Allumfassende Atmosphären

Obwohl bescheiden als Lautsprechersimulation bezeichnet, erschließt Audio Ease´ neustes Plug-in Musikern und Produzenten atmosphärische Kreativwelten, die bisher allein Spezialisten vorbehalten sind.

Von Harald Wittig  

Das Audio Ease-Plug-in Speakerphone baut auf der Kernkompetenz seiner Entwickler auf: dem Generieren hochwertiger Impulsantworten (IRs). So genießt das Vorzeigeprodukt der niederländischen Softwareschmiede, das Faltungshall-Plug-in Altiverb (Tests in Ausgabe 9/2006 und 5/2007) vor allem wegen seiner hervorragend klingenden IRs der berühmtesten Säle der Welt einen vorzüglichen Ruf bei maßgebenden Profis und steht auch in der Gunst der Professional audio Magazin-Redakteure ganz weit oben. Diesmal haben sich die IR-Spezialisten um Chefentwickler und Toningenieur Arjen van der Schoot der Simulation von Lautsprechern gewidmet. Insgesamt 270 Lautsprechersysteme und ihre IRs – von Großvaters altem Röhrenradio, über legendäre Vintage-Gitarrenverstärker bis hin zu MP3-Kopfhörern und Handys – umfasst Speakerphone. Außerdem gehören zu Speakerphone mehrere, ergänzende Effektmodule, ein Faltungshall mit 30 Räumen – übrigens allesamt vom Altiverb – und eine fünf Gigbyte große Sample-Library, die zusätzlich Klangkulissen, Szenarien und kurze Stimm- und Geräuschsamples, also echte Atmos, liefert.
Der Hersteller verspricht dem Käufer von Speakerphone das ultimative Mastering- und Postproduction-Tool. Denn das Plug-in soll nicht allein dem schlichten Re-Amping bereits eingespielter Tracks oder den Mischungen mittels der gesampelten Lautsprecher, dienen, vielmehr lassen sich, so Audio Ease weiter, mit wenigen Mausklicks jede Sprach- oder Musikaufnahmen in die gewünschte Umgebung integrieren und mit Atmo-Geräuschen versehen. Spätestens jetzt werden Musik-, Hörspiel- und Filmtonproduzenten hellhörig, immerhin ist dies nach wie vor mit einem erheblichen Aufwand verbunden (siehe hierzu auch den Surround-Artikel auf Seite 62 in dieser Ausgabe) gefragt. Dann wollen wir doch mal sehen – und hören, was Speakerphone drauf hat und ob Audio Ease die Wahrheit spricht.

Speakerphone unterstützt als Plug-in die Schnittstellen VST, MAS, AU und RTAS, wobei Pro Tools-User wenigstens über Pro Tools 7 verfügen müssen – die Version 6 ist nicht unterstützt. Erhältlich ist die Software entweder via Download auf www.audioease.com oder als Box mit DVD. Letzteres empfiehlt sich, da die 5 GB große Sample-Library auch bei schneller Internetverbindung viel Zeit zum Herunterladen benötigt. Die separate Installation der eigentlichen Anwendung und der Library geht verhältnismäßig entspannt und einfach von statten, es bleibt dem Benutzer überlassen, ob er Freischaltung via Challenge-Response-Code oder einen iLok-Key bevorzugt.

Mit dem Erkennen des neuen Plug-ins haben im Test weder Cubase 4 und Nuendo 4.1 noch Sonar 7 Probleme. Das erstmalige Laden von Speakerphone in den Spur-Effektcontainer bei einem neuen Projekt dauert vergleichbar lange wie beim Altiverb, da die Plug-in-Engine erst die IR- und Samplelibrary scannen und einladen muss. Ist das erledigt, geschieht das Belegen weiterer Instanzen aber buchstäblich in Sekundenschnelle und verlängert die Arbeits- und Kaffeepausen nicht unnötig. Speakerphone belastet den Host-Rechner dankenswerterweise nicht über Gebühr: Im Test unter Sonar 7 steigt die CPU-Last unseres – allerdings sehr leistungsfähigen – Studiorechners bei sieben Spur-Instanzen auch mit allen aktivierten Modulen nicht über 17 Prozent. Bei weniger leistungsstarken Rechnern, die allerdings der Empfehlung im Steckbrief auf Seite 43 genügen sollten, lässt bei maximal drei Spur-Instanzen, was eine CPU-Auslastung von 27 Prozent bedeutet, gut arbeiten. Drop-outs oder Abstürze gibt es während des Testlaufs keine.

Speakerphone setzt auf eine sehr komfortable und weitgehend intuitive Ein-Fenster-Bedienung, die angesichts des vorbildlich übersichtlich gestalteten Bedienfensters niemanden überfordert. Das Plug-in selbst ist modular aufgebaut: Die Kernmodule „Speaker“, „Room“ und „Sample Bay“ finden Ergänzung durch zahlreiche Effekt-Module, angefangen bei Klassikern wie Equalizer und Kompressor bis hin zu speziellen Effekten wie dem Plattenspieler-Effekt-Modul, „Phono“ genannt oder „Tuning“, das einen schlechten Radioempfang simuliert.

Befassen wir uns zunächst mit den Kernmodulen. Das eigentliche Herzstück und Namenspate von Speakerphone sind natürlich die simulierten Lautsprecher. Dem Benutzer steht, wie bereits eingangs erwähnt, ein umfangreicher Fundus der unterschiedlichsten virtuellen Lautsprecher zur Verfügung. Bevor er in den Genuss der Lautsprecher und ihres Klangs kommt, muss er lediglich dafür sorgen, dass das Audiosignal durch das Modul geroutet wird. Dafür genügt ein Klick auf „Post“ im Speaker-Modul. Klanglich sind die Lautsprecher-Simulationen vom Feinsten und bestätigen die langjährige Erfahrung von Audio Ease beim Generieren von Impulsantworten. Allein die IRs verschiedener Handys, im Angebot sind beispielsweise Nokia, Sony-Ericcson und Siemans, freuen das Herz von Komponisten und Produzenten, die im Klingeltongeschäft sind: Einfach Speakerphone in die Masterspur des fertig gemischten Werks laden, ein Handy auswählen und hören, wie sich der künftige Klingelton macht. Die Impulsantworten beziehungsweise Samples sind so gut, dass der Klingeltonkomponist dank Speakerphone den finalen Hörtest im Sequenzerprogramm vornehmen kann.
Musiker, namentlich Gitarristen, finden Gefallen an den ausgezeichnet klingenden Gitarren-Lautsprecher und –Boxen-Samples, die jeweils mit unterschiedlichen Einstellungen der Verstärker eingefangen sind. Neben einer Reihe berühmter Vintage-Amps von Fender, Vox und Marshall, sind auch zwei legendäre Röhren-Amps von Gibson mit dabei. Es handelt sich um den GA 6 und den GA 20 – letzterer ist auch als Les Paul-Amp bekannt. Nach unserem Kenntnisstand ist Speakerphone damit das einzige Plug-in, das diese, wegen ihres weichen Klangs heute wieder hochgeschätzten Amps anbietet. Allerdings liefern die Amp-Samples nur einen Eindruck, es handelt sich nicht um vollständige Verstärker-Emulationen mit zahlreichen Eingriffsmöglichkeiten zur Klangformung. Der Klang-Eindruck ist gleichwohl beeindruckend: Beim Test haben wir beispielsweise die Solo-Gitarrenspur von „Un poco loco“, das anlässlich des Tests des ART TubeFire8 (Seite 20 in dieser Ausgabe) entstanden ist, durch einen GA-20 gejagt. Beim Abhören offenbart sich allen Testern sofort, weshalb der Ton der Gibson-Amps als „golden“ bezeichnet wird: Es klingt weit weniger strahlend-brillant als beispielsweise bei Fender, sondern sehr viel weicher und samtiger. Genau der Ton, den traditionelle Jazzer bevorzugen.

Mit dem Gerätearsenal von Radios und Plattenspielern fungiert Speakerphone als eindrucksvolle Zeitmaschine. Wer schon immer wissen wollte, wie sein neuester Dancefloor-Hit aus Opas Dampfradio oder aus einem Kofferradio aus den 1970er-Jahren tönt, findet hierfür ein klasse Angebot. Überwiegend handelt es sich um Geräte des niederländischen Herstellers Philips – Audio Ease ist nationalbewusst -, mit dabei sind aber auch Grundig, Hitachi und andere. Die simulierten Geräte liefern, wie zu erwarten, Klänge mit eigentümlichem Trash-Charakter, die sich nach Lust und Laune noch weiter verschlimmbessern lassen. Wenn Sie beispielsweise den an sich schon schauerlich klingenden Wechselplattenspieler Dual 1010V von 1970 wählen, fügt das Modul „Phono“ noch herrlich eiernde Gleichlaufschwankungen hinzu. Klingt grässlich und genau das soll es auch.

Damit der analoge Lo-Fi-Sound auch in standesgemäßer Umgebung seine ganze klingende Pracht entfalten kann, gibt es das Modul „Room“. Das ist ein Faltungshall, der ohne weiteres auch als Send-Hall verwendet werden kann – dabei nur daran denken, alle übrigen Module auszuschalten. Allerdings erlaubt „Room“ nur die Einstellung des Hallanteils („Mix“) und die Länge der Hallfahne („Decay“). Und auch wenn die 30 Räume allesamt vom Altiverb stammen: „Room“ ersetzt den Kaiser-Hall von Audio Ease nicht. Dafür gibt es eindrucksvoll klingende Wohnräume, ein Büro, ein WC, Fahrgasträume von PKWs und noch einiges mehr. Sie haben einen Dialog aufgenommen und die Protagonisten sollen sich in einem Auto, im Hintergrund vom Autoradio berieselt, unterhalten? Kein Problem für Speakerphone. Sie wählen zunächst das Plug-in und das Innere eines Autos als Send-Effekt für die Spur mit der Sprachaufnahme. Danach laden Sie Speakerphone in den Effektcontainer der Musik-Spur, wählen das Autoradio des Seat Toledo und denselben Fahrgastraum. Mit ein wenig Experimentieren, erzielen Sie schnell das gewünschte Ergebnis, gegebenenfalls verhilft der Speakerphone-Kompressor zu besserer Sprachverständlichkeit.

Sie benötigen den Kompressor in jedem Fall, wenn Sie noch wert auf Umgebungsgeräusche, also Atmos legen. Die finden sich in der Sample-Library, sind in übersichtlich gegliederten Bänken abgelegt und decken eine Menge Szenarien ab – vom Schulhof- und Verkehrslärm, über Partyunterhaltungen, Geschirrgeklapper bis hin zu kurzen, lizenzfreien Musikstückchen. Abgespielt werden die Samples im Modul „Sample Bay“, die übrigens ein Sample-Player bekannter Machart ist. Das heißt: Sie können auch selbst erstellte Samples in die Sample Bay laden und in Speakerphone verwenden. Die Qualität der Samples ist durchweg gut, sie sorgen tatsächlich für viel Atmosphäre. Einziger – kleiner – Wermutstropfen: Die Sprachsamples beziehungsweise –fetzen gibt es nur in englischer Sprache. Also doch eigene Samples beziehungsweise Sprachloops anfertigen. Die Atmo-Geräusche lassen sich Pre- oder Post-Speaker (einschließlich aller übrigen Module) routen. Wenn Sie beispielsweise Verkehrslärm oder einen Schulhof im Hintergrund benötigen, während Sie Musik aus dem Grundig 2031 Baujahr 1954 im Büro hören, wählen Sie „Pre“ für die Schulhof-Atmo. Der Hintergrundlärm kommt hörbar von hinten, beziehungsweise von draußen. Über einen MIDI-Controller lässt sich der Sample-Player alternativ auch in Echtzeit spielen. So ist es möglich, bei einer eigenen Komposition das Saxofon-Solo mit authentisch klingendem Applaus von Speakerphone bejubeln zu lassen.

Sollte Ihnen jetzt der Kopf schwirren – keine Sorge: Audio Ease hat Speakerphone mit insgesamt 500 Presets ausgestattet, welche die umfangreichen Möglichkeiten des Plug-ins und seiner Module voll ausschöpfen – also Lautsprecher plus passender Umgebung plus Atmo. Am Besten nehmen Sie eine Sprach- oder Musikaufnahme Ihrer Wahl, wählen ein Preset und Sie werden staunen – garantiert. Übrigens: Eines der Lieblings-Presets der bahnfahrenden Redakteure ist „neighbor i-Pod in a Train“. Gerade zusammen mit Metal- oder Techno-Sounds, weckt Speakerphone binnen Kurzem bei allen S-Bahn-geschädigten Kollegen schmerzhafte Erinnerungen.

Damit Sie selbst hören können, was Speakerphone mit wenigen Mausklicks vermag, laden Sie auf www.professional-audio.de in der Rubrik Downloads/Soundbank eine kurze Soundfile herunter. Es handelt sich hierbei um ein Hörbild des Redaktionsalltags, ausschließlich mit den Modulen von Speakerphone erstellt.
Bei aller Begeisterung über dieses Plug-in, einen Wunsch kann Audio Ease bisher noch nicht erfüllen: Surround-Fähigkeit. Damit wäre dieses zurzeit konkurrenzlose Plug-in für die Zukunft gewappnet.
Sie benötigen den Kompressor in jedem Fall, wenn Sie noch wert auf Umgebungsgeräusche, also Atmos legen. Die finden sich in der Sample-Library, sind in übersichtlich gegliederten Bänken abgelegt und decken eine Menge Szenarien ab – vom Schulhof- und Verkehrslärm, über Partyunterhaltungen, Geschirrgeklapper bis hin zu kurzen, lizenzfreien Musikstückchen. Abgespielt werden die Samples im Modul „Sample Bay“, die übrigens ein Sample-Player bekannter Machart ist. Das heißt: Sie können auch selbst erstellte Samples in die Sample Bay laden und in Speakerphone verwenden. Die Qualität der Samples ist durchweg gut, sie sorgen tatsächlich für viel Atmosphäre. Einziger – kleiner – Wermutstropfen: Die Sprachsamples beziehungsweise –fetzen gibt es nur in englischer Sprache. Also doch eigene Samples beziehungsweise Sprachloops anfertigen. Die Atmo-Geräusche lassen sich Pre- oder Post-Speaker (einschließlich aller übrigen Module) routen. Wenn Sie beispielsweise Verkehrslärm oder einen Schulhof im Hintergrund benötigen, während Sie Musik aus dem Grundig 2031 Baujahr 1954 im Büro hören, wählen Sie „Pre“ für die Schulhof-Atmo. Der Hintergrundlärm kommt hörbar von hinten, beziehungsweise von draußen. Über einen MIDI-Controller lässt sich der Sample-Player alternativ auch in Echtzeit spielen. So ist es möglich, bei einer eigenen Komposition das Saxofon-Solo mit authentisch klingendem Applaus von Speakerphone bejubeln zu lassen.

Sollte Ihnen jetzt der Kopf schwirren – keine Sorge: Audio Ease hat Speakerphone mit insgesamt 500 Presets ausgestattet, welche die umfangreichen Möglichkeiten des Plug-ins und seiner Module voll ausschöpfen – also Lautsprecher plus passender Umgebung plus Atmo. Am Besten nehmen Sie eine Sprach- oder Musikaufnahme Ihrer Wahl, wählen ein Preset und Sie werden staunen – garantiert. Übrigens: Eines der Lieblings-Presets der bahnfahrenden Redakteure ist „neighbor i-Pod in a Train“. Gerade zusammen mit Metal- oder Techno-Sounds, weckt Speakerphone binnen Kurzem bei allen S-Bahn-geschädigten Kollegen schmerzhafte Erinnerungen.

Damit Sie selbst hören können, was Speakerphone mit wenigen Mausklicks vermag, laden Sie auf www.professional-audio.de in der Rubrik Downloads/Soundbank eine kurze Soundfile herunter. Es handelt sich hierbei um ein Hörbild des Redaktionsalltags, ausschließlich mit den Modulen von Speakerphone erstellt.
Bei aller Begeisterung über dieses Plug-in, einen Wunsch kann Audio Ease bisher noch nicht erfüllen: Surround-Fähigkeit. Damit wäre dieses zurzeit konkurrenzlose Plug-in für die Zukunft gewappnet.

Fazit

Speakerphone ist ein Kreativwerkzeug und Prostproduction-Tool, das in dieser Form konkurrenzlos ist. Die leistungsfähigen und fantastisch klingenden Module öffnen dem kreativen Sounddesigner das Paradies.

Erschienen in Ausgabe 02/2008

Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 470 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut