Ein X für ein Ah!

S3X heißt der Nachfolger des erfolgreichen Studiomonitors ADAM S3A, der mit seinem innovativen ART-Hochtöner vor zehn Jahren die Fachwelt begeisterte. Was der Neue besser kann, erfahren Sie hier.  

Von Ralph Hornbruch

Als vor zehn Jahren der Nahfeldmonitor S3A aus der jungen Berliner Lautsprecherschmiede ADAM Audio das Licht der Welt erblickte, wurde schnell klar, dass er das Zeug zum Referenzmonitor hat. Tatsächlich eroberte der innovative Monitor die Meterbridges der Studiowelt und avancierte auch im Professional audio-Studio zur Abhörreferenz, bis er vom KRK Exposé E8B abgelöst wurde. Nun haben die Berliner ihre S-Klasse umfassend überarbeitet und stellen mit dem S3X den Nachfolger vor, den es nunmehr in zwei verschiedenen Bauweisen gibt – als vertikale und als horizontale Box. Wichtigste Neuerung jedoch ist neben den neuen Tieftönern ein Mitteltöner, der zeigt, dass es sich bei der S3X um einen völlig neuen Lautsprecher handelt. Ebenfalls überarbeitet wurde der ART-Hochtöner mit dem beschleunigten Bändchen, der jetzt X-ART heißt. Wir wollten herausfinden, ob der Berliner unsere Referenz vom Thron stoßen kann und haben ein Pärchen S3X-H zum Test bestellt.   Der S3X-H ist ein aktiver Dreiwege-Lautsprecher mit zwei Siebenzoll-Tieftönern, die horizontal angeordnet sind und gemeinsam mit einem Vierzoll-Mitteltöner und dem Bändchen-Hochtöner in einem Bassreflex-Gehäuse untergebracht sind.  Das Gehäuse hat in etwa das Format eines liegenden Pilotenkoffers, das Gewicht entspricht mit etwa 20 Kilogramm allerdings eher dem eines prall gefüllten Urlaubskoffers. Im Vergleich zur S3A ist der Neue um drei Zentimeter in der Breite und vier Zentimeter in der Höhe gewachsen und damit nur unwesentlich größer. Typisches Merkmal der ADAM-Lautsprecher sind die abgeschrägten Ecken, die Abrissreflexionen an den Gehäusekanten minimieren sollen. Angetrieben werden die Lautsprecher-Chassis von drei 250-Watt-Verstärkern plus einem eigens entwickelten 50-Watt-Verstärker für den Hochtöner. Der Preis liegt mit 2.600 Euro nur knapp über dem des Vorgängers, die V-Version ist mit 2.100 deutlich günstiger und ist anstelle von zwei Siebenzöllern mit einem Neunzoll-Woofer ausgestattet.  Klaus Heinz, Chefentwickler der Berliner Lautsprecherschmiede betont, dass bei der Entwicklung der neuen SX-Serie jeder klangliche Aspekt berücksichtigt wurde und alle Wandler sowie die gesamte Elektronik neu konzipiert wurden. So hat er erstmals seit zehn Jahren auch am Kernstück aller ADAM-Lautsprecher, den ART-Hochtönern, Änderungen vorgenommen, wodurch nach eigener Auskunft „einige Verbesserungen erzielt werden konnten“.

Die ART-Technologie (Accelerated Ribbon Technology), eine Weiterentwicklung des Air Motion Transformer-Prinzips, dürfte den regelmäßigen Professional audio-Lesern hinlänglich bekannt sein (siehe Test der P11A, Heft 8/2006). So arbeitet der neue X-ART-Hochtöner (X steht für den erweiterten Hochtonbereich, engl. extended) statt mit acht kleinen, um das gefaltete Bändchen herum positionierte Magneten, nunmehr mit einem einzelnen großen Magneten. Dadurch können die Öffnungen in der Schutzabdeckung vor dem Bändchen größer ausfallen und mehr Membranfläche wird sichtbar. Dazu haben die Konstrukteure die Geometrie der Falten leicht abgeändert. Das Resultat der Maßnahmen: Ein erhöhter Wirkungsgrad von 96 dB pro Watt pro Meter (alt: 92 dB W/m) sowie ein erweiterter Frequenzgang, der jetzt bis 50 Kilohertz hinaufreicht. Der verbesserte Wirkungsgrad wirkt sich in einem um drei Dezibel höheren Schalldruckpegel aus.   
Schon auf den ersten Blick macht sich jedoch der Vierzoll-Mitteltöner als augenfälligste Neuerung auf sich aufmerksam. Sein Einsatz ist der geänderten Aufgabenverteilung der beiden Basstreiber geschuldet, die nun beide denselben Frequenzbereich bis 350 Hertz wiedergeben. Von da an übernimmt der Mitteltöner bis 2.800 Hertz. Grund für die Änderung: Die bei der S3A vorgenommene Aufteilung des Frequenzbands auf zwei Siebenzöller und die damit verbundene asymmetrische Anordnung der Chassis hatte zur Folge, dass es eine A-Box für die linke und eine B-Box für die rechte Seite gab. Der Anwender musste also auf eine korrekte Aufstellung achten, um ein geometrisches Schallfeld zu erhalten. Hinzu kam, dass die S3A bei der Verwendung als Center-Box in einem Surround-System vertikal aufgestellt werden musste, um Asymmetrien im Schallfeld zu vermeiden.  Aufgrund der Tatsache, dass nun beide Woofer dieselbe Frequenz übertragen, steht für tiefe Frequenzen eine größere Membranfläche zur Anregung der Luftmoleküle zur Verfügung, was in der Summe für eine verbesserte Basswiedergabe sorgen soll.  Beide Woofer sind übrigens, darauf ist man bei ADAM entsprechend stolz, selbst entwickelt, während die Tieftöner beim Vorgänger noch zugekauft wurden.  Stolz ist man bei ADAM auf die neuen, selbst entwickelten Tieftöner, die beim Vorgänger noch zugekauft wurden.  Zwar setzt man beim Material auf Altbewährtes, nämlich auf HexaCone, einem Sandwich aus einem Aramid-Kunststoffkern mit Wabenstruktur und einer beidseitigen Kevlarbeschichtung, eine Kombination, die das Gewicht bei bei maximaler Steifigkeit niedrig hält. Neu dagegen sind die größeren Schwingspulen, die einem Durchmesser von nun 50 statt 39 Millimetern beträgt, was nach außen durch die größere Staubschutzkalotte sichtbar wird. Gleichzeitig wird aufgrund der Verlängerung der Schwingspule eine höhere Membranauslenkung erzielt.   Bei den für den Antrieb der Konuslautsprecher zuständigen 250-Watt-Endstufen kommen PWM (Pulsweitenmodulations)-Verstärker zum Einsatz, die oftmals auch als digitale Verstärker bezeichnet werden und mit einem überragenden Wirkungsgrad von über 90 Prozent wesentlich weniger Verlustleistung produzieren und zudem leichter sind als herkömmliche Transistorverstärker.

Ein anderes Endstufenkonzept verfolgte der Hersteller beim Hochfrequenzverstärker. Grund: Für die erweiterte Höhenwiedergabe des X-ART-Hochtöners sind PWM-Verstärker nicht geeignet, weil ein Tiefpassfilter die Audiofrequenzen von der Modulationsfrequenz trennen muss. Da der Hochtöner in der Lage ist, Frequenzen bis 50 Kilohertz wiederzugeben, würde der Einsatz eines solchen Filters die Bandbreite des Hochtöners beschneiden. Also entschieden sich die ADAM-Entwickler für einen Verstärker, der mit herkömmlicher A/B-Verstärkung arbeitet und sich durch geringste Verzerrungen und einen exzellenten Dämpfungsfaktor auszeichnet. Zudem verstärkt die Endstufe Frequenzen bis 300 Kilohertz, ist folglich sehr schnell und lässt so den X-ART-Tweeter sein Potenzial voll entfalten.
Die Rückseite des S3X-H ist sehr aufgeräumt. Hier finden ein XLR-Eingang sowie Netzstecker und Power-Schalter Platz. Neu ist ein verdeckter Einschub für ein optional erhältliches Anschlussmodul, das den Monitor mit einem digitalen Eingang versieht. Dieser Einschub mit 24-Bit/192-Kilohertz-Wandler ist derzeit noch in der Entwicklung, soll aber in Kürze erhältlich sein und ist für den Betrieb des Monitors im vollständig digitalen Studio gedacht.  Klaus Heinz hat allerdings seine eigene Meinung zur Digitaltechnik in aktiven Lautsprechern: „Dies überlassen wir lieber den exzellenten DA-Wandlern, die in den professionellen Studios zum Einsatz kommen und vermeiden so unnötige Qualitätsverluste.“  Aus demselben Grund verzichtet ADAM auch bei der aktiven Elektronik auf digitale Schaltungen. Gleichwohl erreichen die Filter der Frequenzweichen eine Präzision, die digitalen Schaltungen ebenbürtig sein soll. Dies gilt im Übrigen auch für die Regler zur Anpassung an die Raumakustik. Diese sitzen, wie schon bei der S3A, im Bedienpanel auf der Schallwand. Neben einem Standby-Schalter mit integrierter, zweifarbiger LED befinden sich zwei weitere LEDs für die Übersteuerungsanzeige und die Aktivität des optionalen DA-Wandlers.  Sechs Stellregler sorgen für die Regelung von Eingangspegel und Raumanpassungen. Sehr gut: ADAM verwendet anstelle der alten Mini-Trimmpotis, die nur mit einem Feinwerkzeug-Schraubendreher bedienbar sind, nun größere Regler, die in 0,5-Dezibel-Schritten rasten und somit eine präzise Feinabstimmung und Reproduzierbarkeit ermöglichen. Dabei sind sie leichtgängig genug, dass sie sich zur Not auch mit dem Fingernagel bewegen lassen.  Die Regelung des Eingangspegels ist auf zwei Potis aufgeteilt: „Coarse“ übernimmt die grobe Anpassung von -16 bis +20 Dezibel in vier Dezibel-Schritten, während „Fine“ die Feinabstimmung von -1,5 bis 2 erlaubt.  Aus anderen ADAM-Lautsprechern bereits bekannt sind die Regler für die Shelving-Filter, die unterhalb 150 Hertz beziehungsweise oberhalb sechs Kilohertz wirken. Der Einstellbereich reicht jeweils von -4 bis +4 Dezibel. Ebenfalls ein alter Bekannter ist der Tweeter-Gainregler, der den Pegel des Hochtöners um zwei Dezibel anhebt oder abschwächt. Da dieser Regler den Klangcharakter des Lautsprechers deutlich ändert, raten wir dazu, diesen allenfalls bei schwieriger Akustik zu benutzen. Ähnlich sieht es beim Bass-EQ aus, der eine Anhebung bis zu sechs Dezibel bei 80 Hz erlaubt. Er beeinflusst, genau wie der Tweeter-Gain, das Klangbild ganz erheblich, eignet sich jedoch eher zur Anpassung an geschmackliche Vorlieben. 

Bei der obligatorischen Frequenzgangmessung, die wie immer unter Praxisbedingungen im Studio erfolgt, offenbart sich zunächst eine kräftige Anhebung unterhalb von 500 Hertz, gefolgt von einer leichten Senke zwischen einem und vier Kilohertz. Ob diese messtechnischen Auffälligkeiten hörbar in Erscheinung treten, zeigt sich allerdings erst im ausgiebigen Praxistest.  Aufgrund der zum Vorgänger nahezu identischen Standfläche passt das Testpärchen exakt auf die Lautsprecherkonsole des Teststudios. Da es keine A- und B-Variante mehr gibt, brauchen wir bei der Aufstellung nun nicht mehr darauf zu achten, welche Box wir rechts und welche wir links platzieren. Wir wuchten also die 20 Kilogramm schweren Boxen auf die Stative und richten sie sorgfältig auf den Mischplatz aus. Beim ersten Reinhören verwenden wir zunächst CD-Material, mit dem wir hinreichend vertraut sind. Zuerst einmal fällt die sehr gute tonale Balance auf, und das auf Anhieb und ohne weitere Raumanpassungen. Beim Gegenhören mit der S3A stellen wir fest, dass das Low End sehr viel tiefer hinab reicht, aber gleichzeitig immer sehr klar und kontrolliert abgebildet wird.  Im weiteren Verlauf des Hörtests zeigen sich neue Qualitäten in den Mitten, die konstruktiv ja völlig neu realisiert wurden. Der untere Mittenbereich klingt im Vergleich zum Vorgänger substanzieller und gefällt, wie der Lautsprecher insgesamt, mit einer tadellosen Impulstreue. Das hilft uns bei der Mischung einer Akustikpop-Produktion, Gitarre und Piano ihren Platz im Klangspektrum klar umrissen zuzuweisen. Die bei der Messung offenbarte kleine Senke zwischen einem und vier Kilohertz macht sich im zwar Klang durchaus bemerkbar, doch herrscht kein Mangel an Informationen. Vielmehr gelingt ein stressfreies Hören auch über sehr lange Zeiträume. Gleichzeitig schafft der Monitor den Spagat, Misch- und Aufnahmefehler deutlich herauszustellen, was die Urteilsfähigkeit bei der Mischarbeit garantiert. Nicht ganz unbeteiligt daran sind die sehr fein aufgelösten Höhen. Nach wie vor beeindruckt die Präzision bei der Transientenabbildung und Impulsfreude, die schon die S3A besaß.  Folgerichtig verrichtet der S3X-H auch bei der Raumdarstellung sehr gute Arbeit: Es ist ein Leichtes, die einzelnen Instrumente im Raum zu verteilen. Den Sologesang positionieren wir genau in der Mitte und bauen alle anderen Instrumente drum herum. Die Balance des im Stereoverfahren aufgenommenen Pianos lässt sich gut beurteilen, die Lokalisation von Halbrechts- und Halblinks-Positionen ist sehr zielgenau möglich. Auch wenn die S3X-H aufgrund ihrer Leistungsreserven eher zur Gattung der Midfield-Monitore gerechnet werden können, lässt sich auch bei kürzeren Distanzen die Aufteilung in der Raumtiefe einwandfrei erstellen. Der Lautsprecher öffnet den Raum sehr schön nach hinten und lässt somit auch die Beurteilung künstlich erzeugter Hallräume zu. Insgesamt geht die neue Abstimmung des Testkandidaten voll auf. Er behält einerseits die Tugenden des Vorgängers bei und spielt andererseits die Vorteile des neuen Lautsprecherdesigns voll aus.   Nun interessiert uns natürlich noch der Vergleich mit den KRK E8B Exposé. Dazu stellen wir an den KRKs alle Parameter für die Raumanpassung auf null. Das Resultat nach unzähligen Hörsitzungen überrascht: Während der untere Mittenbereich in Bezug auf Transparenz und Impulsverhalten durchaus mit dem Testkandidaten von ADAM mithalten kann, klingen die Mitten bei der S3X-H insgesamt homogener und besser durchgezeichnet. Im Tiefbassbereich spielt der ADAM in einer anderen Liga: Mehr Druck, mehr Kontur und mehr Differenziertheit.  Insgesamt punkten die ADAMs mit einer enormen Ausgewogenheit, exzellentem Impulsverhalten und einer Durchhörbarkeit, wie sie nur erstklassige Abhörmonitore bieten.

Fazit

Der S3X-H überzeugt auf der ganzen Linie. ADAMs Neuzugang ist alles andere als die Verbesserung eines erfolgreichen Monitors. Mit neuem Lautsprecherdesign und akribischer Abstimmung ist er eine erstklassige Kontrollinstanz im Studio, die mit dem Vorgänger nur noch die Modellbezeichnung gemeinsam hat. Ab sofort heißt die Monitor-Referenz im Professional audio-Studio S3X-H.

Erschienen in Ausgabe 10/2009

Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 2600 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut – überragend