Déjà-vu-Erlebnis
Eine schneeweiße Lautsprechermembran in einem schwarzen Gehäuse? Das haben wir doch schon mal gesehen – und gehört.
Von Harald Wittig
Wer die neuen Studiomonitore der HS-Serie zum ersten Mal sieht, denkt meist an die legendären Yamaha-NS 10, mit denen der japanische Hersteller einst Klanggeschichte schrieb. Doch zum Kummer vieler Fans stellte Yamaha die Produktion im Jahr 2000 ein. Jetzt ist der weiße Konus zurück, und die neue HS-Serie soll nicht nur optisch an die NS 10 erinnern, sondern auch die damalige Erfolgsstory weiter schreiben. Zur neuen Serie zählen außer den Testkandidaten HS 80M noch die kleineren Modelle HS 50M sowie ein Subwoofer namens HS 10W. Der HS 80M ist ein aktiver Zweiwege-Bassreflex-Lautsprecher und – insoweit ganz in der Tradition des NS10M – als Nahfeldmonitor konzipiert.
Mit einem Stückpreis von rund 290 Euro gehört der Monitor preislich zur Einsteiger-Klasse. Sein Äußeres macht dennoch was her: Das mit mattschwarzem Kunststoff überzogene MDF-Gehäuse ist solide und sehr sauber verarbeitet. Mit 11, 8 kg ist der HS80 alles andere als ein Leichtgewicht; berücksichtigt man ferner, dass seine Höhe annähernd der eines durchschnittlichen Office-PCs entspricht, empfiehlt sich die Aufstellung auf einer passenden Konsole oder auf der entsprechend dimensionierten „meter bridge“.
Das augenfälligste Merkmal ist natürlich die bekannte, helle Bassmembran. Doch von der Ähnlichkeit zum berühmten Vorbild einmal ganz abgesehen: Der Kontrast zwischen dem schneeweißen Konus und dem schwarzen Gehäuse wirkt äußerst attraktiv. Die Kalotte des Hochtöners ist nicht sichtbar. Ein schwarz lackiertes Stahlgitter verbirgt sie vor Blicken und schützt sie vor Beschädigung. Die Bereitschafts-LED, die das Yamaha-Logo weiß auf schwarzem Grund erleuchtet, rundet das Äußere schließlich ab.
Auf der Rückseite befinden sich die Bassreflex-Öffnung, der Netzschalter, die beiden Anschlussbuchsen (XLR und 6,3 Zoll-Klinke), der Lautstärkeregler und die vier Schiebeschalter zur Klangregelung. Es sind schlichte Equalizer, die lediglich den der Pegel für einen bestimmten Frequenzbereich beeinflussen. MID EQ bewirkt eine Absenkung beziehungsweise Anhebung um ±2 dB der Mitten (beim HS 80 ist das die Frequenz von 2 kHz). Mit ROOM CONTROL ist es möglich, die Überbetonung von Bässen durch Reflexionen von Decke, Wand und Boden zu korrigieren: Dabei lässt sich der gesamte Frequenzbereich unterhalb 500 Hz um –2 dB oder –4 dB abdämpfen. LOW CUT beschneidet konsequent die Bassfrequenzen – je nach Stellung des Schalters unter 80 oder 100 Hz. Schließlich korrigiert HIGH TRIM die Lautstärke des oberen Frequenzbereichs (beim HS80 ab 2 kHz) um ±2 dB. Die Schalter sind angenehm griffig und rasten spürbar ein, so dass sie notfalls auch blind bedienbar sind. Das Einpegeln der Wiedergabelautstärke gelingt mit Hilfe der stufenlosen Regler und der sehr gut ablesbaren Skala einfach und schnell.
Der HS 80 M tritt als Studiomonitor an, was grundsätzlich bedeutet, dass er den Anspruch erhebt, das Audiomaterial neutral, ehrlich und detailgenau in allen Frequenzbereichen darzustellen. An diesen strengen Maßstäben muss sich beim Professional audio Magazin jeder Monitor messen lassen. Ausnahmen gibt es keine, auch nicht für einen Low-Budget-Lautsprecher.
Die für den Test ausgewählten Musikstücke reichen von elektronischer Musik, über Death Metal, Bigband-Jazz und Worldmusik bis hin zu sparsam instrumentierter akustischer Musik. Selbstverständlich werden auch die für den Mikrofon- sowie und den Power-Core-Test (siehe Seiten XXX und XXX) eigens eingespielten Instrumental- und Gesangsaufnahmen mit einbezogen. Mithin ein recht weites Klangspektrum, dessen Wiedergabe für jeden Monitor eine anspruchsvolle Aufgabe ist.
Bei der Darstellung des Stereopanoramas leistet der HS80 Beachtliches: Auch wenn die Aufstellung von Instrumentalisten und Sängern im Raum beim Yamaha nicht so punktgenau heraus zu hören ist wie beispielsweise bei dem ebenfalls in dieser Ausgabe getesteten ADAM Artist (siehe Test auf Seite XXX), liefert der HS 80 doch weit mehr als nur brauchbare Ergebnisse. Differenziert – und besonders im Vergleich mit teilweise wesentlich teureren Exemplaren – betrachtet, bleibt festzuhalten: Bei einer akustische Gitarrenduo-Aufnahme lässt sich nicht auf den Zentimeter genau sagen, wie weit entfernt die Gitarren von den Seiten des PC-Bildschirms (er fixiert die Mitte des Stereopanoramas in unserem Abhörraum) sind. Eine gewissermaßen qualifizierte Pi-mal-Daumen-Schätzung erlaubt der Yamaha jedoch allemal. Allerdings schafft er es nicht, Räume weit nach hinten zu öffnen. Seine Tiefenstaffelung wirkt eher flach. Den in den Vordergrund gemischten Sänger einer Bigband oder den Shouter einer Metal-band zeigt er zwar völlig korrekt in der Mitte vor dem Ensemble stehend, dagegen schrumpft der Abstand zu den Bandmitgliedern unabhängig von der abgehörten Aufnahme zusammen: Beim Hörvergleich mit den in einer anderen Liga spielenden ADAM S3 A, die einerseits den weiteren Abstand des Sängers der Bigband zu seinen Begleitern, andererseits die Nähe des Frontmanns der Metalband zu den Instrumentalisten fast zentimetergenau projiziert, schrumpfen die Abstände bei den Yamahas merklich zusammen.Auch die Basswiedergabe der HS 80M wirkt etwas dumpf und wenig fokussiert: So brechen zentrierte, punktgenau gesetzte Synthiebässe oder auch trockene Bass-Drum-Kicks immer ein wenig zu den Seiten hin aus. Vor allem aber dröhnen kräftige Bässe schon bei moderaten Abhörpegeln und überdecken andere Instrumente im Mix.
Um ganz sicher zu gehen, nehmen wir nacheinander unterschiedliche Korrektureinstellungen über den ROOM CONTROL-Schalter vor. Die Ergebnisse fallen sehr unterschiedlich aus: Bei einer akustischen Jazz-/Worldmusikaufnahme, bei der ein Kontrabass und ein geslapter E-Bass gleichberechtigt im Arrangement vorgesehen sind und klingen, bewirkt eine Absenkung um -2 dB eine Verengung des Klanges hin zu den Mitten, während bei -4 dB die Bässe fast verschwinden. Demgegenüber profitiert die Death-Metal-Band, für die tief gestimmte Gitarren und Bässe charakteristisch sind, durchaus von der Absenkung um -2 dB: Die Gitarren klingen dadurch etwas präsenter, das Stück gerät insgesamt transparenter. Auch hier wird dasselbe Stück zur Kontrolle über die S3 A-Monitore (wohlgemerkt: alle Regler in neutraler Einstellung) abgehört und siehe da: Die Metal-Produktion erklingt nochmals deutlich durchsichtiger, gleichzeitig auch um Klassen klarer und detailgenauer. Daraus folgt: Der HS 80M hat so seine Schwierigkeiten bei der Basswiedergabe, weshalb er sich als Abhörmonitor für Musikstile, in denen Bässe essentielle Bestandteile des Arrangements sind (Techno, Drum & Bass) nur bedingt eignet. Dieses hart klingende Urteil lässt sich durch folgende Überlegung rechtfertigen: Der Testraum von Professional audio Magazin ist akustisch optimiert (siehe auch „So testet Professional audio Magazin“ auf Seite 94) und selbst in einem solchen Studio verführen die Verfärbungen des Yamaha zu falschen EQ-Einstellungen mit fatalen Folgen für den Mix.
Recht wacker schlägt sich der HS 80 dagegen bei vielstimmig instrumentierter, Rock- und Popmusik, die im Arrangement auf sensible akustische Instrumente verzichtet und stattdessen bevorzugt auf elektrische beziehungsweise elektronische Klangerzeuger setzt. Wenn keine gewaltigen Bässe in dieser Musik vorkommen, gibt sie der Monitor erstaunlich klar wieder und ermöglicht, die Wirkung verschiedener Lautstärkepegel bei den Einzelspuren und den Einsatz von Dynamik-Effekten oder Equalizern im Mix abzuhören. Probleme hat er jedoch mit akustischen Instrumenten, vor allem wenn es sich um Solo-/Duoaufnahmen handelt; desgleichen mit Gesangsstimmen, wenn diese in einem sparsam instrumentierten Arrangement hervortreten. Die Anhebung der Mittenfrequenz bei 2 kHz (vergleiche hierzu das Messdiagramm) bewirkt eine hörbare Verfärbung des Klanges: Gesangsstimmen erklingen oft verschnupft, nasal. Bei Konzertgitarre und Flügel scheint der Klangkorpus erheblich verkleinert, so dass beide viel von ihrer Klangfülle verlieren; hinzu kommt bei diesen Instrumenten, dass auch die klanglichen Auswirkungen verschiedener Anschlagsarten und Anschlagsregistern verloren gehen: So wird auch der lyrische Ton eines Bösendorfers härter und gläserner, eine sehr weiche, dolce gespielte Konzertgitarre erklingt mit der Schärfe einer Flamencogitarre. Die Absenkung der Mittenfrequenz über den Schalter MID EQ um -2 dB bringt keine Besserung: Denn nun klingen die Instrumente im Diskant sehr belegt, Stimmen verlieren ihr eigenes, kennzeichnendes Timbre. Nachbessern lässt sich aber über HIGH TRIM: Bei gleicher Einstellung des MID EQ die Frequenzen oberhalb 2 kHz um 2 dB angehoben – tatsächlich klingen Flügel und Gitarre wieder runder und voller, auch die Stimme bekommt weitgehend ihre natürliche Klangfarbe zurück. Diese Einstellung kommt auch dem Jazzensemble zugute, da kurze Impulse von den Crash-Becken direkter und ohne unangenehmes Zischeln zu hören sind, sogar die Bässe sind nun fokussierter.
Insgesamt ergibt der Hörtest: Neutral im Sinne der eingangs beschriebenen Maßstäben ist die Wiedergabe des HS 80 nicht. Absolut verlässliche Informationen kann er nicht liefern. Andererseits zeigt er auch achtbare Leistungen (Stereopanorama, Wiedergabe von Mainstream-Pop/Rock). Im Hinblick auf den günstigen Preis –immerhin handelt es sich um ein Einsteigergerät – klingt er hier sogar richtig erwachsen.
Fazit
Yamahas neuester Aktivmonitor ist sicherlich keine Allrounder, der mit jeder Art von Musik spielend fertig wird. Sein Preis/Leistungsverhältnis ist dennoch gut bis sehr gut: Setzt man ihn bevorzugt für das Mischen von chartsorientierter Musik ein, erweist er sich als ehrliches und brauchbares Arbeitsgerät, bei dem Preis, Klang und Optik gleichermaßen gefallen können.
Erschienen in Ausgabe 05/2006
Preisklasse: Economyklasse
Preis: 289 €
Bewertung: gut
Preis/Leistung: gut – sehr gut
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