Zurück in die Zukunft
Der neue M1 Tubetracker der britischen Röhren-Spezialisten von TL Audio soll den klassischen Röhren-Klang aus alten Anaolog-Zeiten in die digitale Zukunft retten.
Von Harald Wittig
Die M-Serie von TL Audio hat mit dem neuen M1 Zuwachs bekommen. Bis vor kurzem gab es nur das große und mit rund 8.000 Euro (zu nicht eben günstige M4 (siehe Test in Ausgabe 5/2006), das sich auch eingefleischte TL-Audio-Fans nicht so ohne weiteres leisten kön-nen. Da neue Pult ist gewissermaßen der kleine Bruder des Topmodells der M-Serie und für alle interessant, die auf einige Ausstattungsdetails verzichten können, aber dennoch in den Genuss des TL-Audio-Sounds kommen möchten.
Grundsätzlich ist auch das neue Pult als Frontend für Mehrspur-Aufnamen gedacht, weswegen wie schon beim M4 auf Busse oder viefältige Routing-Möglichkeiten verzichtet wurde. Außerdem wurde das M1 bewusst für die Einbindung in kleine Heim- und Projekt-Studios konzipiert und soll Platz sparende Abmessungen mit hoher Anpassungsfähigkeit an die moderne, digitale Studioumgebung verbinden. Zur optimalen Anpassung an eine DAW kann daher auch das M1 mit den optionalen Digital-Interfaces, DO-8 und DO-2, nachgerüstet werden.
Auch wenn das M1 das bisher günstigste Pult von TL-Audio ist, muss auch für den jüngsten Spross die Brieftasche immer noch gut gefüllt sein: So schlägt das M1 in der von uns getesteten acht-kanaligen Ausführung mit etwa 3.700 Euro zu Buche, während für das ansons-ten gleich aufgebaute Modell mit zwölf Kanälen noch mal 1.200 Euro drauf zu legen sind. Wer sich die DO-8 und DO- 2 Interfaces leisten möchte, muss noch einmal zusätzliche 949 (DO-8) beziehungsweise 699 (DO-2) einkalkulieren. Als kostengünstig ist der M1 Tubetracker damit guten Gewissens sicher nicht zu bezeichnen. Ob er allerdings preiswert ist, zeigt dieser Test.
Bei allen Geräten von TL-Audio gehen Halbleiter- und Röhrenschaltung eine Zweckgemeinschaft ein. Das heißt: Aus Prinzip vertrauen die Briten auf ein hybrides Schaltungskonzept, um damit klanglich das Beste beider Welten zu vereinen. In jedem der acht Kanalzüge durchläuft das Eingangssignal zunächst eine Transistor-Stufe, danach beteiligt sich eine Doppeltrioden-Röhre im Kanalzug am Klanggeschehen. Das gilt auch für die Master-Sektion, wo die gleiche Kombination aus Transistor- und Röhrenstufe, für den rechten und linken Kanal der Stereo-Summe für den besonderen Ton sorgen soll. Die Tl Audio-Ingenieure versprechen sich von diesem Schaltungskonzept einen wesentlich saubereren, klareren Grundklang als bei einer Vollröhrenbauweise. Die patentierte Transistor-Schaltung erlaubt den Verzicht auf Transformatoren im Signalweg, um Übertragungsverluste so gering wie möglich zu halten. Die Röhrenstufen wiederum werden mit der recht hohen Betriebsspannung von 250 Volt betreiben, was im Verbund mit der Transistor-Spezial-Schaltung einen erheb-lichen Zugewinn an Rauscharmut bringen soll. Schließlich werden nur selektierte ECC83/12AX7-Röhren des russischen Herstellers Sovtek eingebaut. Sovtek-Röhren genießen bei Kennern einen guten Ruf, da sich Rauschen, Brummen und Mikrofonie auch bei hoher Verstärkung im Rahmen halten und den Ruf besitzen, eher weich und warm zu klingen.
Bei der Verarbeitung verdient sich das M1- wie schon das M4 – nur Bestnoten. Es gehört zur Gattung von Geräten, die den Ästheten zum Anfassen verführen. Die marineblaue Grund-Lackierung des mit massiver Eiche eingefassten Metall-Gehäuses erinnert an hochwertiges, handgearbeitetes Spielzeugminiaturen aus Stahlblech und weckt auch beim nüchternsten Homo Faber den Spieltrieb. An den sahnig-weich laufenden Fadern und Dreh-Reglern musste das Team von Professional audio Magazin bei Ankunft dieses Schmuckstückes in den Redak-tionsräumen tatsächlich regelrecht herumspielen. Hier bekommt der Anwender wirklich sehr viel fürs Geld.
Wer mit einem kleinen, schnuckeligen Kompaktpult rechnet, wird sich wundern: Auch wenn das M1 nur unwesentlich breiter als eine PC-Tastatur ist, finden auf der Oberfläche bequem zwei Vinyl-LP-Cover Platz, denn in der Länge misst es über einen halben Meter. Ein entsprechend großzügig dimensionierter Tisch sollte also schon vorhanden sein. Solide muss dieser auch sein: Mit einem Kampfgewicht von Gewicht von fast einem halben Zentner (23, 7 Kilogramm um genau zu sein) benötigt das M1 einen stabilen, standfesten Untergrund.
Bei der Gestaltung gedachte der Hersteller dennoch der Homerecorder. Im Unterschied zum großen M4 finden sich alle Bedienelemen-te auf der eleganten Oberfläche: So sind hier nicht nur sämtliche Regler und Schalter, son-dern auch die Ein-und Ausgänge angebracht. Lediglich das dicke Anschlusskabel, worüber das externe Netzteil das Pult mit Strom ver-sorgt, wird an der Rückseite herausgeführt. Damit lässt sich die Verkabelung mit Mikrofo-nen, externen Effektgeräten und dem Interface des Studiorechners bequemer herstellen als noch beim M4, wo nicht nur sämtliche Ein-und Ausgänge sondern unverständlicherweise auch der Schalter für die 48 Volt Phantom-spannung der Mikrofon-Eingänge auf der Pultrückseite angebracht sind.
Die Ausstattung der Kanalzüge ist gegenüber dem M4 etwas karger, aber insgesamt praxis-gerecht ausgefallen. Die Pre-amp-Abteilung ist für Mikrofon- und Linesignale ausgelegt, zum Anschluss hochohmiger Instrumente ist eine D.I.Box zur Spannungsanpassung vonnöten. Ein grauer, sanft einrastender, mit „LN“ beschrifteter Drucktaster dient der Umschaltung zwischen Mikrofon- und Line-Signalen. Wenige Zentimeter darüber ist der rote Schalter für die Phantomspannung, darunter sind drei weitere grauen Schalter angebracht: Einer ist zuständig für die Phasenumkehr, es gibt einen für ein 30 dB-Pad, um eine Übersteuerung des Vorverstärkers bei Verwendung besonders empfindlicher Kondensator-Mikrofone zu vermeiden, sowie einen Dritten mit dem das Trittschall/Hochpassfilter (12 Dezibel pro Okta-ve bei 90 Hertz) aktiviert wird. Der rote Gainregler dient nicht nur zum Aussteuern des Eingangsignals und entscheidet damit maß-geblich über den Klirr und damit den Klang des Pultes. Er ist auch zuständig für die Regelung des Ausgangspegels: Jedem der acht Kanäle ist ein Direct-Out mit symmetrischer Klinkenbuchse zugeordnet, so dass auf Wunsch die Signale ohne internen Mix-Down direkt auf einen externen Mehrspur-Recorder oder den Hostsequenzer zwecks Zwischen-Mix oder weiterer Bearbeitung aufgenommen werden können. Dabei wird das Kanalsignal immer hinter dem EQ und dem Insert, allerdings vor dem „Mute“-Schalter und dem Kanalfader ausgespielt. Hieraus erklärt sich die Doppelfunktion des Gain-Reglers. Einige potentielle Anwender könnte es stören, dass die Direct-Outs nicht pre oder post EQ schaltbar sind, das Signal durchläuft in jedem Fall EQ und Insert. Auch wenn sich der EQ aus dem Signalweg nehmen lässt, ist nicht auszuschließen, dass das Pre-Amp-Signal hierdurch beeinflusst wird. Damit muss nicht unbedingt ein hörbarer klanglicher Nachteil verbunden sein, dennoch schätzen es nicht wenige Produzenten, wenn sie das reine Pre-Amp Signal direkt hinter der Verstärker-Abteilung abgreifen und aufnehmen können, um es nachträglich mit ihren Lieblingseffekten zu bearbeiten. Das M4 als die professionellere und teurere M-Variante bietet dementsprechend beide Optionen.
Der Equalizer selbst wurde beim M1 gegenüber dem M4 abgespeckt, ein parametri-sches Mittenfilter wurde ausgespart, so dass der neue Tubetracker anstelle von vier nur drei Bänder bietet. Damit handelt es sich aber keineswegs um einen Spar-Equalizer: Neben zwei Kuhschwanzfiltern, zuständig für Bässe und Höhen bei 80 Hertz beziehungsweise zwölf Kilohertz ist das Mittenband in einem Be-reich von 150 Hertz und sieben Kliohertz bei einem festen Q-Faktor von 0,7 durchstimmbar. Die Pegel lassen sich jeweils um 15 dB absenken oder anheben. Damit lässt sich gut arbeiten – zumal auch alte Analog-Schätzchen wie der EAR 822Q nicht mehr zu bieten hatten. Wem das nicht reicht: Es gibt immer noch Plug-ins oder vielseitigere Outboard-Geräte. Der Equalizer kann natürlich auf Bypass ge-schaltet werden, sollte aber über den „On“-Schalter besser deaktiviert werden, wenn das Pre-Amp-Signal über die Direct-Outs möglichst unverfälscht ausgespielt werden soll.
Wer dagegen beim Aufnehmen mit dem M1 schon Effekte benötigt wie beispielsweise den fast obligatorischen Kompressor für Ge-sangsaufnahmen, kann über die Insert-Points externe Effektgeräte einschleifen. Die Inserts liegen im Signalweg fest hinter den Vorverstär-kern und vor dem Equalizer und den Kanal-Fadern, hier gibt es ebenfalls keine Umschalt-möglichkeit. Auch die Aux-Ausstattung wurde auf das Nötigste beschränkt: Es gibt zwei Auxwege im Kanalzug, wobei Aux 2 fest hinter dem Fader liegt, während Aux 1 vor den Fader geschaltet werden kann, so dass das Signal an einen Kopfhörerverstärker gesendet werden kann, was gerade bei Live-Aufnahmen von Ensembles vorteilhaft ist.
Selbstverständlich gibt es für jeden Kanal einen PFL (Pre-Fade Listen) Druckschalter, der beim Einpegeln eines Signals sehr hilfreich ist. Hierbei sollte übrigens mit dem Kopfhörer gearbeitet werden, denn die LED-Anzeigen „Drive“ und „Peak“ sind nicht unbedingt zuver-lässig. Zwar informiert die Drive-LED den Benutzer über den Verzerrungsgrad der Vorstufenröhre und unsere Messungen bestätigen, dass die harmonischen K²-Klirranteile dominieren. Allerdings schießen je nach Leuchtintensität auch die unharmonischen, ungeraden Klirranteile in die Höhe – noch bevor die „Peak“-LED überhaupt anspringt. Der Klang wird dadurch nicht wirklich kratzig und unangenehm, andererseits wird das Signal bereits hörbar komprimiert und färbt den Primärton von Mikrofonen und Stimmen beziehungsweise Instrumenten deutlich. Wer daher auf Nummer sicher gehen möchte, sollte nicht allein auf die Anzeige, sondern in erster Linie auf die eigenen Ohren vertrauen.
Dass der Hersteller beim M1 auf die Pegelumschalter des M4, mit denen sich der Ausgangspegelpegel der Direct-Outs wahlweise an das Pegelniveau von Amateur- oder Studio-Geräten (-10 dB beziehungsweise +4 dB) anpassen lässt verzichtet, ist zwar schade, aber fällt nicht wirklich ins Gewicht, da das M1 in der Regel mit dem Studio-Rechner über dessen Audio-Interface verbunden sein wird. Da ist es umso erfreulicher, dass die Kanalfader über zwei unauffällige Stellschräubchen kalibrierbar sind. Beim Test stellen wir fest, das die Fader ab Werk bei „0“-Stellung auf einen Wert von + 4 dBu eingestellt sind. Mit dem Audio-Precision Messcomputer können wir einen Feinabgleich für jeden Kanal vornehmen, was beim Mischen sehr hilfreich ist. Alternativ ginge das auch mit einem Tongenerator – in jedem Fall wird damit der interne Down-Mix erheblich erleichtert, da so Kanalgleichheit gewährleistet ist.
Auch die beiden schönen, beleuchteten VU-Meter der Mastersektion sind kalibrierbar. Ab Werk sind diese ebenfalls auf +4 dBu bei Zeigerstellung „0“ eingestellt – unsere Messungen bestätigen das. Der Pegel für die beiden XLR-Ausgänge der Stereosumme wird erfreulicherweise nicht wie beim M4 über zwei separate Fader, sondern nur über einen gemeinsamen geregelt.
Die sonstige Ausstattung der Master-Abteilung wird im Wesentlichen den Anforderungen und Bedürfnissen von Heim- und Projektstudio-Betreibern gerecht: So ist ein Monitor-Ausgang inklusive großem Lautstärkeregler zum Anschluss der Abhör-Lautsprecher vorhanden, es gibt Master-Sends für die beiden Aux-Wege, einen Stereo-Return für Effekt-Rückführungen, einen regelbaren Kopfhörerausgang und nicht zu vergessen die so genannten 2-Track-Returns. Dabei handelt es sich um ein praktisches Ausstattungsdetail: Wenn mit dem M1 der Down-Mix auf einen externen Zwei-Spur-Master-Recorder aufgenommen werden soll, ist es nicht schlecht, anstelle des Stereo-Signals des Mischpultes, den Ausgang der Master-Maschine abhören zu können und gegebenenfalls den Pegel nachzuregulieren. Gerade zu leise oder zu laute Pegel können beim fertigen Master nerven. Die 2-Track-Return-Funktion spielt vor allem dann ihre Vorteile aus, wenn ein digitaler Recorder und gleichzeitig das optionale DO-2-Interface verwendet werden. Damit kann über einen koaxiale S/PDIF-Anschluß das Summensignal des M1 mit 24 Bit bis maximal 96 Kilohertz über einen koaxialen S/PDIF-Anschluß ausgegeben werden. Da in diesem Fall am Master-Recorder nicht nachgeregelt werden kann, erlaubt die 2-Track-Return-Funktion das kontrollierte Nachregeln über den M1.
Wer kein acht-kanaliges Audio-Interface oder einen externen Wandler hat, kann das M1 auch mit der DO-8-Karte nachrüsten: Damit wird das Pult um acht ADAT-Ein- und Ausgän-ge erweitert, die Wandlung geschieht bei 24 Bit und wahlweise 48 oder 96 Kilohertz, zusätzlich bietet die Karte auch eine Word-Clock-Anbindung. Zu berücksichtigen ist aber, dass sich bei einer Samplingrate von 96 Kilohertz wegen des notwendigen Sample Multiplexing halbiert – ein Nachteil des ADAT-Formats.
Im Messlabor offenbart sich, dass wir es mit einem Pult von TL Audio zu tun haben. Das heißt: Mit einem Gesamtklirrfaktor von 0,5 Pro-zent im sicheren Aussteuerungsbereich (Drive-LED bleibt dunkel) liegt es weit über neutralen Mikrofon-Vorverstärkern wie dem Lake People Mic-Amp F355 mit lediglich 0,005 Prozent. Abber Neutralität im Sinne von Klanglosigkeit ist das Letzte, was von Geräten aus dem Hause TL Audio erwartet wird. Diese sollen, dürfen und müssen klingen. Allerdings ist auffällig, dass das M1 im direkten Vergleich mit dem M4 bei den Verzerrungen noch eine Spur herzhafter ist. Ohne bewusste Übersteuerungen der Vorstufen-Röhre brachte es das größere Pult lediglich auf 0,2 Prozent. Leuchtet die Drive-LED hell, steigt der Klirr beim M1 sogar schnell auf satte 2,8 Prozent. Und hier wird es dann doch kritisch, denn ausweislich unserer Messungen, erreichen hier auch die K³-Anteile eine Intensität, die an die K² -Anteile heranreicht und letztlich auch hörbar sind (siehe Messdiagramm, Seite 25). Dagegen ist der Frequenzgang, bezogen auf +4 dBu des kleinen M1 verblüffend gut und steht dem des M4 nicht nur in nichts nach, sondern übertrifft diesen sogar: Die Kurve verläuft von zehn Hertz bis 20 Kilohertz schnurgerade und zeigt damit eine hohe Bandbreite. Auch bei der Gleichtaktunterdrückung beweist das M1, dass seine Konstrukteure ihr Handwerk verstehen, denn die beiden Kurven liegen sehr nahe beieinander und bleiben konstant unter -68 Dezibel. Bei den Werten für Geräusch- und Fremdspannung muss berücksichtigt werden, dass es sich um ein Röhren-Gerät handelt. Daher ist ein Wert von 81,6 dBu im Vergleich zu den 90 dBu eines DACS Clarity MicAmps (Test in dieser Ausgabe, Seite 64) auf den ersten Blick nicht großartig, unter Berücksichtigung des Schaltungsprinzips handelt es sich aber um einen sehr guten Wert. Auch hier ist das M1 geringfügig besser als das M4 (80,4 dBu), das gleiche gilt für die Fremdspannung (78,8 gegenüber 77,8 dBu). Insoweit erweist sich das neue Pult als vollwertiges Mitglied der M-Serie und belegt, dass die Entwickler zwar an Ausstattung, jedoch nicht am konstruktiven Aufwand gespart haben. Die deutliche Ähnlichkeit beider Pulte, legt die Vermutung nahe, dass TL Audio sowohl beim M1 als auch beim M4 ein besonderes Sounddesign umsetzen wollten. Im direkten Vergleich mit dem den Werten des Mikrofonvorverstärker PA-1 (Test in Ausgabe 6/2005) der Teil der Classic Series ist, fällt nämlich auf, dass dieser mit Messwerten aufwarten kann, die einige Transistorgeräte in Verlegenheit bringen: Der PA-1 hat beispielsweise einen Gesamtklirrfaktor von nur 0,02 Prozent, die Werte für Fremd- und Geräuschspannung liegen mit 82,7 und 81,2 sehr nahe an hochwertigen Halbleiter-Geräten. Daraus folgt: Die TL Audio Ingenieure können auch ganz anders, was sehr für die Verwirklichung eines besondere Klangdesign in den Pulten der M-Serie spricht.
Im Praxistest behandeln wir das M1 zunächst wie jedes andere Pult oder jeden Mikrofon-Vorverstärker, indem wir ein kurzes Musikstück aufnehmen. Mit einer Ricardo Sanchis Carpio 1 AF Flamencogitarre spielen wir eine Ballade ein, die sich stilistisch an den Kompositionen des Flamenco-Poeten Vicente Amigo orientiert, also in der Machart eher lyrisch und geprägt von Nonen-und Major Seventh-Akkorden ist. Um möglichst genau den Eigenklang des Instrumentes einzufangen, wählen wir als Mikrofone ein Pärchen Earthworks QTC40 (Test in dieser Ausgabe, Seite 26). Die Master-Ausgänge des M1 werden mit dem Lynx Auro-ra 8-Wandler verbunden, dieser leitet sie über ADAT an die RME Hammerfall-Karte im Studio-Rechner auf. Die Stereo-Spuren werden schließlich in Cubase SX3 aufgezeich-net. Wir machen insgesamt drei Takes mit dem M1, wobei wir beim ersten Take darauf achten, das die Drive-LED nicht glimmt, beim zweiten Take leuchtet sie durchgehend, aber schwach, während die LED bei der dritten Aufnahme kräftig strahlt. Schließlich nehmen wir das gleiche Stück alternativ mit demselben Set-Up auf, aber diesmal übernimmt der BG No.1 (siehe Test, Seite 106) die Vorverstärkung.
Beim ersten, oberflächlichen Vergleichs-Hören fällt es uns spontan schwer, den ersten M1-Take von der Aufnahme mit dem BG No.1 zu unterscheiden. Beide Aufnahmen zeichnen sich durch eine eigentümliche Direktheit und Größe im Klang aus. Bei tieferem Hineinhören, fällt allerdings auf, dass der BG No. 1 sehr viel feiner und detaillierter arbeitet: Vor allem der knackige, obertonreiche Klang der Basssaiten wird sehr plastisch und konturiert wiedergegeben. Das M1 dagegen klingt gerade hier weicher und schraffiert die Obertonstruktur lediglich. Dieser Weichzeichner-Effekt schmeichelt allerdings den Ohren und erinnert ein wenig an alte Gitarren-Aufnahmen aus den Sechziger Jahren. Deutliche Unterschiede hören wir bei den beiden alternativen Aufnahmen: Beim zweiten Take machen sich die Röhren deutlich bemerkbar, die Gitarre klingt noch weicher, in gewisser Weise goldener, der Gesamtklang wirkt gleichzeitig auch komprimierter, und mit-tiger. Ein wenig fehlt hier auch die Tiefe, alles wird vordergründiger, ein Eindruck, der sich beim dritten Take noch verstärkt.
Wir möchten nun herausfinden, wie das M1 mit Gesangstimmen umgeht. Dafür verwenden wir eine der Gesangs-Spuren, die von der Sänge-rin Natalie Malladi-Rao mit dem Neumann TLM 49 für den Großmembran-Mikrofontest in Ausgabe 11/2006 eingesungen wurde. Der Soulstimme der Sängerin steht der Klang des M1 sehr gut, vor allem, wenn die Glaskolben richtig glühen. Der dezente Crunch, den das M1 auf die Stimmbänder legt, gibt der Aufnahme eine Klangfarbe, die nach klassischen Rhythm ´n´ Blues und Soul-Produktionen der sechziger und siebziger Jahre klingt und einfach angenehm ins Ohr geht. Ein Klang mit Seele – oder, wenn ´s bes-ser gefällt: Mit Soul-Feeling.
Fazit
Das neue M1 von TL Audio punktet mit seiner tollen Verarbeitung, einer zwar kargen, aber praxisgerechten Ausstattung und dem klaren Bekenntnis zu einem eigenen Klang mit Seele, der eben gerade nicht klinisch-rein und steril sein soll. Vor allem Rhythm ´n´Blues und Soul-Produktionen kann das M1 das gewisse Etwas verleihen und legendäre Sounds zurück in die digitale Zukunft holen. Das M1 ist kein All-round-Pult, sondern ein Liebhaber-Stück mit Charakter. Als solches ist es seinen hohen Preis wert.
Erschienen in Ausgabe 12/2006
Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 3649 €
Bewertung: gut – sehr gut
Preis/Leistung: befriedigend – gut
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