Big Brother is watching you
Es ist wie verhext. Da ist schon der fünfte Mixdown angefertigt worden und immer noch klingt das Stück irgendwie nicht richtig, und das, obwohl die Lautstärkeverhältnisse der Spuren im Mix richtig sind. Zeit also, sich nicht mehr nur allein auf die Ohren zu verlassen.
Von Georg Berger
Die Lösung für ordentliche Mixdowns heißt Spectra Foo und kommt aus dem Hause Metric Halo, dem Hersteller der ULN-2 und Mobile I/O 2882 Audio-Interfaces aus Hopewell Junction, USA. An Bord der Software ist eine Vielzahl von Werkzeugen, die zur Analyse von Audio-Daten dienen. Zentraler Baustein ist eine Engine, die eingehende Signale mit Hilfe der Fast Fourier Transformation (FFT) analysiert, versorgt die enthaltenen Werkzeuge mit den notwendigen Daten. Vorteil: Die Anzeige sämtlicher Analyse-Instrumente wird komplett in Echtzeit dargestellt, da die Engine den Verlauf des Signalstroms permanent analysiert und synchron zum ablaufenden Musikstück bis zu 84-mal in der Sekunde aktualisiert. Die FFT-Engine erlaubt dabei feinste Analysen in Schritten von 0,33 Hertz. Damit erfüllt die Software professionelle Ansprüche. Schwammige oder dünne Mixdowns dürften mit Hilfe von Spectra Foo also bald der Vergangenheit angehören. Nicht nur, dass eher schon bekannte Analyse-Werkzeuge wie ein Peak-Meter, ein Korrelationsgrad-Messer oder die Darstellung des Audio-Stroms als Wellenform – in Spectra Foo Envelope genannt – enthalten sind. Darüber hinaus wartet die Software mit einer Reihe von eher unüblichen Werkzeugen auf, wie etwa dem Phase-Torch Instrument zur Kontrolle der Phasendifferenz zweier Kanäle, einer Spektrumsanzeige, oder diversen sogenannten History-Werkzeugen, die kombiniert RMS- und Peak-Level, sowie die Verteilung der Pegel im Stereo-Panorama anzeigen.
Die in Hopewell Junction im Staat New York entwickelte Software läuft nur stand alone auf dem Mac und liegt in zwei Versionen vor. Die Standard-Version ist für 400 Euro erhältlich und enthält sämtliche oben erwähnten Instrumente. Die 800 Euro teure Complete-Version enthält darüber hinaus noch eine Reihe weiterer Instrumente wie etwa einen Signalton-Generator, diverse Werkzeuge etwa zur Analyse des Datenstroms, sowie das so genannte Transfer-Funtktions-Instrument, mit dem sich sogar Hardware-Geräte auf Herz und Nieren prüfen lassen. Diese Version empfiehlt sich daher in erster Linie für Testzwecke, die über den reinen musikalischen Anwendungszweck hinausgehen.
Ein Blick auf die Reichhaltigkeit der enthaltenen Instrumente hinterlässt zu Anfang jedoch Verwirrung. Um den Überblick zu bewahren ist es daher praktisch, sich auf ein paar wenige Instrumente während der Arbeit mit Spectra Foo zu beschränken. Je nach Anforderung lassen sich die Instrumente frei miteinander kombinieren. Professional audio Magazin entwirrt das Rätsel und stellt die gebräuchlichsten und wichtigsten Instrumente, sowie den Umgang mit Spectra Foo vor.
Beim Start der Software ist außer einem schmalen, Master Control betitelten, Fenster, das zur Auswahl der Instrumente dient, zunächst nichts zu sehen. Doch bevor Spectra Foo Daten analysieren kann, ist es erforderlich Signal-Routings im entsprechenden Dialog vorzunehmen. Spectra Foo kann bis zu 24 separate Kanäle simultan analysieren. Ausgehend vom verwendeten Audio-Interface muss also zunächst der entsprechende Core Audio-Treiber ausgewählt und die Kanalzahl eingestellt werden. Sind die Routings erledigt, gibt es nun mehrere Wege Spectra Foo mit Audio-Daten zu versorgen. Erste Möglichkeit: Über den Capture-Dialog lassen sich bereits gespeicherte Audio-Daten in den Speicher laden und in Echtzeit während des Abspielens analysieren. Ein sich öffnendes Overview-Fenster zeigt ähnlich wie Thumbnails bei Bildern, unterschiedliche Darstellungen der vorab analyisierten Datei. Außer einer Wellenform-Darstellung stehen noch die Anzeige als Spektrum, sowie zwei Darstellungen, die die Verteilung der Signalpegel zeigen, zur Auswahl.
Um das Audio-Signal jetzt während des Abspielens analysieren zu können, muss man aus dem Master-Control Fenster nur die entsprechenden Instrumente anklicken, die daraufhin als Popup-Fenster auf dem Bildschirm erscheinen und ihre Ergebnisse anzeigen. Zweite Möglichkeit: Um beispielsweise die Stereosumme eines Arrangements aus Logic heraus in Echtzeit an Spectra Foo zu schicken ist ein Umweg erforderlich. Da Spectra Foo nur stand alone läuft ist der Einsatz einer dritten Software erforderlich, die virtuell das Signal-Routing auf Computer-Ebene zwischen den beiden Anwendungen vornimmt. Die Freeware Sound Flower von Cycling 74 eignet sich laut Auskunft des deutschen Metric Halo Vertriebs bestens für diesen Zweck. In Spectra Foo und Logic müssen nach Start von Sound Flower anstelle der Core Audio Kanäle nur die von Sound Flower generierten Kanäle ausgewählt werden und schon ist die Verbindung hergestellt. So lässt sich der Abmisch-Prozess in Logic mit Spectra Foo überwachen und analysieren. Diese Lösung ist zwar recht komfortabel zu bedienen. Sie ist aber dennoch umständlich. Wir würden uns alsbald eine AU Plug-in Version von Spectra Foo wünschen.
Sämtliche Instrumente, die über das Master Control Fenster abrufbar sind, lassen sich in der Größe beliebig skalieren. Spectra Foo verfügt zusätzlich über eine alternative Ansicht, die die angewählten Instrumente in einem virtuellen Rack zusammenfasst. Allerdings ist diese Darstellung nur für Übersichtszwecke geeignet, da sie sich die enthaltenen Instrumente nicht skalieren lassen. Für das professionelle Arbeiten empfiehlt sich daher die Popup-Lösung. Vorteil: Für unterschiedliche Analyse-Zwecke lassen sich beliebige Instrumente bequem miteinander kombinieren. Zusätzliches Komfort-Plus: Spectra Foo bietet die Möglichkeit über eine so genannte Group-Funktion, zusammengestellte Instrumenten-Kombinationen abzuspeichern und per Tastendruck anschließend blitzschnell abrufbar zu machen. Eine Snapshot-Funktion gestattet sogar, Screenshots von Instrumenten während einer Analyse anzufertigen. Sämtliche Instrumente verfügen über Tasten zur Aktivierung, zur Schaltung auf solo und zum Aufruf von Einstellungs-Dialogen, um die Instrumenten-Anzeige entsprechend anzupassen. Das Bedienkonzept von Spectra Foo ist durch diese Übersichtlichkeit binnen kurzer Zeit verinnerlicht. Die Möglichkeit zur Anpassung der Instrumente über die separaten Einstellungs-Dialoge fordert regelrecht zum Experimentieren heraus.
Im ersten Praxis-Test wählen wir zunächst bekannte Instrumente aus. Das Peak-/Level-Meter Instrument gestattet, mehrere Skalierungs-Standards zum Ablesen ankommender Signale einzusetzen. Skalen der European Broadcast Union (EBU), eine britische Skalierung, sowie die dBv-Skalierung wie sie in Skandinavien üblich ist – siehe Ulis Pegel Einmaleins, Ausgabe 10/2006 – sind beispielsweise einsetzbar und dürften sämtliche Anforderungen hinsichtlich Metering erfüllen. Die Aussteuerungsanzeige enthält dabei drei unterschiedlich farbige Dreiecke, die die zuletzt ermittelten Werte für Peak, RMS und VU festhalten. Der Einstellungs-Dialog für das Level-Meter hält unterschiedliche Regelmöglichkeiten zur Feinabstimmung bereit, die sich auf jede erdenkliche Form von Musik einstellen lässt. In der Normalansicht zeigt jeder Aussteuerungs-Balken die Pegel eines Kanals. Im Summen- und Differenz-Modus zeigt schließlich ein Balken die Gesamtsumme zweier Kanäle an, während der andere Kanal die Differenz der zusammengefassten Kanäle zeigt. Je höher die Differenz ausfällt, desto mehr sollten die Pegel der Kanäle, sofern gewünscht, einander angepasst werden. Die Summen-Anzeige gewährleistet dabei, dass man beim nachträglichen Aussteuern nicht in den roten Bereich gerät. Mit dem Level-Meter Instrument und seinen Möglichkeiten sind im Vergleich zu den Aussteuerungsanzeigen in Sequenzern Pegel eindeutig präziser erfassbar. Über eine Aufnahme-Funktion lässt sich Spectra Foo auch in Echtzeit für Aufnahmen nutzen.
Das weitaus interessantere Instrument nennt sich Phase-Torch. Wie bereits erwähnt zeigt es die Phasendifferenz von zwei Kanälen an und gibt Auskunft über die Korrelation eines Stereosignals. Spectra Foo enthält zwar daneben noch die aus dem Hardware-Bereich bekannten Korrelationsgrad-Messer wie das Lissajous-Instrument mit seinen eher kreisförmigen Linien um den Mittelpunkt herum, oder einer Anzeige in Form eines Level-Meters bei der eine pfeilartige Anzeige um einen Nullpunkt herum tanzt. Diese eher als Zugeständnisse an die Arbeitsgewohnheiten routinierter Tontechniker implementierten Instrumente erfordern dabei ein höheres Maß an Einarbeitungszeit. Die Anzeige von Phase Torch arbeitet feiner und erschließt sich sogar Laien direkt.
Während der Analyse mit Phase Torch entsteht ein unterschiedlich dichtes Feld an farbigen Punkten, die einerseits das Frequenzspektrum zeigen. Die Verteilung der Punkte im Kreis gibt andererseits Auskunft über die Phasengleichheit der Stereo-Kanäle. Solange wie sich die Punkte nicht zu sehr von der Vertikalen entfernen und in der oberen Hälfte des Kreises bleiben, ist alles in Ordnung. Erst wenn sich vermehrt Farbpunkte in der unteren Hälfte von Phase Torch zeigen, ist eine Korrektur erforderlich. Worst Case: Ein absolut phasen-ungleiches Verhältnis zeigt sich, wenn eine Spirale zu sehen ist. Der resultierende Klang erscheint dann dünn, ähnlich wie mit einem Kammfilter-Effekt belegt und die Monokompatibilität ist dann nicht mehr gegeben. Im Test schicken wir unterschiedliche Signale über das Phase Torch-Instrument. Bei Arrangements, die in unseren Ohren im ersten Eindruck gut klingen, entdecken wir mitunter die eine oder andere Phasenungleichheit, die uns ohne dieses Instrument nicht aufgefallen wäre. Dieses einzigartige Instrument ist alsbald schon ein ständiger Begleiter beim Einsatz von Spectra Foo.
Doch das Programm hat noch mehr zu bieten. Das Spectragraph-Instrument zeigt, ähnlich einem Hardware-Frequenzanalyse-Gerät die Frequenzanteile in einem Arrangement. Ein nützliches Instrument, das uns Auskunft über Frequenzlöcher oder -überlagerungen in Frequenzbereichen gibt. Mit dem Equalizer rücken wir bestehenden Auffälligkeiten zu Leibe und korrigieren sie. Außer einer messkurven-artigen kontinuierlichen Anzeige, kann die Darstellung auch in Form eines Balken-Diagramms erscheinen. Einteilungen von einer bis zu einer vierundzwanzigstel-Oktave sind möglich. Der Einstell-Dialog enthält Regelmöglichkeiten zur Bestimmung des Frequenzbereiches und der Auflösung der Pegel. Weiterhin kann die Anzeige zwischen dBu und dBv umgeschaltet werden.
Das Spektragramm-Instrument zeigt das analysierte Audio-Signal schließlich in Form eines farbigen Spektrums, das an die Darstellungen des Algorithmix Renovator, Test in Ausgabe 07/2006, oder die von Wavlab 6, Test in Ausgabe 09/2006 erinnert. Helle Flächen zeigen dabei Frequenzspektren mit hoher Energiedichte und dunkle Flächen mit niedriger beziehungsweise überhaupt keinem Pegel. Ähnlich wie im Spectragraph-Instrument zeigt das Spectragramm die Verteilung der Frequenzen im Arrangement. Nur die Form der Darstellung ist eine andere, da das Spectragramm zusätzlich den zeitlichen Verlauf dokumentiert, wohingegen der Spectragraph die Pegel der einzelnen Frequenzen während der Echtzeit-Analyse nur flüchtig darstellt. Das Spectragramm eignet sich ebenfalls bestens, um Frequenzlöcher und –überlagerungen zu erkennen. Darüber hinaus lassen sich auch rhythmische Ungenauigkeiten etwa von Schlagzeug und Bass entdecken. Allerdings ist, genau wie beim Renovator, eine entsprechend hohe Einarbeitungszeit erforderlich um die – ebenfalls justierbaren – farblichen Felder interpretieren zu können. Mit den hier beschriebenen Instrumenten ist es möglich so manche unhörbare Fehlstellung zu korrigieren und Mixdowns den wirklich letzten Schliff zu verpassen.
Fazit
Spectra Foo zeigt sich als wertvoller Helfer beim Abmischen und Mastern von Musik. Die Software ist durch die Reichhaltigkeit der verfügbaren Instrumente, sowie durch die einfache Bedienbarkeit dazu prädestiniert, den Rang eines unverzichtbaren Hilfsmittels zu erlangen. Die Konfrontation und der Umgang mit bisher unbekannten Werkzeugen ist dadurch alsbald reine Routine. Der Preis von 400 Euro für die Standard-Version ist voll gerechtfertigt. Den doppelten Preis jedoch für die Complete-Version zu verlangen, halten wir für ein wenig zu hoch. Last but not Least trübt als einzig negativer Punkt nur noch die ausschließliche Verfügbarkeit als stand alone Version den ansonsten tadellosen Eindruck, den Spectra Foo beim Test hinterlassen hat.
Erschienen in Ausgabe 11/2006
Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 800 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut
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