Pssst! CanJam!

Auf der CanJam in Essen dreht sich alles um Kopfhörer – aus diesem Grund ist sie auch eine der leisesten Messen auf diesem Planeten. In überschaubarem, gemütlichem und familiärem Ambiente luden auch in diesem Jahr so ziemlich alle wichtigen Headphone-Hersteller zum ausgiebigen Testhören ein.

Von Sylvie Frei

Am 24. und 25. September öffnete die CanJam, Europas führende Messe zum Thema Kopfhörer, wieder ihre Türen. Was vor vier Jahren als Geheimtipp für Kopfhörer-Freaks begonnen hat, wird allmählich zu einer festen Institution in Essen. Rund 50 Aussteller präsentierten am letzten Septemberwochenende etwa 100 Kopfhörer- und Kopfhörer-Verstärker-Marken aus aller Welt, darunter AKG, Astell & Kern, Audeze, Auralic, Bakoon, Beyerdynamic, Brainwavz, Cardas Audio, Fidue, Focal, Grado, Headsound, Hifiman, KEF, Lake People, MalValve, Oppo, Pioneer, Radius, RHA, RME, Sennheiser, Shure, SPL, Stax, Ultrasone und Violectric – um nur die Bekanntesten zu nennen.

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Mit Stand vor Ort

Diesmal war – neben anderen Magazinen, zumeist mit Hi-Fi-Schwerpunkt – auch Professional audio mit eigenem Stand vertreten. Für uns eine ungewohnte Position – gehen wir doch gewöhnlich selbst von Stand zu Stand und kundschaften die heißesten neuen Test-Kandidaten für die kommenden Professional audio-Ausgaben aus. Auch das haben wir selbstverständlich getan. Diesmal war es also auch an uns, neue potenzielle Leser auf uns aufmerksam zu machen, sind doch ausführliche und differenzierte Kopfhörer- und Kopfhörerverstärkertests seit Jahren ein fester Bestandteil unserer Hefte – allen voran die beliebten Vergleichstests. Schließlich ist nicht jeden Tag CanJam, bei der sich der audiophile Besucher selbst dank des entspannten Tisch-Messekonzepts, einfach mit eigenem Hörmaterial auf dem USB-Stick von Stand zu Stand hören konnte.

So war es den Messegästen möglich, sich selbst ein Urteil über die unterschiedlichen Modelle zu bilden, seien es nun geschlossene oder offene, Over-Ears oder In-Ears, kabelgebundene oder kabellose, dynamische, magnetostatische oder elektrostatische, Ein- oder Mehrwege-Systeme. Auch an Kopfhörer-Amps wurde alles gezeigt, was den anspruchsvollen Hörer derzeit begeistern könnte, seien es angewärmt-analoge Röhren-Modelle oder akribische Saubermänner. Ihre Favoriten durften die Messebesucher anschließend selbst küren.

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Real-Live-Treffen für Community-Members

In der sogenannten Community-Area – einer eigens ausgewiesenen Tischinsel – trafen sich die Hi-Fi-Fans aus den Online-Kopfhörer-Foren zum munteren Austausch. Das kleine Grüppchen bestand aus vergleichsweise jungen Kopfhörer-Freaks – aus unterschiedlichen Ländern, während die anderen Messebesucher im Durchschnitt schon eher in der zweiten Lebenshälfte angekommen waren und aus deutschen Landen kamen.

Inszenierung von Luxus

Einer der Messe-Magnete war eindeutig das Sennheiser-Zelt, in dem die Besucher – einer nach dem anderen – den teuersten Kopfhörer der Welt, den offenen 50.000 Euro-Elektrostaten HE 1 samt dem passenden Röhrenverstärker im Marmorgehäuse erleben konnten. Uns wurde dieses Klangerlebnis, dessen Inszenierung ein wenig an einen Besuch im Tempel erinnert, bereits auf der diesjährigen Musikmesse in Frankfurt zuteil. Fazit: Nein, so viel Geld muss der geneigte Hörer für guten Klang nicht ausgeben, kann er aber – der HE 1 lässt in der Tat keinen Wunsch offen. Unsereins wäre aber schon mit einer Kombination aus beispielsweise Audeze LCD-X (ca. 2.000 Euro) und SPL Phonitor mini (ca. 600 Euro) vollkommen zufrieden, aber wir denken auch mehr in der Kategorie „Arbeitswerkzeug“ als in der Kategorie „Mythos“.

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Die Motivation des Hi-Fi-Hörers

Gerade aus diesem Grund war für uns die Begegnung mit der Hi-Fi-Szene auf der CanJam ein interessantes Erlebnis. „Warum ist es für Euch so wichtig, jedes Modell zu kennen, immer wieder neue Kopfhörer zu hören und zu kaufen?“ fragten wir einen der Kopfhörer-Fans aus einer der Communities. Wir wären schließlich bereits zufrieden, wenn wir ein echt gutes offenes und ein richtig gutes geschlossenes Modell hätten, damit könnten wir arbeiten und das Thema wäre für uns erledigt. „Bei uns in der Szene geht es darum, dass man mitreden kann, man möchte sich über die unterschiedlichen Modelle austauschen, es ist ein gemeinsames Hobby und man möchte dazugehören“, erläuterte der audiophile Student. „Außerdem ist es nicht unüblich, viele Kopfhörer zu besitzen, neue zu kaufen, ältere wieder zu verkaufen. Wenn ich in den eigenen vier Wänden höre, dann soll das Ding vor allem gut klingen – Optik ist dann nicht so wichtig. Aber manchmal möchte man ja auch draußen mobil hören, dann sollte der Kopfhörer auch optisch etwas hermachen und zum Outfit passen. Was ich gar nicht mag ist, wenn ein Hersteller sein Design nicht an das Klangbild des Produktes anpasst. Ein nüchtern klingender Kopfhörer sollte puristisch aussehen, einer mit viel Bass gerne wuchtig und opulent.“

Innovation

Am Stand neben uns priesen die Aussteller von Erato das neue Modell Apollo 7 an, dessen Entwicklung mit dem Crowdfunding-Portal Kickstarter realisiert wurde. Es handelt sich um komplett kabellose In-Ear-Kopfhörer, nicht größer als ein paar Gehörschutz-Stöpsel. Tatsächlich sind die In-Ears wasserdicht und besitzen trotz der reinen Stöpselbauweise ein integriertes Mikrofon. Klingt interessant genug, um dem Modell alsbald zumindest einen Kurztest zu widmen, allein schon für die Innovation.

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Plattform für Vorträge

Abgetrennt vom restlichen Ausstellungsbereich im Saal Europa, hinter einer Reihe von leuchtend grünen Bambus-Pflanzen, befand sich die Bühne. Dort fanden interessante Vorträge statt, die aufmerksame Zuhörer anlockten. Die Stuhlreihen waren meist gut gefüllt.

Etwas überschaubar

Dennoch ging es auf der Messe insgesamt eher beschaulich zu, ein richtiger Besucheransturm wollte sich trotz vieler interessanter Stände, Hörstationen und Vorträge nicht einstellen. Während am Samstagvormittag noch so einige begeisterte Besucher in das Forum und die Säle Europa und Panorama des Congress Centrums der Essener Messe pilgerten, wurde es gegen Spätnachmittag ziemlich leer. Die allgegenwärtigen Plakate mit dem Messelogo und der Aufforderung „Pssst!“ waren gar nicht so wirklich notwendig. „Letztes Jahr war hier einiges mehr los“, ließ uns so mancher Aussteller wissen. Ob das am allzu guten Wochenendwetter, den gestiegenen Eintrittspreisen (Tagesticket 8 Euro, Wochenend-Ticket 15 Euro) oder der zeitgleich stattfindenden Fotomesse Photokina in Köln lag, vermochte keiner so recht zu beantworten. An fehlendem Organisationsgeschick litt die Messe indes auf keinen Fall. Organisatorin Juliane Thümmel, unter anderem auch mitverantwortlich für den Berliner Hersteller/Vertrieb Headsound audio, hat einen großartigen Job gemacht. Als kleines Dankeschön gab es für sie beim gemütlichen Ausstellerabend Applaus und ein CanJam-Poster mit den Unterschriften aller Aussteller.

Ausblick

Die CanJam ist ein absolut entspanntes und angenehmes Messe-Event, bei dem Menschen, auf der Suche nach dem perfekten Kopfhörer, in jeder Hinsicht auf ihre Kosten kommen. Wir wünschen nicht nur den Ausstellern und der Organisatorin, dass sich im kommenden Jahr wieder mehr begeisterte Besucher in der Essener Messe einfinden. Wir können die CanJam jedem, der sich einmal selbst einen klanglichen Überblick über die gesamte Kopfhörerlandschaft machen möchte, nur wärmstens empfehlen.