Superbooth 21 – Man trifft sich wieder
Vom 15. – 18. September fand die SuperBooth wieder im Berliner FEZ statt, nachdem im vergangenen Jahr pandemiebedingt auf eine virtuelle „Home Edition“ ausgewichen werden musste. Über 100 internationale Aussteller sind dem Ruf in die deutsche Hauptstadt gefolgt. Nach über eineinhalb Jahren Messe-Pause hat es sich auch Professional audio nicht nehmen lassen, das Geschehen aus nächster Nähe mitzuerleben.
Von Malte Schmidt
Man trifft sich wieder – oder anders betont, man trifft sich wieder. Egal wie man es ausspricht oder meint, die erste Audio-Messe seit über eineinhalb Jahren Pandemie wirkt wie ein großes Aufatmen in der Szene und wie ein weiterer Schritt Richtung „Normalität“. Vor Ort zu sein, Menschen zu treffen, persönlich über Musik, Produktion und Philosophien zu reden, sich auszutauschen – es hat einem gefehlt.
Die Geschichte der SuperBooth reicht bereits über 20 Jahre zurück. Sie nahm ihren Anfang als Teil der Frankfurter Musikmesse. Um neuen und vor allem kleinen Herstellern (heute würde man sie wohl Start-Ups nennen) Zugang zu einer solch großen Veranstaltung zu ermöglichen, taten sich Synthesizer-Enthusiasten um SchneidersBuero und Mesi herum zusammen und präsentierten sich seinerzeit auf einer gemeinsamen Fläche. Es ging weniger um klassische Markenpräsentation und Produktschau, vielmehr war den kleinen Firmen daran gelegen, die Hardware und Musikinstrumente in Aktion zu zeigen, gemeinsam zu musizieren. Im Jahr 2016 fand die SuperBooth erstmals als autarke Veranstaltung in Berlin im Funkhaus Nalepastraße statt. Seit 2017 ist das FEZ Veranstaltungsort.
FEZ-Berlin – Idylle abseits des Großstadttrubels
Das Berliner FEZ (Freizeit- und Erholungszentrum) befindet sich in der Wulheide, einem in den Stadtteilen Oberschöneweide und Köpenick gelegenen städtischen Waldgebiet. Das Gebäude wurde in den 1970er Jahren als Pionierpalast „Ernst Thälmann“ errichtet, nach der Wende erfolgte die Namensänderung, außerdem fand die Landesmusikakademie ihre neue Heimat in dem insgesamt 13.000 m² umfassenden Gebäudekomplex, in welchem des Weiteren ein Schwimmbad, eine Sporthalle, ein Kino, ein Raumfahrtzentrum sowie ein Kindertheater und -museum untergebracht sind. Hinter dem Gebäude liegen ein künstlicher Badesee, einige große Spielplätze und drum herum eben viel grüner Wald.
Nachdem wir in Berlin aufgrund des beginnenden, rasch zunehmenden Feierabendverkehrs gefühlt länger unterwegs waren, als unsere Hinfahrt aus dem Rheinland in die Bundeshauptstadt dauerte, kehren Energie und Vorfreude zurück, als wir aus der sich zäh durch die Stadt schlängelnden Blechlawine ausscheren und von der Oberspreestraße in die Wulheide Richtung FEZ abbiegen, um unsere Zutrittsbändchen und einen ersten Eindruck der Umgebung zu erhalten.
Als wir das Gebäude betreten wird noch fleißig aufgebaut, Deko-Pflanzen und Möbel angeliefert und positioniert, auch die vielen Aussteller-Stände sind noch nicht vollständig bestückt. Sehr freundliche und hilfsbereite Crew-Mitglieder am Empfang weisen uns den Weg zu unserem Medien-Sofa in der großen Sporthalle, wo wir die mitgebrachten Professional-audio-Ausgaben des letzten Quartals auslegen. Der übersichtlich gestaltete Faltplan, der Infos zu Gelände, Ausstellern und Programm bereitstellt, weckt bereits am Vorabend im Hotel Lust darauf, das weitläufige Gelände am nächsten Tag zu erkunden.
Geist der Anfangstage ist noch spürbar
Die SuperBooth legt den Fokus auf Synthesizer und Modularsysteme, aber auch Hersteller von Kopfhörern, Lautsprechern, Interfaces, Grooveboxen und DAWs sowie Online- und Printmedien finden sich unter den Ausstellern. Des Weiteren bietet das SuperBooth-Programm Konzerte und Workshops.
Der freundschaftliche bis familiäre Charakter der Veranstaltung zeigt sich auch in der Anwesenheit von Firmen, die bereits 2002 in Frankfurt mit von der Partie waren. Zum Beispiel die DOEPFER Musikelektronik GmbH aus München, die das Modularsystem im Eurorack-Format erfunden hat oder auch Vermona, welche mit DRM1 MK IV die neueste Auflage ihres als Klassiker geltenden Drum-Synthesizers der Öffentlichkeit vorstellten.
Beide haben ihre Stände im Bungalowdorf, welches circa sieben Minuten Fußweg durch den Wald vom FEZ entfernt liegt. Im Bungalowdorf werden die sonst als Übernachtungsmöglichkeit für Jugendfreizeiten fungierenden Holzhütten als Ausstellungstätten genutzt. Die etwas abgelegene Platzierung in Verbindung mit den aus allen Hütten dringenden elektronischen Klängen erweckt den Eindruck einer Aussteiger-Exklave, die sich im Wald tüftelnd und musizierend der übrigen Welt entzieht.
Auf dem Rückweg vom Bungalowdorf zum FEZ-Gebäude passiert man den Fuchsbau und die Finnbühne, wo Workshops gehalten und (Gesprächs-)Konzerte veranstaltet werden. Der erste Tag ist zwar dem sogenannten Fachpublikum vorbehalten, aber da es sich um ein öffentliches Waldgebiet handelt, treffen wir auf einige Spaziergänger, die freundlich grüßen und fragen, um welche Art Veranstaltung es sich handelt und es offenbar begrüßen, dass FEZ und das umliegende Areal wieder mehr und mehr zu Orten der Begegnung und des Austauschs werden.
Um wieder zum Hauptgebäude zu gelangen, muss man den Zeltwald durchqueren. Dieses gehört noch zum umzäunten Gelände des FEZ. Kreuz und quer sind Zelte aufgebaut, deren Inneres sich mehrere Hersteller zur Präsentation ihrer Produkte teilen. Sympathisch uneitel geht es hier zu, niemand legt Wert auf aufwendig gestaltete und illuminierte Stände, es reichen große mit Firmenbannern ausgestattete Tische auf denen das Equipment aufgebaut wird. Vor den Zelten sitzen Mitarbeiter*innen und Gäste auf Bierbank-Garnituren.
Wir kehren im Zelt von Tubbutec ein, um uns nach deren in Zusammenarbeit mit LPZW modules entwickelten 6m0d6 Drum-Modul zu erkundigen. Im Gespräch, während uns das Modul erläutert wird, kommen zwei Dinge zur Sprache, die auch an anderen Ständen immer wieder Thema werden sollten: Zum einen die schon länger andauernde Schwierigkeit an Bauteile wie Mikrochips und Transistoren zu gelangen. Die Nachfrage der Kundschaft ist vorhanden und man würde gerne mehr produzieren, wenn man denn nur könnte, um sie zu bedienen. Zum anderen der Entschluss vieler Firmen, vermehrt oder ausschließlich in Deutschland anstatt beispielsweise in China zu produzieren. Das bietet den Vorteil kürzerer Wege und lässt die Sprachbarriere entfallen, es ist aber auch eine bewusste Entscheidung für die bzw. das Anerkennen der eigenen sozialen Verantwortung. Man verzichtet lieber auf eine größere Gewinnmarge als ausbeuterische Arbeitsbedingungen zu unterstützen und sich an diesen zu bereichern.
Weiter geht es ins Zelt von Waldorf Music, die den neuen „M – Wavetable Synthesizer“ präsentierten. Auch hier ist der Empfang freundlich und hilfsbereit. Überhaupt war kein Stand zu finden, an dem nicht bereitwillig Fragen beantwortet und Besucher stets ermutigt wurden, einfach mal Knöpfe zu drücken und Potis zu drehen.
Nach einem Abstecher bei der Berliner Crew von U-he, deren Produkte Hive 2 (Ausgabe 1/20) und CVilization (Ausgabe 2/21) wir bereits in Professional audio vorgestellt haben, kehren wir bei Arturia in deren stylishe, silberfarbene Sound Explorer Station ein und verschaffen uns einen Eindruck des Anfang 2021 veröffentlichten PolyBrute-Synthesizers. Bei HEDD verrät uns CEO Dr. Frederik Knop, dass derzeit an weiteren HEDDphone-Modellen gearbeitet wird und man zuversichtlich ist, bereits im nächsten Jahr das Portfolio erweitern zu können.
Ein paar Räume weiter reger Betrieb am gemeinsamen Stand von Adam Audio und Novation. Das Publikum interessiert sich vornehmlich für die beiden in diesem Jahr veröffentlichten Circuit-Modelle „Tracks“ und „Rhyhtm“. Ebenfalls attraktiv für die Kundschaft sind die erst Anfang September angekündigten „Beatmaker“- und „Recording“-Bundles.
Bei KORG haben Besucher*innen unter anderem die Möglichkeit, den neuen opsix (Test in Ausgabe 8/21), den Wavetable Synthsizer modwave und den Arp 2600 FS in Aktion zu erleben.
In der Nähe unseres Medien-Sofas hat SPL einen Stand. Deren Phonitor One D (Test in Ausgabe 7/21) ist ein offenbar sehr gefragtes Produkt, denn quasi bei jedem Vorbeigehen am SPL-Stand konnte man Besucher*innen mit ihren mitgebrachten eigenen Kopfhörern sehen, die den Vorverstärker einem Praxistest unterzogen.
Mit JoMoX ist ein weiterer Hersteller in direkter Nachbarschaft zu unserem Sofa mit einem Stand vertreten, der schon in den Anfangstagen der SuperBooth zu den Ausstellern bzw. dem Musiker-Kollektiv gehörte.
Überhaupt stellen das Mit- und Nebeneinander von großen, traditionsreichen Herstellern, kleineren Firmen und neuen Akteuren, die sich und ihre Erfindungen noch (bspw. durch Crowdfunding-Aktionen) als Marktteilnehmer zu etablieren suchen, einen sehr sympathischen Ansatz dar. Zu Letzteren zählen bspw. Playtronica, mit interessanten Produkten wie „Touchme“, „Playtron“ und „Orbita“.
Rundum gelungene, abwechslungsreiche Veranstaltung mit angenehmer Atmosphäre
Man kann den Veranstaltern nur ein großes Kompliment ob der guten Organisation aussprechen. Planung und Durchführung einer solchen Großveranstaltung, unter den immer noch durch die Pandemie erschwerten Bedingungen, waren sicher keine leichte Aufgabe. Das große Außengelände umfänglicher als in den letzten Jahren zu nutzen, um mehr Abstand zu ermöglichen, war eine aus der Not geborene Änderung, um gesundheitsamtliche Auflagen zu erfüllen. Nach unserem Empfinden sollte das unbedingt beibehalten werden, auch wenn es nicht mehr zwingend notwendig sein wird, um die SuperBooth überhaupt durchführen zu können. Denn gerade die Möglichkeit, sich mal im Freien der Maske entledigen zu können, eine kurze Espresso-Pause an der Seebühne einzulegen und dort auftretenden Künstler*innen etwas Aufmerksamkeit zu schenken, Eindrücke auf dem kurzen Spaziergang Richtung Bungalowdorf und zurück verarbeiten zu können, verleihen der SuperBooth eine sehr angenehme Atmosphäre. Man kann sich also schon jetzt auf die Fortsetzung 2022 freuen, die dann hoffentlich ohne jedwede notwendige Sicherheitsauflagen, aber bei gleicher oder noch stärkerer Einbeziehung des Außengeländes stattfinden kann. „Most important: enjoy it“ war auf vielen Plakaten als Motto dieser „SuperBooth – Safety 1st“-Editon zu lesen, Professional audio hat die SuperBooth21 in jedem Fall genossen.