Neues Nachtfieber

Disco ist keinesfalls goldener Schnee von gestern. Das weiß auch der englische Sample-Spezialist Zero-G und schickt nach Classic Disco eine weitere Library voll mit authentischen Club-Sounds der 70-er und 80-er-Jahre auf den Dancefloor.

Von Michael Nötges

Davor Devcic gehört zu Kroatiens Media-Producern Nummer eins. Seine Discografie in puncto Sample-Libraries (Classic Disco, Satin Grooves, Brazil Chillout), zeigt: Der Knabe fühlt sich umgeben von Disco-, Funk- Pop- und Smooth-Jazz-Tunes anscheinend am wohlsten. Kein Wunder also, dass er mit der Sample Library Disco Gold jetzt das viel versprechende Follow-Up der Classic Disco Library liefert. Mit über 800 neuen Samples (insgesamt 1,7 Gigabyte) liefert Devcic den Glitter- und Plateauschuh-Fans einen bunten Baukasten an Sounds á la Bobby Brown, George Benson, Dee D. Jackson, Chic, Quincy Jones oder D-Train. Kostenpunkt: 119 Euro. Um den flexiblen Einsatz des frisch produzierten Contents zu gewährleisten liegen alle Samples als Acid Wav-Files und AIFF Apple Loops (24 Bit 44,1 Kilohertz) vor. Kompatibel ist außerdem Spectrasonics virtuelles Instrument Stylus RMX und für die Sampler Kontakt (Native Instruments), NN-XT Advanced (Propellerhead Reason), EXS24 (Apple Logic) sowie den Loop-Editor Re-Cycle (Propellerhead) gibt es den Content zusätzlich in den jeweiligen Formaten. Produziert hat Devcic insgesamt 34 Construction Kits deren Tempi zwischen 100 und 125 bpm variieren. Die Loops liegen dabei sowohl als kompletter Mix, als auch in Einzelspuren vor. Neben den Construction-Kits bietet Disco Gold ergänzend noch weitere Phrasen in 120 bpm. Dabei hat sich Devcic auf stilprägende Elemente konzentriert: Zum einen gibt es zwei unterschiedliche One-Note-Phrases, die jeweils auf allen zwölf Tonhöhen zur Verfügung stehen. Zum anderen bieten dann die aufeinander abgestimmten Instrumenten-Paare ‚Gitarre und Bass‘ (18 Paare auf A-, D-, C-Moll), ‚Piano und E-Piano‘ (20 Paare auf A-, C-Moll) sowie ‚Synth und Synth Bass‘ (20 Paare auf A-, D-, C-Moll) eine weitaus größere Auswahl.

Klanglich verdienen sich alle Samples der Disco Gold-Library das Urteil: sehr authentisch. Kritiker nennen es vielleicht Klischee oder stereotyper 08/15-Sound, aber gerade das ist es ja, was die Library auszeichnet. Devcic hat den Disco-Style offenbar präzise analysiert und sich dabei auf eine überschaubare Anzahl entscheidender Instrumente festgelegt, die für den originalgetreuen Sound notwendig sind. Besonders gut ist der analoge Sound der 70-er und 80-er Jahre bei den Schlagzeug-Grooves, den Claps und Percussion-Samples gelungen. Sie klingen angenehm fett nach nostalgischer Mottenkiste mit modernem Anstrich. Die Hallräume kommen schmatzig und smooth, was dem Ganzen den nötigen Weichspüleffekt verleiht. Auch in puncto Dynamik und Kompression hat Devcic einen guten Job gemacht und den Disco-Charakter auf den Kopf getroffen. Die Aufnahmen sind im Vergleich zu anderen Librarys zwar relativ leise, bieten dafür aber einen hohen Dynamikumfang. Wer’s mag, kann den ja dann heftig einschränken und nach Belieben effektvoll komprimieren. Die Gitarren- und Bass-Samples sind solide eingespielt und soundtechnisch relativ neutral und effektfrei gehalten. Das hat den Vorteil, sie sehr gut weiter verarbeiten zu können. Eine große Klangpalette bietet die Library in diesem Punkt nicht. Hört man sich die originalen Tracks der Disco-Ära an, ist aber klar, dass der Sound damals halt so war und die Produzenten nicht wie heute oft üblich auf ein üppiges Arsenal an schrägen Plug-ins zurückgreifen konnten. Das hört man auch den E-Piano-, Synth- und Synth-Bass-Sounds an. Sie klingen – und das soll ein großes Kompliment sein – wie die elektronische Klangerzeugung damals klang: künstlich, kitschig etwas cheesy aber trotzdem irgendwie cool.

Fazit

Disco liegt im Trend: Daher ist die Disco Gold-Library für 119 Euro eine lohnenswerte wenn auch nicht besonders preisgünstige Erweiterung für Produzenten, die überwiegend in elektronischen Gefilden unterwegs sind und auf authentische Retro-Disco-Sounds der 70-er und 80-er Jahre stehen. Wer glaubt, Disco sei out, der sollte sich das aktuelle Album von Jan Delay „Wir Kinder vom Bahnhof Soul“ anhören.

Erschienen in Ausgabe 05/2010

Preisklasse: Oberklasse
Preis: 119 €
Bewertung: gut – sehr gut
Preis/Leistung: gut