Etwas Altes und Neues…

…präsentiert der amerikanische Pro-Audio-Hersteller AnaMod in Form der beiden neuen API-500-Module Realios A9031 und TLCompressor. Was dabei eine Glühlampe und das Olympic Studio für eine Rolle spielt, erfahren Sie im Test. 

Von Georg Berger 

Die amerikanische Pro-Audio-Manufaktur AnaMod produziert erst seit 2006 hochfeine Studio-Geräte ausschließlich in Analog-Technik und konnte sich recht bald einen einschlägigen Ruf erarbeiten. Dabei lassen es sich die Entwickler nicht nehmen, legendäre Gerätschaften wie etwa den Fairchild 670 Kompressor in Form des Modells AM670 nachzubauen und auch eigene Entwicklungen wie den Tape Simulator ATS-1 auf den Markt zu bringen. Im Produkt-Portfolio des Herstellers findet sich auch eine Serie von API-500-Modulen unter der Bezeichnung Realios, die ebenfalls sowohl auf historischen als auch proprietären Pfaden wandelt. Wir haben uns zwei überaus interessante Module, den A9031 Mikrofon-Vorverstärker sowie den TLCompressor, ausgesucht und hinsichtlich Klang und Einsatzmöglichkeiten unter die Lupe genommen. Das Preamp-Modul ist dabei der exakte Nachbau der Vorverstärker, die seinerzeit in den Pulten des legendären Olympic-Studios verbaut waren. Künstler wie Jimi Hendrix oder die Rolling Stones nahmen darüber ihre Platten auf.

Das Kompressor-Modul ist hingegen eine komplette Eigenschöpfung, die als Besonderheit eine Glühlampe als zentrales Pegel-Reduktions-Element verwendet, was laut Hersteller zu besonders verzerrungsarmen Ergebnissen führen soll. Beide Module sind zu einem Preis von je knapp 1.700 Euro erhältlich. Damit positionieren sie sich in dieser Disziplin schon einmal in die Spitzenklasse. Ob dies auch auf den Klang, die Ausstattung und Verarbeitung zutrifft, muss der Test erst noch zeigen. Den Anfang macht der A9031-Preamp. Wir schreiben die 1960er Jahre. Tonstudios auf der ganzen Welt produzieren fleißig Musik mit Hilfe von Mischpulten, Bandmaschinen und Studio-Outboard. Zu der Zeit besaß die Berufsbezeichnung Toningenieur noch eine andere Bedeutung als heutzutage. Mit Betonung auf dem Wort Ingenieur oblag es dieser Berufsgruppe, den Gerätepark in eigenen angegliederten Werkstätten nicht nur zu warten und zu reparieren, sondern auch in Ermangelung eines entsprechenden Produktangebots sogar selbst zu entwickeln. Einer dieser Ingenieure war Richard „Dick“ Swettenham, seinerzeit technischer Direktor im Londoner Olympic Studio. Zu seinen Verdiensten zählt die Konstruktion der dort installierten Misch-Konsolen. Mehr noch schuf er damals das erste rein in Transistor-Technik konstruierte Mischpult, auf dem eine Vielzahl an Alben der Rock-Geschichte produziert wurde. Mit dem A9031-Preamp lässt AnaMod jetzt ein Stück Olympic-Tonstudio-Historie wieder aufleben. Das Modul enthält die originale, auf Transistoren basierende Vorverstärker-Schaltung von Swettenham, die damals in den Olympic-Konsolen zum Einsatz kam und später auch in den legendären Helios-Pulten zum Einsatz kamen. Von AnaMod-Mitinhaber Dave Amel erfahren wir, dass diese Schaltung niemals dazu gedacht war, in einem Outboard-Gerät seinen Dienst zu verrichten, weshalb einige zusätzliche Modifikationen vorgenommen werden mussten, damit dies im A9031 funktioniert. So fügten die AnaMod-Entwickler dem Modul einen Ausgangs-Übertrager hinzu und ein Widerstand musste geändert werden, um die Stromversorgung des originalen Drei-Transistor-Designs an die Stromversorgung des API-500-Standards anzupassen. Last but not Least wurde der seinerzeit in den Helios-Konsolen verwendete Eingangs-Übertrager von Beyer gegen ein Modell von Cinemag ausgetauscht, was laut Amel auch bei Restaurierungen originaler Helios-Konsolen durch AnaMod durchgeführt wurde. Amel betont darüber hinaus, dass es sich bei der Swettenham-Schaltung um ein sehr rudimentäres Design handelt, das sich aber gerade deswegen durch besondere Musikalität auszeichne. Im Hörtest muss das Modul diesen Beweis erst noch erbringen. Doch zunächst schauen wir auf die Ausstattung und die im Professional audio Messlabor erzielten Ergebnisse. Die Frontplatte des A9031 nimmt eine Breite von einer Modul-Einheit ein. Das Gain lässt sich mit Hilfe eines Drehschalters in Fünf-Dezibel-Schritten von 20 bis hinauf satten 70 Dezibel einstellen. Im Test zeigt sich diese Skalierung allerdings recht grob. Wir sind daher gezwungen, einen etwas zu hohen Pegel zu wählen, den wir anschließend im Eingang der DAW entsprechend herunterregeln. Das ist schließlich der zu zahlende Preis, der bei Verwendung historischer Geräte, ganz gleich ob original oder als Klon, anfällt. Vier Kippschalter erlauben das Einstellen von Standard-Preamp-Funktionen wie der Phantomspannung, einer Phasenumkehr-Funktion sowie eines 20-Dezibel-Pads, um die Eingangsverstärkung auf Null Dezibel abzusenken. Der vierte Kippschalter erlaubt das Umschalten zwischen dem Modulrahmen-XLR-Eingang und der frontseitig eingelassenen Klinken-Buchse zum Anschluss elektrischer Instrumente. Im Messlabor von Professional audio hinterlässt das Modul einen exzellenten Eindruck. Zwar ermitteln wir lediglich eine maximale Verstärkung von knapp 64 Dezibel, was aber immer noch ausreicht um souverän leise dynamische oder Bändchen-Mikrofone adäquat zu verstärken. Fremd- und Geräuschspannung sind mit gemessenen 83,4 und 89,9 Dezibel am Mikrofon-Eingang exzellent.

Die gleiche Messung am Instrumenten-Eingang ist lediglich um knapp zwei Dezibel schlechter. Allerdings zeigt das FFT-Spektrum am Mikrofon-Anschluss zwei Ausreißer bei 100 und 200 Hertz, die bis hinauf -65 und -80 Dezibel reichen, jedoch klanglich nicht ins Gewicht fallen dürften. Gleiches gilt auch für den Ausschlag bei k2, der aus dem hervorragenden Noisefloor unterhalb -100 Dezibel bis gerade einmal -88 Dezibel reicht. Die gleiche Messung am Instrumenten-Eingang zeigt ein ähnliches Ergebnis. Einziger Unterschied: Der Noisefloor steigt auf -70 Dezibel, um ab ein Kilohertz auf durchschnittlich -80 Dezibel zu fallen, was aber in Ordnung geht. Die Messung der Gleichtaktunterdrückung zeigt ein exzellentes Ergebnis. Der Kurvenverlauf beginnt im Bass bei hervorragenden -80 Dezibel, der ab 1,5 Kilohertz schließlich auf immer noch sehr gute -62 Dezibel ansteigt. In Sachen Klirrdämpfung liefert das Modul ein etwas uneinheitliches Ergebnis. Im relevanten Bereich verläuft die Messkurve bei durchschnittlich 0,007 Prozent, ein Wert ohne Fehl und Tadel. Zum Bass steigt die Kurve jedoch bis auf immer noch sehr gute 0,06 Prozent. Zu den Höhen steigt sich bis auf lediglich 0,04 Prozent. Die gleiche Messung am Instrumenten-Eingang zeigt wiederum ein ähnliches Ergebnis, wenngleich die Anstiege zum Bass und zu den Höhen nicht ganz so stark ausfallen. Im Hörtest tritt das A9031-Modul – wie sollte es anders sein? – gegen unsere Referenz, den Lake People Mic-Amp F355 an. Das Ergebnis fällt gleichsam leicht wie auch beeindruckend aus. Der A9031-Preamp kann es in Sachen Auflösung, Luftigkeit und Impulstreue locker mit dem Lake People aufnehmen. Beide Vorverstärker liegen in diesen Disziplinen gleichauf und schenken sich rein gar nichts. Einzig in Sachen Plastizität hat der Lake People die Nase eine Spur weiter vorne. Dafür besitzt der A9031 eine ganz leichte Dominanz im unteren Mittenbereich, die den Aufnahmen etwas mehr Fülle verleiht. Alles in allem positioniert sich der A9031 somit souverän in die Spitzenklasse. Der TLCompressor ist, anders als das A9031-Modul, eine komplette Eigenentwicklung von AnaMod. Wie eingangs erwähnt, nutzt das Modul als Gain Reduction-Element weder ein optisches Element, noch eine Röhre oder sonstige Schaltungen wie etwa die FET- oder VCA-Variante. Stattdessen kommt eine Glühlampe zum Einsatz, was anfangs eher wie ein Scherz wirkt und anmutet wie der Himbeersaft-Antrieb von Robbies Fliewatüüt, aber tatsächlich funktioniert. Unseres Wissens nach ist dieses Prinzip der Dynamik-Reduktion zurzeit einzigartig und bei keinem anderen Hersteller anzutreffen. Grund genug also, sich dieses Modul näher anzuschauen. Auf Nachfrage erläutert uns Dave Amel anschaulich, wie die Dynamik-Reduktion unter Zuhilfenahme einer Glühlampe funktioniert. Dabei wird die Spannung des Audiosignals durch den Wolfram-Draht der Glühbirne geleitet. Je nach Spannungsstärke heizt sich der Draht schließlich auf, wobei gilt: Je heißer der Draht wird, desto stärker fällt die Kompression aus. Der Grund: Beim Aufheizen entsteht im Draht ein Widerstand, der sich analog zur Temperatur erhöht. Dave Amel betont dabei ausdrücklich, dass diese Art der Dynamik-Reduktion, anders als bei anderen Schaltungen, ohne Verzerrungen geschieht und verspricht, dass der TLCompressor sich durch eine transparent klingende RMS-Kompression auszeichnen soll. Die Ausstattung des ebenfalls eine Modulbreite einnehmenden Prozessors zeigt sich spartanisch. Lediglich zwei Drehschalter für In- und Output, ein Bypass-Schalter sowie die Kompressions-Glühlampe, die gleichzeitig als Indikator für den Threshold dient, zieren die Frontplatte. Einstellungen sind in 2,5-Dezibel-Schritten möglich, die zwar feiner als im A9031-Modul ausfallen, uns aber dennoch zu grob sind. Wir hätten uns Potis oder zumindest eine ungleich feinere Rastung mit kleineren Dezibel-Abständen gewünscht. Die Bedienung und Funktionsweise erinnert, ebenso wie beim virtuellen TLA-100A (Test auf Seite 72), wiederum an den Regelverstärker-Klassiker Teletronix LA-2A: Über den Input-Parameter steuern wir gleichzeitig den Eingangspegel und die Kompressionsstärke, wobei Threshold und Ratio dynamisch an den Signalpegel angepasst werden. Der Output-Regler dient zum Einstellen der Aufholverstärkung. 

Attack und Release werden dabei ebenfalls dynamisch über die Temperatur des Glühbirnen-Fadens kontrolliert oder anders ausgedrückt, über die Hüllkurve des eingespeisten Signals. Im Messtest wartet der TLCompressor mit einem etwas ambivalenten Ergebnis auf. So reicht die Verlaufskurve beim Messen der Gleichtaktunterdrückung in den Bässen und Höhen bis hinauf -27 und -30 Dezibel. Im relevanten Bereich sinkt die Kurve auf lediglich -45 Dezibel. Lange Kabelstrecken führen also nur allzu leicht zu Unsymmetrien, was aber im Studio-Betrieb durchaus in den Griff zu bekommen ist. Fremd- und Geräuschsspannung warten hingegen mit fantastischen Werten von 94,1 und 96,4 Dezibel auf. Das FFT-Spektrum zeigt analog dazu einen Noisefloor unterhalb -110 Dezibel. Die Peaks bei k2 und k3 reichen gerade einmal bis hinauf -88 Dezibel und fallen nicht ins Gewicht. Allerdings gilt diese Messung bei einem sehr niedrigen Input-Level. Beim Aufdrehen des Parameters zeigen sich schließlich rasch sehr starke Ausschläge in sämtlichen harmonischen Oberwellen, die allerdings bis lediglich -62 Dezibel steigen. Im Hörtest wird sich zeigen ob und wie sich das klanglich bemerkbar macht. Die ermittelte Kurve nach Messung des Klirrfaktors zeigt hingegen einen schlangenlinienartigen Verlauf, der den Schluss zulässt, dass der TL Compressor leichte Klang färbende Eigenschaften besitzt. Sie beginnt im Bass bei knapp 0,3 Prozent, fällt danach bis 300 Hertz auf etwa 0,08 Prozent, um danach kontinuierlich bis hinauf 10 Kilohertz wieder auf 0,3 Prozent zu steigen. Danach fällt die Kurve auf 0,2 Prozent. Die ermittelte Kompressionskennlinie zeigt schließlich ein erwartungsgemäß sehr sanftes Reduzieren der Lautstärke und weist das AnaMod-Modul als Kompressor mit Soft-Knee-Charakteristik aus. Im Hörtest zeigt sich der TLCompressor schließlich als unauffällig und zart zupackender Genosse. Mehr noch erfolgt die Verdichtung auf eine derart unauffällige Art, die sich eher anhört, als ob lediglich die Lautstärke angehoben wird. Ein Blick auf die Pegelanzeige in der DAW zeigt jedoch, dass der TLCompressor lediglich die Lautheit anhebt, den Pegel aber wie von Zauberhand homogenisiert, was auf sehr eindrucksvolle Weise geschieht. Signale treten merkbar in den Vordergrund und erhalten gleichzeitig einen Glanz, der sie aus dem Arrangement hervortreten lässt. Solch ein feines und tatsächlich transparentes Regelverhalten, bei dem die Binnendynamik unangetastet, aber dennoch im Gesamtpegel gezügelt wird, haben wir selten gehört. Schlagzeug-Aufnahmen stechen mit Hilfe des TLCompressors wie von Geisterhand deutlich stärker aus dem Arrangement heraus, E-Bass-Linien klingen durchsetzungsfähiger und erhalten auf eigentümliche Weise ein wenig mehr Schub. Geradezu prädestiniert ist der TLCompressor jedoch beim Komprimieren von Gesang, bei dem der Prozessor sein Potenzial am eindrucksvollsten demonstriert. Gesangslinien, vor allem von weiblichen Stimmen, werden wie von Zauberhand auf überaus angenehme und behutsame Weise verdichtet und subtil, aber nachhaltig in den Vordergrund gerückt. Details im vokalen Vortrag werden nicht kaschiert, ganz im Gegenteil. Auffällig: Das Anheben des Input-Parameters führt, anders als erwartet, zu einem Erhöhen der Lautstärke, was wir durch Absenken des Output-Parameters kompensieren. Am Ende erhalten wir dennoch die oben beschriebenen Ergebnisse, die ohne Wenn und Aber Highend-Qualitäten besitzen. Dennoch ist auch der TLCompressor nicht ganz frei von Klangfärbungen. Unabhängig von der Einstellung des Input-Parameters ist ein Anheben des Bass- und Höhenbereichs hörbar, der jedoch stets gefühlvoll und musikalisch klingt. Im Test erhält eine Schlagzeug-Aufnahme dadurch etwas mehr Punch im Bass und die Becken strahlen im Höhenbereich etwas heller. Bei voll aufgerissenem Input-Regler stellen sich schließlich, vor allem bei Drums und E-Bässen, leichte Verzerrungen ein, die ursächlich auf die Trägheit der Glühlampe bei Eintreffen von Transienten zurückzuführen ist. Mit diesen Qualitäten eignet sich der TLCompressor zum sanften Veredeln von Aufnahmen, deren Charakter trotz Dynamik-Verdichtung so gut wie unverfälscht bleiben soll. Als Transientenfänger kann und will er aufgrund seiner Arbeitsweise nicht dienen. Wer aber immer noch auf der Suche nach dem Kompressor mit dem unauffälligsten Regelverhalten ist, sollte sich in jedem Fall den TLCompressor einmal anhören.

Fazit

Mit dem Vorverstärker A9031 und dem RMS-Kompressor TLCompressor erweitert der amerikanische Hersteller AnaMod seine Realios-Produktlinie um zwei charakterstarke API-500-Module, die sich im Test souverän in die Spitzenklasse katapultiert haben. Kompromisslos in feinster Analogtechnik konstruiert, zeichnen sich beide Module durch exzellenten Sound und im Fall des TLCompressors sogar durch innovatives Design aus. Beide Module verstehen es, eingespeiste Signale auf besondere Art zu veredeln, das Beste aus ihnen herauszuholen und sie mit einem highendigen Glanz auszustatten.

Erschienen in Ausgabe 01/2012

Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 999 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut