Mer losse d‘r Ton in Kölle
Im November lud der Verband deutscher Tonmeister zur 29. Tonmeistertagung. Mit umfangreichem Kongressprogramm und breit gefächertem Ausstellungsangebot lieferte die Messe einen lebendigen Überblick über die aktuellen Trends der Audiowelt und bot der Pro Audio-Szene eine Plattform für den regen Austausch. Wir waren mit dabei.
Von Freda Ressel
Als Expertentreff für Tonschaffende aus allen Bereichen genießt die Tonmeistertagung, die vom 17. bis 20. November im Kölner Congress-Centrum Nord stattfand, ein hohes Ansehen. Im Gegensatz zu den großen Messen wie Prolight+Sound, Musikmesse oder IBC ist die Atmosphäre der TMT deutlich familiärer, sodass entspanntes Netzwerken kein Problem ist. Mehr als 130 Aussteller mit gut 200 Marken waren auf drei Etagen mit Ständen vor Ort. Neuheiten standen hier weniger im Vordergrund, stattdessen gab es einen Überblick über die Trends in der Audio-Szene und die aktuellen Produkte der einzelnen Hersteller, die geschickt auf das parallel stattfindende Kongressprogramm abgestimmt waren. So wirkte die Veranstaltung in sich sehr rund. Auch eine Vielzahl von Demoräumen wurden genutzt, um den Besuchern eine sofortige Demonstration von Produkten zu ermöglichen.
Umfangreiches Vortragsprogramm
Erstmalig konnte jeder Besucher der Tonmeistertagung auch direkt am Kongressprogramm teilnehmen. Die Auswirkungen des neuen Konzepts waren deutlich spürbar: Während laut VDT etwa fünf Prozent weniger Gäste die Messe besuchten als 2014 (rund 5.200 Personen), war es im Ausstellerbereich meistens verhältnismäßig ruhig. Die Vortragssäle wiederum waren stets gut gefüllt, was sicherlich auch an den clever zusammengestellten Vortragsreihen zu verschiedenen Oberthemen lag. So mancher Saal lud regelrecht zum Verweilen ein, auch über die anvisierten Vorträge hinaus.
Insgesamt gab es stattliche 174 Beiträge in fünf Vortragssälen. Diese wurden jeweils in Themenblöcke zusammengefasst – so gab es zum Beispiel Talkbacks, Beiträge zu den Themen Broadcasting, Binauraler Sound, Recording und Business. Der Konrad-Adenauer-Saal war reserviert für Live-Sound- und Musical-Beiträge. Dort fand unter anderem auch ein Live-Mixing-Workshop statt, der viele wissbegierige Besucher anlockte. Zudem gab es mehrere Exkursionen, etwa eine Werksbesichtigung bei Orgelbau Klais oder ein Besuch beim Fernsehsender RTL-Deutschland.
Schwerpunkte: 3D Audio und Virtual Reality
Sowohl im Ausstellerbereich als auch bei den Vorträgen wurden die Themenbereiche 3D Audio und Virtual Reality, die heute eng miteinander verknüpft sind, in auffällig großem Ausmaß repräsentiert. Einige Hersteller präsentierten Konzepte zu diesen Themen, wie Sennheisers ganzheitliches Ambeo-Prinzip, welches Produkte und Technologien für Aufnahme-, Abmisch- und Wiedergabelösungen bietet und sich dabei nicht auf ein bestimmtes Wiedergabeprinzip wie Auro 3D oder 9.1 festlegt. Wie sich das sowohl auf Kopfhörern, als auch über Lautsprecher anhört, konnte man sich in einem der Demoräume direkt anhören. Schoeps legte mit dem ORTF-3D ein 8-kanaliges 3D Audio-Mikrofon-Setup vor, von dessen Qualitäten man sich mit einem Virtual-Reality-Film über die obligatorische VR-Brille samt Kopfhörer direkt am Stand überzeugen konnte.
Auch in den Vorträgen spielte 3D Audio eine große Rolle, einer der Vortragssäle wurde sogar eigens für Präsentationen zu diesem Thema akustisch optimiert. Bei unserem Besuch erlebten wir dort unter anderem den sehr interessanten Vortrag der Stuttgarter Absolventen Daniel Schiffner und Benedikt Maile über ihr Masterarbeits-Projekt „Popmusik in 3D“. Im Rahmen ihrer Arbeit stellten sie unterschiedliche 3D-Aufnahme-Setups vor, die in einem Mammut-Projekt mit 3D Audio-Live-Konzert der Stuttgarter Band Eau Rouge auf einer 40.4 Lautsprecherkonfiguration gipfelten. Ein beeindruckendes Projekt, dessen Klang man bei der Demonstration im Saal, der mit ungleich weniger Lautsprechern ausgestattet war, natürlich nur erahnen konnte.
3D Audio bleibt ein spannendes Thema. Es wird sich wohl erst in den nächsten Jahren herausstellen, welches Wiedergabeverfahren sich letztendlich durchsetzten kann und wann und ob 3D-Sound tatsächlich Einzug im Consumer-Bereich halten wird. Ideen zu diesem Thema bestehen seit Jahrzehnten, waren bisher aber nicht massenkompatibel umsetzbar. Durch den immer präsenter werdenden Virtual Reality-Trend vor allem im Gamingbereich und die steigende Popularität von 360°-Videos wird die Wiedergabe von Audio in 3D jedoch immer relevanter. Das war auch auf der TMT spürbar, besonders am Donnerstag in Rheinsaal 4.
Dort fand der Thementag des Instituts für Rundfunktechnik (IRT) statt – diesmal ausschließlich zum Phänomen VR. Auch wenn es noch keinen allein- und mustergültigen Standard zu diesem Thema gibt, haben wir Blut geleckt und werden in einer der nächsten Ausgaben über den aktuellen Stand von VR und 3D Audio berichten – seien Sie gespannt!
Gut vernetzt
Wie bereits bei der IBC war auch das Thema Netzwerk auf der Tonmeistertagung in großer Breite vertreten. Am Trend, möglichst viele Übertragungsprotokolle gleichzeitig zu unterstützen, da sich noch kein Standard durchgesetzt hat, hat sich bislang nichts geändert. Flexibilität ist in dieser Situation schlicht Trumpf. Stage Tec zeigte an einem komplett vernetzten Stand, wie sich das Nexus-System einsetzen lässt, und auch MOTU hatten ihre AVB-Serie im Gepäck. An vielen Ständen waren „Dante spoken here“-Schilder zu sehen, welche die Unterstützung dieses mittlerweile populären Übertragunsgprotokolls kennzeichneten. Tatsächlich ist gerade Dante auf einem guten Weg, zum Netzwerkstandard aufzusteigen, unterstützen doch mittlerweile mehr als 200 Hersteller das Protokoll.
Am Freitagvormittag gab es auch einen Vortragsschwerpunkt zu diesem Thema, in dem es unter anderem um Übertragung, Redundanzen und Audioqualität bei verschiedenen Netzwerken ging. Bei einer Exkursion zum WDR war es für Besucher sogar möglich, die Hörspiel- und Musikproduktion direkt im vernetzten Studio verfolgen.
Nachwuchsförderung
Das Education Forum war an die jungen Besucher gerichtet, die sich für einen Job im Tonmeisterumfeld interessieren. Zwölf renommierte Hochschulen präsentierten dort ihre Studien-Angebote und boten die Möglichkeit, sich mit den Studierenden auszutauschen. Zudem gab es mit der TMT-Academy eine Vortragsreihe speziell für diese Zielgruppe, darunter interessante Grundlagenvorträge von Koryphäen der Branche zum Beispiel zu Produktsounddesign, Mikrofonierung und dem Vokabular zu audio-visuellen Themen. Dieses Angebot wurde dankend angenommen – die Vorträge waren durchweg gut besucht.
Innovativ: digitale Kopfhöreroptimierung
Ein interessantes Produkt stellte der Düsseldorfer Hersteller hd-klassik vor. Den preisgekrönten Headphone Optimizer gibt es in zweierlei Ausführung, einmal als Basis-Modell für den audiophilen Sektor und nun neu und für Professional audio-Leser noch spannender als Pro-Modell für den professionellen Gebrauch mit erweitertem Funktionsumfang. Beide Modelle verfügen über die Grundfunktionen eines Kopfhörerverstärkers, weitaus interessanter ist aber der individuelle Ausgleich von Nicht-Linearitäten des Kopfhörers auf rein analogem Weg. Am Stand standen verschiedene, individuell eingemessene Kopfhörermodelle vom simplen dynamischen Overear bis zum High-End-Elektrostaten mit vielfältigem Musikmaterial zur Verfügung. Natürlich ließ es sich die Redaktion nicht nehmen, einen Hörtest an Ort und Stelle zu unternehmen, und das Ergebnis war so erstaunlich offenkundig, dass wir uns gut vorstellen können, in einer der nächsten Ausgaben noch einmal etwas tiefer in diese Materie einzutauchen.
Resumee
Die Tonmeistertagung ist mit ihrer Mischung aus Standmesse und Technik-Kongress ein spannendes und angenehmes Event. Hier geht es weniger um die Präsentation der allerneuesten Produkte, als um fachlichen Austausch und einen Querschnitt der aktuellen Trends. Das Fachpublikum ist aufgeschlossen und interessiert, was eine erstaunlich ruhige und entspannte Atmosphäre schafft, die andere Messen so nicht bieten können. Auch wir konnten nach unserem Aufenthalt und unzähligen Gesprächen und Vorträgen mit einer ganzen Palette von Anregungen zurückkehren.
Wir freuen uns schon auf die nächste Tonmeistertagung – die als dreißigste TMT eine Jubiläumsveranstaltung wird. Sie ist für den November 2018 erneut im Congress Centrum Nord der Messe Köln geplant.
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