Dänische Delikatessen
Die dänische Röhrenschmiede Lydkraft repräsentiert mit ihren Tube-Tech-Geräten auf vornehmste Art den zeitgenössischen Edel-Röhrensound. Mit dem Preamp MP 1 A und dem eigenen Modularsystem RM 2, mit dem Preamp PM 1A und dem Opto-Röhrenkompressor CM 1A treten zwei wahre Delikatessen für Klangfeinschmecker zum Test an.
Von Johannes Dicke und Harald Wittig
Der Name Tube-Tech ist aus der Studioszene nicht mehr weg zu denken, seit der dänische Hersteller Lydkraft im Jahr 1987 den zweikanaligen Mikrofon-Vorverstärker MP 1A und den im Pultec-Style gebauten Röhren-EQ ME 1A präsentierte. Mit diesen Edelgeräten, die – Nomen est Omen – in Röhrentechnik, die seinerzeit als hoffnungslos anachronistisch und veraltet galt, aufgebaut sind, schufen die Dännen zwei Bestseller und aus heutiger Sicht moderne Klassiker. Das gilt auch für den Opto-Kompressors CL 1B, der 1991 vorgestellt wurde und der mittlerweile sogar mit Software-Nachbauten, zuletzt von Softtube (siehe den Vergleichstest Hardware-Original gegen Software-Emulation in Ausgabe 2/2010) geehrt wurde. 2008 importierten die eingefleischten Röhrenfans diese beiden äußerst erfolgreichen Designs in das eigens entwickelte RM-Rackformat, wobei der Hersteller nach eigener Aussage einige Verbesserungen vorgenommen hätte. Im Ergebnis sind die beiden Module PM 1A und der CM 1A entstanden, später fand das Duo noch Ergänzung mit dem Equalizer-Modul EM 1A. Im Rahmen des kleinen Preamp-Schwerpunkt in dieser Ausgabe haben wir kurzerhand einen RM 2-Rahmen, bestückt mit beiden Preamp- und Kompressor-Modul beim deutschen Vertrieb Audiowerk bestellt, um für Sie herauszufinden, was sich klanglich hinter den blauen Frontplatten der Edelgeräte verbirgt. Zur Ergänzung hat sich noch der Begründer des Tube-Tech-/Lydkraft-Ruhms, der Mikrofon- und DI-Vorverstärker MP 1A hinzugesellt – immerhin hat das Preamp-Modul PM 1A seine schaltungstechnischen Gene geerbt. Ob das auch für den Klang gilt, wollten wir selbstverständlich herausfinden.
Tube-Tech-Geräte gibt es nicht für ein Butterbrot, es handelt sich um vergleichsweise teure Geräte. Für den zweikanaligen MP 1A sind rund 3.800 Euro, also 1.900 Euro pro Kanal anzulegen, die beiden Module kosten jeweils etwa 1.500 Euro, zuzüglich die 970 Euro für dem RM2 Rackrahmen, ohne den die beiden Module nutzlos sind. Es handelt sich eben um Boutique-Geräte für den Klang-Gourmet, der sich seine Leidenschaft gerne mal was kosten lässt. Dass die Tube-Tech-Geräte tatsächlich auch einiges Suchtpotential haben und Besitzgelüste schüren, sei schon jetzt verraten.
Befassen wir uns zunächst mit dem Tube-Tech Racksystem und werfen einen Blick auf den RM Desktop-Rahmen. Ihn gibt es als RM2 in der Zwei-Modul-Variante oder als RM8, der acht Module fasst und wenig überraschend mit einem Verkaufspreis von 2.150 Euro deutlich teurer als der uns zur Verfügung gestellte RM2 ist. Die Praxistauglichkeit von Modular-Systemen liegt auf der Hand: Neben der nicht zu unterschätzenden Platzersparnis bieten sie dem Anwender die Möglichkeit zum vergleichsweise kostengünstigen und individuellen Zusammenstellen des Outboard-Equipments. Der Preisvorteil gründet sich vor allem darauf, dass der Hersteller Einzel-Netzteile und aufwändige Gehäuse spart, wenngleich es schon drauf ankommt: Wer meint, mit zwei PM 1A im RM2-Rahmen gegenüber einem MP 1A im Preisvorteil zu sein, befindet sich vollständig auf dem Holzweg. Wer sich indes einen Channelstrip zusammenstellen möchte und ergänzend entweder das Kompressor- oder das Equalizer-Modul wählt, fährt schon günstiger. So ganz zieht das Sparargument im Falle Lydkrafts selbstverständlich nicht, denn es handelt sich, wie bereits angedeutet, um ein proprietäres System, das nicht dem Quasi-Standard, dem API 500-Format folgt.
Äußerlich macht der RM2 einen stabilen Eindruck: Das Gehäuse ist aus galvanisch beschichtetem Stahl hergestellt und bietet den zwei frontseitig einbaubaren Modulen guten Schutz. An der Gehäuserückseite befindet sich in der unteren Hälfte die Stromversorgung über ein von außen angebrachtes Schaltnetzteil, das per Schlitzschraube wahlweise auf 115 oder 220 Volt Netzbetrieb umgestellt werden kann. Diese Außenposition des Netzteils birgt einen großen Nachteil, der sich beim Anschließen der Signal-Kabel zeigt: Die XLR Ein- und Ausgänge befinden sich nämlich direkt oberhalb von Netzteil und Netzstecker, womit die Wahrscheinlichkeit potentieller Netz-Einstreuungen enorm steigt, was sich dann unter anderem als 50-Hertz Brummen bemerkbar machen könnte. Wir haben das selbstverständlich im eigenen Messlabor überprüft: Tatsächlich bleibt der Noisefloor unter -90 Dezibel, sodass Störgeräusche in der Aufnahme-Praxis keine Rolle spielen (siehe das auf Seite 67 abgedruckte FFT-Spektrum). Die Dänen haben also nichts anbrennen lassen – sehr gut.
Der PM 1A ist Lydkrafts einkanalige Weiterentwicklung ihres zweikanaligen 19-Zoll Röhren Mic-Preamp MP 1A – damit gilt alles, was wir im Folgenden ausführen, auch für den MP 1A. Auf Unterschiede werden wir aber ausdrücklich hinweisen.
Auf der vergleichsweise kleinen Frontplatte des MP 1A sind sämtliche Bedienelemente untergebracht, sodass der Toningenieur mühelosen Zugriff auf die diversen Funktionen hat. Lydkraft hat das Modul allen relevanten Funktionen, die ein Toningenieur von einem Spitzenklasse-Vorverstärker erwartet, ausgestattet: Ganz oben auf der Frontplatte sind ein dreistufiger, wahlweise auf 600, 1200 oder 2400 Ohm schaltbarer Impedanzwahl-Kippschalter – dieses Feature fehlt beim MP 1A –, die Schalter zur Aktivierung der -20 Dezibel-Vordämpfung und der +48 Volt Phantomspeisung angebracht. Darunter haben wir Zugriff auf den Schalter für den Low Cut-Filter mit seinen Positionen „Off“, 20 und 40 Hertz sowie den Kippschalter für die Phasenumkehrfunktion. Schließlich gibt es noch eine Overload-LED zur Pegelkontrolle, ein durchaus nützliches Ausstattungsdetail, das beim MP 1A fehlt.
In der unteren Hälfte sind dann schließlich ein in zehn Dezibel-Schritten gerasteter Pegelsteller für die Eingangs- und ein stufenloses Poti für die Ausgangsverstärkung verbaut, nebst darunter angebrachtem DI-Klinkeneingang. Das Gain-Poti des MP 1A ist demgegenüber in 5dB-Schritten und damit feiner gerastet, was wir uns auch für das PM 1A-Modul wünschen, dafür fehlt beim Zweikanaler der Regler für die Ausgangsverstärkung.
Die Bedienelemente fühlen sich bei allen Tube-Tech-Geräten einfach toll an: Die Kippschalter sind genügend groß und leicht bedienbar, die Potis liegen klasse in den Fingern und bieten vollste Kontrolle beim Gainstaging. Die allgemeine Verarbeitung entspricht fraglos dem hohen Preis, denn sämtliche Bedienelemente sind sorgfältig angebracht, da wackelt nichts, alles sitzt passgenau. So muss das sein.
Beim Einschalten des RM2 herrscht zunächst eine Sekunde lang Unsicherheit, denn aufgrund fehlender Betriebsanzeige fragen wir uns, ob das Gerät denn nun eingeschaltet ist oder nicht. Auch der Blick auf den in unserer RM2-Testrack eingebauten, benachbarten CM 1A Opto-Kompressor beseitigt unsere anfängliche Verwirrung nicht. Erst, wenn durch die Pegelspitzen eines angelegten Signals die Overload-LED des Preamps und die Pegelanzeige des dahinter geschalteten Kompressors aufleuchten, haben wir die Gewissheit: „Ja, es funktioniert“. Im Falle des MP 1A informiert die Bereitschafts-LED über dem ON/OFF-Schalter über den Betriebszustand des Preamps.
Bevor wir uns dem Praxistest und der Erforschung des Tube-Tech-Klangs widmen, wollen wir noch einen Blick auf die Messwerte werfen. Diese sind, wie es sich für teure Edelgeräte gehört, durch die Bank hervorragend, wobei der Klassiker MP 1A sein modulares Geschwister PM 1A noch übertrifft: So ermittelt das Professional audio-Messlabor im Falle des MP 1A ausgezeichnete 85,4 und 82,1 Dezibel für Geräusch- und Fremdspannungsabstand des Mikrofon-Eingangs. Der PM 1A bringt es demgegenüber auf immer noch sehr gute 81,9 und 78,3 Dezibel. Den Vogel schießt jedoch das Kompressor-Modul CM 1A mit gemessenen 92,6 Dezibel für den Geräuschspannungs- und 88,0 Dezibel für den Fremdspannungsabstand ab. Bedenken wir, dass es sich um drei Röhrengeräte handelt, bekommen wir noch mehr Ehrfurcht vor den Dänen. Mit einer Empfindlichkeit von -66,3 beziehungsweise 66,6 Dezibel der Mikrofon-Eingänge von MP 1A und PM 1A ist sonneklar, dass diese Vorverstärker jedweden Schallwandler vom hochempfindlichen Kondensatormikrofon bis hin zum flüsterleisen Bändchen gerne annimmt. Dass das PAD exakt um die vom Hersteller angegebenen 20 Dezibel dämpft, ist ein weiterer Beleg für die Sorgfalt der Lydkraft-Ingenieure. Auch die Gleichtaktunterdrückung ist Spitze, sodass der Anwender ohne Weiteres lange Kabelstrecken verlegen kann und keinerlei Furcht vor Einstreuungen haben muss. Erwartungsgemäß sind die THD + N-Werte vergleichsweise hoch (siehe hierzu die finalen Steckbriefe mit allen Messwerten), was Sie – und wir – ohnehin wünschen, denn harmonische Verzerrungen geben dem Röhrensound bekanntlich sein Gepräge.
Beim Erforschen des Klangs geht so richtig die Sonne auf. Die drei verbauten Röhren – zwei ECC83 und eine ECC82 verleihen dem Signal ab einem entsprechend ausreichenden Verstärkungsgrad die erwartete Röhrenfärbung, die den Klang ausgesprochen angenehm verschönert. Im direkten Vergleich mit einem anderen Röhren-Preamp der Spitzenklasse, dem im Universal Audio LA-610-Channelstrip verbauten 610 Mic-Preamplifier, offenbart sich: Wo der bereits großartig klingende 610 mit seinem eher transparentem Grundsound bei entsprechendem Pegel eine wohlklingende, warme Röhrensättigung erzeugt, setzt der PM 1A noch eins drauf und schafft es, alles noch eine Spur schöner und edler klingen zu lassen. Zwar stößt der LA-610 in der Summe bei zugeschalteter T4-Kompressorsektion über deren Röhrenaufholstufe auch in die Klangregion des Tube Tech Moduls vor, ohne allerdings den Edel-Klang des Dänen zu erreichen. Dies gilt sowohl bei der Nutzung des PM 1A als Mikrofon-Vorverstärker, als auch in der Funktion als DI-Vorverstärker für E-Gitarre und E-Bass. Wir schließen eine Fender Stratocaster an, nehmen eine kurzen Take auf und hören uns die Aufnahme über unsere Referenz-Abhöre ADAM S3X-H an – und sind platt: Lydkraft schreibt selbst, dass der DI-Eingang klanglich Weltklasse sei. Dem stimmen wir von ganzem Herzen zu, denn besser kann eine cleane E-Gitarre einfach nicht klingen. Unser bisheriger Favorit bei den DI-Eingängen findet sich in den amerikanischen True Systems-Preamps (siehe die Tests von P-SOLO und Precision 8i in den Ausgaben 12/2008 und 1/2009), den Thron besteigen jetzt die Tube-Tech Preamps. Jawohl, beide Preamps. Denn wir hören keinerlei Unterschiede zwischen dem PM 1A und dem MP 1A, was das hohe Qualitätsniveau der skandinavischen Röhren-Vorverstärker belegt.
Auch in puncto Räumlichkeit spielen beide Preamps ganz vorne in der Spitzengruppe mit und setzen sich nicht nur vom Universal Audio, sondern sogar, wenngleich nur hauchdünn, von unserem Referenz-Vorverstärker, dem Lake People Mic-Amp F355 ab. Wir können nach diesen Klangerfahrungen nicht anders und stellen fest: Sowohl der MP 1A als auch der PM 1A sind einfach wunderbare Vorverstärker, in deren ganz speziellen Edelklang sich jeder, der Ohren hat, verlieben muss.
Kommen wir nun zum zweiten Modul-Slot unseres RM2-Modulrahmens in dem der Opto-Röhrenkompressor CM 1A verbaut ist. Auch hier findet sich wie bereits beim PM 1A die gleiche, überzeugende Verarbeitung und Haptik der Bedienelemente. Oben rechts befindet sich eine LED-Pegelanzeige, die in elf Stufen von -20 bis über +3 Dezibel reicht. Sie ist mittels links daneben befindlichem Kippschalter wahlweise auf Anzeige der Pegelreduktion oder des Ausgangspegels einstellbar und gibt uns gut ablesbare Auskünfte. Darunter folgen die kompressortypischen Potis für Attack, Release, Treshold, Ratio sowie der Regler für den Aufholverstärker am Ausgang. Links neben dem Attack-Poti kann schließlich das Regelverhalten des Kompressors in drei Modi eingestellt werden: „Fixed“, „Fix/Man“ und „Manual“. Im ersten Modus arbeitet der CM 1A mit fester Attack- und Releasezeit (Attack eine Millisekunde, Release 50 Millisekunden), im zweiten Modus bleibt die Attack-Zeit fix, jedoch lässt sich der Release-Wert einstellen. In der „Manual“-Einstellung sind beide Parameter schließlich beliebig einstellbar (Attack 0,5 bis 50 Millisekunden, Release 0,05 bis 10 Sekunden).
Damit ein vom PM 1A verstärktes Mikrofonsignal auch wirklich im CM 1A ankommt, ist zunächst auf der Rückseite des RM2-Rahmens der Ausgang des ersten mit dem Eingang des zweiten Moduls mit einem möglichst kurzen XLR-Kabel zu verbinden. Bekommt der Kompressor dann ein Signal zur Bearbeitung, rückt er ihm gleich, entsprechend der jeweiligen Einstellungen zu Leibe.
Um einen besseren Eindruck seiner Klangeigenschaften zu erhalten, haben wir den CM 1A in der Praxis mit dem im Universal Audio LA-610 enthaltenen T4 Opto-Kompressor verglichen. Hier zeigen sich die Stärken und Schwächen beider Channelstrips: Wo zunächst in puncto Charakter und „Röhrigkeit“ der PM 1A über den 610 Mic-Preamp klanglich triumphiert, kann der T4 gegenüber dem CM 1A in einem Punkt aufholen: Geht es um musikalische, angenehme Gesangskompression, bei der den Transienten nicht allzu heftig zu Leibe gerückt wird, hat der T4 die Nase vorn. Werden jedoch stark verdichtete Vocals à la „Radio-Stimme“ gewünscht, wird der Tube Tech zum perfekten Partner und erweist sich dank seiner vielseitigen Einstellmöglichkeiten sogar als universell einsetzbar. Die Kombination mit dem PM 1A ergibt schließlich einen Channelstrip in Röhrenbauweise, der sicherlich Spitzenklasse ist.
Fazit
Die Tube-Tech-Geräte sind klanglich über jeden Zweifel erhaben und repräsentieren auf ihre eigene Art einen zeitgenössischen Röhrensound, der einfach bezaubernd schön ist. Vor allem die Preamps MP 1 A und PM 1A sind gut betuchten Klanggourmets nachhaltig zu empfehlen, handelt es sich doch um feinste dänische Delikatessen, die Kombination von PM 1A und CM 1A im RM2-Rahmen ergibt schließlich einen universell einsetzbaren Spitzenklasse-Channelstrip.
Erschienen in Ausgabe 10/2012
Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 3796 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: gut
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