Perfektionist
Den perfekten Kopfhörer mag es nicht geben, der Beyerdynamic T 1 kommt diesem Ideal allerdings sehr nahe.
Von Harald Wittig
Zu den Kernkompetenzen des nordbadischen Unternehmens Beyerdynamic gehören, neben dem Mikrofonbau, vor allem auch die Entwicklung und Fertigung von Kopfhörern. Vor allem die Linie der Profi-Kopfhörer genießt bei passionierten Musikhörern und Tonschaffenden hohes Ansehen. Speziell das Modell DT 880 Pro, das es auch in einer hochohmigen Consumer-Variante gibt, gehört zu den linearsten Kopfhörern überhaupt und besticht mit sehr feiner Auflösung und einem exzellenten Impulsverhalten (siehe näher den großen Kopfhörer-Vergleichstest in Ausgabe 6/2009). Als innovativer Hersteller ruht sich Beyerdynamic nicht auf seinem Lorbeer aus. Stattdessen forschen und entwickeln die Badener kontinuierlich und sind dabei bestrebt, sehr gute Produkte noch besser zu machen – oder gleich ein neues Flaggschiff auf dem aktuellen Stand der eigenen Techniken zu präsentieren. Das trifft exakt auf den Kopfhörer T 1, unseren Testkandidaten, zu, der das Ergebnis eines langen Entwicklungsprozesses ist und Ende 2009 vorgestellt wurde. Mit einem Verkaufspreis von rund 900 Euro reiht sich der T 1 schon mal preislich in die Spitzenklasse der dynamischen High-End-Kopfhörer ein, die ausweislich unsere Tests bislang vom Sennheiser HD 800 (Professional audio Editors Choice in Heft 1/2010) und dem Ultrasone Edition 8 (Test in Ausgabe 7/2010) angeführt wird.
Mit den beiden Mitbewerbern aus Niedersachsen beziehungsweise Bayern hat der T 1 das dynamische Wandlerprinzip gemein, mehr Gemeinsamkeiten gibt es allerdings nicht, denn selbstverständlich setzt Beyerdynamic nicht nur auf seine ureigenen Technologien und verfolgt – soviel sei schon verraten – seine eigene Klang-Philosophie bei der bestmögliche Neutralität oberstes Ziel ist bei herausragender Auflösung und optimalem Impulsverhalten. Einen dezenten Hinweis auf die herausragende, wenngleich nicht einzige Innovation dieses Kopfhörers liefert schon seine Modellbezeichnung. Das „T“ steht nämlich für Tesla, eine Maßeinheit, welche die Stärke eines Magnetfeldes, das auf einen stromdurchflossenen Leiter einwirkt, also die magnetische Flussdichte beschreibt. Allgemein beträgt die magnetische Flussdichte 1 Tesla, dieser Wert gilt gewissermaßen als magische Schwelle, die zu überschreiten nur sehr schwer erreichbar ist. Mit ihrem T 1 ist das, nach Aussage von Beyerdynamic, gelungen, denn die spezielle Konstruktion des Antriebs verhilft dem Kopfhörer zu einer magnetischen Flussdichte von 1,2 Tesla. Entscheidend ist hierfür die neuartige „Systemgeometrie“: Anders als bei der konventionellen Bauweise, wo der Magnet im Zentrum der Schwingspule sitzt, sitzt beim Tesla-System nach Beyerdynamic-Machart der Neodym-Magnet ringförmig um die Schwingspule. Dadurch erhöht sich gegenüber anderen Konstruktionen der Wirkungsgrad, was den Entwicklern gestattet, eine besonders leichte 600-Ohm-Schwinspule ohne Effizienzverluste zu verwenden. Gleichzeitig verlasse möglichst wenig Magnetkraft das System, ein Großteil der Energie werde direkt auf die Membran geleitet, wovon das Impulsverhalten und die Phasentreue erheblich profitieren sollen. Mario Gebhardt, seines Zeichens Entwicklungsleiter für Audioprodukte bei Beyerdynamic, erklärt, dass der Klang durch die Tesla-Technologie „extrem an Detailreichtum gewinnt“, die Wiedergabe ist damit druckvoller und zupackender. Wer jetzt allerdings befürchtet, dass der T 1 eher auf Effekthascherei setzt, darf sich entspannen: Das Vorbild für den T 1 ist der berühmte DT 880, der sich, wie bereits eingangs erwähnt, durch seine Neutralität, also einen nahezu verfärbungsfreien und ausgewogenen Klang auszeichnet. Im Falle des Enkels T 1 erlaubt der ringförmige Magnet eine zentrale Bohrung direkt hinter der Membran-Mitte, um klangverfälschende Resonanzen zu minimieren. Auch die mehrschichtige, ebenfalls für den T 1 neu entwickelte, Membran selbst soll unerwünschte Partialschwingungen und damit Verzerrungen wirkungsvoll unterdrücken. Dazu trägt schließlich auch die Bauweise als Vollmetall-System bei, denn damit sei ein Mitschwingen des Gehäuses verhindert, so dass beim T 1 „nur eines die Membran zum Klingen (bringt), und das ist das Musiksignal selbst.“, wie Gebhardt betont. Die Treiber selbst sind nach vorne versetzt und leicht gewinkelt eingebaut. Insoweit ähnelt diese Bauweise entfernt dem S-Logic-Prinzip der Ultrasone-Kopfhörer und der Treiber-Anordnung beim Sennheiser HD 800. Diese dezentrale und zusätzlich gewinkelte Treiber-Anordnung soll für einen besonders räumlichen Klangeindruck sorgen, da aufgrund der anderen Schallabstrahlung die Ohrmuschel des Hörenden einbezogen wird. Ob und wie sich das letztlich beim Hören auswirkt, werden wir im Rahmen des Hörtests beschreiben.
Der T 1 ist also als High End-Kopfhörer konzipiert und in puncto Verarbeitung wird er diesem hohen Anspruch jedenfalls gerecht: Das zweiseitig geführte, fest verbundene Kabel macht einen robusten Eindruck, ist von hoher Qualität und mit einem 6,3 mm-Klinkenstecker von Neutrik ausgestattet. In absehbarer Zeit wird Beyerdynamic den T 1 auch mit symmetrischem XLR-Kabeln anbieten, was den Betrieb an symmetrischen Kopfhörer-Verstärkern wie beispielsweise dem Lake People/Violectric HPA V181, den wir in einer der kommenden Ausgaben testen werden, gestattet. Die Konstruktion der Ohrmuscheln aus champagnerfarbenem Aluminium sowie das Kopfbügelband aus Federstahl mit seinem Echtleder-Kopfpolster verströmen dezenten Luxus ohne zu protzen. Das gilt auch für die mit Velours bezogenen, austauschbaren Ohrpolster, einem Markenzeichen der Topmodelle von Beyerdynamic und beispielsweise auch bei den Modellen DT 880 und 990 zu finden. Der Tragekomfort des T 1 ist, angesichts seines vergleichsweise hohen Gewichts von rund 350 Gramm, hervorragend und fast auf dem Niveau des AKG K 702, der in dieser Disziplin unsere Referenz ist. Soll heißen: Der Kopfhörer sitzt gut ohne zu drücken, so dass auch lange Hörsitzungen stressfrei bleiben Kommen wir zur Praxis: Ein Kopfhörer wie den T 1 – das gilt auch für den AKG K 702, den Sennheiser HD 800 und den Ultrasone Edition 8 – sollte tunlichst an einem sehr guten Kopfhörer-Verstärker betrieben werden, nur so kann er sein volles Potential ausspielen. Für diesen Test kommt selbstverständlich unser Referenz-Verstärker, der Violectric HPA V200 zum Einsatz. Dank seiner Pre-Gain-Funktion lässt sich der HPA V200 bestens an den Beyerdynamic, der als hochohmiger Kopfhörer nach einem pegelstarken Verstärker verlangt. Als Alternative ist auch der A1 von Beyerdynamic in die engere Wahl zu ziehen, allerdings verfügt der immerhin rund 1.000 Euro teure Kopfhörerverstärker lediglich über Cinch-Buchsen. Dafür ist er für das Zusammenspiel mit 600 Ohm-Hörern optimiert und bietet durchaus professionelle Qualität (siehe hierzu den Vergleichstest Kopfhörer-Verstärker in Ausgabe 6/2009). Der T 1 überzeugt beim Abhören eines Logic Projekts buchstäblich vom Start weg, denn er offenbart in aller Deutlichkeit digitales Clipping in der Stereo-Summe, hervorgerufen durch einen versehentlich verstellten Spur-Fader. Der Grund hierfür ist die erstklassige, hochfeine Auflösung des Beyerdynamic, die auch einem sündhaft teuren Elektrostaten zur Ehre gereichen würde. Trotz aller Liebe zum AKG K 702, der uns stets treue und verlässliche Dienste leistet, ist ganz klar zu sagen: Das Beyerdynamic-Flaggschiff übertrifft den Österreicher und stellt sich selbstbewusst neben den Ultrasone Edition 8 mit dessen detailreicher Informationsfülle er mühelos mithält. Das gilt auch für die Raumdarstellung, die sowohl exakte Informationen zur Lokalisation von Schallereignissen liefert, als auch die Beurteilung von virtuellen (Hall)-Räumen zum einem leichten Unterfangen macht. Wie schon der Ultrasone Edition 8 rüttelt auch der T 1 kräftig am Thron des Sennheiser HD 800. Der HD 800 bleibt allerdings der König in puncto Räumlichkeit beziehungsweise Raumdarstellung. Der Abstand zu den Mitbewerbern wird aber enger.
Das Impulsverhalten des T 1 ist – wie von Beyerdynamic versprochen – exzellent, vor allem die Bässe überzeugen bei einer sehr direkten, dynamischen Ansprache durch Präzision und bestechende Tiefe. So klingt der solistisch eingesetzte E-Bass im Logic Pro-Projekt wie beabsichtigt mächtig und dominant, ohne dass der T 1 im Bassbereich zusätzlich andicken würde. Auch utraschnellen Double-Bass-Attacken oder E-Bass-Slap-Gewittern à la T. M. Stevens folgt der Kopfhörer gelassen. Hier offenbart sich letztlich die grundsätzliche Überlegenheit der halboffenen Bauweise des T 1, die gegenüber geschlossenen Systemen ohne Kompensation des Frequenzganges wie es beispielsweise beim AKG K 271 MkII der Fall ist (siehe den Kopfhörervergleichstest in Ausgabe 6/2009) im Vorteil ist. Dass auch bei basslastigen Arrangements die anderen Instrumente – sofern es die Mischung hergibt – völlig stressfrei heraushörbar sind, ist der exzellenten Trennschärfe des T 1 zu verdanken. Das gilt auch bei Projekten, wo sich die einzelnen Signale im Mittenbereich zusammendrängen. Wenn es darum geht, beim Mischen für Transparenz zu sorgen, ist der T 1 ein kompetenter Partner, der bei überladenen Projekten auch schon mal zum Muten auffordert. Auch der Höhenbereich erklingt hochfein aufgelöst, wobei der T 1 – insoweit ist seine direkte Abstammung vom DT 880 erhörbar – nichts beschönigt, sondern stets sachlich bleibt. Einerseits kann diese hohe Neutralität schon mal sehr ernüchtern, andererseits kann sich der Tonschaffende 100-prozentig auf den Beyerdynamic verlassen: Gute Aufnahmen und Mischungen sind auch für das ungeschulte Gehör sofort erkennbar, Mittelmaß entlarvt der T 1 gnadenlos. Dabei macht er alles noch besser als sein ehrenwertes Vorbild DT 880, was wir selbst kaum für möglich gehalten haben. Gerade Mastering-Ingenieure werden den T1 lieben, denn auch wenn der Kopfhörer die eine oder andere Überstunde unvermeidbar machen wird: Die Ergebnisse klingen dann umso beeindruckender.
Fazit
Mit dem T 1 hat Beyerdynamic ein Meisterstück geschaffen: Dieser Kopfhörer beweist eindrucksvoll, dass ein dynamischer Kopfhörer in puncto Auflösung, Impulsverhalten, Fein- und Grob-Dynamik und bei der Raumdarstellung auch anspruchsvollsten, Elektrostaten-verwöhnten Ohren genügen kann. Für anspruchsvolle Monitoring- und Mastering-Aufgaben ist der T 1 bestens geeignet und eine nachhaltige Empfehlung wert.
Erschienen in Ausgabe 12/2010
Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 890 €
Bewertung: sehr gut – überragend
Preis/Leistung: sehr gut
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