Stairway to Guitarist´s Heaven

Guitar Rig 3 soll die ultimative Komplettlösung für Profigitarrensounds auf Softwarebasis sein. Das Zeug dazu hat die überarbeitete und erweiterte neue Version jedenfalls. 

Von Harald Wittig 

Spätestens seit der zweiten Auflage von Guitar Rig zählt diese üppig ausgestattete Sammlung von virtuellen Verstärkern und Effekten für Gitarristen und Bassisten neben IK Multimedias Amplitube – um nur einen namhaften Mitbewerber zu nennen – zu den beliebtesten und besten Programmen auf dem Markt. Das befand auch Professional audio Magazin beim umfangreichen Test von Guitar Rig 2 in Ausgabe 6/2006 und verlieh der Gitarren-/Bass-Recording-Software ohne Zögern das Prädikat „Spitzenklasse sehr gut“ bei ebensolchem Preis-/Leistungsverhältnis. Seitdem ist ein gutes Jahr vergangen, in dem die Entwickler von Nativ Instruments anscheinend kaum Schlaf gefunden haben, denn jetzt ist Guitar Rig 3 da. Die allerneuste Version beinhaltet softwareseitig neue Amps und Effekte, eine überarbeitete Benutzeroberfläche und noch einige Leckereien mehr, denn Gitarristen sollen mit Guitar Rig 3 nun endgültig ihre persönliche Himmelsleiter ins gitarristische Klangparadies auf dem eigenen Rechner installieren können. Wer damit bereits wunschlos glücklich ist und auf seine eigene, schon vorhandene Hardware – Audiointerface und MIDI-Controller – vertraut, ist bereits mit knapp 300 Euro dabei, denn soviel kostet die Software Edition. Für etwa 200 Euro mehr gibt es die Kontrol Edition mit der brandneuen Rig Kontrol 3. Dabei handelt es sich um eine speziell auf Guitar Rig zugeschnittene Kombination aus Fußschalter beziehungsweise Bodenpedalboard und einem USB-Audio-Interface. Da die Kontrol Edition den Anspruch erhebt, die ultimative Recording- und Live-Lösung für anspruchsvolle Gitarristen vom engagierten Amateur bis zum erfahrenen Profi zu sein, ist sie folgerichtig Gegenstand dieses  Tests.

Guitar Rig 3 lässt sich wie bisher sowohl Stand-alone als auch als Plug-in verwenden. Es läuft sowohl auf dem Mac ab OS X 10.4 als auch auf dem PC mit den Betriebssystemen Windows XP Service Pack 2 und Vista. Für den Plug-in-Betrieb werden die gängigen Schnittstellen, also VST, DXi, RTAS und AU unterstützt. Die Installation ist vergleichsweise schnell und sicher erledigt, allerdings ist zur vollumfänglichen Nutzung von Guitar Rig 3 eine Registrierung vonnöten. Hierfür gibt es seit einiger Zeit die Anwendung Service Center, die sinnvollerweise gleich mitinstalliert werden sollte. Nicht nur, dass Guitar Rig 3 ohne Online- oder alternativ Offline-Registrierung nur im Demo-Modus benutzt werden kann, können registrierte Benutzer von NI-Software über das Service Center stets die aktuellsten Updates für ihre Anwendungen herunterladen. Die Registrierung selbst geht beides Mal, also online und offline, dank des sehr guten Registrierungsassistenten kinderleicht von der Hand, eine Bestätigung erhält der Benutzer sogleich via E-Mail. Die zusätzliche Eingabe von Aktivierungscodes, wie es bei anderen Herstellern wie zum Beispiels IK Multimedia üblich ist, ist nicht erforderlich. Hier wird jeder klar kommen. Besser als anderer Schutzmaßnahmen zur Wahrung des Urheberrechts wie iLock-Keys oder USB-Dongles ist die Registrierung allemal, denn ehe es sich der Musiker versieht, sind sämtliche USB-Ports belegt. Im Falle der Guitar Rig 3 Kontrol Edition wäre das besonders fatal, denn die Rig Kontrol 3 wird über USB mit dem Rechner verbunden.

Sind Installation und Registrierung erfolgreich erledigt, empfiehlt es sich für Einsteiger, sich zunächst im Stand-alone-Modus mit Guitar Rig 3 vertraut zu machen. Dazu gilt es zunächst, das Audio-Setup einzurichten, was wir uns am Beispiel der Rig Kontrol 3 näher ansehen: Die Rig Kontrol wird über den USB-2.0-Anschluß vom Rechner mit Strom versorgt, der erforderliche Treiber wird mit Guitar Rig 3-Installation gleich mitinstalliert. Rig Kontrol 3 hat ein eigenes Kontrollfeld, zu finden im Startmenü (Windows) oder über die System-Preferences (Mac). Hier findet sich zuoberst immer ein bestimmtes Preset mit einer für das Gesamtsystem optimalen Latenz-Einstellung. Unerfahrene sollten diesen Vorschlag übernehmen, denn damit lässt sich am Besten arbeiten. Erfahrene können auch selbst Hand anlegen und die Größe des USB- und des Audio-Puffers nach den eigenen Vorstellungen einstellen, unterm Strich ergibt sich interessanterweise ausweislich unserer Versuche dasselbe Ergebnis. Im Unterschied zur Rig Kontrol 2 bietet die neue Hardware jetzt eine höchstmögliche Abtastrate von 192 Kilohertz bei 24 Bit-Auflösung, denn die Rig Kontrol 3 enthält allerneuste Wandler, die auch im Audio-Interface Audio Kontrol 1 für die Übersetzung der analogen in digitale Signale sorgen. Selbstverständlich fehlt zum direkten Anschluss einer oder zwei Gitarren und Bässe eine eingebaute D.I.-Box nicht, so dass Guitarreros nicht mehr als ihr Instrumentenkabel und einen Kopfhörer brauchen, um sofort loslegen zu können. Jetzt besteht außerdem zusätzlich die Möglichkeit, auch andere Instrumente mit Line-Pegel, wie beispielsweise Keybords anzuschließen. Ansonsten hat sich anschluss- und ausgangsseitig gegenüber der Rig Kontrol 2 nichts geändert. Die Rig Kontrol 3 bietet jetzt insgesamt neun Schalter – einer verbirgt sich unter dem großen Fußpedal – und der Benutzer hat damit alle wesentlichen Parameter wie beispielsweise das Umschalten zwischen den Presets, das Ein-und Ausschalten der Software-Effekte in Echtzeit unter den Füßen. Die Steuerdaten werden nicht über MIDI, sondern über ein hochauflösendes Protokoll via USB 2.0 übertragen. Die neue Rig Kontrol ist sehr gut verarbeitet und macht einen wirklich robusten, langzeitstabilen Eindruck und dürfte auch die Tritte von muskelbepackten Hünen mit genagelten Bikerstiefeln à la Zakk Wylde schadlos überstehen. Das korrekte Einpegeln des Gitarrensignals funktioniert mit dem kleinen Drehregler im Verbund mit der achtstufigen LED-Anzeige zufriedenstellend, für die Feinabstimmung bewähren sich einmal mehr die Lern-Schalter für das Eingangs- und Ausgangssignal der Software. Denn auch wenn das trockene Signal noch nicht die Full-Scale-Aussteuerung erreicht oder gar überschreitet, wird es immerhin noch einmal verstärkt, schließlich haben wir es mit virtuellen Instrumentenverstärkern zu tun. Da kann es schon mal unangenehm digital zerren und die beste Röhrenverstärkeremulation klingt nur noch grässlich. 

Natürlich sind die Amps der Vorversion, also Plexi (Marshall JTM 100), AC Box (Vox AC 30), Twang Reverb (Fender Twin Reverb), Gratifier (Mesa Boogie Rectifier), Tweedmann (Fender Bassman), Lead 800 (Marshall JCM 800) und der Jazz Amp (Roland Jazz Chorus) auch in Guitar Rig 3 an Bord. Ergänzt wird diese feine Kollektion nun um vier brandneue Amp-Emulationen, die nicht nur die Herzen eingeschworener Anhänger von klassischen Sounds höher schlagen lassen. Der Reihe nach:

Citrus ist die Nachbildung der zurzeit wieder sehr angesagten Orange-Verstärker, die ihre große Zeit in den späten 60er- und 70er-Jahren des vorherigen Jahrhunderts hatten. Dank BritPop Bands wie Oasis erlebt der britische Verstärkerhersteller gerade seinen zweiten Frühling. Vorbild für die Guitar Rig 3-Emulation war allerdings nicht einer der aktuellen Orangen, sondern die alten Vintageamps. Wie das leuchtendorange gekleidete Vorbild, ist der Software-Nachbau ein sehr puristisch aufgebauter Ein-Kanaler ohne Hall, der aber immerhin einen Masterregler zur Steuerung der Vorstufenverzerrung hat. Alte Orange-Amps sind bekannt für ihren lauten, kräftig-satten Klang und wurden unter anderem von Fleetwood Mac, Free und Wishbone Ash hochgeschätzt.

HighWhite emuliert den zweiten Briten unter den Neuzugängen, den Hiwatt DR-103. Ebenfalls ein enorm leistungsstarker Vollröhrenverstärker mit kraftvollen Mitten. Zu den prominentesten Benutzern gehören die Rocklegenden Pete Townsend von The Who und Klangmaler David Gilmour von Pink Floyd. Letzterer verwendet originale Hiwatts noch heute.

Tweed Delight ist einem weiteren Leckerbissen aus dem Hause Fender nachempfunden, dem Tweed Deluxe aus den 50er-Jahren. Dieser Amp war lange Zeit der amerikanische Standardverstärker für alle Musikstile von Jazz bis Rock ´n´ Roll, hatte schlappe zwölf Watt Leistung und wird noch heute wegen seines warmen, typisch amerikanischen Röhrenklanges von Musikern jeder Stilrichtung gerne gespielt.

Ultrasonic bedient alle, denen die bisherigen Neuheiten zu altmodisch sind, denn hier stand der sündhaft teuere Verstärker-Bolide Uberschall von Bogner aus den USA Modell. Laut Bogner sei der Uberschall „das wahre Armageddon in der Kiste“ und damit ahnen auch Nichtkenner, was hier angesagt ist: High-Gain-Verzerrung satt, gerade das Richtige für alle Metal-Heads auf den Spuren von Slayer, Exodus, Trivium und anderen Vertretern heftigster Lärmattacken.

Alle emulierten Verstärker sind wie bisher auch über die sogenannten Experten-Parameter feinstimmbar, so dass der Soundfetischist unter anderem auch ein virtuelles Altern der Röhren auf Wunsch simuliert kann. Die Verstärker und Topteile sind natürlich nur die halbe Miete zum Traumsound, ohne Lautsprecherbox geht bekanntlich gar nichts. Guitar Rig 2 hatte mit „Cabinets & Mics“ eine enorm vielseitige und leistungsfähige Komponente an Bord, die auch detailverliebte Klangtüftler mit 26 möglichen Kombinationen vom Abnahmemikrofon, über variable Mikrofonpositionierungen vor den virtuelle Lautsprecherboxen, bis zum Leslie-Cabinet überreich beschenkt. „Cabinets & Mics“ gehört – zum Glück – weiterhin zum Ausstattungspaket. Allerdings bestand und besteht schon die Gefahr, sich mit diesem Modul zu verzetteln und der eigentlich anstehende Track ist dann immer noch nicht eingespielt. Für alle, die weder Zeit noch Muse haben, sich in den Klangtiefen von „Cabinets & Mics“ zu verlieren, gibt es jetzt das neue Modul „Matched Cabinet“. Wann immer ein bestimmter Amp ausgewählt ist, liefert „Matched Cabinet“ automatisch die laut Hersteller klanglich bestens passende Lautsprecherbox. Die Finetuning-Möglichkeiten sind hier sehr viel einfacher: Neben dem Lautstärkeregler stehen dem Benutzer nur zwei Schieberegler zur Klangbeeinflussung zur Verfügung: „Mic1/Mic2“ dient dazu, zwei voreingestellte Klangvarianten – Mic 1 klingt schärfer, Mic 2 wärmer – zu überblenden, um so nach eigenem Gusto das optimale Mischungsverhältnis einzustellen. Einfach, aber durchaus effektiv. Der zweite Regler, „Dry/Air“ genannt, variiert die Intensität von frühen Reflexionen im virtuellen Aufnahmeraum. Auch damit lässt sich gut arbeiten, wenn einem beispielsweise die mittige Voreinstellung zu direkt klingt und der Klang mehr Ambience vertragen kann.

Die Effektsektion hat ebenfalls Zuwachs bekommen, insgesamt bietet Guitar Rig 3 jetzt 44 klassische und moderne Effekte – teils dezidierte Gitarren-, teils Studio-Effekte wie Modulations-, Hall- und Delay-Effekte und Equalizer, die beispielsweise auch für Gesangsspuren einsetzbar sind. Es würde den Rahmen sprengen, auf jeden Effekt einzeln einzugehen, deswegen beschränken wir uns auf die Neuheiten: 

Tape Echo ist die Nachbildung des Roland RE 201 Bandechogeräts aus den 70er-Jahren, das gerade auch im Studiobereich über ein Jahrzehnt lang zur Standardausstattung gehörte. Obwohl die Echokaskaden aus dieser japanischen Kiste nicht gerade von hoher Reinheit waren, gilt ihr ganz eigener Klang bis heute als unerreicht und wird auch von digitalen High-End-Hallgeräten – zumindest nach Meinung der RE 210-Anhänger – allenfalls blässlich nachgebildet. Native Instruments hat das RE 201 konsequent mit allen Komponenten emuliert. Somit fehlt auch der Federhall nicht, der schon beim Hardwarevorbild gnadenlos schlecht klang und, solo gehört, Aufnahmen – sofern ´s erwünscht ist – um einen eigentümlichen Trashfaktor bereichern kann.

Custom EQ ergänzt die Klangsteller um einen Studio-Equalizer, der ohne Display und nur mit vier Reglern auskommt – ideal für schnelle Klangkorrekturen und die Anreicherung des Sounds um eine warme, ein wenig an Analog-Synthesizer erinnernde Klangfarbe.

Delay Man ist eine Reminiszenz an die 80er-Jahre, als Digital-Delays fester Bestandteil in vielen Gitarrenracks waren. Es handelt sich hier um einen vielseitigen, modern klingenden Echo-Effekt mit integriertem Chorus und Vibrato, der erstaunlich warm und unsteril klingt.

Ring Modulator ist der klassische Modulationseffekt schlechthin, der in alten Analogzeiten auch für eigenartige Gitarrensounds verwendet wurde. Bekanntestes Beispiel: Black Sabbath-Mastermind Toni Iommi benutzte einen Ring Modulator im Solo von „Paranoid“.

Real Wah heißt der Neuzugang bei den Wah-Wahs. „Neuzugang“ ist im doppelten Sinne zu verstehen, denn das Real Wah orientiert sich an den neuen Pedalen mit ihrem spezifiischen Klang, die Ende der 90er-Jahre auf den Markt gekommen sind.

Sledgehammer hat nichts mit dem gleichnamigen Peter-Gabriel-Hit zu tun. Es handelt sich um einen weiteren Verzerrer nach dem Vorbild des Marshall The Jackhammer JH-1-Bodentreters, der als das extremste Verzerrerpedal des britischen Verstärkerherstellers überhaupt gilt. Auch der weichste Gitarrenton verwandelt sich mit diesem Verzerrer in das Brüllen eines T-Rex. Nicht gerade ein Effekt für Puristen, moderne Musiker mit Vorliebe für klangliche Extreme sollten den Sledgehammer aber unbedingt antesten. 

Abgesehen von den zuvor beschriebenen neuen Modulen gehört die neu gestaltete Benutzeroberfläche zu den Hauptverbesserungen von Guitar Rig 3. Das gesamte Layout wurde überarbeitet und sehr viel übersichtlicher gestaltet als bei der Vorversion. Gleichzeitig ist die grundlegende Gestaltung erhalten geblieben, so dass sich Auf- und Umsteiger sofort zurechtfinden werden. Keine Änderungen gibt es auf der rechten Fensterseite. Hier findet der Benutzer, wie gehabt, seine Racks mit allen Komponenten und Einzelmodulen. Völlig neu dagegen die linke Seite, auf der sich der neue Preset-Browser, die Liste der Einzelmodule/Komponenten und die Optionen finden. Guitar Rig 3 hat drei Hauptschaltflächen, mit „Browser“, „Components“ und „Options“ beschriftet, die schnellen Zugriff auf diverse Untermenüs bieten. Über den Browser hat der Benutzer Zugriff auf die Unterkategorien „Sounds“, „Attributes“, „Search“ und „Results“. Wer erst mal nur spielen möchte, sollte direkt auf „Sounds“ gehen. Hier findet sich eine übersichtliche Liste, die unter dem Eintrag „GR3Mix“ eine Auswahl von Presets bereithält, die sich teilweise an den Sounds bestimmter Musiker orientiert. Die komplette Liste wird im unteren Teil angezeigt, klickt der Benutzer auf eine der mehr oder weniger griffigen Beschreibungen, erscheint im rechten Fenster sogleich ein komplettes Rack. So verbirgt sich hinter „Pink Numb Lead“ ein recht umfangreiches Rig, dass den Leadsound von David Gilmour in dem Pink Floyd-Song „Comfortably Numb“ nachbilden soll. Nun, zumindest ist hier Herzstück des Rigs passenderweise der High White-/Hiwatt-Amp, wenngleich Gilmour stets auf die Originalboxen zugunsten von Leslie-Cabinets verzichtet hat. Interessanter sind ohnehin die unter den Einträgen 002 bis 013 aufgelisteten Amps, denn hierüber offeriert Guitar Rig 3 eine Sammlung von Voreinstellungen, die die gesamte Klangpalette des jeweiligen Verstärkers von Clean, über Crunch bis zu Distortion abdecken. Gerade bei der Erstellung dieser Presets waren die Entwickler besonders akribisch, denn einer der wenigen echten Kritikpunkte an der Vorversion waren die eigentlich durch die Bank mit Effekten überladenen Presets. Die waren zwar gut, um bei einer Solodemonstration mächtig Eindruck zu machen, im Bandkontext oder im Mix jedoch oft nicht zu gebrauchen. Die neuen Presets klingen nun wesentlich direkter und bei weitem nicht so verwässert wie früher. Hinzu kommt, dass sie auf die verschiedenen Gitarrentypen und ihre Tonabnehmerbestückung (Single-Coils oder Humbucker) abgestimmt sind. Tatsächlich sind diese Presets sehr gut gelungen und können direkt zum Einspielen von Gitarrenspuren verwendet werden, Einzelheiten zum Klang und Klangverhalten gibt es weiter unten. Ebenfalls hervorzuheben ist die neue Suchfunktion, die über die Schaltfläche „Search“ aufzurufen ist. Hier können in Sekundenschnelle Presets – auch die von der Vorversion bekannten – aufgerufen werden. Die Sortierung ist praktisch und vielfältig, der Musiker sucht entweder in der Rubrik Stilistik, nach den Namen eines bestimmten Presets, nach dem Autor oder nach dem Datum der letzten Änderung. Ist der „Components“-Button einmal angeklickt, verwandelt sich die rechte Bildschirmseite in eine Liste mit allen Komponenten und Modulen der Software, die jeweils in schöner graphischer Darstellung angezeigt sind. Üppig ausgestattet wie Guitar Rig nun mal ist, gibt es mehrere Seiten und entsprechende Schaltflächen, beginnend bei den Amps und endend bei den Modifiern. Über „Options“ schließlich kann der Benutzer über Controller sämtliche Zuweisungen („Asignments“) seiner Rig Kontrol verwalten und externe Controller der Rig Kontrol zuweisen, über die Schaltfläche „Preferences“ hingegen werden globale Voreinstellungen für bestimmte Parameter im Stand-alone- oder Plug-in-Betrieb von Guitar Rig 3. Beispielsweise lässt sich das Pedal neu kalibrieren, was nach längerem, intensiven Gebrauch schon mal notwendig sein kann.   Brandneu und gerade für Bühnenmusiker äußerst praktisch ist die „Live View“-Ansicht. Anstelle des gewohnten Hauptfensters offeriert Live View eine deutlich übersichtliche, weil stark vereinfachte Benutzeroberfläche, in der Darstellung groß genug, um auch auf der Bühne mit einem virtuellen Abbild der Rig Kontrol 3 gut lesbar zu sein. Da Laptops mit Gitarrensoftware längst die Bühnen der Welt erobert haben – es sei nur an Altmeister John McLaughlin erinnert – und auch Guitar Rig häufig für den amtlichen Live-Sound sorgt, ist dieses neue Feature grundsätzlich zu begrüßen. Sehr praktisch ist beispielsweise die Mute-Funktion, die sich hinter dem Schalter „Tuner/Stimmgerät“ verbirgt und die das Ausgangssignal zum lautlosen Nachstimmen stummschaltet. Alle, die es schaffen, ihr Instrument über das virtuelle autochromatische Stimmgerät mit seiner enervierenden Flackeranzeige zu stimmen, werden dies gerade auf der Bühne zu schätzen wissen. 

Die Live View-Option ist das richtige Stichwort, um zur Praxis überzuleiten: Guitar Rig 3 ist eine anspruchsvolle Software, die abhängig vom jeweiligen Rack dem Hostrechner einiges an Rechenpower abverlangt. Am Besten läuft die Software mit einem Arbeitsspeicher ab einem Gigabyte RAM und einem Prozessor, der mit mindestens zwei Gigahertz getaktet ist. Wer auf rechenintensive Hallsimulationen, wie beispielsweise den Federhall der Fender-Emulationen nicht verzichten möchte, sollte sich besser nicht mit weniger zufrieden geben, sonst läuft ´s nicht flüssig oder die Latenzen sind mit über zehn Millisekunden einfach zu hoch. Wer Guitar Rig 3 auf der Bühne einsetzen möchte und aus klanglichen Gründen im High Quality-Modus spielt, benötigt auf jeden Fall ein leistungsstarkes Windows-Notebook mit der genannten Ausstattung oder ein MacBook Pro. Dennoch hält sich der Leistungshunger von Guitar Rig 3 im Vergleich zu Amplitube Jimi Hendrix (Test in Ausgabe 8/2007) noch in vertretbaren Grenzen: Beim Test unter Sonar 6 auf dem redaktionseigenen Studiorechner, der mit seinen drei Gigabyte RAM und Intel-Quad-Prozessoren allerdings sehr leistungsstark ist, überschreitet die CPU-Auslastung nie 25 Prozent – bei immerhin acht Spurinstanzen mit aktiviertem HQ-Modus. Für Besitzer schwachbrüstiger Rechner empfiehlt sich ansonsten der simple Trick, beim Einspielen den HQ-Modus über den entsprechenden Button zu deaktivieren. Das entlastet den Hostrechner spürbar und es klingt allemal gut genug für inspirierte Gitarrenspuren. Bei den Aufnahmen erweist sich die neue Rig Kontrol als leistungsfähiges Interface – insoweit bestätigen sich auch die Messergebnisse (siehe die Tabelle und die Grafik auf Seite 38). Wie schon Rig Kontrol 2 zeichnet sich auch das neue Audio-Interface durch seine erfreuliche Neutralität aus, schließlich sollen die virtuellen Amps den trockenen Klang der Gitarre beziehungsweise des Basses formen. Auch die A/D-Wandler sind nicht von schlechten Eltern: Beim Abhören der Spuren, die wir zur einen Hälfte über die Rig Kontrol und zur anderen Hälfte über den erheblich teureren Mackie Onyx 400F eingespielt haben, hören wir über den Referenzwandler Lynx Aurora 8 keine wesentlichen Unterschiede. Die trockenen Signale klingen beides Mal klar und rauschfrei, die Charakteristik der Testinstrumente (Fender Stratocaster und Epiphone Les Paul) ist erhalten geblieben. So muss das sein. Auch wenn die schon in Guitar Rig 2 vorhandenen Verstärker nicht überarbeitet wurden, so sorgt „Matched Cabinet“ durchaus für ein gewisses Klangdoping. Soll heißen: Ohne langes Suchen nach der optimalen Box klingen gerade Twang-Reverb und Tweedman verblüffend nah am Original. Vor allem der aufgerissene Tweedman hat eine ausgeprägtere Bruststimme bekommen. Das heißt nicht, dass die Emulation vorher geschwächelt hat, es war nur einfach zeitaufwändiger und mühsamer, über „Cabinets & Mics“ die optimale Kombination Amp-Box-Mikrofon zu finden. Die neuen Presets sind den Entwicklern gut gelungen, sie sind wesentlich differenzierter als die der Vorversion und reichen immer von sauberen Klängen, über angezerrte Sounds für Rhythmus und Solo bis hin zum sustainreichen Leadsound. Allerdings haben die Clean-Presets bei den Röhrenamps immer eine leichte Zerrtendenz – sofern die Gitarre voll aufgedreht ist. Hier erweist sich indes, wie nahe diese Software an der Röhrenwirklichkeit ist: Auch ein ausgewiesener Clean-Experte wie der Fender Twin Reverb, bleibt bei Stellung 7 seines Lautstärkereglers nicht mehr klinisch rein. Hier hilft, wie im richtigen Leben, das Zurückregeln des Volumen-Potis der Gitarre. Genauso kann der Spieler bei höherer Gain-Einstellung des virtuellen Amps allein über Spielweise und Lautstärke den Verzerrungsgrad beeinflussen. Das verblüfft einfach stets auf Neue – kaum zu glauben, dass Guitar Rig „nur“ eine Software ist. Im direkten Vergleich mit der Twin-Reverb- und der Bassman-Emulation im klanglich hervorragenden Amplitube Jimi Hendrix zeigt sich, dass vor allem der italienische Softwarenachbau des Twins eine Spur wärmer klingt und etwas später anfängt zu zerren. Deswegen sollte jetzt niemand den NI-Nachbau vorschnell abwerten, immerhin verhalten sich auch Gitarrenverstärker wie Musikinstrumente und die Vertreter einer Baureihe können sich klanglich hörbar unterscheiden. Fällen wir also ein salomonisches Urteil: Hendrix eigener Twin, von IK Multimedia aufwändig emuliert, ist eben ein besonders guter Verstärker, der Twang-Reverb klingt gleichwohl authentisch. Kombinieren Sie ihn mit dem absolut genialen Tape Echo und dem Stegtonabnehmer Ihrer Reissue- oder Vintage-Strat und Hank Marvin wirft klanglich lange Schatten. Garantiert. Bei den neuen Verstärker-Modellen ragen der Tweed Delight und der Ultrasonic heraus, während Citrus und High White mit ihrem zwar klaren und direkten, aber auch etwas mittigen Klang eher Geschmackssache sind – da gefällt der AC Box subjektiv besser. Dennoch werden Fans des britischen Rocksounds an beiden Emulationen ihre Freude haben. Vor allem der Citrus klingt sehr gut für gedoppelte Rhythmusgitarren, solange er nicht allzu weit aufgerissen ist. Wie bei den alten Orangen auch, wird der Klang dann recht schnell indifferent. Für Solosounds empfehlen sich für High White und Citrus moderate Verzerrer wie der „Skreamer“ oder die Transisator Verzerrer „Fuzz“ und „Big Fuzz“. Kombinieren Sie das High White-Topteil zusätzlich noch mit zwei Leslie-Cabinets und fügen ein wenig Delay hinzu, lugt David Glimour schmunzelnd um die Ecke. Der Tweed Delight klingt mit jeder Gitarre, vor allem clean einfach traumhaft: Dieser Klang ist geprägt von glasigen, im Vergleich zu den späteren Fender-Amps sehr viel dezenteren Höhen und einem ausgesprochen runden Tiefenfundament. Die nahe Verwandtschaft mit dem Bassman ist ohrenfällig. Der Tweed Delight eignet sich für Hard Bopper auf den Spuren Kenny Burrells, Rockabilly im Stile Scotty Moores oder Blues gleichermaßen. Der Ultrasonic ist ein natürlich ein ganz anderes Kaliber: Voller brachialer Klanggewalt ist er in Verbindung mit einer Humbucker-Gitarre erste Wahl, um mächtige Gitarrenwände zu errichten. Sind die Verzerrer „Demon“ oder „Sledgehammer“ vorgeschaltet, fräst sich ein Solo ungehindert durchs Doubel-Bass-Gewitter. Trash-, Death- oder Nu-Metaller werden´s lieben. Obwohl der Ultrasonic sein volles Potenzial nur mit Gitarren ausspielt, die mit sehr leistungsstarken Tonabnehmern bestückt sind, und erst mit diesen eine Liebesheirat eingeht, klingen Soli mit der Strat auch nicht übel. Immerhin ist das real existierende Vorbild kein schnöder Krachmacher, sondern ein sorgfältig gefertigter Verstärker der High-End-Klasse. Ganz wichtig: Wenn Sie in den vollen Genuss des Zerrpotential des Ultrasonic kommen möchten, sollten Sie in jedem Fall den HQ-Modus nutzen, ansonsten fehlt es schlichtweg an geradzahligen Obertönen, die auch auf digitaler Ebene erst den spezifischen, heiß begehrten Röhrensound ausmachen. Wie das Original ist auch der virtuelle Nachbau kein Verstärker für Clean-Sounds, denn sein sehr mittenbetonter Klang ist zumindest ein Graus für Vintagefans und Anhänger des traditionellen amerikanischen Klangs. Die werden aber mit den Fender-Emulationen sehr gut bedient. 

Fazit

Mit Guitar Rig 3 kann Native Instruments seine Spitzenposition bei der professionellen Gitarrensoftware noch ausbauen, denn jeder Gitarrist findet hier einen riesigen Klangwühltisch vor. Die Neuauflage offeriert noch mehr Klangvarianten von Vintage bis Modern, ist benutzerfreundlicher und die überarbeitete Rig Kontrol 3 übertrifft die alte Controller/Interface-Einheit in Klang und Funktionalität. Einen leistungsfähigen Rechner vorausgesetzt eignet sich Guitar Rig 3 für Studio und Bühne gleichermaßen. 

 

 

Erschienen in Ausgabe 12/2007

Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 499 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut