Willkommen auf dem Synthie-Jahrmarkt

Ebenso wie im Vorjahr fand die Superbooth 2023 erneut vom 11. bis 13. Mai im Berliner FEZ statt. Zur achten Ausgabe der Messe versammelten sich dieses Mal an die 200 Aussteller aus 34 Ländern in der deutschen Hauptstadt. Bei durchweg sonnigem Wetter konnte sich die Synthesizer- und Tontechnik-Branche von ihrer besten Seite zeigen.

von Georg Berger

Berlin, Mitte Mai 2023, die Sonne scheint bei sehr warmen 25 Grad vom durchweg blauen Himmel, doch die Frisur sitzt. Ich bin das erste Mal auf der Superbooth und habe noch überhaupt keine Ahnung, was mich dort erwartet. Das FEZ Berlin empfängt mich mit seinem nonchalanten, aber dennoch sympathischen DDR-Schick, das inmitten einer grünen Idylle liegt. Als ich das Hauptgebäude betrete empfängt mich bereits im Vestibül ein geschäftiges Gewusel aus vielen Menschen. Die große gebogene, weit ausladende Freitreppe ist der erste Hingucker, die ohne Zweifel als perfekte Kulisse für Show-Auftritte der alten Schule à la Harald Juhnke oder Peter Frankenfeld dienen kann. Nachdem ich mich am Empfang akkreditiert habe, statte ich als erstes unser Mediensofa im Konzertsaal im ersten Stock – es entpuppt sich als zwei äußerst komfortable Sessel plus überdimensioniertem Tisch – , das als Treff- und Anlaufpunkt für viele Gesprächspartner fungiert, mit Getränken und unserem Professional-audio-Banner aus. Danach scanne ich das Gelände. Ich bin beeindruckt: Am ersten Messetag, ein Donnerstag, finden sich tatsächlich viele Menschen ein. Doch aufgrund der Örtlichkeit verteilen sich diese sehr rasch, sodass höchstens an den Getränkebuden so etwas wie drangvolle Enge entsteht. Anfangs bin ich durch die vielen Räume, in denen ausgestellt wird regelrecht verwirrt. Doch ähnlich wie der gelbe Steinweg im „Zauberer von Oz“ lotsen mich rote und blaue Teppichbahnen durch das verwinkelte Flursystem des Hauptgebäudes.

Im Außengelände ist einmal mehr der schwimmende Pavillon im angrenzenden Teich Austragungsort für diverse Live-elektronische Performances. Ich nehme, wie viele andere auch, eine kleine Auszeit, indem ich mich auf den Treppenstufen vor dem Teich/Pavillon kurz niederlasse. Auf der Bühne findet gerade eine Art Spoken-Word-Performance von einer Frau mit spärlicher elektronischer Klanguntermalung statt, die mich eher ratlos zurücklasst, alldieweil nicht sehr gut zu verstehen ist, was sie sagt. Nach kurzer Zeit mache ich mich auf den Weg zum Zeltdorf im Außengelände, das sich auf zwei benachbarten Grünflächen ausbreitet. Dieter Doepfer residiert, wie in den Messen zuvor, erneut im etwas abseits gelegenen Bungalowdorf.

200 Aussteller aus 34 Ländern

Auf dem Rückweg vom Zeltdorf gelange ich in die Turnhalle, die, wie mir später verraten wurde, voriges Jahr mit Flüchtlingen aus der Ukraine belegt war, und jetzt wieder als Ausstellungsfläche dient. Hier finden sich primär viele kleine Hersteller von Eurorack-Modulen, aber auch von experimentellen, teils genial-abgefahrenen Entwicklungen und Produkten. So werde ich als Gitarrist unweigerlich durch zwei ausgestellte Fender-Jazzmaster an den Stand von Deimel Guitarworks gezogen. Dort wird mir ein System gezeigt, das ein Tremolo sozusagen „in-Guitar“ realisiert, indem eine Schaltung automatisch zwischen Hals- und Steg-Pickup wechselt. Ein weiteres Gitarrenmodell zeigt unter einem transparenten Pickguard jede Menge Elektronik, die mit vielen Schiebeschaltern und Drehreglern verbunden ist. Zudem findet sich ein Piezo-Pickup im Headstock und ein weiterer Tonabnehmer rechts vom Steg, mit der ungewöhnliche Gitarrensounds möglich sind. Eine zusätzliche Buchse führt dabei CV-Signale zum Ansteuern von Parametern aus dem Instrument, die durch die Elektronik und bedingt durch das Spiel auf der Gitarre erzeugt werden. Wie mir versichert wurde, spielt Lee Ranaldo (Sonic Youth) bereits solch ein Instrument. Zwei Gänge weiter bleibe ich am Stand von Synthux Academy kleben, die das DIY-Gen geneigter Soundfrickler kitzeln. Auf Basis kunstvoll designter Platinen lassen sich darauf diverse vom Hersteller produzierte Module platzieren, um sich einen Synthesizer nach eigenen Wünschen zu bauen. Das ist sozusagen das Eurorack-Prinzip, das auf die elektronische Ebene heruntergebrochen wurde. Auf dem Rückweg ins Foyer nehme ich mir dann auch endlich die Zeit, das futuristische „Nebula“-Instrument von Entwickler Markus Müller in Augenschein zu nehmen, das während der gesamten Messe die Örtlichkeit mit seinem seltsam betörenden Sound irgendwo zwischen Glasharfe, Cello und Synthesizer beschallt. Die Klangerzeugung des rein akustischen Instruments wird ähnlich einer Glasharfe über Glasstäbe realisiert, die in einem Rahmen, ähnlich eines Xylophons eingespannt sind und die mit feuchten Fingern gerieben werden. Der Schall wird dabei über zwei Trichter und ein seltsam gebogenes rautenförmiges Blech abgegeben. Ehe ich mich versehe, ist der erste Messetag auch schon vorbei.

Synthesizer und Tontechnik Seit‘ an Seit‘

Der Freitag und Samstag steht schließlich ganz im Zeichen von Besuchsterminen an den Ständen von Herstellern und Vertrieben, die mit neuen Produkten aufwarten. So manche Neuheit, weil noch nicht verfügbar, wird mir im Gespräch dabei nur unter dem Mantel der Verschwiegenheit mitgeteilt. Den Anfang macht Roger Schulz, der mir voller Stolz ein neues API-500-Modul vorstellt: den Crazy Tube Crusher, der für sahnige und cremige Verzerrungen im Signalweg sorgen will. Neu im Vertrieb von Audiowerk sind jetzt die Produkte von Centrance. Michael Goodman, seines Zeichens Geschäftsführer und Mastermind der Company gibt mir am Stand sogleich eine Einführung in die Firmenhistorie und die Vorzüge seiner Serie an kompakten Audiogerätschaften, die sich nicht nur für den mobilen Einsatz beim Field-Recording oder für den on-location-Einsatz bei Filmaufnahmen empfehlen.

SPL wartet an seinem Stand mit den MK2-Modellen vom Deesser und Transienten Designer auf, die wir bereits in Heft 04/2023 ausgiebig vorgestellt haben. Ganz neu ist hingegen der Phonitor 3 DAC, der nach dem Willen des Herstellers dem Mix- und Mastering-Profi ein flexibel einsetzbarer und verlässlicher Diener beim Abhören und Beurteilen von Mixen sein soll. Kein Wunder, denn das Kistchen enthält einen Kopfhörerverstärker inklusive Phonitor-Matrix, es besitzt Monitor-Controller-Funktionalität und es fungiert auch als DA-Wandler.

Der deutsche Arturia Vertrieb Tomeso belegt einen eigenen Raum innerhalb des FEZ-Hauptgebäudes. Beim Eintritt gelange ich in ein erleuchtetes, quietschbuntes Ambiente irgendwo zwischen 60er-Jahre Psychedelia und 70er-Jahre Disco. Neben der aktuellen Produktpalette des französischen Herstellers wird als Neuheit die limitierte Version „Microfreak Stellar“ gezeigt, die mit einer futuristischen Optik daherkommt. Die Synthesizerschmiede Korg ist erneut im Foyer angesiedelt, wo der ebenfalls in limitierter Stückzahl produzierte Microkorg Crystal gezeigt wird. Die Sound Research Abteilung des Herstellers, die in Berlin ansässig ist, zeigt hingegen im Zeltdorf eine neuartige von ihnen entwickelte Klangerzeugung. In zeitlich begrenzten Vorführungen, können sich jeweils nur eine handvoll Leute von dieser Neuentwicklung überzeugen, die in einem alten Bauwagen präsentiert wird und der unweigerlich an Peter Lustigs „Löwenzahn“ erinnert. Leider erlaubt mir der eng getaktete Terminkalender keinen Besuch. Aber für eine kleine Pause am Korg-Bauwagen reicht es noch. Denn dort gibt es das unumstrittene Highlight der gesamten Superbooth: Eine fantastisch schmeckende und erfrischende, handgemachte Zitronenlimonade, die dort gratis beziehungsweise gegen eine Spende für einen guten Zweck ausgeschenkt wird.

Das Highlight: Zitronenlimo am Stand von Korg

Derart gestärkt mache ich mich auf den weiteren Weg in das Zeltdorf. Im Zelt von U-He hat Mastermind und Geschäftsführer Urs Heckmann gerade ein Video-Interview bei dem ich nicht weiter stören will. Nebenan bei Bitwig wird die fünfte Version ihrer DAW Bitwig Studio 5 präsentiert, die wir in einer der nächsten Hefte ausgiebig unter die Lupe nehmen werden. Im Zelt von IK Multimedia freue ich mich auf den Austausch mit PR-Managerin Tiia Hassinen, als wir plötzlich von einem gefährlich maskierten Mann förmlich überfallen werden. Doch dahinter steckt ein alter Bekannter, nämlich der Künstler „Zardonic“, der nebenan für den Hersteller PWM auch in diesem Jahr wieder Produktvorführungen macht. Doch ich bleibe zunächst noch ein wenig bei IK Multimedia. Dort wird mir in einem vom Rest des Publikums abgeteilten Bereich ganz konspirativ eine Produktneuheit gezeigt, über die ich bis jetzt noch Stillschweigen bewahren muss. Abseits dessen habe ich die Gelegenheit, mich selbst einmal von den Qualitäten der iLoud Precision-Monitore überzeugen zu können, die wir bereits im Januar-Heft dieses Jahres vorgestellt haben. Und ich muss sagen, dass sie ihrer Bezeichnung – laut und präzise –  trotz oder gerade aufgrund des ungewöhnlichen Aufstellorts alle Ehre machen.

Nebenan stellt der deutsche Vertrieb Hyperactive in einem Zelt Produkte von ESI und vom Synthesizer-Hersteller PWM aus. Ganz neu bei PWM ist jetzt der Synthesizer Mantis, der zusammen mit Chris Huggett, dem mittlerweile verstorbenen Entwickler des  legendären OSCar-Synthesizers, entwickelt wurde. Ich mache schließlich noch Halt bei ReasonStudios und lasse mich kurz in die Eigenheiten des Physical Modeling Synthesizers „Objekt“ einweisen, der noch nie gehörte akustische Instrumente erzeugen will.

Wieder zurück im Hauptgebäude interessiere ich mich am Stand von Audio Pro Heilbronn für den neuen DAW-Controller von SSL. Dort erfahre ich einmal mehr, dass überdies eine weitere Neuheit in der Pipeline ist, die aber noch nicht einmal mir mitgeteilt wird. Ich übe mich also in Geduld. RME zeigt seine Palette an erhältlichen Interfaces, allen voran das UFX III. Bei meinem Besuch wird mir überdies der ADI-2 DA-Wandler wärmstens ans Herz gelegt, der als Ergänzung etwa zum UFX III ein kongeniales Produktgespann darstellen soll. Einer meiner letzten Besuche gilt dem Hersteller Yamaha. Voller Stolz präsentiert mir Produktmanager Andreas Juwan das neue DM3-Mischpult. Dabei spart er nicht mit interessanten Hintergrundinformationen zur Entstehung des Pults. Denn eigentlich hätte es schon rund drei Jahre eher erscheinen sollen. Doch bedingt durch die Pandemie und durch zwischenzeitliche Lieferschwierigkeiten von Bauteilen hat sich dies immer weiter nach hinten verschoben. Ob sich das lange Warten letztlich gelohnt hat, werde ich im Rahmen eines Produkttests im August-Heft ergründen.

Es war schön, es war entspannt, es war leise

Selbstverständlich gab es noch weitaus mehr interessante Neuheiten zu entdecken. Sie alle in diesen Bericht aufnehmen zu wollen, würde aber das gesamte Heft ausfüllen, weshalb ich mich auf meine hier dargestellten subjektiven Eindrücke beschränkt habe. Abschließend gilt für mich die Frage zu klären, was nach meinem Erstbesuch der Superbooth für mich unterm Strich übrigbleibt. Irgendwie war es schon wie früher auf der Musikmesse in Frankfurt, wo sich das Gros der für unser Magazin relevanten Hersteller und Produkte seinerzeit in Halle 5 tummelte, nur mit dem Unterschied, dass jetzt ungleich mehr Eurorack-Hersteller zugegen waren. Vorteil Superbooth: Durch die Weitläufigkeit des Areals, die angenehme und entspannte Atmosphäre war die Superbooth ein sehr angenehmes Event. Denn eines ist auch wahr: Bei jedem Besuch der Frankfurter Musikmesse war ich stets von den Lautstärken genervt, die von manch einem Stand ausgesendet wurden. In Berlin ging es hingegen ungleich leiser, gesitteter und pfleglicher zu. Niemand wollte sich über Gebühr produzieren, um seinen Standnachbarn zu übertönen oder die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Alles war auf Zimmerlautstärke gedrosselt, es wurde viel mit Kopfhörern gearbeitet und selbst die Performances auf dem Teich-Pavillon dröhnten nicht überlaut über das gesamte Gelände. Beeindruckt von diesen vielen Reizen und Eindrücken mache ich mich wieder auf in Richtung Heimat und freue mich schon jetzt auf die nächste Ausgabe der Superbooth.