Professional audio durfte in diesem Jahr erstmals das beste Praxis-Projekt der Absolventen im Studiengang „B.A. (Hons) Music Technology Specialist“ der Deutschen POP auszeichnen. Gestatten: Unser Sieger Fabian Waschek!

VON FREDA RESSEL, FOTOS: DIANE PLATTNER, JONAS BAIER, ARTWORK: ANDREAS BAIER

Das von Andreas Baier entworfene Artwork für „Tina from another Star“

Das von Andreas Baier entworfene Artwork für „Tina from another Star“

Ein unheimliches, aufbrausendes Rauschen, dann eine Vielzahl an Männerstimmen, die sich acapella in rhythmisch vertrackten Harmonien textlos auf die Reise machen. Pause, eine gezupfte Gitarre. Ein einzelner Sänger singt melancholisch „It’s Tina from another star…“, und während man sich kurz in sicheren Pop-Gewässern wähnt, weisen diverse Takteinschübe bereits darauf hin, dass dies kein anspruchsloses Stück Musik sein kann. In den nächsten 23 Minuten werden Jazz, Rock, Progessive, Pop und Metal zu einem Gesamtkunstwerk verschmelzen. Klingt abgefahren? Das fanden wir auch und kürten „Tina from another Star“ zum besten Praxis- Projekt der diesjährigen Absolventen des Studiengangs „B.A. (Hons) Music Technology Specialist“ der Deutschen POP (ein ausführliches Statement finden Sie weiter unten). Verantwortlich für das Werk ist der 27-jährige Fabian Waschek, der am Münchener Standort der Akademie sein Studium absolvierte. Gemeinsam mit seinem Cousin Jonas Baier stellte er das Projekt „Beacon“ auf die Beine und produzierte die Aufnahme als Abschlussprojekt. Wir haben mit ihm über das Projekt und sein Studium an der Akademie gesprochen.

Beacon – Tina from another Star

 

Fabian, erst einmal herzlichen Glückwunsch zu deinem Gewinn! Erzähl uns doch bitte, wie du zur Musik und damit zur Deutschen POP gekommen bist.

! Den Weg zur Musik habe ich schon früh gefunden, als ich in der ersten Klasse dem berühmten Tölzer Knabenchor beigetreten bin. So durfte ich schon als Kind auf vielen Bühnen in Deutschland und Europa stehen und eine hervorragende musikalische Ausbildung genießen. Während dieser Zeit hatte ich auch Klavierunterricht, aber als Teenager habe ich dann auf E-Gitarre umgesattelt – ist ja schließlich cooler!

Im jungen Erwachsenenalter hat mich dann die Reiselust gepackt und ich bin viel in der Welt herumgekommen. Dabei habe ich mich auch an verschiedensten Jobs versucht, unter anderem als Antiquitäten-Restaurateur. Nach einem längeren Praktikum im Nationalpark Berchtesgaden wollte ich dann eigentlich Forstwirtschaft studieren. Leider musste ich bald erfahren, dass man mit einer starken Rot-Schwäche schlechte Chancen hat, in staatlichen Forsten oder Nationalparks angenommen zu werden. Daher habe ich mich schließlich doch für die Musik entschieden und eine Ausbildung zum Tonmeister an der Deutschen POP begonnen. Jetzt habe ich schließlich meinen Bachelor in Music Technology mit First Class Honours abgeschlossen und muss mir überlegen, wie es weiter geht.

Welche Künstler haben dich musikalisch geprägt?

! Nur um einige der musikalischen Einflüsse zu nennen: Meshuggah, Cynic, Björk, Portishead, Frank Zappa, Pink Floyd, Ryuichi Sakamoto, Screaming Headless Torsos, Britney Spears, Brecker Brothers, Nico Stufano, Soft Machine. Die prägendste Musik der letzten Jahre stammt aber definitiv aus der Feder von Allan Holdsworth.

Welche Erfahrung hast du bereits im Recording-Bereich gemacht?

! In Zusammenhang mit dem Studium sind natürlich etliche Aufnahmen über die letzten drei Jahre in verschiedenen Bereichen entstanden. Aktuell arbeite ich an zwei EP-Veröffentlichungen meiner Bands Cyclus und Volat Aetas. Beide sind schon seit längerem in Produktion und können hoffentlich bald veröffentlicht werden. Außerdem bin ich seit diesem Jahr verantwortlich für den Ton eines kleinen Youtube-Channels mit Live-Rollenspiel-Thematik – eine außergewöhnliche Erfahrung.

Das Projekt „Beacon“ besteht aus Dir und Deinem Cousin. Wie ist es zu dieser Zusammenarbeit gekommen? Entstand die Idee erst für die Abschlussarbeit?

! Die Idee für dieses Projekt liegt eigentlich schon einige Jahre zurück. Seit unserer Jugend teilen Jonas und ich den gleichen Musikgeschmack. Es fing an mit Rock-Musik in unserer frühen Jugend, mit Bands wie Nirvana, Tool oder Rage Against the Machine. Etwas später konzentrierte sich unser Interesse dann hauptsächlich auf progressiven Metal – auch damals durfte es schon gerne Musik mit instrumentalem Fokus sein. Mittlerweile hören wir beide hauptsächlich Jazz, vor allem Jazz Fusion. Aber unser Geschmack ist natürlich nicht nur darauf beschränkt – unsere Palette ist breit gefächert und reicht von anspruchsvollem Pop bis hin zu experimenteller und elektronischer Musik, und manchmal sogar italienischem Schlager. Während Jonas schließlich eine Ausbildung für Jazz-Gitarre am Konservatorium in Innsbruck begann, habe ich mich entschlossen ebenfalls eine musikalische Karriere an der Deutschen POP in München zu starten. Aufgrund unseres gemeinsamen Interesses wollten wir seit jeher ein gemeinsames Projekt verwirklichen. Aber wegen der Distanz, Arbeit und Studium hatten wir dazu leider nie wirklich die richtige Möglichkeit. Erst mit diesem Studienprojekt bot sich uns endlich der richtige Rahmen für eine Zusammenarbeit an.

Jonas Baier, Fabian Wascheks Cousin und die zweite Hälfte von „Beacon.“ (Foto: Jonas Baier)

Jonas Baier, Fabian Wascheks Cousin und die zweite
Hälfte von „Beacon.“ (Foto: Jonas Baier)

Wie sahen die Anforderungen dieses Projektes aus? Musste das Stück extra dafür konzipiert werden oder bestand es bereits im Vorfeld?

! Die Anforderung war, ein Recording- Projekt nach eigenen Vorstellungen zu realisieren. Dabei mussten im Vorfeld klare Ziele und Rahmenbedingungen formuliert werden. Außerdem war eine umfangreiche schriftliche Ausführung Teil der Aufgabe. Das Stück haben wir extra für die Abschlussarbeit entwickelt. Dazu haben wir uns zwischen Oktober letzten Jahres und Januar an mehreren Wochenenden pro Monat zusammengefunden und intensiv an dem Material gearbeitet, von der Komposition bis zum Mastering. Komposition und Aufnahme waren dabei ein fließender Prozess. Wir haben die einzelnen Teile immer weiter ausgearbeitet, verändert und am Ende schließlich zu einem großen Ganzen zusammengefügt. Während dieser Zeit sind Unmengen an Material entstanden – das meiste davon hat es nicht in die finale Version geschafft.

Erzähl uns ein bisschen zum Hintergrund des Stückes – was ist das Konzept? Was macht seinen Reiz aus?

! Mit diesem Projekt wollten wir ein Mischmasch all unserer musikalischen Einflüsse erschaffen, sozusagen ein Potpourri aus Rock, Metal, Pop und elektronischen Elementen, mit Jazz als Kleber, der alles zusammenhält. Jonas war dabei als Komponist und Musiker tätig, ich als kreativer Produzent, Arrangeur, Sound Designer und natürlich Tontechniker. Unser Ziel war es, eine Collage all dieser verschiedenen musikalischen Elemente in der Form eines einzigen zusammenhängenden Stückes zu kreieren. Dabei sollte der Song die Geschichte des kleinen Mädchens Tina erzählen, das mit ihrem Raumschiff ziellos durch das Weltall gleitet – auf der Suche nach einer neuen Heimat. In diesem Kontext haben wir uns auf eine themenbasierte Struktur geeinigt, in der sich jede Sektion auf ein bestimmtes Ereignis ihrer Odyssee bezieht. Die Geschichte wollten wir aber weniger durch gesungenen Text erzählen, sondern viel mehr die Atmosphäre instrumental darstellen und die dazugehörigen Bilder der Fantasie des Hörers überlassen. Wir denken, das macht auch den Reiz aus – vor allem für Musik-Geeks, die Spaß daran finden, sich mit so einer verkopften Musik auseinanderzusetzen.

Hast Du einen bestimmten Sound angestrebt, und wie hast Du diesen realisiert?

! Die Produktion erzählt ja von einer Space-Odyssee, und dementsprechend sollte es auch klingen. Das haben wir vor allem mit dem Einsatz von vielen Effekten und Hall umgesetzt.

Das Stück besteht aus vielen, teilweise stilistisch sehr unterschiedlichen Teilen. Wie schwierig war es, die fließenden Übergänge zwischen diesen Teilen einzuspielen?

! Die Übergänge waren schwierig. Da das Stück in narrative Phasen unterteilt ist, war die Verbildlichung dieser ein wichtiges Hilfsmittel, die Brücken zwischen den Teilen zu realisieren. Ein gutes Beispiel dafür ist der mittlere Abschnitt des Songs (Arbeitstitel: “Modules”). Bei diesem haben wir versucht, die Geräuschkulisse eines Raumschiffcockpits zu simulieren – zum Beispiel mit Gepiepe von den Steuerkonsolen. Der gesamte Part wurde von meinem Mitbewohner Kilian Schuldes und mir live eingespielt, ausschließlich mit analogen Synthesizern. Am Ende deutet dann ein Flügelhorn das Thema des folgenden Jazz-Parts an und voilà: fertig ist ein Übergang, der zwei völlig verschiedene Elemente verbindet. An anderen Stellen haben wir die Verknüpfung der Teile und ihrer verschiedenen Tonarten über Modulationen zu meistern versucht. Wir haben für jeden Teil ein Instrument nach dem anderen aufgenommen. Da wir die meiste Zeit nur zu zweit daran gearbeitet haben, blieb uns nichts anderes übrig. Die einzelnen Instrumente wurden aber meistens für die einzelnen Sinnabschnitte des Songs jeweils am Stück aufgenommen.

Wo fanden die Aufnahmen statt?

! Wir haben in meinem eigenen Projekt-Studio aufgenommen, das ich zusammen mit Kilian aufgebaut habe. Mittlerweile haben wir einiges an Equipment mit einem beachtlichen Wert angesammelt: diverse Musikinstrumente wie E-Piano, Gitarren, allerlei Schlagwerk, Sägen und verschiedene Keyboards, einige analoge Synthesizer (auch modular), einen iMac und einen Mac Pro, Monitore, Mischpulte, Mikrofone, Bandmaschinen, Controller und etliches an Software – für ein kleines Home-Studio sind wir eigentlich ganz gut ausgestattet und man kann sich kreativ wunderbar austoben. Nur ein abgetrennter Aufnahmeraum fehlt uns noch.

Work in Progress: Eines von vielen Leadsheets für die anspruchsvolle Aufnahme. (Foto: Jonas Baier)

Work in Progress: Eines von vielen Leadsheets für die
anspruchsvolle Aufnahme. (Foto: Jonas Baier)

In „Tina from another Star“ kommen viele verschiedene Instrumente zum Einsatz. Habt ihr alles live eingespielt oder musstet ihr auf virtuelle Instrumente zurückgreifen?

! Bis auf wenige Ausnahmen wurden alle Instrumente live eingespielt. Lediglich die Streicher und natürlich viele Effektsounds sind programmiert. Auch beim Piano mussten wir etwas tricksen, da weder Jonas noch ich ausreichend gute Fähigkeiten am Klavier besitzen. Für das Schlagzeug haben wir auf ein virtuelles Instrument zurückgegriffen. Eingespielt wurde das Ganze aber mit E-Drums. Besonders für den mittleren Jazz-Part möchte ich später noch gerne ein echtes Schlagzeug aufnehmen, denn mit E-Drums klingt es doch noch sehr unnatürlich.

Für Trompete und Flügelhorn haben wir uns einen Gastmusiker dazu geholt, einen guten Freund von Jonas aus Innsbruck, Günther Gänsluckner. Er war an einem Wochenende zu Besuch und hat in dieser Zeit alles eingespielt. Ein wirklich netter Typ und super Musiker.

Wie verlief die Postproduktion?

! Die Postproduktion war ein großes Puzzle, denn vor allem das Editieren hat die meiste Zeit in Anspruch genommen. Das Schneiden, die Auswahl der besten Takes, das Zusammenfügen des Songs…

Du warst auch für das Mischen und Mastering zuständig. Hast du eine bestimmte Vorstellung davon, was einen guten Mix und gutes Mastering ausmacht?

! Ich glaube, dafür gibt es keine universelle Faustformel, es ist immer vom Kontext abhängig. Natürlich gilt es, gewisse Grundprinzipien zu beachten. Aber auch wenn ich persönlich dynamisches Mastering sehr wertschätze, bedeutet das zum Beispiel nicht, dass starke Kompression grundsätzlich schlecht ist – sie funktioniert nur einfach nicht mit der Musik, die ich gerne höre.

Selten laufen Produktionen reibungslos ab. Gab es bei deiner Projektarbeit größere Pannen?

! Die ersten Worte, die ich zu Beginn des Studiums gehört habe, lauteten wahrscheinlich: “Regelmäßig speichern!” Nachdem ich während des Editierens mehr als einen halben Tag Arbeit verloren habe, weil aus unerfindlichen Gründen auch die automatischen Backups deaktiviert waren, werde ich diesen Satz wohl nicht mehr so schnell vergessen.

Erzähl uns ein bisschen über Dein Studium an der Deutschen Pop. Was hat dich besonders beeindruckt, was hast Du für Deine Zukunft mitgenommen?

! Das Schöne an dem Studium ist, dass es sehr breit gefächert ist. Wie der Titel „Music Technology“ vielleicht vermuten lässt, ist das Ganze nicht rein auf Tontechnik beschränkt, sondern man lernt beinahe alle Seiten der Musikindustrie kennen. Auch wenn vieles erst einmal desillusionierend wirken mag, so erhält man doch schnell ein realistischeres Bild der oft überromantisierten Welt des Musikbusiness und am Ende weiß man besser als vorher, welchen Weg man tatsächlich einschlagen möchte.

Werden wir in Zukunft mehr Musik von Dir hören? Was sind Deine aktuellen Projekte?

! Definitiv. Neben den beiden bereits erwähnten Band-Veröffentlichungen wollen Jonas und ich das Beacon-Projekt noch weiter ausbauen und auf LP-Länge bringen, sowie einige Gastmusiker gewinnen und einige Sachen neu und in einem professionelleren Umfeld aufnehmen. Dazu soll auch ein simpler Animationsfilm im Stil des von Andreas Baier entworfenen Artworks entstehen.

 

Statement zur Professional audio-Jury-Entscheidung:

„Wir haben uns für den Track „Tina from another Star“ von Student Fabian Waschek entschieden. Das hat mehrere Gründe: Zunächst ist das 23-minütige, progressiv-rhapsodisch angelegte Stück eine große Herausforderung, der sich der Produzent mutig gestellt hat. Es erfordert viel Detailarbeit, Musikalität, Gefühl für Timing, Stilmixing und die richtige Dosis von Effekten. Das Thema des Songs, die Reise durch den Weltraum, erfordert außerdem den sparsamen aber wirkungsvollen Einsatz von ungewöhnlicheren Soundeffekten, die bei falscher Auswahl oder zu plakativem Einsatz rasch nerven können oder gar deplatziert wirken – nicht in dieser Produktion! Dem Produzenten gelingt es, die vielen unterschiedlichen Elemente des progressiven Stücks ansprechend in Szene zu setzen und dabei zeigt er, dass er mit allen Mitteln der audio-technischen Gestaltung souverän umgehen kann. Keine Hallfahne ist auch nur eine Millisekunde zu lang – der Hörer kann sich ganz auf die vielschichtige, abwechslungsreiche Reise der „Tina from another Star“ konzentrieren. Dabei werden musikalisch wie produktionstechnisch immer wieder Erinnerungen an bekannte Prog- und Jazz-Produktionen geweckt, wie etwa der hervorragend umgesetzte Anfangschor, der uns an Queen erinnert oder auch progressive Elemente, die Pink Floyd oder Prog-Bands wie Porcupine Tree ähneln, gefolgt von einem spacigen Jazz-Exkurs am Ende des Stückes. Auch aufnahme- und soundtechnisch ist die Produktion ohne Fehl und Tadel. Sie könnte genau so, wie sie ist, auf eine CD gepresst oder auf Vinyl geschnitten werden. Fazit: Rundum vielseitig, kurzweilig und feinfühlig produziert.“ (Freda Ressel und Sylvie Frei)

Wer mehr über die Deutsche POP und ihr Ausbildungsprogramm wissen möchte kann sich unter http://www.deutsche-pop.de informieren.