Wandlungskünstler

Die Entwicklung innovativer Produkte braucht seine Zeit. Die deutsche Edelschmiede RME hat sie bei der Entwicklung ihres neuen Superwandlers genutzt und Bestmarken in Sachen Ausstattung und Klang gesetzt.  

Von Hans-Günther Beer 

Ein Studioausrüster, der heute mit einem neuen Produkt in einem gut bestückten Markt mehr als nur einen Achtungserfolg erzielen möchte, muss sich schon etwas besonderes einfallen lassen. Unternehmen, die einen besonders guten Job machen wollen, analysieren vor Entwicklungsbeginn sorgfältig den Markt und befragen vor allem die potenziellen Kunden nach ihren Wünschen und Anforderungen. So geschehen im Hause RME vor der Entwicklung des neuen AD-/DA-Wandlers ADI-8 QS. Chefentwickler Matthias Carstens und seine Mannen schrieben in das Whitebook des 2.600 Euro teuren Studiowandlers eine umfangreiche Liste an Spezifikationen. An vorderster Stelle stand neben dem Einbau neuer, Low-Latency-Wandler für optimale Klangqualität, vor allem hohe Flexibilität bei Anschlüssen und Pegelmanagement, Erweiterbarkeit und, wie es sich für RME-Studiogeräte der neusten Generation gehört, komfortable Fernsteuerbarkeit. 

Zunächst einmal ist der ADI-8 QS ein klassischer, achtkanaliger Analog-Digital- und Digital-Analog-Wandler mit acht analogen Ein- und Ausgängen. Aber hier beginnt schon der Unterschied beispielsweise zum Aurora 8 des amerikanischen Herstellers Lynx, ein Wandler, der seit fast einem Jahr als Referenz im Studio von Professional audio Magazin fungiert. Wie der Aurora 8 stellt der ADI-8 QS seine analogen Ein- und Ausgänge per Sub-D-Buchse und Breakout-Kabel zur Verfügung (RME im Tascam-Standard, Lynx im Yamaha-Standard). Zusätzlich offeriert der RME analogen Zugang zu den Wandlerbausteinen über 16 symmetrische Klinkenbuchsen, acht für die Eingänge und acht für die Ausgänge. Das erhöht die Flexibilität ungemein. Die digitalen Ein- und Ausgänge im AES/EBU-Format liegen an einer weiteren SUB-D-Buchse an, die entweder ein weiteres Break-Out-Kabel oder ein D-Sub-Kabel mit beidseitigen D-Sub-Steckern aufnimmt. Alternativ stehen jeweils zwei optische ADAT-Ein- und -Ausgänge zur Verfügung. An den mit Main bezeichneten Toslink-Buchsen iegen jeweils diese acht Kanäle bis zu einer Samplingfrequenz von 48 Kilohertz an.

Bei einer maximalen Abtastrate von 96 Kilohertz halbiert sich hier die Kanalzahl im S/Mux-Modus bekanntlich auf vier Kanäle und so stehen dann die weiteren vier Kanäle über die mit Aux bezeichneten Toslink-Anschlüsse zur Verfügung. Da der ADI-8 QS auch den S/Mux4-Standard beherrscht, stehen über die optischen Anschlüsse bei einer Samplingrate von 192 Kilohertz immerhin noch vier Ein- und Ausgänge bereit. 

Der Aurora 8 bietet zwar ebenfalls ADAT-Anschlüsse an, allerdings über eine optionale Zusatzkarte, die entfernt werden muss, möchte man den Lynx-Wandler mit der nun lieferbaren Firewire-Option ausstatten – mehr darüber im nächsten Heft. Auch der ADI-8 QS bietet die Möglichkeit, eine optionale Steckkarte in die Rückseite anzubauen. Hier lässt sich zunächst die I64-MADI-Card aus dem Hause RME einbauen, die sowohl zwei optische (FDDI Duplex SC Connector) als auch zwei koaxiale Anschlüsse (BNC-Buchse) anbietet und bis zu 16 Kanäle bei 192 Kilohertz beziehungsweise 64 Kanäle bei 48 Kilohertz übertragen kann. Der ADI-8 QS benötigt natürlich davon maximal acht Kanäle. Dem Thema MADI widmet sich übrigens ein großer Schwerpunkt in der nächsten Ausgabe.

Eine Besonderheit des neuen RME-Wandlers, die bei den Mitbewerbern in dieser Form nicht zu finden ist, sich in der Praxis aber schon beim Achtkanal-Vorverstärker Micstasy (Test in Ausgabe 4/2007) bewährte, ist die flexible Anpassung der analogen Eingangspegel per Pegelreferenzen. Um die klanglichen Meriten eines guten Wandlers optimal nutzen zu können, muss er auch optimal ausgesteuert werden. Will heißen, der analoge Eingangspegel sollte in seinen Spitzen immer möglichst nahe am maximalen Eingangpegel des Wandlers von 0 dBFS heranreichen, natürlich abzüglich eines Headrooms von etwa vier Dezibel als Sicherheitsabstand. Um dies auch bei unterschiedlichen analogen Festpegeln sicher zustellen, bietet der ADI-8 QS vier verschiedene Referenzpegel bezogen auf 0 dBFS an: 24, 19, 13 und 4,2 dBu. Bezogen auf den üblichen Studiopegel von vier dBu betragen die jeweiligen Headroom-Werte 20, 15, 9 und 0 Dezibel, wobei die Referenz 4,2 dem Pegel -10dBV bei Konsumgeräten mit einem Headroom von bis zu 15 Dezibel entspricht. Zur Überwachung der korrekten Eingangspegel findet sich auf der linken Seite der Front ein Fenster mit acht siebenstelligen LED-Ketten mit einer Werteskala von -60 dBFS bis -1 dBFS. Die siebte LED signalisiert Overload bei 0,2 Dezibel unter Vollaussteuerung, das entspricht folglich -0,2 dBFS. Die Eingangspegel lassen sich unabhängig beziehungsweise zusätzlich zu den vier festen Referenzpegeln digital um bis zu sechs Dezibel in 0,5 dB-Schritten verstärken. Damit lässt sich jeder der acht AD-Wandler auf 0,5 Dezibel genau auf seine Eingangsquelle kalibrieren. Was will ein Toningenieur mehr? Hinzu kommt ein in der Praxis sehr hilfreiches Feature: ein analoger und ein digitaler Limiter. Die kommen vor allem dann zum Zug, wenn einerseits die tatsächlich zu erwartenden Pegelverhältnisse während einer Aufnahme nicht bekannt sind und andererseits nicht zu viel kostbarer Headroom verschenkt werden soll.

Ohne zu sehr ins Detail zu gehen – es empfiehlt sich der Download des Manuals auf der RME-Homepage – sei so viel verraten: Beide Limiter, die sich sowohl einzeln als auch gemeinsam nutzen lassen, arbeiten in der Praxis sehr zuverlässig. Der analoge Limiter liegt übrigens permanent im Signalweg und sorgt im nicht aktivierten Zustand dafür, dass der Wandler niemals mehr als drei Dezibel übersteuert werden kann. Ist er aktiviert, soll der Klirrfaktor selbst bei extremer Übersteuerung nicht über die 0,3 Prozent-Marke steigen. Im Labor ermitteln wir einen Wert von 0,35 Prozent, das liegt innerhalb der Toleranz und ist ein äußerst guter Wert. Der digitale Limiter lässt sich im Setup-Menü, das viele weitere Einstellmöglichkeiten bietet, in vier Stufen (1.5, 3, 4, und 5 dB) einstellen, die Dezibel-Werte entsprechen den damit möglichen zusätzlichen Pegelreserven. 

Auch der Ausgangsseite spendierten die Entwickler eine ganze Reihe nützlicher Features. Zum einen lassen sich auch hier die vier verschiedenen Referenzpegel wählen, die Pegelverhältnisse bezüglich 0 dBFS entsprechen denen der Eingänge. Eine Besonderheit der Klinken-Ausgänge ist allerdings zu beachten: Dort stehen im Gegensatz zu den Sub-D-Ausgängen als maximaler Referenzwert lediglich 19 dBu zur Verfügung. Auf der rechten Seite der Frontplatte findet sich das gleiche Anzeigefenster mit den LED-Ketten, hier allerdings für die Ausgänge. Die jeweils angezeigten Pegelwerte werden übrigens wie auf der Eingangseite direkt von den Wandlern abgenommen, entsprechen also exakt den dort herrschenden Pegelverhältnissen. Auch die Ausgänge der DA-Wandler lassen sich individuell trimmen, in einem Bereich von ± 6 Dezibel in Schritten von 0,5 Dezibel. 

Der Ausgangspegel aller acht Analog-Ausgänge lässt sich darüber hin aus global herunterregeln – wichtig beispielsweise für Surround-Monitoring. Dies erfolgt entweder über den für RME-Geräte typischen Drehgeber oder noch komfortabler über die serienmäßig mitgelieferte Hardware-Fernsteuerung. Das ist eine kleine Box, die, ebenfalls mit Drehgeber ausgestattet, über ein fünf Meter langes Kabel per Mini-DIN-Stecker am ADI-8 QS angeschlossen wird und somit bequem erreichbar beim Mischpult liegen kann. Auch alle anderen Funktionen und Einstellungen, die normalerweise über den Drehgeber verändert werden, lassen sich fernsteuern – per Mac oder PC über MIDI und die Software MIDI-Remote. Am Gerät selbst helfen die beiden LED-Fenster beim Einstellen der Setups: Etwa für Input- und Output-Trim, Delay-Kompensation (beim Einsatz der MADI-Karte), diverser Word-Clock-Parameter sowie der Vergabe von Geräte-IDs, wenn mehrerer ASDI-8 QS gemeinsam ferngesteuert werden sollen. Das rechte Fenster zeigt dabei die gewählte Funktion und das linke die Parameter oder Werte an. Viel bequemer lässt sich der Wandler, wie gesagt, über die MIDI-Remote-Software steuern. Dabei lässt sich selbst der Eingang, über den die Steuerung erfolgen soll, zwischen MIDI, MADI oder ASE/EBU am Gerät vorwählen. Auf Wunsch lassen sich alle Tasten des Wandlers per Fernsteuerung blockieren – mit Ausnahme des Remote-Tasters.

Mit besonders großer Aufmerksamkeit widmet sich RME der digitalen Synchronisation. Aufwändige Schaltungen überwachen ankommende Synchronisations-Signale auf allen Eingängen und bereiten sie geräteintern auf. Wordclock- Ein- und Ausgänge sind obligatorisch, der Eingang lässt sich wahlweise mit 75 Ohm Abschlusswiderstand terminieren. Per Taster auf der Front wählt man den Eingang, auf den synchronisiert werden soll beziehungsweise die interne Synchronisation. Am Wordclock-Ausgang liegt immer die gewählte Frequenz 44,1 oder 48 Kilohertz, beziehungsweise deren per DS- und QS-Taste gewählte Vielfache (2- und 4-fach) an. Besonderheit: Der ADI-8 QS lässt sich intern mit hohen Samplingfrequenzen betreiben, obwohl er extern beispielsweise auf 44,1 Kilohertz synchronisiert ist. 

Im Messlabor zeigt der neue RME-Wandler dem Audio Precision-Messcomputer einmal mehr die kalte Schulter. Nahezu alle vom AP 2722 ermittelten Werte entsprechen exakt den Herstellerangaben, beispielsweise die Eingangsempfindlichkeiten bis auf zwei Stellen hinter dem Komma genau. Fremd- und Geräuschspannungsabstände liegen – siehe Steckbrief – an der Grenze des theoretisch Machbaren, der Klirr bleibt immer unter der 0,001 Prozent-Grenze. Die Linearität von AD- und DA-Wandler ist über jeden Zweifel erhaben, das Jitter-Histogramm zeigt zwar eine geringe Unsymmetrie, die aber völlig vernachlässigt werden kann – Jitter ist für den ADI-8 QS kein Thema. 

Im Hörtest macht es der Wandler allen Testern sehr schwer, bereitet aber auch viel Freude. Als sehr schwierig erweist es sich, Unterschiede zwischen dem phänomenalen Lynx-Wandler Aurora 8 und dem ADI-8 QS auszumachen – und dabei gehen die Tester mit aller denkbaren Akribie zu Werke. Zusammen mit dem Mikrofon-Vorverstärker Lake People F355 nehmen sie zuerst einmal unterschiedliche Instrumente und Stimmen in Cubase 4 auf. Anschließend muss die altehrwürdige Telefunken M15A mit Telcom-Rauschunterdrückung als analoge Referenzquelle herhalten. Wichtig ist, dass nicht etwa interpretatorisch bedingte Unterschiede den Wandlern in die Schuhe geschoben werden können, sondern immer das identische Programm-Material vorliegt. Beim Abhören stellen sich die zuerst vermuteten Unterschiede tatsächlich als geringfügige Pegeldifferenzen heraus. In diese Falle tappen viele Tester. Wichtig ist also extrem pingelige Pegelgleichheit in der gesamten Aufnahme- und Wiedergabe-Kette. Achtet man darauf nicht, ist der Hörtest objektiv gesehen für die Katz. Nachdem diese Hürde genommen ist, lässt sich feststellen: Klangliche Unterschiede zwischen den beiden Wandlern existieren so gut wie nicht. Der ADI-8 QS spielt auf allerhöchstem Niveau und klingt ungemein sauber, offen, klar differenziert. Er produziert sowohl auf der AD- wie auch auf der DA-Seite ein duftiges und feines, gleichzeitig kraftvolles und detailreiches Klangbild. Die Dreidimensionalität der erstellten Aufnahmen ist ähnlich wie beim Lynx frappierend, die Instrumente und Stimmen haben Körper und Volumen. Nach langen Hörsitzungen und vielen Umschaltvergleichen kristallisieren oder besser gesagt verdichten sich einige marginale klangliche Differenzen, die dennoch nicht von allen Testern in gleichem Maße wahrgenommen werden. Ergebnis. Der Lynx klingt minimal, aber wirklich nur minimal vordergründiger in den unteren Mitten, was aber keinesfalls als wärmer bezeichnet werden darf. Der RME erscheint dafür ganz oben ein wenig offener und duftiger. Wird der Pegel nur um 0,5 Dezibel verändert, verschwinden die Unterschiede oder kehren sich ins vermeintliche Gegenteil um. Gleichzeitig haben wir bei diesem Test diverse Mikrofonkabel ausprobiert und den Eindruck gewonnen, dass dort die Unterschiede größer sind. Dieser Vergleich gilt allerdings nur für die beiden beschriebenen Wandler.

Fazit

Mit dem ADI-8 QS hat RME wieder einmal gezeigt, wie man ein schon existierendes Produkt neu erfinden kann. In Sachen praxisbezogener Ausstattung legt der Wandler die Hürde ein gutes Stück höher. Er ist gemacht für Toningenieure, die maximale Flexibilität bei einfachster Bedienung brauchen. Über die Klangqualität müssen sie sich keine Sorgen machen, allenfalls davon schwärmen.

Erschienen in Ausgabe 09/2007

Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 2606 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut