Breiter, tiefer und schöner…

…sollen Aufnahmen nach erfolgreicher Behandlung mit dem K-Stereo-Plug-in von Algorithmix klingen. Dabei kommt ein patentiertes Verfahren zum Einsatz, das bislang nur in Top-Highend-Geräten zu finden ist.  

Von Georg Berger

Das Lied ist altbekannt: Klingen Mixdowns trotz sorgfältiger Arbeit am Ende immer noch zu flach und matschig, kommt meist ein Plug-in zur Verbreiterung der Stereobasis zum Einsatz. Das Ende vom Lied: Der Mixdown klingt zwar jetzt schön plastisch, aber dafür hat das Plug-in auch den Gesamtsound verfärbt, was wiederum ein Nacharbeiten erfordert und unter Umständen mehr Nachteile als Vorteile zur Folge hat. Schön wäre also, ein Stereobearbeitungs-Werkzeug zu haben, das den Grundsound des Mixes unangetastet lässt. Das gibt’s nicht? Doch das gibt es. Die jüngste Entwicklung des Unternehmens Algorithmix, das K-Stereo-Plug-in, schafft diesen Spagat. Darüber hinaus sorgt es nicht nur für eine Verbreiterung des Panoramas, es vermag auch die Tiefenstaffelung von Instrumenten im Mix zu verbessern. Die bisherige Lösung, dafür ein Hallgerät zu nutzen, kann man ab sofort getrost vergessen. Bemerkenswert: Das ausschließlich für die VST-Schnittstelle erhältliche und rund 800 Euro teure Plug-in nutzt ein patentiertes Verfahren des weltweit bekannten Mastering-Gurus Bob Katz…

Von 1990 bis 2000 entwickelte und verbesserte der ein psychoakustisches Verfahren, das es schafft, die in Aufnahmen inhärenten Raumanteile zu extrahieren und manipulieren zu können. Dazu werden, grob gesagt, die ersten Millisekunden, die über die räumliche Wahrnehmbarkeit der anliegenden Audio-Information entscheiden – Stichwort: Early Reflections –, isoliert und anschließend dem Originalsignal in bearbeiteter Form wieder hinzugemischt. In Folge dessen trägt das K-Stereo-Plug-in die Zusatz-Bezeichnung „Raum-Extrahierungs-Prozessor“. Im Grunde genommen ist K-Stereo also mehr ein Plug-in zur Bearbeitung von Rauminformationen, als ein klassisches Stereomanipulations-Werkzeug. Außer dem eigentlichen K-Stereo-Prozess sorgt im Plug-in ein sogenannter Ambience-EQ für eine ausschließliche Frequenzbearbeitung der Raumsignalanteile und eine M/S-Matrix erlaubt noch vor der eigentlichen Bearbeitung, Eingriffe in die Balance von Mitten- und Seitensignalanteilen anliegender Stereosignale vor zu nehmen. Das Geniale daran: Durch die ausschließliche Bearbeitung des early-Reflection-Anteils bleibt der Grundklang der Aufnahme unangetastet. Bislang fand sich dieses Verfahren nur in sündhaft teurer Highend-Hardware wie dem Weiss DNA-1 oder im DD-2-Prozessor von Bob Katz eigenem Unternehmen Digital Domain, sowie als Surround-Variante im z-K6 des Herstellers Z-Systems. Das Algorithmix-Plug-in markiert also gleichzeitig die virtuelle Premiere des K-Stereo-Verfahrens. Auf Basis der Patentschrift entwickelte der Waldshuter Hersteller das Plug-in komplett in Eigenregie, natürlich unter Rücksprache mit Bob Katz.   Konzeptionell richtet sich K-Stereo an sämtliche Aufgaben zur Nachbearbeitung von Aufnahmen wie Mastering, Post Production oder Audio-Restaurierung. Algorithmix trägt dem Rechnung, indem K-Stereo den Startschuss zu einer neuen Produktreihe markiert, die künftig unter der Bezeichnung Chromium-Serie weitere Mastering-Plug-ins enthalten soll. Es wundert nicht, dass K-Stereo für diese Jobs mit glänzenden inneren Werten aufwartet. Es verarbeitet Samplingraten bis 384 Kilohertz und eignet sich deshalb auch für DSD-Produktionen. Bearbeitete Signale werden ausschließlich mit 32 Bit-Fließkomma ausgegeben und intern mit einer Rate von 80 Bit-Fließkomma berechnet, was Präzision und transparenten Klang garantiert. Wichtig: Aufgrund der fest eingestellten Bitrate ist bei Bearbeitung von Projekten mit niedrigerer Bit-Rate ein Dithering erforderlich. Da das beim Mastering grundsätzlich immer geschieht, birgt das keinen Nachteil. Wer K-Stereo jedoch als klassischen Insert-Effekt während des Aufnehmens und Abmischens bei 16 oder 24 Bit einsetzen will, sollte dies allerdings im Auge behalten. Letzteres ist zwar durchaus möglich, aber laut Aussage von Algorithmix weniger empfehlenswert und auch nicht primär beabsichtigt. Die Nutzung als Send-Effekt soll laut Handbuch sogar gänzlich vermieden werden, da K-Stereo in dem Fall nur klangliche Artefakte liefern würde.   Die Ausstattung und Bedienung von K-Stereo ist überschaubar und nicht zuletzt aufgrund des sehr gut verfassten Handbuchs schnell verstanden. Sämtliche Regler finden sich im direkten Zugriff auf der Bedienoberfläche. Sie sind ausreichend groß dargestellt und übersichtlich von links nach rechts in die Sektionen Input, Dimension, Ambience EQ und Output angeordnet und verdeutlichen bildhaft den Signalfluss durch das Plug-in. Zentrales Werkzeug und Hingucker ist das interaktive Graphik-Display, mit dem sich die Lautstärke des extrahierten Raumsignals intuitiv und leicht einstellen lässt. Drei Optionen zur Korrektur stehen über Buttons zur Auswahl. Die aktivierte K-Stereo-Funktion, so zeigt der Test, arbeitet am subtilsten und empfiehlt sich für behutsame Eingriffe ins Material. Die additiv zuschaltbaren Deep- und Wide-Funktionen sorgen für eine stärkere Manipulation der Stereobreite und Tiefenstaffelung. Im Test erzielen wir mit den beiden Funktionen die besten Ergebnisse. Hierbei gilt: Je höher der Dimension-Wert eingestellt ist, desto plastischer und dreidimensionaler klingt anschließend die Aufnahme und umgekehrt. Doch dazu später mehr.

Dem Display nachgeschaltet ist der Ambience-EQ, der mit einem Lowcut-, Highcut- und vollparametrischen Bell-Filter ausgestattet ist. Sinn und Zweck: Da er nur in das extrahierte Raumsignal eingreift, lassen sich unerwünschte Raumresonanzen, die entweder schon vorher existierten oder bei Bearbeitung mit K-Stereo zum Vorschein kommen, erfolgreich herausfiltern. Mehr noch, kann er durch gezielte Verstärkung von Frequenzbereichen mittels Bell-Filter, anliegenden Signalen ein Schippchen mehr Wärme oder Schärfe verleihen. Als zusätzliches Leckerli haben die Algorithmix-Entwickler ihrer Neuschöpfung noch eine M/S-Matrix spendiert, die zwischen Eingangssektion und Raumsignalbearbeitung zum Einsatz kommt. Per Button wird sie aktiviert und gestattet ein Ausbalancieren der Mitten- und Seitenanteile. Das En- und Decodieren des Stereosignals inklusive Lautstärkeanpassung erfolgt dabei in Echtzeit. Die Matrix empfiehlt sich für Mixe, bei dem etwa der in der Mitte positionierte Gesang zu leise ist. Allerdings sollte der Einsatz mit Bedacht geschehen, denn alle übrigen mittig positionierten Instrumente werden logischerweise ebenfalls in der Lautstärke angehoben. Die Ouput-Sektion gibt sich im Vergleich zu den übrigen Bedienfeldern sehr spartanisch. Lediglich ein Bypass-Button sowie zwei Aussteuerungs-LEDs finden sich, die je nach Ausgangspegel unterschiedlich farbig aufleuchten. Im Test ist dieser Bypass-Button neben dem Graphik-Display das am häufigsten genutzte Bedienelement. Eine LED-Kette und Output-Fader werden zu keiner Zeit vermisst.   Im Hör- und Praxistest bearbeiten wir eine Reihe von selbst erstellten Arrangements, die einerseits schon einen perfekten Mix besitzen und andererseits erst in einer Demo-Rohfassung vorliegen. Zusätzlich speisen wir Musik aus verschiedenen CD-Produktionen ins Plug-in, die bereits fertig gemastert sind. Um die Wirkungsweise von K-Stereo komplett ergründen zu können, ist anfangs schon eine gewisse Einarbeitungszeit erforderlich. Wir wählen zunächst die rüde Methode und setzen über das Graphik-Display den Dimension-Parameter auf den Maximalwert von neun Dezibel bei aktivierter Wide- und Deep-Funktion. Auffällig: Die Ergebnisse im Test fallen hierbei je nach eingespeistem Signal unterschiedlich deutlich aus. Unsere selbst produzierten Arrangements klingen in Maximalstellung des Dimension-Parameters deutlich plastischer, dreidimensionaler und auch homogener. Selbst der Rohmix klingt deutlich edler und zuvor noch hörbare Ecken und Kanten sind nivelliert, so als ob sich eine Art Schleier über den Mix gelegt hat. Gleichzeitig erscheint die imaginäre Klangbühne merkbar breiter. K-Stereo schafft es, Arrangements klanglich und räumlich aufzuwerten und ihnen einen edlen Anstrich zu verleihen. Durch Absenken des Dimension-Werts unterhalb von Null Dezibel entsteht ein umgekehrter Eindruck. Verschiedene Stücke der Gruppe „Dead can Dance“, die mit voluminösen Hallanteilen versehen sind, klingen durch geschmackvolles Ausblenden der Rauminformationen anschließend trockener, direkter und transparenter. Über die Wide- und Deep-Buttons erhalten wir die Option, entweder nur mehr Tiefe oder Breite oder beides zusammen hinzuzufügen oder wegzunehmen.  Beim A/B-Vergleich, wir schalten das Plug-in auf Bypass, kommt die Wirkung von K-Stereo besonders deutlich ans Tageslicht. Mit einem Mal fällt selbst das perfekt gemixte Arrangement wie ein Kartenhaus in sich zusammen und klingt plötzlich flach und kraftlos. Im Gegensatz dazu zeigt sich die Aufnahme eines Violin-Konzerts von William Walton aus der Living-Stereo Serie des Tacet-Labels völlig unbeeindruckt von den Eingriffen des Algorithmix-Neulings (siehe oben).

Zwischenergebnis: Die erzielten Resultate in Maximalstellung des Dimension-Parameters klingen recht bald zu drastisch und geben ein deutlich überhöhtes Abbild dessen ab, was im Mix beabsichtigt wurde. Je länger wir mit dem Plug-in arbeiten, desto mehr reduzieren wir im weiteren Verlauf des Tests den Dimension-Wert. Schließlich erzielen wir die homogensten und natürlichsten Ergebnisse bei Einstellung des Dimension-Parameters in einem Bereich von ± 3 Dezibel. Der Clou: Ganz gleich, wie heftig die Eingriffe ins Material geschehen, der Grundsound der Aufnahmen bleibt tatsächlich unangetastet. Algorithmix hat wirklich nicht zuviel versprochen in Bezug auf den neutralen und transparenten Klang des Plug-ins. K-Stereo tut ausschließlich das, was es soll, nämlich Rauminformationen manipulieren. Die übrigen Signalanteile bleiben unberücksichtigt und werden unverfälscht wiedergegeben. Wichtig: Dadurch wird das Plug-in jedoch nicht zu einem Hall-Effekt, denn die mit K-Stereo erzielten Ergebnisse klingen im Vergleich dazu äußerst subtil. Sehr schön: K-Stereo lässt sich zusätzlich als exzellent klingender Mono-zu-Stereo-Konverter einsetzen. Unter Nutzung der Wide-Funktion klappen sich bei einer Gesangs- und einer akustischen Gitarrenaufnahme links und rechts hörbare Frequenzanteile auf, die für einen entsprechenden räumlichen Eindruck sorgen. Durch das psychoakustische Verfahren spielt sich das Hauptgeschehen völlig unbeeinflusst nach wie vor in der Mitte ab. Im Mix klingen beide bearbeiteten Aufnahmen anschließend edler und fügen sich homogener ins Arrangement ein.   Im Test stoßen wir allerdings bei ausschließlicher Lautstärkemanipulation des Raumanteils bei einigen Stücken an Grenzen. Eine wirksame Abhilfe schafft der Ambience-EQ. Einer unserer selbsterstellten Mixe besitzt nach geschmackvoller Anhebung des Raumanteils eine unerwünschte Resonanz im unteren Frequenzbereich. Durch Einsatz des Lowcut-Filters bei cirka 150 Hertz verschwindet die Resonanz, da Frequenzen unterhalb dieser Einstellung nicht mit in den Extrahierungsprozess einbezogen werden. Doch es geht auch anders herum. Derselbe Mix klingt durch zusätzlichen Einsatz des Bell-Filters, der bei 300 Hertz die Raumsignale um etwa vier Dezibel breitbandig anhebt, angenehmer und fügt ihm ein Schippchen an Wärme hinzu. Das alles findet ebenfalls auf subtile Art und Weise statt. Wer also meint, der Ambience-EQ arbeitet ähnlich kraftvoll wie herkömmliche Vertreter etwa aus unseren Equalizer-Plug-in Vergleichen in Heft 7 und 8/2007, liegt falsch. Ebenso wie bei der Einstellung des Dimension-Parameters erfordert der Umgang mit dem Ambience-EQ die routinierte Hand und das geschulte Ohr eines Profis. Ähnliches gilt auch für die M/S-Matrix. Mit ihrer Hilfe ist noch vor dem Einsatz des eigentlichen K-Stereo-Prozesses eine Änderung ins Aufnahmematerial möglich. Doch sollte dies ebenfalls sachgemäß und wohldosiert geschehen. Nur allzu leicht wird man aufgrund des hohen Gain-Bereichs beider Fader dazu verführt, drastische Einstellungen vorzunehmen, die typische larger-than-life-Ergebnisse liefern. Sie wissen zwar anfangs zu beeindrucken, lassen aber das Gehör nach einer Weile recht schnell ermüden. Im Test reichen uns schon behutsame Änderungen der Mitte-Seite-Balance im Bereich von maximal zwei Dezibel. Durch die Korrektur dieser Signalanteile erhalten wir eine zusätzliche Option zur Klangformung, die das Algorithmix-Plug-in zu einem mächtigen Werkzeug machen.

Fazit

Man muss Algorithmix wieder ein großes Lob für ein professionelles Highend-Werkzeug aussprechen. Das K-Stereo-Plug-in zählt zu den Leisetretern, die subtil und beinahe unmerklich ans Werk gehen und bei richtiger Anwendung erst dann vermisst werden, wenn sie deaktiviert sind. Das exzellent klingende Plug-in ist weniger ein brachial wirkendes Sound-Verbiegungs-Tool als ein Klangveredler, der primär fürs Mastering gedacht ist und in routinierte Hände und geschulte Ohren von Profis gehört. Das Preis-/Leistungsverhältnis ist im Vergleich zu den bislang erhältlichen Hardware-Lösungen hervorragend.

Erschienen in Ausgabe 09/2008

Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 790 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut