Dank Frauenpower beständig an der Weltspitze

Im Zuge des Facelifts der M-Serie lud uns das deutsche Pro-Audio-Unternehmen Beyerdynamic zur Firmentour in sein Stammhaus nach Heilbronn. Dort konnten wir hautnah erleben, wie aus Folie, hauchfeinen Kupferdrähten, Lötzinn und Klebstoff Kopfhörer und Mikrofone entstehen, die seit Jahrzehnten Stammgast in jedem Profi-Studio sind. Dabei erlebten wir so manches Interessante und Informative, was ihr hier nachlesen könnt.

von Georg Berger
Fotos: Harald Wittig, Beyerdynamic

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Wir erinnern uns: Im Rahmen der NAMM-Show dieses Jahr hat Beyerdynamic ein Facelift seiner M-Serien Mikrofone präsentiert (siehe Newsmeldung in Heft 06/2023). Dabei wird die visuell neu gestaltete Mikrofon-Serie ausschließlich in Deutschland hergestellt, um einmal mehr Qualität und Service auf höchstem Niveau zu halten und zu garantieren. Gleiches gilt übrigens auch für die Kopfhörer des Herstellers, die mit ihren Bestsellern DT 770 PRO und DT 990 PRO sowie der PRO X-Serie und den Flaggschiff-Modellen DT 1770 PRO und DT 1990 PRO seit vielen Jahren erfolgreich am Markt agieren. Im Zuge des Mikrofon-Facelifts hat Beyerdynamic auch einzelne Arbeitsprozesse – hier etwa durch Austausch von Montagevorrichtungen – optimiert. Der Einladung des Herstellers, sich das einmal vor Ort anzuschauen, sind wir da gerne nachgekommen. Anfang September war es so weit. Bei unserer Ankunft fällt das Firmengebäude mit seinem Aussehen ins Auge, das wir eindeutig bis zurück in die 1960er-Jahre datieren und das gleichsam etwas Historisches und Zeitloses ausstrahlt. Dort findet also alles statt, von der Produktentwicklung über die Fertigung bis hin zur Verwaltung. Wie wir später beim Rundgang erfahren, werden Beyerdynamic-Produkte auch noch in Thüringen – der Hersteller spricht von einer „verlängerten Werkbank“ – gefertigt. Die Produkte kommen anschließend in ein Logistik-Lager im rund zehn Kilometer entfernten Talheim, von wo aus sie in alle Welt versendet werden. Doch der Reihe nach. Nachdem wir unsere Besucherausweise und eine kleine Sicherheitseinweisung erhalten haben, fungieren danach die Produktmarketingmanager Michael Böhringer und Michaela Hanold quasi als unsere Reiseleiter durch die Produktionshallen. Später kommt noch die Produktmanagerin Milena Baur hinzu, die uns weitere interessante Infos rund um den Mikrofonbau übermittelt. Doch bevor es dazu kommt, geht es erst einmal in den sogenannten Maschinenraum, der zentraler Ausgangspunkt ist für die Systemfertigung sowohl der dynamischen Kopfhörer, als auch der dynamischen Mikrofone.

Die M-Mikrofonserie erscheint demnächst im neuen Look. Zurzeit werden die neuen Schallwandler in Heilbronn gefertigt, ebenso wie eine Reihe von Kopfhörern.

Fertigung und Verwaltung unter einem Dach

Wir werden in eine abgeteilte Räumlichkeit geführt, in der mehrere (teil-)automatische Maschinen sowohl aus eigener Fertigung, als auch von Drittherstellern stehen. Daniel Siefert, seines Zeichens Bereichsleiter für das Kompetenzcenter Akustik, erläutert uns anschaulich, was dort passiert. In einer Maschine ist eine Rolle durchsichtiger Folie gespannt, die sich sukzessiv kleine Stücke nimmt und über ein Stempelwerkzeug kreisrunde Membranen aus der Folie presst und stanzt. An einer weiteren Maschine ist eine Spindel mit hauchfeinem Kupferdraht befestigt, die in wieselflinker Geschwindigkeit Spulen für die an anderer Stelle geprägten Membranen anfertigt. Eine dritte Maschine – Rundschalttisch genannt – sorgt für ein „Aufkragen“ der Membranen für bestimmte Modelle. Dabei erhalten sie einen Kranz am Rand, der dafür sorgt, dass die Membran etwas höher herausragt und so für einen größeren Hub ins Magnetpaket sorgt. Frauen nehmen die fertigen Werkstücke am Ende entgegen und legen sie in dafür konstruierte Träger. An einer vierten Maschine werden sämtliche vorher beschriebenen Arbeitsschritte in einem erledigt. Dort werden gerade Systeme für die PRO X-Kopfhörer und andere Highend-Produkte gefertigt. Vorteil: Durch diesen vollautomatischen Prozess ist eine höhere Qualität möglich. Ausfallquote: 0,5 bis drei Prozent! Dabei wird auch maschinell während des Produktionsprozesses ständig geprüft, ob alles in Ordnung ist. Wie das alles genau funktioniert, dürfen wir – Stichwort: Werksspionage und Wettbewerbsvorteil – nicht näher erläutern.

Zudem gilt in diesem Bereich striktes Fotografierverbot. Dafür hält Daniel Siefert mit Leistungszahlen und allgemeinen Infos nicht hinterm Berg. Aktuell sind etwa 100 Mitarbeiter in der Fertigung im Zwei-Schicht-Betrieb beschäftigt. Im Maschinenraum herrscht mithilfe einer Klimaanlage eine stabile Temperatur von 24 Grad Celsius, um gleichbleibende Bedingungen bei der Produktion zu gewährleisten. Die Folien für das Prägen der Membranen besitzen je nach Modell eine Dicke von 10 bis 36 mμ. Die Spulendrähte besitzen Dicken zwischen 0,018 bis 0,078 mμ, was dünner als ein menschliches Haar ist. Und tatsächlich müssen wir schon genau hinschauen wo und wie der hauchfeine Draht beim Wickeln der Spule verläuft. Beim manuellen Verlöten ist da die Arbeit mit einer Lupe Plicht. Für die ganz dünnen Drähte/Spulen, die etwa in den Xelento In-Ear-Hörern zum Einsatz kommen, ist sogar das Löten unterm Mikroskop erforderlich.

Die Kopfhörermembranfertigung erfolgt teilautomatisch. An dieser Maschine werden die Spulen gewickelt.

Automatische und manuelle Fertigung

Das Prägen von Sondermodellen sowie der Membranen für sämtliche dynamischen Mikrofone, wie das M 88 und M 201, werden in einem separaten Raum mit einer per Hand zu bedienenden Prägemaschine hergestellt. Bei unserem Besuch werden gerade DT 990 PRO sowie die Tesla-Pendants 1770 PRO und 1990 PRO hergestellt sowie die Mikrofonmodelle M 88, M 201 und die beiden Bändchen-Klassiker M 130 und M 160, die zurzeit in neuem Gewand entstehen.

Angesichts dieser hochkomplexen Maschinerie stellt sich die Frage nach der Wartung und (Weiter)entwicklung. Daniel Siefert vermerkt dazu, dass Beyerdynamic über eine eigene Abteilung – Industrial Engineering – verfügt, die sich um die Konstruktion und Weiterentwicklung der Maschinen, insbesondere auch der vielen Messgeräte zum Prüfen von Membranen, Kopfhörern, Platinen, Mikrofonen und Kapseln kümmern. Vier Anlagenmechaniker stehen bei etwaigen Defekten parat. Daneben gibt es Pläne, die tägliche, wöchentliche und monatliche Wartungsarbeiten vorsehen. Dazu finden sich an jeder Maschine Sheets, die vermerken, was zu tun ist und auf denen vermerkt wird, wann dies erledigt wurde.

Bevor es in die System-Endmontage geht, machen wir noch Halt an Arbeitsplätzen, an denen gerade für den DT 990 PRO die Spulen händisch auf die Membranen verlegt und verklebt werden. Auch hier finden sich wieder Sheets, die für verschiedene Produkte detaillierte Arbeitsanweisungen vermerken. Hierbei kommt die sogenannte „5S-Methode“ zum Einsatz, die einen effizienten, standardisierten Arbeitsablauf beschreibt und realisiert. Auffällig ist, dass bislang nur Frauen an den Arbeitsstationen anzutreffen sind. Auf Nachfrage nach dem Grund vermerkt Daniel Siefert mit einem leicht verschmitzten Lächeln, dass Männer einfach zu grob für solche Jobs sind. Frauen besitzen mehr Feinfühligkeit und Geduld und nicht zuletzt ist auch ein Höchstmaß an Sorgfalt und Konzentration erforderlich, um die filigranen und hochkomplexen Systeme in gleichbleibend hoher Qualität zu produzieren. Von den etwa 230 Beschäftigten in der Produktion sind gerade einmal neun Männer darunter. Wer also ein Produkt von Beyerdynamic sein Eigen nennt, kann sich sicher sein, dass es von zarter Frauenhand mit höchster Sorgfalt konstruiert wurde. Zumindest diesen Bereich der Tontechnik haben Frauen erfolgreich erobert und halten sich dort seit Jahrzehnten. Bravo!

Komplexe Fertigung mit zarter Frauenhand

Tatsächlich kommen wir beim Betrachten dieser hochfiligranen Arbeiten – das händische Verkleben der hauchfeinen, selbst unter der Lupe fast nicht erkennbaren Drähte an den Membranrand – rasch zum Schluss, dass wir wirklich nicht dieses Maß an Geduld und Sorgfalt entwickeln könnten. Doch zurück zur Kopfhörer-Produktion: Die maschinell und händisch produzierten Membranen werden in Träger gelegt und diese kommen nun in die System-Endmontage die ebenfalls sowohl mit einer automatischen, als auch manuellen Fertigung aufwartet. Eine Mitarbeiterin füttert die Membranen sowie die sogenannten Systemträger – kreisrunde, gitterartige Körbe aus Kunststoff – in die Maschine. Dort wird der Magnet mit der Systemaufnahme verheiratet. Anschließend werden die Spulenenden festgelötet. Danach geht es automatisch in die nächste Station, wo der sogenannte Systemdeckel – ein größeres Kunststoffgitter mit Fleece-Überzug – aufgepresst wird. Zum Schluss wird jedes gefertigte Werkstück automatisch in einer Teststation geprüft. Fällt ein Treibersystem durch, wird es aussortiert und später an anderer Stelle versucht, es zu reparieren. Sollte dies nicht von Erfolg gekrönt sein, geht der Treiber in die Qualitätssicherung und es wird analysiert, wo der Fehler liegt und ob eventuell bei vorherigen Arbeitsschritten nachkorrigiert werden muss.

Dieses Prozedere zieht sich übrigens wie ein roter Faden durch die gesamte Produktion und zeugt nicht nur von Gründlichkeit, sondern ist auch Garant für die Robustheit und Langlebigkeit der Beyerdynamic-Produkte. An jeder sich bietenden Stelle wird geprüft und sollte etwas fehlerhaft sein, wird versucht dies zu korrigieren. So kann nachvollzogen werden, wo im Verlauf der Produktionskette der Fehler aufgetreten ist, und es lässt sich frühzeitig gegensteuern. Doch zurück zur System-Endmontage: Das automatisierte Prozedere wird an mehreren Arbeitsstationen auch wieder manuell durchgeführt. Jeder Treiber erhält eine Seriennummer, so dass der Produktionsprozess intern nachvollzogen werden kann. Für die Highend-Systeme werden Treiber zudem paarweise per Testroutinen gematcht, um höchste Klangqualität zu gewährleisten.

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Ständige Prüfung nach jedem Arbeitsschritt

Ist dies erledigt, kommen die fertigen Treiber wiederum auf Trägerbretter und gehen anschließend in die Endfertigung, wo uns der Teamleiter für die Endmontage Erol Eraslan die Arbeitsschritte erläutert. An standardisierten Arbeitsplätzen finden sich Wannen mit den erforderlichen Bauteilkomponenten – Ohrmuscheln, Bügel, Ohrpolster und weiteres –, die von der Logistik angeliefert werden. Und schon geht es mit der Bastelstunde los: Die Treiber werden in die Ohrmuscheln gesetzt und an Kabel angeschlossen/gelötet, ein schützender Filz wird darübergelegt, anschließend wird das Ohrpolster aufgesteckt. Beide Ohrmuscheln werden an den Bügel gesteckt oder geschraubt und gehen anschließend an eine eigens konstruierte Teststation zur Prüfung, wobei jeder Hörer eine eigene Seriennummer erhält. Hat der Hörer den Test bestanden, wird der Verkaufskarton gefaltet, der Hörer dort hineingelegt und mit dem Zubehör der Bedienungsanleitung und der obligatorischen Garantiekarte ergänzt. Zum Schluss wird die Verpackung verschlossen, verklebt und ein Aufkleber mit der Seriennummer des Hörers wird aufgebracht. Anschließend werden sie in Umkartons verpackt, die zum Schluss von der Logistik ins Lager nach Talheim transportiert werden. Auf Nachfrage erklärt Erol Eraslan, dass die angelieferten Bauteile überwiegend von Zulieferern aus Deutschland kommen. Auch in dieser Hinsicht setzt der Hersteller hinsichtlich Qualität und wo es geht, auf das bekannte „Made in Germany“.

Während unserer Führung entsteht recht bald der Eindruck, als ob wir uns inmitten einer Sachgeschichte der „Sendung mit der Maus“ befinden. Ganz gleich ob die Abteilungsleiter oder die Mitarbeiterinnen: Alle sind bemüht, uns unsere Fragen auskunftsreich zu beantworten und technische Details auf einfache Weise zu erläutern. Dies erfahren wir insbesondere als es in die Mikrofon-Systemfertigung geht in der ausnahmslos alles in Handarbeit geschieht. An wiederum standardisierten Multifunktions-Arbeitsplätzen, die aussehen, als ob dort Mikrochirurgie betrieben wird, arbeiten gerade sieben Damen daran, Kapseln für das Mikrofon M 201 und M 88 anzufertigen, ein hochkomplexer Prozess, der aus über 70 Arbeitsschritten besteht, wie wir von einer Mitarbeiterin erfahren.

Bauteile aus überwiegend deutscher Fertigung

Was wir aber mitbekommen ist, wie um einen Metallstift, drei Ringe aufgesteckt werden, die als mechanische Dämpfung in den sogenannten „Magnettopf“ gesetzt werden. Dieser wurde zuvor geschliffen und zwölf Löcher am oberen Rand hineingebohrt. Dabei muss peinlich darauf geachtet werden, dass keine Späne mehr in den Löchern stecken. Anschließend wird die Membran nebst Spule auf den Magnettopf gesetzt, zentriert und verklebt. Als nächstes kommt der Membrandeckel darüber und über die zwölf Löcher wird zur Dämpfung ein dünnes Faserbändchen aufgebracht. Ist dies erledigt, wird auf das sogenannte Schallgehäuse eine Brummkompensationsspule aus Kupferdraht gewickelt. Auffällig: Zum Wickeln nutzen die Damen ein Tischgerät, das mehrere Jahrzehnte alt sein dürfte, denn es ziert noch den alten „Beyer“-Schriftzug ohne „dynamic“ am Ende. Es verrichtet bis heute zuverlässig seinen Dienst, was ein weiterer Beleg für deutsche Wertarbeit ist. Ist dies erledigt, wird das Schallgehäuse – eine kleine Metallröhre – mitsamt der Spule an den Magnettopf befestigt, am anderen Ende kommt eine kreisrunde Platine an die die Drahtenden der Membranspule angelötet werden.

Via Messgerät wird sogleich geprüft, ob das Löten erfolgreich war. Am Ende werden noch zwei Kabel angesetzt, an die später der Stecker angelötet werden soll. In dem Zusammenhang stellen wir die Frage, wie denn bei der Herstellung mit Staub und Schmutz umgegangen wird. Bei solch filigranen Bauteilen darf ja kein Stäubchen dazwischen sein, dass die Funktionalität beeinträchtigen könnte. Der Teamleiter Alexander Fuhrmann vermerkt, dass ein Arbeiten unter Reinraumbedingungen selbstverständlich das Optimum darstellen würde, um im gleichen Atemzug zu vermerken, dass dies aber viel zu kostenaufwändig ist. An den Arbeitsplätzen befinden sich zwar Schläuche. Doch sie dienen weniger der Staubentfernung, sondern zur Absaugung der Dämpfe, die beim Löten entstehen. Das Vermeiden von Verunreinigungen ist in jedem Falle ein Thema bei Beyerdynamic und es werde, so Fuhrmann, zurzeit intern an Strategien gearbeitet, um dem noch besser zu begegnen. Es bleibt aber festzuhalten, dass die Fertigung auch ohne Reinraumbedingungen und mit den bisherigen Maßnahmen zur Schmutzvermeidung bis heute zu qualitativ hochwertigen Produkten geführt hat.

An einem anderen Platz werden wir gerade Zeuge, wie der Mikrofondeckel für das M 88 Mikrofon auf die Unterbaugruppe aufgeklebt wird. Zuvor erhält der Deckel, der aus einem extern angelieferten Kunststoffträger, auf den ein feines siebartiges Gewebe zum Schutz aufgebracht ist, am Rand eine Wicklung aus Kupferdraht. Dabei handelt es sich, ebenso wie beim M 201, um eine Brummkompensationsspule. Später kommen noch vier Abstandshalter aus Gummi obendrauf. Nach dem Einsetzen der Membran in den Systemträger werden auch hier wieder die Spulenenden an die im Träger verbaute Platine gelötet und die Verbindung sogleich überprüft. Im Vergleich zur M 201-Kapsel ist der Unterbau der M 88-Kapsel kompakter und gibt nur wenig von seinem Innenleben preis.  Bemerkenswert: Obwohl wir an den einzelnen Arbeitsplätzen je circa 30 bis 50 Kapseln in unterschiedlichen Ausbaustufen sehen, ist dies wahrlich nicht in einer Hauruck-Aktion à la Fließbandarbeit erledigt. Wie uns der Teamleiter Alexander Fuhrmann verrät, wird für das Bauen einer Kapsel rund eine halbe Stunde benötigt. Die Damen, die dies realisieren, haben dafür eine Einarbeitungszeit von mindestens sechs bis sieben Monaten, je nach Kapsel sogar noch deutlich länger, absolviert. Auffällig ist, dass im Hintergrund kein Radio zwecks akustischer Möblierung/Unterhaltung läuft. Hier geht es schließlich um höchste Konzentration.

Mehrmonatige Ausbildung in der Kapselfertigung

Die Gruppensprecherin Mikrofone Gabriele Machnik, die uns ausgiebig erläutert, was hier gerade passiert, ist schon seit 34 Jahren bei Beyerdynamic beschäftigt. Und ihr Glänzen in den Augen vermittelt uns, dass sie ihren Job nach wie vor liebt und stolz ist auf das, was sie tut. Das findet man auch nicht alle Tage. Auf die Frage, was sich denn in diesen Jahrzehnten bei der Fertigung geändert hat, antwortet sie, dass die Arbeitsprozesse im Wesentlichen dieselben geblieben sind. Werkstoffe sind aufgrund von Gefahrenschutzverordnungen ausgetauscht worden, es gab kleine Variationen bei einzelnen Bauteilen, etwa den Platinen. Aber das Prozedere ist nach wie vor das Gleiche. Kein Wunder, schaut man sich an, dass einige der M-Mikrofone schon den Status lebender Fossilien besitzen könnten. Denn die Bändchen-Klassiker M 130 und M 160 gibt es schon seit 1957. Das für Snare- und Gitarrenverstärker-Abnahme beliebte M 201 ist seit den 1970er-Jahren am Markt und das nicht minder beliebte M 88 Gesangsmikrofon seit den 1960ern. Wir verlassen die Systemfertigung und gehen in den nächsten Raum, wo eine Mess-Station für das Überprüfen der Mikrofonkapseln steht. Einmal mehr sehen wir eine Beyerdynamic-Eigenentwicklung, bei der die Kapsel in eine große Röhre gesteckt wird, die ihrerseits eine Spule besitzt. Per Computer werden anschließend Mess-Routinen durchgeführt, um unter anderem zu schauen, ob die Polung stimmt und die Brummkompensationsspule richtig angebracht ist. Nicht ohne Stolz vermerkt Alexander Fuhrmann, dass dieses Mess-System seinerzeit Thema seiner Abschlussarbeit gewesen ist. Auch an dieser Stelle heißt es erneut, dass Kapseln, die den Test nicht bestanden haben, zwecks Reparatur in die Nachbearbeitung gehen. Der Rest kommt anschließend in die Endmontage. Dort erwartet uns schon Birgit Lippke, die uns anhand der Modelle M 201 und M 88 die Endmontage zeigt. Hier geht es ähnlich zu wie bei den Kopfhörern: In Wannen finden sich die nötigen Bauteile, in dem Fall Metallhülsen, in die die M201-Kapsel gesteckt wird. Ein Kapselschutz wird aufgeschraubt und am anderen Ende wird der XLR-Stecker mit den Kabeln verlötet. Für das M 88 gibt es eine Metallhülse, an die zunächst die untere Hälfte des Mikrofonkorbs angeschraubt wird. Kapsel von oben einpassen und dann die obere Hälfte des Mikrofonkorbs symmetrisch zum Verlauf des unteren Drahtkorbgeflechts aufsetzen und verschrauben. Am anderen Ende wird ebenfalls der Stecker angelötet und anschließend geht es erneut zur Prüfung.

Dieser Hinweis in der Bändchen- Mikrofon- Produktion ist essenziell wichtig. Schließlich wird mit filigransten Bauteilen hantiert.

Mess- und Prüfstationen in Eigenentwicklung

Hier steht nun ein großes Messrohr bereit, das innen mit einem Fasermaterial gedämmt ist und in das die fertigen Mikrofone eingespannt und getestet werden. Ist dies ebenfalls erfolgreich, geht’s ab in die Verpackung.

Als nächstes machen wir Halt bei der Kapselfertigung für die erwähnten Bändchen-Mikrofone. Hier geht es nicht minder filigran zu. Als erstes ist das Zurechtschneiden und Prägen der Bändchen erforderlich. Hierfür nutzen die Damen ein kleines klammerartiges Werkzeug, in das eine nur 3 mµ dicke Alufolie geklemmt wird. Derart fixiert wird die Folie auf das richtige Maß – rund 1,5 Zentimeter lang und circa 2 Millimeter breit – zugeschnitten. Durch das Einklemmen erhält sie gleichzeitig eine Reihe von Knicken und Faltungen. Diese Werkstücke werden anschließend passgenau zwischen die Magneten eingespannt. Die Magneten und Polplatten sind in einem vorherigen Schritt schon zusammengeklebt, respektive geschraubt worden. Beide Mikrofontypen kommen als Doppelbändchen, so dass hier gleich zwei dieser Alustreifen in einem gewissen Abstand voneinander in den Spalt gesetzt werden müssen, damit sie frei schwingen können, was mit einer feinen Pinzette geschieht. Die Kapselsysteme finden beim Einsetzen der Bändchen Platz auf einem eigens konstruierten Trägersystem. Dabei müssen die Damen mit Lupe, Mikroskop und feiner Pinzette in einem Bereich von Mikrometern agieren, um die Streifen an die richtige Position zu bringen und anschließend zu fixieren. Die erfolgte Arbeit wird dabei sogleich mit einer Uhrmacherlupe überprüft. Gerade bei dieser Arbeit ist noch mehr Präzision und Sorgfalt als bei den anderen Kapselsystemen erforderlich. Bei unserem Besuch werden wir Zeuge, wie dies gerade für das Modell M 160 gemacht wird, das anders als der Großteil der Bändchen-Mikrofone über eine Hypernieren-Charakteristik verfügt. Hinter dem Magneten-/Bändchen-Konstrukt schließt dabei direkt eine Unterbaugruppe an, die klanglich relevant zur Schallwandlung beiträgt. Das Modell M 130 kommt hingegen mit einer Achter-Charakteristik. Das Bändchen steht senkrecht im Mikrofonkorb und ist mithin in beide Richtungen – vorne und hinten – empfindlich. Zum Schutz, aber auch, um den Signalkreis zu schließen, erhält die M 130-Kapsel am Schluss eine Art Metallfeder um die Kapsel. Beide Mikrofone erhalten in einem nächsten Schritt noch die notwendigen Übertrager angelötet, um die Impedanz entsprechend zu erhöhen.  

Getestet werden die Bändchen-Mikrofone schließlich in einem reflexionsarmen Raum unter Freifeldbedingungen. Witziges wie gleichsam bezeichnendes Detail am Rande: In nächster Nähe zum Arbeitsplatz findet sich ein Fenster, das mit halbtransparentem Papier abgeklebt ist und auf dem in schwarzer Schrift davor gewarnt wird, bloß nicht das Fenster zu öffnen. Der Hintergrund wird uns sogleich auch demonstriert, als uns eine schwarze Schachtel geöffnet wird, in der sich eine Reihe vorgefertigter Bändchen befinden, die uns tatsächlich den Atem stocken lassen. Denn hauchfein wie sie sind, reicht schon der leiseste Lufthauch und sie gehen auf die Reise. Einmal mehr tief beeindruckt von der Komplexität und der damit verbundenen Pflicht zur Sorgfalt und Genauigkeit, machen wir zum Schluss noch einen Abstecher in die Platinenfertigung.

Made in Germany bis ins letzte Detail

Wir kommen in einen großen Saal, der mit einer Vielzahl an Arbeitsplätzen ausgestattet ist. Doch unser Weg führt zunächst in einen abgeteilten Raum dahinter. Dort stehen mehrere Maschinen, die das automatische Bestücken der Platinen in SMD-Technik erledigen. Dazu sind die winzig kleinen Bauteile wie Widerstände, Kondensatoren, Dioden und ICs auf Bändern aufgebracht, die ihrerseits auf Spulen aufgewickelt sind. Ein Greifer im Innern nimmt sich die Bauteile von den Spulen und setzt sie computergesteuert auf die dafür vorgesehenen Plätze auf der Platine, die zuvor mit Lötpaste bestrichen wurde. Anschließend gehen die Platinen in einen Ofen, wo sich die Lötpaste erhitzt und die Bauteile mit der Platine verschmilzt. Ist dies erledigt, werden die Platinen manuell mit weiteren Komponenten vervollständigt, seien es Stecker, Schalter, Kapseln oder weitere diskrete elektronische Bauteile wie Elektrolytkondensatoren. Bemerkenswert: Jeder der mit dieser Elektronik zu tun hat, streift sich vor dem Hantieren mit den Platinen ein Antistatik-Armband um das Handgelenk, um die Elektronik vor eventuellen statischen Entladungen zu schützen. In dieser Abteilung werden vor allem die Platinen für die Mikrofonmodelle MC 930, MC 950 und MM 1 sowie für Highend-Kopfhörer gefertigt. Weitere Platinen kommen von extern. Eine in dieser Abteilung beschäftigte Dame erklärt uns die Arbeitsprozesse in der Platinenfertigung und demonstriert uns am Ende noch das Prüfverfahren für die Platinen. Dazu nimmt sie eine wiederum von Beyerdynamic entwickelte Vorrichtung, die mit ihrem Hebel mehr wie ein großer Tacker aussieht. Darunter lassen sich diverse Schablonen einsetzen – für jede Platine eine eigene – ,die mit Messgeräten und einem Computer verbunden werden. Um die Platine zu fixieren, wird der Hebel nach unten betätigt und die Messroutine wird gestartet. Auch hier gilt wieder die übliche Regel: Platinen, die den Test nicht bestanden haben, werden zwecks Nachbearbeitung oder eventueller späterer Analyse aussortiert.

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Wir bedanken uns einmal mehr bei den freundlichen und wirklich geduldigen Damen und verabschieden uns schließlich von unseren „Reiseleitern“ Michael Böhringer und Michaela Hanold, die uns während unseres Besuchs immer wieder mit nützlichen Zusatzinformationen versorgt haben. Voll, vielleicht übervoll mit all den vielen Reizen und Informationen, die es erst einmal zu ordnen gilt, bleiben am Ende dieses Besuchs drei Topics stehen, die das Unternehmen Beyerdynamic adeln und es auf markante Art prägen: Die Vehemenz mit der an jeder sich bietenden Stelle Messungen, Tests und Prüfungen vorgenommen werden, spricht für die Langlebigkeit der Beyerdynamic-Produkte und hält die Fahne des Qualitätsmerkmals „Made in Germany“ auf eindrucksvolle Art hoch.

In Konsequenz dessen – dieser Aufwand muss auch bezahlt werden – sind Produkte von Beyerdynamic zwar nicht ganz so günstig zu erwerben wie die Produkte der Mitbewerber. Doch das Preis-Leistungsverhältnis relativiert sich angesichts dessen, was wir bei unserem Firmenrundgang gesehen haben. Dieser Aufwand bei der Fertigung, die ausschließlich in Deutschland erfolgt, spricht in erster Linie für die Qualität und mithin für den Unternehmenserfolg von Beyerdynamic. Last but not Least sind einmal mehr die vielen Mitarbeiterinnen zu nennen, die aus vielen kleinen, filigranen Bauteilen mit routiniertem Know-how, Sorgfalt und Geduld hochfeine Profi-Tontechnik aus ein bisschen Folie, Kupferdraht, Lötzinn und Klebstoff entstehen lassen. All das zusammen dürfte mit dazu beitragen, dass Beyerdynamic nach wie vor zu den deutschen Top-Unternehmen in der Tontechnik zählt.