Ab ins Wellen-Labor
Sie möchten Ihren Aufnahmen den letzten Schliff verpassen und sie in professioneller Qualität auf CD oder DVD brennen? Wavelab 6 hat alles, was Sie dazu brauchen – und noch einiges mehr. Die Feinheiten enthüllt unser Test.
Von Andreas Polk
Wavelab gehört zu den Dinosauriern der Musiksoftware-Szene. Pünktlich zum zehnjährigen Jubiläum des Programms legt das Hamburger Unternehmen Steinberg ein umfangreiches Update vor. Ursprünglich war die Software darauf spezialisiert, Audiosamples zu bearbeiten und an die damals noch üblichen Hardware-Sampler zu senden. Im Laufe der Zeit wandelte sich das Programm zu einem hochwertigen Mastering- und Audio-Editing-Tool: Die Software eignet sich inzwischen dazu, Audioaufnahmen zu bearbeiten und zu mastern. In der Audiomontage lassen sich diese zu CD- und DVD-Projekten zusammenstellen und auf Datenträger brennen.
Die Version 6 enthält über 120 weitere Funktionen und Optimierungen. Außer einigen neuen Plug-ins und dem verbesserten Dateihandling besticht vor allem der neuartige Spektrum-Editor, der bisher nicht gekannte Eingriffe in das Audiomaterial ermöglicht. Auch unter der Haube wurde mächtig getunt: Verbesserte Timestretching-Algorithmen, zusätzliche Analyse-Tools und neue Lautstärkehüllkurven runden das Angebot ab. Professional audio Magazin testet, ob dies den Preis von rund 650 Euro rechtfertigt. Ein Wermutstropfen vorweg: Wavelab gibt es nach wie vor nur für Windows. Macianer müssen leider draußen bleiben.
Schon nach kurzer Zeit fällt die etwas unkonventionelle und teilweise uneinheitliche Bedienung auf. Nicht alle Funktionen lassen sich über Presets bedienen; einige sind über Menüs zugänglich, andere über Fensterreiter. Zudem sind Zahleneingaben in Dialogen teilweise auf unterschiedliche Arten vorzunehmen. Solche kleinen Hindernisse müssten nicht sein. Sie verlängern die Einarbeitungszeit und behindern später den Arbeitsfluss. Das Programm würde zudem von einer besseren Unterstützung der gängigen MIDI-Controller und Möglichkeiten zur Verwaltung von Bildschirmlayouts profitieren.
Positiv zu werten ist die uneingeschränkte Undo-Funktion, mit der sich alle Bearbeitungsschritte wieder rückgängig machen lassen. Dennoch ist es ratsam, vor dem ersten Bearbeitungsschritt eine Sicherheitskopie der Aufnahme anzulegen. Wenn etwas schief gehen sollte, ist es so immer möglich, zum Original zurückzukehren. Gut gefällt uns auch das neue Dateihandling: Wavelab erzeugt zu jeder bearbeiteten Datei diverse Zusatzfiles, die beispielsweise Pegelinformationen oder Dateimarker enthalten. Diese wurden bisher immer in dem Verzeichnis abgelegt, in welchem sich auch die Aufnahme befindet; bei Version 6 lassen sich die Hilfsdateien nun in separate Verzeichnisse einordnen. Wavelab wird damit sehr viel übersichtlicher.
Wavelab 6 ist in zwei große Blöcke unterteilt: Audio-Bearbeitung und Mastering. Die Clip-Ansicht stellt sämtliche Funktionen zur samplegenauen Bearbeitung von Audio-Aufnahmen zur Verfügung. Selbstverständlich wird der Eingriff ins Klangmaterial durch eine Vielzahl von Editierfunktionen unterstützt, die sich auf die gesamte Aufnahme oder einzelne Bereiche beziehen.
Sehen wir uns zum Beispiel die Bearbeitungsmöglichkeiten zur Lautstärkeänderung an. Sie gehen weit über ein einfaches Normalisieren der Aufnahme hinaus, das bei bereits bestehender voller Ausnutzung des Dynamikumfangs an seine Grenzen stößt. Mit Wavelab lässt sich die Lautheit der Aufnahme auch dann deutlich anheben, wenn herkömmliches Normalisieren zu Clipping führt und die daraus resultierenden digitalen Knackser die Aufnahme zerstören würden. Hier arbeiten verschiedene Analysetools mit einem Kompressor zusammen; der Anwender muss nur den gewünschten Zielpegel angeben, den Rest übernimmt Wavelab automatisch.
Ähnlich funktioniert das Normalisieren des Panoramas. Sind die Lautstärkeverhältnisse zwischen rechtem und linkem Kanal unausgewogen, beseitigt Wavelab dies mit einem einzigen Mausklick. Weitere Bearbeitungsmöglichkeiten dienen zum Beispiel der Phasenkorrektur, zum Beseitigen eines DC-Versatzes oder zum Ein-, Aus- und Überblenden mehrerer Aufnahmen. Besonders hervorzuheben ist der Timestretching-Algorithmus, der in Wavelab 6 grundlegend überarbeitet wurde.
Oft haben Aufnahmen nicht exakt die gewünschte Länge. Dies kann der Fall sein, wenn Sie mehrere Loops unterschiedlicher Länge in einem Projekt verwenden oder Videovertonungen zum Bild synchronisieren wollen: Hier muss die Länge der Aufnahme bearbeitet werden, ohne dass sich die Tonhöhe verändert. Doch Algorithmen, die dies bewerkstelligen, fügen meist mehr oder weniger hörbare Störgeräusche, so genante Artefakte, hinzu. Diese fallen umso hörbarer ins Gewicht, je stärker Sie eine Aufnahme dehnen oder stauchen.
Wavelab verwendet zum Timestretching einen speziellen Algorithmus namens DIRAC, und liefert damit hervorragende Ergebnisse. Je nach Ausgangsmaterial sind auch massive Änderungen im zweistelligen Prozentbereich möglich, ohne dass Artefakte die Aufnahme unbrauchbar machen. Auch die Tonhöhe ist unabhängig von der Länge einer Aufnahme manipulierbar. Dabei lassen sich bewusste Verfremdungen erzielen ebenso wie eine unauffällige Manipulation der Tonhöhe, die nichts von einem Eingriff offenbart. Eine spezielle Option erlaubt es zudem, Formanten zu berücksichtigen, womit Sie die Chance haben, auch Sprachaufnahmen sehr realistisch zu verändern.
Zur Manipulation gibt es mehrere Algorithmen. Perkussives Material bearbeiten Sie am besten mit einem Algorithmus, der auf die Zeitpositionierung besondere Rücksicht nimmt. Bei Streichern und Chören ist dies weniger wichtig. Hier erzielen wir im Test mit einem Algorithmus, der stärker auf die Frequenzpositionierung achtet, bessere Ergebnisse. Spezielle Kompromisse aus Zeit- und Frequenzoptimierung bietet Wavelab 6 ebenfalls. Für beste Ergebnisse ist es unabdingbar, sich einzuarbeiten und mit den verschiedenen Einstellmöglichkeiten zu experimentieren. Denn: Wenn Sie den falschen Algorithmus wählen, erhalten Sie auch nur durchschnittliche Ergebnisse. Und die Berechnung der Tonhöhenmanipulation bei hoher Qualität erfordert einiges an Rechenzeit. Nicht selten dauert es 30 Sekunden, um einen einzelnen Takt zu bearbeiten. Dennoch: Wichtig ist das Ergebnis, und das kann sich hören lassen.
Natürlich ist ein gutes Ohr immer die beste Grundlage für die Analyse einer Aufnahme. Wavelab unterstützt den Anwender zusätzlich mit der globalen Fehleranalyse bei der Suche nach digitalen Fehlern wie Clipping oder Glitches. Mit dieser Funktion lassen sich besonders kritische Stellen im Audiomaterial automatisch identifizieren und mit Markern versehen. Auf Wunsch sucht Wavelab auch die lauten und leisen Stellen, wahlweise für jeden Kanal getrennt. Diese Passagen lassen sich anschließend manuell oder mit einer der Bearbeitungsfunktionen korrigieren oder bearbeiten.
Verschiedene Analysewerkzeuge stellen die Eigenschaften der Audiodatei optisch dar:
Die Pegel- und Panorama-Anzeige zeigt außer den üblichen Pegelspitzen auch Durchschnittswerte, Minimal- und Maximalpegel sowie Differenzen an. Das Phasenkorrelations-Messgerät stellt das Verhältnis der Phase und der Amplitude zwischen den Kanälen einer Stereoaufnahme grafisch dar. Es hilft, die Monokompatibilität einer Aufnahme zu überprüfen und Phasenverschiebungen zu identifizieren.
Um das Frequenzspektrum zu überprüfen, gibt es mehrere Anzeigen: Die Spektrumanzeige präsentiert die Lautstärkeanteile der einzelnen Frequenzbänder. Die FFT-Anzeige offenbart eine kontinuierliche Frequenzkurve einzelner Frequenzbereiche und erlaubt eine sehr detaillierte Darstellung der Analyse. Dank der integrierten Zoom-Funktion ist es möglich, die Pegel genau darzustellen und problematische Frequenzbereiche zu identifizieren. Sie lassen sich anschließend beispielsweise mit dem mitgelieferten Equalizer gezielt nachbearbeiten. Die 3D-Frequenzanalyse stellt dieselbe Information dreidimensional dar und zeigt wie sich der Frequenzverlauf über die Zeit hinweg entwickelt hat.
Zusätzlich bietet Wavelab 6 eine Bit-Anzeige, die Aufschluss über die genutzte Auflösung und den Dynamikumfang der Aufnahme gibt, sowie ein Oszilloskop, eine Wellenform-Anzeige und eine Analyse-Funktion zur Verteilung der Lautstärkeanteile. Diese Darstellungsformen lassen sich besonders in Zusammenhang mit der integrierten Aufnahmefunktion hilfreich einsetzen. Direkt auf das am Audioeingang anliegende Signal angewendet, erkennen Sie Fehler schon im Voraus und können sie beheben. Die Bit-Anzeige hilft zum Beispiel, ein am Soundkarten-Eingang anliegendes Signal optimal auszusteuern und so den Dynamikumfang der Aufnahme nicht unnötig einzuschränken.
Manchmal enthalten Audiodaten Störgeräusche wie das Knarren eines Stuhles oder unerwünschte Feedbacks. Grundsätzlich sollten solche Aufnahmen wiederholt werden. Das ist aber nicht immer möglich. Dann kommen Sie nicht darum herum, die Störgeräusche aus der Aufnahme zu entfernen oder wenigstens zu minimieren.
Wavelab bietet dazu eine neuartige Bearbeitungsmöglichkeit, ähnlich dem Algorithmix Renovator, den Professional audio Magazin in Ausgabe 7/2006 getestet hat: Der Spektrum Editor nimmt direkt im Frequenzspektrum einer Aufnahme Bearbeitungsschritte vor und dämpft, kopiert und verwischt gezielt einzelne Ausschnitte. So ist es möglich, komplexe Störgeräusche, die sich mit Filtern oder anderen herkömmlichen Bearbeitungstechniken kaum in den Griff bekommen lassen, zu bereinigen.
In der Spektrum Darstellung wird auf der horizontalen Achse das Audiomaterial im Zeitverlauf und auf der vertikalen das Frequenzspektrum abgetragen. Informationen über die Lautstärke der einzelnen Frequenzbereiche, das heißt über den Energiegehalt der Aufnahme, sind farblich abgesetzt. Energiereiche Teile erscheinen gelb, energiearme Signale blau beziehungsweise lila. Was in der Theorie eher als unspektakulär erscheint, erweist sich in der Praxis als mächtiges Tool zur Manipulation des Klangmaterials, denn Störgeräusche lassen sich damit hervorragend lokalisieren und gezielt manipulieren.
Eine Restauration fällt umso erfolgreicher aus, je stärker das Störsignal von der restlichen Aufnahme getrennt und je klarer das Nutzsignal im Frequenzspektrum definiert ist. Zudem erweist es sich als hilfreich, wenn in der Umgebung des Geräuschs ähnliche Passagen ohne Störung vorkommen. In diesem Fall überschreiben Sie mit der Kopierfunktion die fehlerhafte Stelle einfach durch das benachbarte Signal. Wenn ein inhaltlich ähnliches und störungsfreies Signal aber nicht vorhanden ist, lässt sich das unerwünschte Geräusch zumindest gezielt dämpfen. Zusätzliche Funktionen dienen dazu, um Spitzenpegel zu entfernen oder die angewählten Bereiche ein- und auszublenden. Sollte das Audiomaterial hingegen sehr energiereich sein und sich das Nutzsignal über das gesamte Frequenzspektrum verteilen, ist es besonders schwierig, das Störgeräusch eindeutig zu identifizieren. Jeder Bearbeitungsschritt beeinflusst in diesem Fall auch das Nutzsignal. Die Folge: unerwünschte, teils deutlich hörbare Artefakte entstehen.
Der Spektrum Editor erfordert etwas Geduld beim Einarbeiten sowie Geschick bei der Anwendung. Eine bessere Audioqualität bei der verlangsamten Wiedergabe der Aufnahme würde die Identifikation der Störgeräusche erleichtern. Gut gefällt uns dagegen die Möglichkeit, frei wählbare Frequenzbereiche direkt über den Masterbus vorzuhören. Dies erleichtert die Identifikation der Frequenzen, die das Störsignal enthalten.
Ist die Aufnahme per Clip-Ansicht und Spektrum-Editor fertig bearbeitet, steht das Mastering an. Wavelab 6 bietet verschiedene Plug-ins zur finalen Bearbeitung. Insgesamt acht Effektslots finden sich im Masterbereich. Die Render-Funktion rechnet die Effekte dann endgültig in das Audiosignal ein.
Zahlreiche Effekte sind enthalten, unter anderen: ein De-clicker, der Störgeräusche gezielt entfernt, ein Denoiser zur Rauschunterdrückung. Er hilft dabei, Störgeräusche zu entfernen oder alte Aufnahmen zu restaurieren. Mit dem Multiband Compressor lässt sich das Signal in bis zu fünf einzelne Frequenzbereiche unterteilen und jeweils einzeln bearbeiten.
Das Plug-in VST-Dynamics offeriert wichtige Kanalbearbeitungsfunktionen wie Gate, Kompressor und Limiter. Das neue Plug-in Crystal Resampler dient dazu, die Samplerate von Aufnahmen zu konvertieren.
Natürlich stehen noch weitere Effekte wie Delay, Hall oder verschiedene Equalizer zur Auswahl. Die meisten Plug-ins liegen in einer VST-Version (Virtual Studio Technology) vor, so dass sie sich auch in anderen Anwendungen nutzen lassen. Einige spezifische Plug-ins wie der Crystal Resampler, Chorus oder der Autopan-Effekt laufen hingegen nur in Wavelab. Was die Effekte betrifft, meinen wir, dass sie aktuellen Entwicklungen noch besser angepasst werden könnten. Wavelab unterstützt zwar Mehrkanalaufnahmen in verschiedenen Formaten; aber echte Mehrkanaleffekte wie ein Hall, der die Möglichkeiten der räumlichen Abbildung bei Surroundformaten ausnutzt, fehlen.
Bevor Sie eine Aufnahme auf CD oder DVD brennen können, ist es notwendig, sie in das jeweilige Format des Datenträgers zu konvertieren. Eine Aufnahme in 24 Bit Auflösung muss vor dem Brennen auf CD beispielsweise auf 16 Bit runtergerechnet werden. Dabei entstehende Quantisierungsfehler lassen sich durch Tricks psychoakustisch verstecken und minimieren. Diese als Dithern bezeichnete Technik ist in Wavelab in Form des UV22HR-Algorithmus von Apogee implementiert; er ermöglicht beste Qualität.
Nachdem alle Aufnahmen im Clip-Editor für das Brennen auf CD oder DVD vorbereitet sind, setzen wir die Wavelab Audiomontage ein. Sie hilft, die verschiedenen Dateien zu einem CD- oder DVD-Projekt zusammenzufügen, weitere Informationen wie beispielsweise Titelmarker beizusteuern und das Medium zu brennen. Die Bearbeitungsschritte finden hier nicht-destruktiv statt, sie verändern die eigentliche Audiodatei nicht.
Die Audiodateien werden – wie in einem Sequenzer – auf einer oder mehreren Spuren angeordnet und damit zeitlich platziert. Einzelne Clips lassen sich ein- und ausblenden, ineinander überblenden oder mit Effekten versehen, die allerdings als VST-Version vorliegen müssen. Da das auf die meisten mitgelieferten Effekte zutrifft, stört diese Einschränkung nicht besonders.
Im Test gefällt uns, wie Wavelab verschiedene Aktionen durch eine ausgefeilte grafische Darstellung unterstützt. Wenn wir einen Audioclip über die Hüllkurvenfunktion verstärken, passt sich die Wellenformdarstellung beispielsweise direkt der Mausbewegung an. Die Darstellung ist auch bei laufender Wiedergabe sehr flüssig und reagiert unmittelbar.
Die Titel auf einer CD lassen sich durch spezielle CD-Marker setzen. Damit alle Stücke die gleiche Lautstärke haben, arbeiten wir mit dem Meta-Normalizer, der die Lautstärke aller in einer Audiomontage enthaltenen Clips aufeinander abstimmt. Wavelab brennt Audio-CDs im Red-Book kompatiblen Format, unterstützt aber auch exotischere Formate wie Mixed-Mode-CD oder CD-Extra. Für Audio-DVDs werden mehrere Audiomontagen in einem DVD-Audio-Projekt zusammengefügt, eine Menüstruktur definiert und alles auf DVD gebrannt. Das Programm kann zwar auch Videos wiedergeben, wenn Sie ein Werk vertonen wollen. Es muss aber extern editiert werden, denn Wavelab ist und bleibt eine reine Audioanwendung.
Fazit
Wavelab ist ein sehr umfangreiches Tool, das die Bearbeitung, das Restaurieren und das Mastern von Audiodateien bis hin zum Brennen fertiger CDs und DVDs ermöglicht. Das Programm lässt sich nicht immer ganz einfach handhaben und erfordert eine gewisse Einarbeitungszeit. Trotzdem macht es einen hervorragenden Eindruck.
Erschienen in Ausgabe 09/2006
Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 649 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: gut
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