Zweikapslige Zwillinge

Am lässigen Eis-am-Stil-Look des AKG C414 hat sich auch nach 40 Jahren nichts geändert. Wohl aber an der zugrundeliegenden Technik und dem klanglichen Feinschliff des Klassikers. Mit den beiden jüngsten Erben, dem C414 XLS und C414 XLII, stellt der Österreichische Mikrofonspezialist die optimierte Doppelspitze vor.

VON MICHAEL NÖTGES

Als offizielle Geburtsstunde des ersten AKG C414 gilt das Jahr 1971. Seither ist das legendäre Großmembran-Mikrofon rund um den Globus sowohl im Studio als auch auf den Bühnen dieser Welt zu finden. Nach AKGs ruhmreichen C12 Röhrenmikrofon war das C414 das erste Transistormikrofon der Österreichischen Schallwandlerschmiede und genießt bis heute den exzellenten Ruf eines Klassikers, der in keiner gut sortierten Mikrofonsammlung fehlen sollte.

Mittlerweile gibt es allerdings sieben Generationen des C414 sowie zwei klanglich unterschiedliche Ausrichtungen: Mit dem C414 B-TLII kam 1993 die erste „Goldkehlen-Variante“ auf den Markt, dessen Kapsel in Anlehnung an die Konstruktionen der 1950/60-er Jahre eine gewünschte klangliche Präsenz und Offenheit erzeugte. Seither steht der Zusatz „II“ bei Produktbezeichnung für die präsentere Version (goldener Korb), das „S“ für klangliche Neutralität (silber-grauer Korb). 

Der Codex gilt auch für die beiden Testkandidaten, die sich einmal abgesehen von der Korbfarbe und dem Preis (C414 XLS 1.129 Euro, XL II: 1.195 Euro) nur durch die Abstimmung und Konstruktion der Kapseln unterscheiden. Wir fragen Thomas Stubics, Produkt und Marketing Manager bei AKG, nach den technischen Unterschieden: „Das C414 XLS ist ultra linear. Durch die Verbesserung des Laufzeitglieds, für das auch neue Materialien verwendet wurden, konnten die Reibungseigenschaften deutlich verbessert werden, was zu optimierten klanglichen Eigenschaften und mehr Neutralität führt.“ Zum C414 XLII erklärt uns Stubics weiter: „Beim XLII verfolgen wir ein Back-to-the-roots-Konzept. Für die Kapsel stützen wir uns auf unser Know-how vom C12, um uns klanglich den Sound aus den 1950/60er Jahren anzulehnen. Das C12 klingt offener und intimer wofür nicht zuletzt die eigentümlichen akustischen Elemente von damals verantwortlich sind.“ Dann ergänzt er vorsichtig und lässt sich nicht weiter in die Karten gucken: „Wir haben Teile der CK12-Kapsel-Konstruktion übernommen und per Feintuning das C414 XLII klanglich neu abgestimmt. Natürlich sind auch hier neue Materialien zum Einsatz gekommen, welche die Performance des Mikrofons weiter verbessern.“ Welche Materialien das genau sind und wie der Feinschliff technisch realisiert wurde, lässt sich Stubics allerdings nicht entlocken.

Anyway, die Ergebnisse aus dem Messlabor bestätigen jedenfalls, dass Stubics nicht zu viel versprochen hat, denn die Geräuschpegelabstände der beiden Mikrofone liegen zwischen 78,7 und 82,0 Dezibel (siehe Tabelle) und attestieren den Mikrofonen professionelle Rauscharmut. Zum Vergleich: Das Neumann U87Ai (Test 6/2007) bietet Geräuschpegelabstände zwischen 79,1 (Acht) und 82,8 (Niere), das Microtech Gefell M930 (Test, Ausgabe 6/2007) 84,4 Dezibel. Außerdem ist anhand der Frequenzgänge deutlich zu erkennen, dass das C414 XLS (siehe Diagramme Seite 38) insgesamt sehr ausgewogen abgestimmt ist, mit den Großmembran-typischen Anhebung (maximal fünf Dezibel) oberhalb drei Kilohertz. Davon abgesehen verlaufen die Kurven vorbildlich linear. Der Frequenzgang des C414 XLII weist hingegen eine Anhebung von sieben Dezibel zwischen sechs und sieben Kilohertz. Hinzu kommen Anhebungen des Mitten- und Bass-Band (siehe Diagramme Seite 40) um bis zu zwei Dezibel an. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass beide AKGs zu durchschnittlich empfindlichen Mikrofonen gehören, die der Mikrofonierung leiser Signalquellen ausreichend Verstärkungsreserven des Preamps benötigen, der seinerseits zur rauschfreien Sorte gehören sollte. Im Mittel liegen die Messwerte der Empfindlichkeit bei 17 mV/Pa, wobei das C414 XLII mit Werten von 24,3 (Kugel) und 18 mV/Pa (Niere) der kräftigere Zwilling zu sein scheint (siehe Tabelle). 

Gleich ist bei beiden Mikrofonen, die mechanisch übrigens in gewohnter C414-Manier keine Wünsche offen lassen, zunächst der üppige Lieferumfang, zu dem neben dem robusten Alukoffer, Pop- sowie Windschutz, individueller Frequenzgangschrieb und einem Reduziergewinde auch die bewährte AKG-Kunststoffspinne (siehe Test des C 400, Ausgabe 11/2006 und Test C414 B-XLS, Ausgabe 6/2007) gehören. Mittels eines cleveren Drehverschlusses sitzt das Mikrofon im Handumdrehen bombenfest eingeklemmt in der Halterung. Da beide Versionen bei einer Höhe von 16 Zentimetern lediglich 300 Gramm auf die Briefwaage bringen, besteht auch bei einer Überkopfmontage keine Gefahr des zerstörerischen Drop-Outs. Weit herausgezogene Mikrofonstative halten die handlichen Schallwandler auch über die Länge eines Konzertabends problemlos am ausgestreckten Arm, ohne dass ein Absacken der eingestellten Position zu erwarten ist. 

Beide Mikrofone haben eine mit Gold bedampfte Doppelmembran-Kapsel, die von einem doppelten Korbgeflecht geschützt wird. Es sind insgesamt neun unterschiedliche Richtcharakteristiken wählbar: Neben den Haupteinstellungen Kugel, breite Niere, Niere, Hyperniere und Acht gibt es vier weitere Zwischenpositionen, die beide Testkandidaten zu flexiblen Allroundern machen. Die Auswahl wird mit einem präzisen Wippschalter (siehe Foto Seite 38) vorgenommen. Eine kleine, grüne Status-LED gibt Auskunft über die jeweils eingestellte Richtcharakteristik. Bei den Zwischenpositionen leuchten jeweils zwei Anzeigen und zwar die, zwischen denen die jeweilige Übergangscharakteristik liegt. Eine weitere Besonderheit ist die integrierte Peak-Anzeige. Ist der Schalldruckpegel für das Mikrofon zu hoch, erglimmt die Status-LED der Richtcharakteristik rot und es ist ratsam, die Vorbedämpfung zu aktivieren. 

Dafür finden sich auf der Rückseite zwei weitere Auswahl-Wippen mit Status LEDs zum Einstellen der integrierten Vorbedämpfung (0, -6, -12 und -18 Dezibel) und des Trittschallfilters. Bei 40 und 80 Hertz haben die Entwickler ein steiles Filter mit 12 dB/Oktave eingerichtet, das Tritt- und Körperschall eliminieren soll. Bei 160 Hertz ist die Wahl auf einen flacheren Verlauf (6 dB/Oktave) gefallen, was sich nach Aussagen des Herstellers hervorragend zum entschärfen des Nahbesprechungseffekts eignen soll. 

Für die Praxis hat sich AKG außerdem zwei Spezialfunktionen einfallen lassen: Zum einen merken sich die Mikrofone die Einstellung der Richtcharakteristik, Vorbedämpfung und des Trittschallfilters auch dann, wenn sie von der Phantomspannung getrennt werden. Beim nächsten Aufstecken ist die letzte Einstellung wieder sofort parat. Außerdem gibt es die sogenannte Lock-Funktion, die besonders hilfreich ist, wenn ein Mikrofon immer für den gleichen Zweck eingesetzt wird (Festinstallationen). Drückt man für rund drei Sekunden einen der beiden Auswahlpfeile, schalten sich die Mikrofone in eine Art Hold-Modus, der ein Verstellen aller Parameter unmöglich macht. Durch erneutes Drücken muss der Lock-Modus erst wieder verlassen werden, um Änderungen der Einstellungen vorzunehmen. 

Im Hör- und Praxistest von Professional audio nehmen wir uns Gesang-, Akustikgitarren- und Gitarrenverstärker-Aufnahmen vor. Zum Vergleich ziehen wir unser Referenzmikrofon von Microtech Gefell M930 heran. Das C414 XLS überzeugt mit seinem insgesamt sehr ausgewogenen und kompakten Klangbild, das besonders in den Bässen und unteren Mitten kraftvoll erscheint. Besonders ohrenfällig wird das bei der Abnahme eines Engl Squeeze 50 Gitarrenverstärker. Bei angezerrten Sounds kommt der Klang über das C414 XLS sehr druckvoll, präzise und satt. Die Höhen sind eher zurückhaltend, Auflösung und Impulsverhalten sehr gut. Das zeigt sich auch bei den Akustikgitarren-Aufnahmen. Die filigranen Nagelgeräusche der Anschlagshand werden präzise und detailgetrau abgebildet ohne aber dabei nervig aus dem Klangbild herauszustechen. Der Klang des Instruments kommt sehr natürlich, unaufdringlich und authentisch. Dabei verleiht das C414 XLS – egal ob Steelstring- oder Nylon-Gitarre – dem Instrument eine kraftvolle Kompaktheit. Dass es aber noch detailverliebter geht, beweisen die Vergleichsaufnahmen, die wir mit dem Microtech Gefell erstellt haben: Das M930 setzt gerade beider Auflösung noch ein Schippchen drauf, außerdem ist es noch signaltreuer als der Schallwandler aus Österreich. Das muss allerdings nicht immer von Vorteil sein, denn das Microtech Gefell ist damit auch gnadenloser und verlangt vom Musiker, aber auch vom Tonmeister höchste Präzision beim Spielen beziehungsweise positionieren. Mit dem C414 XLS hat der Anwender eine – wohlgemerkt – sehr gute Aufnahme vergleichsweise schneller im Kasten.      
Bei den XLS-Gesangsaufnahmen überzeugen erneut Auflösung und Impulsverhalten, die das Timbre angenehm direkt abbilden und auch feine Details geschmackvoll wiedergeben. Es fehlt allerdings ein wenig an Luftigkeit und Frische. Was bei der Gitarrenverstärker-Abnahme den etwas harschen Sound entschärfte, lässt die Stimme sehr nüchtern und neutral erscheinen. 
Der Eindruck verstärkt sich durch den direkten Vergleich mit dem C414 XLII. Das spielt nämlich seine Stärken und Unterschiede zum kleinen Bruder besonders im Höhen-Band aus. Es klingt für Gesang frischer und präsenter und bekommt eine Offenheit und Tiefe mit der das C414 XLS nicht dienen kann, aber auch gar nicht will. Die Stimme bekommt mehr Charakter und Durchschlagskraft. Sie wirkt plastischer und griffiger ohne dabei künstlich zu erscheinen und ihre Natürlichkeit zu verlieren. Im unteren Mitten-Band bildet sich ein kompaktes, kerniges Fundament, auf dem die silbrigen Höhen exzellent in Szene gesetzt werden. 
Durch die druckvollen unteren Mitten entpuppt sich das C414 XLII als Geheimwaffe für verzerrte Solo-Passagen. Sie kommen sehr kraftvoll und kompakt, haben aber auch die nötige Offenheit und Präsenz, um sich in einem dichten Mix durchzusetzen. Gleiches gilt für die Akustikgitarren-Aufnahmen. Um Soloinstrumenten einen akustischen Spot zu verleihen, eignet sich das C414 XLII hervorragend. Anschlagsgeräusche und Obertonspektrum erscheinen unaufdringlich vordergründig und bringen das Instrument zum Strahlen, ohne dabei den eigentlichen Charakter zu unterschlagen. 
Unterm Strich präsentieren sich die beiden Testkandidaten auf insgesamt hohem klanglichen Niveau mit unterschiedlichen klanglichen Ausrichtungen: druckvoll und insgesamt neutral (C4141 XLS) und natürlich, strahlend frisch (C414 XLII). 

Fazit

Sowohl das AKG C414 XLS als auch das C414 XLII können sich in der Spitzenklasse der Großmembran-Mikrofone mehr als sehen lassen. Üppig ausgestattet mit neun Richtcharakteristiken, Lock-Mode, Übersteuerungsanzeige sowie je dreistufigen PAD und Trittschallfilter, ist für besten Komfort im Studio und auf der Bühne gesorgt. Gutes Impulsverhalten bei hoher Auflösung und kraftvolle untere Mitten kann beiden attestiert werden. Strahlende Offenheit ist hingegen die klangliche Kerntugend des C414 XLII, souveräne Zurückhaltung die des C414 XLS.

Erschienen in Ausgabe 10/2010

Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 1195 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut