Mobile Flexibilität

Oft stehen mobile und preisgünstige Audio-Interfaces ihren großen Studio-Geschwistern zumindest in Sachen Performance kaum nach – und besitzen darüber hinaus den Vorteil der universelleren Einsatzmöglichkeiten. So auch bei der mobilen Version des Presonus Studio 192, dem Studio 192 Mobile.

Von Henning Hellfeld

Der Traum vom eigenen Tonstudio mit riesigen Mischpulten, tonnenweise analogem Outboard-Equipment und mehreren perfekt akustisch bearbeiteten Räumen scheitert in der Realität  sehr oft an den finanziellen Mitteln oder ganz einfach an der Zweckmäßigkeit. Denn ist man ehrlich, werden in vielen professionellen Tonstudios oft nicht mehr als zwei oder vier Kanäle simultan aufgenommen. Wieso also sich diese vielen Möglichkeiten, welche sich oft genug auch als Einschränkung erweisen, antun, wenn doch im Alltag wesentlich weniger verlangt wird. Diesem Trend folgen diverse Hersteller von Audiointerfaces seit Jahren. Hochwertige, vielseitige und gleichzeitig flexible, preisgünstige Interfaces findet man inzwischen häufig in den gängigen Shops vor. Sehr viel interessanter sind inzwischen Features wie On Board-DSP oder ausgeklügelte Softwaremixer, um das Interface in eine eierlegende Wollmichsau zu verwandeln.

Um mit der Zeit zu gehen, hat die Firma Presonus ihr Repertoire in den letzten Jahren gewaltig erweitert. Neben Studiooutboard und Interfaces gehören inzwischen auch Abhörmonitore, digitale Mischpulte, Studiosoftware und vieles mehr zum Sortiment, und dies meist im günstigen bis mittleren Preissegment. Das Anfang des Jahres erschienene neue Flaggschiff der Company ist das Studio 192 (Test in der Februar-Ausgabe 2016), welches nun ein mobiles Geschwisterchen bekommen hat. Das Studio 192 Mobile, quasi die abgespeckte Version des großen Bruders, ist für einen UVP von 729 Euro (also für rund 270 Euro weniger) zu haben und soll die „on the Road“-Bedürfnisse des Users befriedigen. So wurden unter anderem nur zwei statt acht Preamps verbaut, es ist nur einer statt zwei Kopfhörerausgängen integriert und auf die Talkbackoption an der Hardware sowie die Mono- und Dim-Funktion wurde komplett verzichtet.

Weniger Schnick, mehr Schnack

Ein- und Ausgänge

Für ein Interface, welches für den mobilen Einsatz konzipiert ist, hat das Studio 192 Mobile trotz der Einschränkungen im Vergleich zum großen Bruder eine ganze Menge zu bieten. Verpackt ist das Ganze in einem edel anmutenden Aluminiumgehäuse, welches trotz des relativ leichten einen soliden Eindruck macht. Frontseitig wurden zwei der seit langem bewährten XMAX-Preamps, welche digital über die Hardware oder die Software zu steuern sind, verbaut. Dank Combi-Buchsen dienen die beiden Anschlüsse auch als Instrumenteneingang und passen die Eingangsempfindlichkeit automatisch auf Hi-Z-Niveau an, sobald ein Klinkenstecker verbunden wird. Rückseitig stehen dann noch zwei symmetrische Line-Eingänge im 63, mm-Klinkenformat zur Verfügung. Das macht insgesamt vier analoge Eingänge.

Gleich zwei ADAT-Schnittstellen über Toslink sorgen für sechzehn zusätzliche, digitale Ein- und Ausgänge. Mit den sechs analogen Ausgängen über Klinke und dem Digitalen S/PDIF Ein- und Ausgang über Cinch, kommen wir so auf insgesamt stattliche 22 Ein- und 26 Ausgänge. Dies sind für ein mobiles Interface eine ganze Menge.

Die Rückseite bietet uns insgesamt acht Klinkenbuchsen für die eben erwähnten analogen Ein- und Ausgänge, zwei Wordclock-Buchsen, die S/PDIF Buchsen sowie die ADAT-Buchsen, den USB 3.0-Anschluss sowie die Stromversorgung. Diese ist dauerhaft von Nöten, da eine Stromversorgung über den USB-Bus nicht möglich ist. Uneingeschränkt mobil ist das Presonus-Interface also auch nicht.

Hardware-Bedienelemente

Vorderseitig neben den zwei Combi-Eingängen der Preamps ist außerdem die Steuerungseinheit für die Eingänge integriert. Diese besteht aus zwei Gummi-Buttons für die Auswahl des zu steuernden Preamps, einem Knopf für die Phantomspeisung und einem Cue-Button, welcher den Anteil des Eingangs-Signals auf dem Kopfhörerausgang regelt. Die Eingangsempfindlichkeit und der Cue-Anteil werden über den Endlosregler eingestellt. Die Pre-Anzeige verrät uns, an welchem Preamp wir gerade schrauben und die Level Anzeige zeigt uns den Regelbereich von 60 dB für den Preamp und den Cue an. Daneben finden wir noch vier LED-Ketten für den Pegel der vier analogen Eingänge und zwei für die Main-Outputs. Das große Volumen-Rad zur Steuerung der Abhörlautstärke der Monitore und des Kopfhörer-Ausgangs samt Lautstärkeregler komplettieren die Front des Studio 192 Mobile.

Universelle Kontrolle

Lieferumfang

Für einen Preis von 729 Euro wird das Presonus 192 Mobile inklusive Netzteil, USB 3.0 Kabel und einer Artist-Version der Presonus hauseigenen DAW Studio One ausgeliefert. Nach dem Unboxing laden wir die Treibersoftware inklusive des Softwaremixers Universal Control herunter. Hierzu sollten im PC mindestens ein Intel Core 2 Duo Prozessor mit 4 GB RAM und Windowsversion 7 vorhanden sein. Bei Macs ist ein Intel Core 2 Prozessor mit 4 GB RAM und – geht es uns nur um das eigentlich Interface – eine OS X Version ab 10.8. notwendig. Allerdings erfordert die neuste Version der Universal Control Software mindestens OS X 10.9., welche wir für Mac-User grundsätzlich empfehlen, um vollen Zugriff auf die Funktionen des Gerätes zu erhalten.

Universal Control Software

An dieser Stelle wollen wir einen genaueren Blick auf die mitgelieferte Mixer-Software werfen, denn je mehr ein Interface auf Mobilität ausgelegt ist, desto wichtiger wird unserer Meinung nach die Steuerungs-Software.

Beim ersten Öffnen von Universal Control werden wir zur Aktualisierung der Firmware aufgefordert. Dies gelingt ohne Probleme und kurze Zeit später befinden wir uns auf der Startseite der Software, welche uns erste Auswahlmöglichkeiten über Samplingrate und Clock-Quelle eröffnet sowie Informationen über Ein- und Ausgangsformate liefert.

Mit einem Klick auf das abgebildete Interface gelangen wir in unseren Softwaremixer. Dieser kommt mit einem kühlen aber eleganten GUI daher und erinnert an Steuerapps für Digitalmischpulte im Live-Metier. Kein Wunder, ist der Mixer doch stark an die Apps der Presonus-eigenen Digitalmischpulte angelehnt. In der oberen Zeile finden wir die Steueroptionen für unsere digital steuerbaren XMAX Preamps. Gain, Phantomspeisung sowie die Polarität können hier gewählt werden. Rechts davon finden wir den integrierten Fat-Channel, welcher uns die Klang- sowie Dynamikbearbeitung über einen internen DSP-Chip direkt im Interface ermöglicht. Ein voll parametrischer EQ, sowie ein Kompressor und ein Gate lassen in Sachen Klangeinstellung keine Wünsche offen. Die vorzunehmenden Einstellungen können auch direkt aus der Studio One Software getätigt und dort gespeichert werden. Doch auch andere DAWs – sollte der Nutzer nicht mit Studio One arbeiten wollen – können via MIDI die Preamps sowie die Phantomspeisung steuern und Einstellungen somit im Projekt abspeichern. Dies kann sehr praktisch sein, wenn man nachträglich noch Spuren aufnehmen muss und die exakte Preamp-Stellung gespeichert hat.

Ganz oben rechts versteckt sich dann noch ein kleines Zahnrad, welches uns zu den Einstellungen führt. Hier können wir neben der Auswahl, ob die ADAT-Kanäle im Mixer angezeigt oder die Peaks gehalten werden sollen, eine sehr schöne Option bezüglich des Monitorings wählen. Die Software ermöglicht uns nämlich das Steuern von bis zu drei Monitor-Paaren. Je nach Einstellung lassen sich entweder Abhöroption A, B und C (für drei Monitorpaare) getrennt ansteuern, A oder B jeweils zusammen mit C (zwei Monitorpaare mit Subwoofer) oder alle drei gleichzeitig (für Surround Settings). Dieses Feature erspart uns einen zusätzlichen Monitorcontroller und ist somit sehr dankbar.

In der unteren Hälfte des Mixers erwarten uns Fader für jeden Eingangskanal, ein DAW Return-Kanal und ein FX Return samt der üblichen Panorama-, Solo- und Mute-Funktionen. Auf der rechten Seite finden wir dann die Mastersektion mit FX-Sends, Talkbackoptionen, FX-Mutes, einem Tap-Tempo-Button und Auswahlschalter für unsere verschiedenen Mixe, denn neben dem Mainmix für unsere Monitore lassen sich noch bis zu sechs weitere Mixe für Kopfhörermischungen oder ähnliche Anwendungen vornehmen.

Einschränkungen bei hohen Sampling-Raten

Grundsätzlich lässt sich sagen: Je höher die Sampling Rate ist, desto geringer fällt die Anzahl an In- und Outputs aus. Dies hat – wie die Kenner digitaler Formate wissen – mit den ADAT-Schnittstellen zu tun. Während bei 44,1 und 48 kHz die vollen Ein- und Ausgangsressourcen genutzt werden können, verringert sich die Zahl bei 88,2 und 96 kHz auf 14 Ein- und 18-Ausgänge. Bei 176,4 und 192 kHz bleiben insgesamt nur noch vier Ins und 8 Outs übrig. In Sachen DSP-Einschränkung fällt ab einer Sample-Rate von 176,4 lediglich der Delay-Bus weg. Alle anderen Funktionen bleiben erhalten.img_8810Praxiseindrücke

Soweit so gut – Zeit, dass das Studio 192 Mobile zeigen darf, wie gut es sich in der Praxis schlägt. Für unseren Test haben wir sowohl Vocals- als auch Akustikgitarrenaufnahmen gemacht, beziehungsweise auch beide gleichzeitig aufgenommen, um die Möglichkeiten der unterschiedlichen Monitoring-Optionen auszuloten. Außerdem wollten wir das Interface noch für den Gebrauch mit Gitarren-Amp-Simulationen testen.

Vocal-Recording und Monitoring

Los geht es mit unseren Gesangsaufnahmen. Dafür nutzen wir ein Neumann U87, schließlich ist eine gute Signalkette fast so wichtig wie gutes Monitoring. Im Zweifelsfall hat man doch lieber eine sehr gut performte Spur auf Band, die nicht hundertprozentig klanglich überzeugt, als ein klanglich perfektes Ergebnis, das musikalisch unzulänglich ist; und welcher Instrumentalist oder Sänger kann schon ohne gutes Monitoring anständig performen? Hier zeigt sich schon die Stärke des virtuellen Mixers. Über den Fat-Channel lässt sich das Eingangssignal sehr gut auf den Kopfhörer anpassen. Für die Vocals heben wir die die Höhen etwas an und setzten ein Lowcut bei 100 Hz. Zusätzlich komprimieren wir das Signal etwas und mischen etwas Hall bei, um den Sänger nicht im Trockenen sitzen zu lassen. Hierzu ist zu sagen, dass die neun verschiedenen Halltypen mit ihren Einstellmöglichkeiten klanglich überzeugen und für diesen Einsatzzweck vollkommen ausreichen. Das Playback der DAW kommt über einen Return-Kanal direkt zurück in den Mixer und kann dann an das Eingangssignal des Mikros angepasst werden. Die Sängerin fühlt sich nun sehr wohl und wir drücken den Record-Button. Nun zeigt sich, was wir ehrlich gesagt schon erwartet hatten. Die XMAX-Preamps in Kombination mit ihren Burr-Brown-Wandlern machen eine sehr gute Figur, klingen ausgewogen, neutral und modern, ohne unangenehme Nebeneffekte. Die Stimme klingt klar, präzise und druckvoll. Auch unsere Gitarrenaufnahmen machen sich sehr gut auf dem Studio 192 Mobile. Dank des optimal gestalteten Monitorings ergibt sich ein tolles Spielgefühl. In der DAW landet ein direktes, klares und obertonreiches Klangergebnis, welches in dieser Preisklasse als sehr gut zu werten ist. Übrigens wäre es auch möglich, über die Pre- und Post-Send-Option in den Einstellungen die Fat-Channel-Settings gleich mit aufzunehmen. Eine tolle Möglichkeit für diejenigen, die sich ihrer Sache sicher sind und klangliche Einstellungen sofort auf der DAW festhalten wollen. Für gewöhnlich heben wir uns die Bearbeitung des Signals jedoch für später auf.

Multiple Kopfhörermixe

Nun geht es an die Aufnahme im Duett mit verschiedenen Kopfhörermixen. Grundsätzlich ist zu sagen, dass die Einstellungen im Fat-Channel eines Kanals für jeden Ausgangskanal gelten. Will nun beispielsweise der Gitarrist den Gesang weniger präsent in den Höhen als die Sängerin haben, ist dieser Wunsch nicht erfüllbar. Das Arbeiten mit verschiedenen Kopfhörermixen gestaltet sich außerdem anfangs etwas verdreht, denn zunächst ist das Signal eines Kanals auf allen sechs Stereoausgängen zu hören. Um dies zu beheben, muss man im Mix der jeweiligen Ausgänge, welche das Signal nicht beinhalten sollen, das Signal muten, anstatt es einfach nur auf die Ausgänge zu routen, auf denen es erwünscht ist. Dies könnte besser gelöst sein. Hat man sich allerdings an diesen Umstand gewöhnt, lassen sich im Handumdrehen gute Kopfhörermixe für jedermann herstellen, inklusive Hall und Delay. Schließt man nun über ADAT noch zusätzliche 16 Preamps an, kann das Interface mit bis zu sechs verschiedenen Kopfhörermixen zur Schaltzentrale für Bandaufnahmen werden. Übrigens kann zusätzlich ein Tablet  gemeinsam mit dem Softwaremixer auf dem PC genutzt werden, um beispielsweise den Musikern zu ermöglichen, ihren Kopfhörermix selbst zu gestalten. Das ist für so eine kleine Box nicht alltäglich und ziemlich praktisch. Spinnt man diese Idee noch weiter, könnten wir in Anbetracht der hohen Qualität des Fat-Channels und der Effekte vorstellen, das Interface für kleine Auftritte auch als Livemixer benutzen zu können.

Einwandfreier Workflow

Nun zu den virtuellen Gitarrenverstärkern:   Dank der inzwischen großen Auswahl an hochwertigen Amp-Simulationen via Software, müssen in vielen Fällen keine analogen Gitarrenverstärker mehr bemüht werden. In unserem Falle nutzen wir Guitar Rig 5 von Native Instruments mit unserer Telecaster. Wie angekündigt wird die Impendanz automatisch auf Hi-Z Niveau angehoben und wir erhalten ein tolles Ergebnis, und das auf der niedrigsten Gain-Einstellung des Preamps. Dies ist ein entscheidender Punkt. Müsste beim Einspielen direkt ins Interface der Gain angehoben werden, kann dies den Klang färben und es müssten wieder lästige Notizen über den Stand des Vorverstärkers gemacht werden. So gestaltet sich alles sehr einfach und klanglich lässt sich nichts aussetzen.

Auch die Latenzwerte sind im Standalone-Betrieb, sowie in der DAW vertretbar, wobei wir uns von einem USB 3.0-Interface ehrlich gesagt noch etwas mehr erwartet hatten. So sind die Latenz-Werte mit denen eines Firewire-Interface vergleichbar. Auf unserem Testrechner (Macbook Pro i7, 2,2 GHz, 16 GB Ram, USB 3.0) fiel die Latenz bei 44,1 kHz bei einem Buffer von 32 Samples auf 3,4 ms und bei 64 Samples auf 4,8 ms.

Aber wie gesagt, schlecht sind die Werte auf keinen Fall und ein einwandfreier Workflow ist gewährleistet. Somit macht also auch das virtuelle Gitarrenverstärkerquälen mit dem Studio 192 Mobile richtig Laune. Das Interface ist übrigens auch mit einer USB 2.0-Schnittstelle nutzbar.

Fazit

Mit dem Studio 192 Mobile ist Presonus eine sehr gute Mobilversion des Studio 192 gelungen. Die Preamps in Kombination mit den Burr-Brown-Wandlern machen in diesem Preissegment eine super Figur und ermöglichen es, professionelle Aufnahmen auf kleinstem Raum zu machen. Ebenso verhält es sich mit den Hi-Z Eingängen. Das geringe Gewicht, die umfangreichen Anschlussmöglichkeiten sowie die ausgeklügelte Mixersoftware machen das Interface zu einem alltagstauglichen Begleiter. Dieser kann mit entsprechender zusätzlicher Peripherie zum großen mobilen Studio für ganze Bandaufnahmen, Livemitschnitte oder ähnlichem aufgeblasen werden kann. Einzig das anfänglich umständliche Handling mit den Kopfhörer-Mixen wäre unserer Meinung nach verbesserungswürdig. Vielleicht lässt sich Presonus ja zu einer Änderung innerhalb der kommenden Updates hinreißen.