Punktgenau präzise
Schon der große Jimi Hendrix versuchte im Studio seiner Musik einen dreidimensionalen Klang zu verleihen. Mit den neuen Precision-Monitoren von Tannoy wäre ihm dies leicht gefallen.
Von Harald Wittig
Die Studio-Monitore des britischen Herstellers Tannoy genießen in Fachkreisen seit bald einem halben Jahrhundert einen hervorragenden Ruf. Als innovatives Unternehmen sind die Entwickler von Tannoy stets bestrebt, Bewährtes zu verbessern. Die neue Precision-Linie ist das Ergebnis dieser Forschungs- und Entwicklungsarbeit: Lieferbar sind derzeit zwei passive und zwei aktive Lautsprechersysteme, wobei es jeweils ein kleineren Precision 6 und einen größeren Precision 8 zur Auswahl gibt. Für diesen Test entschied sich Professional audio Magazin für den aktiven Precision 8D. Vom kleineren Bruder unterscheidet er sich grundsätzlich nur durch die Größe, einen anderen, größeren Tiefmitteltöner (acht Zoll gegenüber sechs Zoll) und die erheblich höhere Endstufenleistung (120/60 Watt gegenüber 75/35 Watt). Demgemäß gelten die Beschreibung der Konzeption und der Bauprinzipien ebenso für den Precision 6D.
Auf´s erste flüchtige Hinschauen sieht der Precision 8D aus wie ein gewöhnlicher Zwei-Wege-Aktiv-Monitor nach dem Bassreflex- Prinzip. Weit gefehlt, denn der Monitor ist mit drei Lautsprecherchassis bestückt: Einem Tiefmitteltöner, einem Mittelhochtöner und einem Superhochtöner. Dem aufmerksamen Betrachter entgeht nicht die konzentrische Metallkonstruktion im Zentrum des Tieftöners – dort wo sonst die Staubschutzkalotte sitzt, Hinweis auf eine Tannoy-Spezialität. Bereits Ende der Vierziger Jahre des vorigen Jahrhunderts entwickelten die Tannoy-Spezialisten den „Dual Concentric-Driver“. Dort sind Tiefmitteltöner und Mittelhochtöner koaxial auf einer Achse angeordnet. Er besitzt faktisch zwei ineinander verschachtelte Antriebe für beiden Systeme. Am hinteren Ende des Tieftmitteltöners sitzt der Antrieb des Mittelhochtöners, der durch eine Bohrung im Polkern des Tiefmitteltöners so zusagen aus dessen Mitte ungehindert seine Schallwellen abstrahlen kann Dieses Bauprinzip, den Mittelhochtöner im Zentrum des Tiefmitteltöners anzuordnen kommt dem Ideal einer Punktschallquelle sehr nahe. Mit speziellen geformten, tulpenförmigen, konzentrischen Führungsringen die direkt vor der Kalotte des Mittelhochtöners sitzen, wollen die Entwickler das Abstrahlverhalten zusätzlich optimieren und die Wiedergabe homogener gestalten.
Ein wesentlicher konzeptioneller Bestandteil der Precision-Monitore ist die „WideBand-Technology“. Deshalb spendierten sie der Precision 8D einen zusätzlichen Hochtöner, der vom Hersteller treffend als „Super Tweeter“ bezeichnet wird. Der ist zuständig für den Bereich oberhalb 15 Kilohertz und kann laut Tannoy Frequenzen bis 51 Kilohertz wiedergeben. Zwar liegen diese Frequenzen weit oberhalb des menschlichen Hörvermögens, sie sollen aber im hörbaren Frequenzbereich Detailgenauigkeit und Klarheit der Wiedergabe deutlich verbessern. Der „Super-Tweeter“ wird übrigens von der Endstufe des Mittelhochtöners mit versorgt, die Auftrennung erfolgt dabei über eine passive Frequenzweiche.
Das „D“ im Namen des Precision 8D steht für „Digital“: Im Inneren werkeln zwei digitale Endstufen, ein Digital Sound Prozessor (DSP) übernimmt die Aufgabe einer digitalen Frequenzweiche, der alle Audiosignale auf die Chassis verteilt. Die Signale ab 2.200 Hertz überlässt er dem Mittelhochtöner, die darunter liegenden Frequenzen bekommt der Tiefmitteltöner.
Der Precision 8D verfügt auch über digitale Ein- und sogar Ausgänge. Dabei war der Hersteller jedoch ein wenig inkonsequent, denn es existieren nur S/PDIF-Anschlüsse. Der DSP akzeptiert Samplingraten von 44,1 bis 96 Kilohertz, die eingehenden Signale werden allerdings nicht gewandelt: Musik von CD beispielsweise wird daher auch nur in der Standardauflösung von 16Bit/44, 1 Kilohertz verarbeitet. Die D/A-Wandler arbeiten nur, wenn der Monitor auf Digital-Empfang geschaltet wird. Analoge Signale werden nicht in digitale gewandelt. Der Tannoy ist also ein analoger Lautsprecher mit zusätzlicher Digital-Option.
Die Verarbeitung des Precision 8D ist tadellos. Die Platte aus gebürstetem Aluminium auf der Vorderfront ist ein echter Hingucker und vermittelt Wertigkeit. Zusammen mit der silbernen Membran des Tieftöners und der stein-grauen Gehäusefarbe sieht der stolze Schotte richtig apart aus.
Mit seinen 18 kg Einsatzgewicht benötigt der Precision 8D einen stabilen Untergrund. Hinter dem Schild mit dem Tannoy-Logo verbirgt sich der On- beziehungsweise Stand-by-Schalter. Das erschließt sich nicht sogleich, zumal dieser Schalter ziemlich schwergängig und fummelig zu bedienen ist und dem Wertigkeitsanspruch so gar nicht entspricht. Aber zum Glück gibt es das Handbuch, das die Inbetriebnahme Schritt für Schritt erklärt. Allerdings sollten Sie über solide Englisch-Kenntnisse verfügen. Eine deutschsprachige Bedienungsanleitung gibt es bisher noch nicht. Auf der Rückseite des Monitors befinden sich neben den analogen XLR-Eingängen und den S/PDIF-Ein-und Ausgängen noch verschiedene Schalter, deren Funktion kurz erklärt sei: Mit dem „L/R/Mono“-Schiebeschalter kann bei digitaler Signalverarbeitung jeder Lautsprecher unabhängig von seiner Aufstellung der linke oder rechte Kanal eines Stereosignals zugewiesen werden – sehr praktisch. Der als „High-Pass-Switch“ bezeichnete Schalter findet Verwendung, wenn der Monitor gemeinsam mit einem Subwoofer betrieben wird: Bei 80 Hertz wird der Pegel um 6 Dezibel abgesenkt.
Insgesamt 20 DIP-Schalter dienen der Raumanpassung, für 16 verschiedene Frequenzbereiche können individuelle Filter eingeschaltet werden. Die eigentliche Einstellarbeit ist mit dem beigelegten Kunststoff-Stift vergleichsweise einfach. Allerdings erschließt sich die Wirkungsweise der jeweiligen Schalterstellung nicht intuitiv. Das Handbuch enthält allerdings sehr genaue Diagramme und Erläuterungen, anhand derer feinfühlige Einstellungen zumindest vereinfacht werden. Sollten Sie allerdings nicht ganz sicher sein, dann greifen Sie zur Unterstützung zum Software-Paket „Aktive Assist“. Dieses enthält ein Messmikrofon, drei Anschlusskabel und eine CD-ROM mit der Kalibrierungssoftware. Die Software ist grundsätzlich intuitiv bedienbar und liefert per Mausklick Einstellvorschläge.
Active Assist muss nicht installiert werden, sondern läuft selbstständig von der CD. Der Hersteller geht vom Einsatz am Laptop aus oder einem ordinären Office-PC aus, weswegen die beigelegten Kabel alle Mini-Klinkenstecker haben. Zunächst verbinden sie das kurze Kabel mit dem Mikrofoneingang und dem Kopfhörerausgang ihres Computers. Die Software kalibriert nämlich zunächst Ihre Soundkarte. Achten Sie darauf, dass Ihre On-Bord-Soundkarte betriebsbereit ist. Denn in den seltensten Fällen werden Sie die nötigen Adapter zur Hand haben, um die Kabel an Ihr Audio-Interface anzuschließen. Sobald dies erledigt ist, schließen Sie das Messmikrofon an den Computer an, das Kabel für den Monitor wird an den Kopfhörerausgang angeschlossen. Achten Sie unbedingt darauf, dass die Membran des Mikrofons genau in das Zentrum des Tieftöners zeigt. Der Abstand sollte möglichst genau 50 Zentimeter betragen. Alles weitere erledigt die Software. Sie bekommen am Ende ein Einstellungsvorschlag für die DIP-Schalter. Vergleichen Sie den Klang bei neutraler und vorgeschlagener Einstellung jedoch sorgfältig. Im Test sind die Ergebnisse nicht restlos zufrieden stellend, obwohl die Software auch bei verschiedenen Messungen immer die gleichen Ergebnisse liefert.
Bei der Raumdarstellung arbeitet der Precision D8 vorzüglich: Mit einer derart millimetergenauen Präzision bei der Staffelung von Stimmen und Instrumenten in der Stereobreite und der Raumtiefe können nicht sehr viele Lautsprecher aufwarten. Vor dem inneren Auge des Hörers werden Instrumentalisten und Sängern exakte Positionen zugewiesen, es ist ein Leichtes, gewünschte Raumeffekte beim Mischen einzustellen. Alles lässt sich mit den Ohren sofort überprüfen und nachvollziehen. Dieser Monitor empfiehlt sich geradezu für die Verwirklichung des persönlichen 3-D-Sounds auf Stereobasis.
In den Höhen löst der Monitor fein auf. Dabei klingenden die Höhen zu keiner Zeit scharf oder aufdringlich. Eine mit typisch schlankem, klassischem Ton gespielte Trompete klingt strahlend und golden. Im direkten Vergleich zu den Adam S 3 A mit ihren ausgezeichneten A.R.T.-Hochtönern gibt sich der Precision D8 keine Blöße und kann durchaus konkurrieren. So entlarvt er auch ein kurzes, pfeifendes Einatmen des Klassikgitarristen vor einer schweren, schnellen Passage, die sogar über Kopfhörer leicht überhört wird. Ist ein Flügel eher gläsern-brillant intoniert, hat der Monitor keine Schwierigkeiten, die besondere Obertonstruktur fein nachzuzeichnen. Genauso präzise stellt er die speziellen Charakteristika von Mikrofonen dar. Damit erleichtert er Klangfetischisten, die bei der Aufnahme vor allem den unbearbeiteten Primärton einfangen wollen, die praktische Arbeit enorm. Hier macht sich wohl die „WideBand“-Technologie und der „Super Tweeter“ bezahlt.
Bei der Basswiedergabe macht der Precision D8 gehörigen Druck, allerdings hat er mächtige Bässe nicht ganz im Griff. Diese wirken etwas überbetont und neigen leicht zum Ausbrechen nach den Seiten. Eine gute Gelegenheit, die Kalibrierungs-Software zu Rate zu ziehen. Tatsächlich erkennt diese eine Pegelanhebung im Bereich von 50 Hertz. Dies entspricht auch in etwa dem Höreindruck. Allerdings ist der Einstellvorschlag nicht überzeugend. Den Active Assist schlägt neben einer Pegelsenkung dort unsinnigerweise auch eine Absenkung im Mittenbereich vor. Folgt man diesem Vorschlag tatsächlich, kann das Hörergebnis erwartungs gemäß nicht überzeugen: Der Klang wirkt zu höhendominant, das Mittenspektrum geht fast völlig verloren. Mit Hilfe des Handbuchs wird nun die Bass-Korrekturg manuell vorgenommen. Und siehe da: Jetzt passt alles.
Fazit
Der Tannoy Precision ist ein sehr guter Monitor. Er punktet vor allem mit einer schon beinahe dreidimensionalen Raumdarstellung und der ausgezeichneten Höhenwiedergabe. Aufgrund der vielfältigen Möglichkeiten zur Raumanpassung, kann er mit ein wenig Geduld an viele Abhörumgebungen angepasst werden. Damit empfiehlt er sich für einen großen Anwenderkreis.
Erschienen in Ausgabe 07/2006
Preisklasse: Oberklasse
Preis: 809 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut
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