Der streamende Musiker
Besonders in der Gaming-Szene erfreuen sich Streaming-Plattformen wie beispielsweise Twitch großer Beliebtheit. Doch auch für Musiker bietet diese Art des Austausches unzählige Möglichkeiten. Autor Stefan Hofmann liefert einen Überblick über Plattformen und die notwendige Technik für das perfekte Streaming-Setup.
Von Stefan Hofmann
Streaming ist derzeit in aller Munde. Vor allem Gamer übertragen ihre Gameplays seit einigen Jahren live im Internet – und das mit großem Erfolg. So erreichen bekannte Streamer zehntausende Nutzer und können sogar ihren Lebensunterhalt aus dem Zockerzimmer bestreiten. In Zeiten von Ausgangssperren und Konzertabsagen werden Streaming-Dienste beziehungsweise Live-Übertragungen auch für Musiker immer interessanter. Konzerte, Musiker-Podcasts, Unterrichtsstunden oder Studioeinblicke – all das kann heutzutage im Homeoffice erledigt werden.
Doch auch die Qualität der Übertragungen hat sich in den letzten Jahren verbessert. So erwarten Zuschauer eine gute Übertragungsqualität, in der Bild und Sound wie bei einem TV-Sender daherkommen. Und genauso sollten Sie Ihren Streaming-Auftritt planen – wie eine Fernsehsendung. In den folgenden Absätzen stelle ich Ihnen die wichtigsten Streaming-Plattformen vor und zeige, mit welcher Technik Sie ausgestattet sein sollten, um eine professionelle Echtzeitübertragung zu realisieren.
Was ist Streaming?
Live-Streaming ist im Prinzip nichts anderes als eine Echtzeitübertragung von Video- und/oder Audiosignalen über beispielsweise das Internet. Interaktive Streams werden auch als Webcast bezeichnet, Lehrveranstaltungen als Webinare. In diesem Artikel geht es aber um das Live-Streaming. Im Gegensatz hierzu stehen Angebote von On-Demand-Portalen wie Netflix und Co., die Nutzern Inhalte auf Abruf zur Verfügung stellen.
Welche Plattformen sind interessant?
Twitch
Die wohl bekannteste Streaming-Plattform derzeit ist Twitch. Besonders der Gaming-Bereich erfreut sich hier großer Beliebtheit. Doch mittlerweile tummeln sich auch viele Musiker auf der beliebten Plattform. Gegründet unter dem Namen Justin.tv, entschieden sich die Macher aufgrund des großen Erfolges bei Videospielenthusiasten, einen spezialisierten Dienst anzubieten. Twitch war geboren. Eine Beta-Version wurde im Juni 2011 veröffentlicht. Bereits 2013 verzeichnete die Plattform monatlich mehr als 45 Millionen Zuschauer, auf über sechs Millionen Kanälen. Ende August 2014 wurde die Plattform für einen hohen Betrag von Amazon aufgekauft.
Jeder Nutzer, der über ein Benutzerkonto verfügt, kann auch einen eigenen Kanal erstellen. Zur Übertragung wird eine Streaming-Software benötigt. Eine kostenlose Variante stellen ich später in diesem Artikel vor.
Außerdem stellt Twitch für Anfänger eine eigene Software bereit. Besonders interessant ist das Twitch-Partnerprogramm. Nutzer, die regelmäßig streamen und deren Zuschauerzahlen stetig wachsen kommen hier in Frage. Sobald man diesen Status erreicht hat, besteht die Möglichkeit, Werbeanzeigen in Streams einzublenden. Hierfür wird der jeweilige Partner an den Werbeinnahmen beteiligt. Außerdem können Zuschauer Kanäle des Programms mit kostenpflichtigen Abonnements unterstützen oder sogenannte Bits erwerben und diese an ihre Lieblings-Streamer weiterleiten.
Für kleinere Streamer gibt es das sogenannte Affiliate-Programm. Doch auch hier müssen gewisse Anforderungen wie beispielsweise sieben Übertragungen in den letzten dreißig Tagen erfüllt werden. Kommt man für dieses Programm in Frage, werden Monetarisierungsmöglichkeiten freigeschaltet, wobei das Anzeigen von Werbeanzeigen den Partnern vorbehalten ist.
YouTube
Auch auf der wohl bekanntesten Videoplattform im Internet, YouTube, können Nutzer Echtzeitübertragungen realisieren. Jedoch besteht nicht für jeden Kanal die Möglichkeit auf YouTube live zu gehen. Mindestens hundert Abonnenten muss Ihr Channel aufweisen, um die Live-Funktion freizuschalten. Wollen Sie die Übertragung mit einem Mobilgerät starten, benötigen Sie sogar 1.000 Abonnenten. Außerdem sollte es in den letzten 90 Tagen keine Auffälligkeiten wie Verstöße gegen die Nutzungsbedingungen gegeben haben. Für den YouTube-Stream wird keine gesonderte Software benötigt. Alles funktioniert browserbasiert – auch die Wahl des Mikrofons. Nach dem Stream können Sie das Video auf Ihrem Channel dauerhaft speichern.
Sollten Sie einen Sponsor für Ihren Stream gefunden haben, können Sie problemlos Werbung integrieren. Sie müssen diese jedoch kennzeichnen beziehungsweise darauf hinweisen. Außerdem darf das Advertising nicht gegen die Google-Ads-Richtlinien verstoßen. Ich empfehle Ihnen vor einer Live-Schalte mit Werbeeinblendungen die Google-Nutzungsbedingungen zu lesen.
Facebook/Instagram
Das Live-Streaming auf Facebook und Instagram ist denkbar einfach. Während Facebook einen browserbasierten Stream ermöglicht, hält Instagram diese Funktion ausschließlich auf Mobilgeräten bereit. Über den jeweiligen Nutzer-Account beziehungsweise der Band-Seite (Facebook) kann nun eine Live-Übertragung gestartet werden. Bei Facebook kann das Video im Nachhinein gepostet und abgespeichert werden. Instagram stellt Nutzern den Clip für 24-Stunden bereit. Das Video kann jedoch ebenfalls abgespeichert werden.
Zoom
Der Videokonferenz-Anbieter Zoom ist vor allem für Musiklehrer interessant. Über einen Zugangscode (Besprechungs-ID) kann jeder, der über diesen verfügt, einem sogenannten Meeting beitreten. Professionelle Anwender sollten zumindest über eine Pro-Mitgliedschaft nachdenken, da die kostenlose Version einige Einschränkungen, wie beispielsweise eine begrenzte Anzahl der Teilnehmer, bereithält. Einen Überblick über die verschiedenen Preismodelle bietet die Website des Anbieters (www.zoom.us).
Hard- und Software für professionelle Streams
Um eine professionelle Echtzeitübertragung zu realisieren, braucht es einiges an Equipment. Auch die verwendete Software kann über Erfolg und Misserfolg entscheiden. Da die Qualität der gebotenen Streams in den letzten Jahren zugenommen hat, sollte ein gewisser Standard eingehalten werden. So sollte das übertragene Videosignal mindestens über 720p (1280×720 Pixel) verfügen. Das ist nebenbei die geringste Auflösung der Fernsehnorm HDTV. Ich würde daher eine Auflösung von 1080p (1920×1080 Pixel) empfehlen. Auch die Audioübertragung sollte selbstverständlich über eine gute Qualität verfügen, immerhin geht es ja um die „Musik“. Das Laptop-Mikrofon alleine ist dabei in den meisten Fällen nicht ausreichend. Doch bevor Sie sich Webcams und Mikrofone für Streaming-Anwendungen zulegen, sollten Sie testen, ob ihre Internetverbindung überhaupt ausreicht, um ein gutes Signal zu übertragen. Wichtig ist hier die Upload-Geschwindigkeit, die Sie bei den meisten Providern über eine Software kostenlos testen können. Faustformel: Um einen Stream mit 720p zu realisieren, sollten Sie über mindestens 3 Mbit/s Upload verfügen. Bei 1080p circa 6 Mbit/s. Luft nach oben ist natürlich immer.
Doch kommen wir nun zum Equipment. Natürlich ist im Gaming-Bereich ein leistungsstarker Rechner vonnöten. Wir wollen uns aber auf ein Setup für Musiker konzentrieren, um beispielsweise kleine Konzerte zu übertragen oder Unterrichtsstunden online realisieren zu können.
Ein geeigneter Rechner steht an erster Stelle. Die meisten Computer der letzten Jahre sollten mit den Anforderungen für einen Live-Stream klarkommen. Die Streaming-Plattform Twitch empfiehlt mindestens einen Intel Core i5 Rechner mit 8 Gb RAM. Ich empfehle Ihnen ein Setup mit zwei Rechnern, mehr dazu in den folgenden Absätzen.
Kommen wir nun zum Videosignal. Die Qualität der Webcams auf dem Markt hat in den letzten Jahren ziemlich zugenommen. Für den Anfang würde ich Ihnen ein Modell empfehlen, das Streams bei 1080p und eine Bildrate von 60 fps ermöglicht. Ein guter Begleiter im Streaming-Alltag ist beispielsweise die Logitech Streamcam für 159 Euro. Einfach per USB-C mit dem Computer verbinden – fertig. Auch die integrierte Webcam ihres Laptops kann ausreichen, solange eine gewisse Qualität gewährleistet ist. Hier gilt: Probieren geht über Studieren. Ein Signalkonverter wie der Elgato Cam Link für rund 130 Euro wandelt HDMI-Quellen und wird einfach per USB mit dem Rechner verbunden. Sollten sie bereits eine Kamera besitzen, die über eine Echtzeit HDMI-Ausgabe verfügt, ist auch dies eine gute Wahl.
Natürlich können Sie auch in sogenannte Live-Produktionsmischer investieren und so mehrere Videoquellen, wie beispielsweise Systemkameras, für Live-Streams nutzen. Das Blackmagic Design ATEM Mini (rund 360 Euro) verfügt über ganze vier HDMI-Eingänge. Für den Anfang empfehle ich Ihnen jedoch eine der beiden erst genannten Varianten. Doch auch die beste Kamera wird bei schlechten Lichtverhältnissen keine guten Bilder liefern. Günstige Softboxen sind im Zweierpack oft schon für rund 60 Euro erhältlich. Das Elgato Key Light Air ist etwas teurer (circa 130 Euro), kann jedoch per App gesteuert werden. Mittlerweile gibt es auch interessante Gerätschaften wie beispielsweise das Elgato Stream Deck (Standard-Version 148 Euro) zur Stream-Steuerung, das über anpassbare LCD-Tasten verfügt, die sich mit Funktionen beziehungsweise Short-Cuts belegen lassen und das sich somit auch hervorragend zur DAW-Steuerung eignet. In diesem Artikel möchte ich mich jedoch auf das Notwendigste fokussieren.
Kommen wir zur Audioübertragung. Die meisten Musiker, die über ein Homestudio verfügen, werden hier nicht viel Geld in die Hand nehmen müssen. Ein Mikrofon nebst Audiointerface ist hier jedenfalls schon einmal ein guter Ausgangspunkt. Um die Rechenleistung des Streaming-Rechners nicht zu überfordern gibt es zwei Möglichkeiten, die sich für mich bewährt haben.

Der Blackmagic Design ATEM Mini ist ein Produktionsmischer, der bis zu vier HDMI-Quellen verarbeiten kann.
Eines noch vorweg: Nahezu jede Streamingsoftware erkennt das Audiointerface, das an ihrem Computer angeschlossen ist. Um ein professionelles Ergebnis zu erzielen, sollten Sie das Mikrofonsignal bearbeiten. Falls Sie über Hardwaregerätschaften wie beispielsweise Channelstrips verfügen, können Sie diese einfach vor das Audiointerface schalten und Einstellungen für das Mikrofonsignal treffen. Ich persönlich nutze einen weiteren Rechner für die Audioübertragung. Hier gehe ich folgendermaßen vor:
Ich besitze einen alten iMac den ich mir vor knapp zwölf Jahren zugelegt habe und der über eine Version von Logic Pro X verfügt. Außerdem habe ich ein günstiges Zweikanal-Interface (Steinberg UR22 MK2, 139 Euro) angeschlossen. Es gibt mittlerweile sogar ein neues 2-Kanal-Interface von Steinberg, das ich Ihnen für diesen Anwendungsbereich empfehlen kann. Das UR24C ist ein USB-3-Interface, das neben latenzfreiem Monitoring auch zwei Mikrofonvorverstärker bereithält. Auch andere Anbieter haben derartige Interfaces im Angebot, von denen wir die wichtigsten Vertreter in Professional Audio regelmäßig unter die Lupe nehmen.

Wer auf der Suche nach einem USB-Mikrofon ist, sollte sich das Sennheiser Handmic genauer anschauen.
Mein Mikrofon ist mit dem Interface verbunden. Über die Logic-internen Plugins bearbeite ich das Signal weiter. Natürlich funktioniert das mit jeder DAW. Kompressor, EQ, Hall – alles Notwendige liefert die Software. Diese Vorgehensweise eignet sich auch, um mehrere Instrumentensignale bei der Übertragung von Konzerten oder Unterrichtstunden im Vorhinein abzumischen. Nun verbinde ich die Ausgänge des Interfaces mit den Eingängen des Wandlers, der an meinem Studiorechner angeschlossen ist – Fertig.
Achtung: Sollten sie mit einem mobilen Gerät wie beispielsweise einem Smartphone streamen und ihr Audio ebenfalls von einem Rechner übertragen, ist oft ein TRS auf TRRS-Adapter vonnöten. Sollten Sie über kein zweites Interface verfügen, kann ein USB-Mikrofon wie beispielsweise das Sennheiser Handmic Digital oder ein Headset die richtige Wahl sein. Für Kabel und Steckverbindungen aller Art ist der Hersteller Cordial (www.cordial-cables.com) eine geeignete und zuverlässige Anlaufstelle und hält auch für den Bereich Streaming alle wichtigen Produkte parat.
Softwareseitig müssen Sie kein Geld in die Hand nehmen. Natürlich gibt es kostenpflichtige Programme, in diesem Artikel möchte ich Ihnen jedoch eine Freeware vorstellen, die es in sich hat – namentlich OBS-Studio (Open Broadcaster Software). Öffnet man die Software zum ersten Mal, werden Erinnerungen an eine Regie in einem Fernsehstudio wach. OBS erlaubt es, Audiointerfaces sowie mehrere Videoquellen zu verwalten. Außerdem besteht die Möglichkeit direkt aus der Software auf der Plattform Ihrer Wahl live zu gehen.
Da sich OBS großer Beliebtheit in der Streaming-Gemeinde erfreut, finden Sie diverse Tutorials zur Eirichtung auf YouTube. Außerdem besteht die Möglichkeit professionelle Bildschirm-Recordings zu realisieren. Somit können Sie mit OBS problemlos Software-Tutorials für Ihre Social-Media-Channels produzieren.
Fazit
Heutzutage bieten sich Musikern unzählige Möglichkeiten, um mit Musikbegeisterten auf der ganzen Welt in Kontakt zu treten. Vor nicht allzu langer Zeit wäre eine Live-Übertragung aus dem Studio oder Proberaum eine ziemlich aufwendige und kostenintensive Sache gewesen. Doch dank Portalen wie Twitch, YouTube und Zoom sowie immer erschwinglicherer Technik und schnellen Internetverbindungen, sind Live-Sendungen aus dem Wohnzimmer realisierbarer als jemals zuvor.
Ich wünsche Ihnen jedenfalls viel Spaß bei Ihren Konzerten, Unterrichtsstunden oder Podcasts live aus den eigenen vier Wänden.
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