieferant eingesetzt werden, um Songs das nötige i-Tüpfelchen zu verleihen. Wer jedoch fleißig übt, kann auch das damit machen. Wir sind jedenfalls vom Erfolg des Monotron absolut überzeugt und werden uns mit Sicherheit nicht mehr von dem Testgerät trennen. Herr Korg, die Rechnung bitte. 

Erschienen in Ausgabe 08/2010

Preisklasse: Economyklasse
Preis: 71 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut – überragend