Die pure Dynamik – Orion Studio HD

Der bulgarische Interface-Experte Antelope Audio hat sich in den Jahren seines Bestehens einen namhaften Ruf unter Studiobetreibern weltweit erworben.  Mit dem Orion Studio HD bekommt die Produktfamilie nun bemerkenswerten Zuwachs. Durch die mitgelieferten Effekt-Plug-ins soll der Wandler insbesondere für Gitarristen interessant sein.

Von Christian Stede

Durch die stetige Weiterentwicklung der DAWs sind auch die Anforderungen an die Studioperipherie mitgewachsen. Um die Möglichkeiten der Klangbearbeitung, die Software von heute Musikern und Audio-Ingenieuren bietet, voll auszuloten, steigen auch die Ansprüche an die Wandler. Dieser Tatsache ist man sich bei Antelope Audio durchaus bewusst und schickt mit dem Orion Studio HD ein neues Interface ins Rennen, dass diesen professionellen Ansprüchen vollauf gerecht wird. Preislich liegt dieser Wandler mit knapp 3.000 Euro etwa im Mittelfeld seiner Klasse.

Während bei vielen Geräten der Konkurrenz oft ein großer preislicher Unterschied zwischen der Variante mit 8 und der mit 16 Kanälen klafft, wurde bei Antelope auf eine Lösung mit 12 analogen Eingängen gesetzt. Zudem wurde neben dem USB 3.0-Anschluss auch an einen HDX-Port gedacht, was besonders die ProTools-Fangemeinde freuen wird.

Äußeres

Das Orion Studio HD besticht durch seine schwarze Hochglanzoptik. Billig sieht das Gerät fürwahr nicht aus, vielmehr bedient man die Knöpfe mit Bedacht und äußerster Sorgfalt, um die Vorderfront nicht durch etwaige Fingerabdrücke zu verschandeln.

Neben dem versenkten Power-Knopf sind vier der analogen Eingänge des Orion Studio HD direkt auf der Gehäusevorderseite zu finden, was den Instrumentenwechsel enorm erleichtert. Die Anschlüsse sind wahlweise für Mikrofone (selbstredend mit zuschaltbarer Phantomspeisung), Line-Instrumente oder Gitarren geeignet (für letztere gibt es die HiZ-Option). Daneben liegt die kleine Taste, um das Talkback-Mikrofon zu aktivieren. Zur Menüsteuerung dienen ein großer Drehregler und die zugehörigen drei Drucktasten. Das Display gibt die Werte in klarem Blau wieder, ist aufgrund seines eher kleinen Formates und den eher winzigen Informationen jedoch nichts für schlechte Augen. Ferner werden auf der Frontseite noch zwei separate Kopfhörer- und Reamping-Ausgänge für Gitarrenverstärker geboten, alles als 6,3mm Klinke.

Von hinten wartet das Antelope Orion Studio HD mit den restlichen 8 analogen Eingängen auf, und zwar als XLR-/TRS-Kombination. Die 16 Analog-Ausgänge sind in zwei Tascam DA-25-Ports aufgeteilt. Zudem gibt es einen ADAT- sowie S/PDIF-Ein/Ausgang. Der Word Clock-Anschluss genügt dem BNC-Standard. Zudem sind auch noch 6,3mm-Klinkenausgänge für zwei Monitorpaare vorhanden. Als außergewöhnlich ist das Design der Rackohren anzumerken, denn das Interface wird auf jeder Seite mit nur jeweils einer Schraube im Rack befestigt, wo es aber auch nur 1 HE an Platz einnimmt.

Antelope Audio Orion Studio HD

Innenleben

Über die verwendete Wandlertechnologie im Orion Studio HD schweigt sich der Hersteller weitgehend aus. Bekannt ist lediglich, dass für den Signalpfad dieselben Bauteile Verwendung fanden, die für das Orion Studio Rev 2017 neu entwickelt wurden und deren Dynamikumfang bei konkurrenzlosen 124 dB (AD) und 120 dB (DA) liegen soll.

Die Vielzahl von Effekten, die sich im Orion Studio HD zuschalten lassen, wird durch eine Technologie ermöglicht, die Antelope Audio „Field Programmable Gate Array (FPGA)“ nennt. Diese „Geheimwaffe“ erlaubt das Erstellen von vier voneinander unabhängigen, latenzfreien Mixen mit einer Auflösung von bis zu 192 kHz bei 24 Bit, die über eines der beiden Monitorpaare und/oder über die Kopfhörerausgänge abgehört werden können. Neben den Wandlerchips, deren Geheimnis Antelope Audio wie gesagt nicht lüften will, verfügt das Interface über 12 dedizierte Mikrofon-Vorverstärker mit 48 V-Phantomspeisung.

Antelope Audio Orion Studio HD

Besondere Bedienung

Um eine einwandfreie Funktionalität zu gewährleisten, ist neben der Treiberinstallation noch der zusätzliche Download der „Studio Launcher“-Software nötig. Beides ist auf der Antelope-Homepage schnell gefunden. In unserem Fall wurde das angeschlossene Orion Studio HD zwar nicht direkt erkannt, mit Hilfe des Online-Supports von Antelope Audio war dieses Problem (es war ein Hard-Reset durch Ziehen des Netzsteckers nötig) jedoch schnell behoben.

Der Studio Launcher macht aus dem Interface ein komplettes Mischpult inklusive internen Effekten. Zudem wird auch noch eine Routing-Matrix beigesteuert, die einen höchst flexiblen Signalfluss ermöglicht. Die Investition in einen großen Bildschirm macht sich an dieser Stelle durchaus bezahlt, andernfalls sind regelrechte Argusaugen vonnöten, um die gewünschten Einstellungen vorzunehmen. Das ohnehin schon sehr knapp gehaltene Manual schweigt sich über einige wichtige Routing-Optionen zudem völlig aus.

Die Hauptansicht des Studio Launchers zeigt in der oberen Reihe die Eingangskanäle 1 bis 12 mit dem dazugehörigen Pegel. Mit einer Schaltfläche daneben kann man die Phantomspeisung aktivieren oder die Phase drehen, sowie auf Line- und HiZ-Pegel umschalten. Die Verstärkung des Eingangspegels wird ebenfalls hier vorgenommen und ist jederzeit gut ablesbar. Zwar sind diese Einstellungen auch mit dem Gerät selbst möglich, aufgrund des kleinen Displays aber etwas umständlicher zu realisieren.

Mischen vor dem Mischpult

Die 12 analogen Eingänge verfügen alle über einen eigenen Insert-Slot, in den bis zu acht unterschiedliche Effekte geladen werden können. Dies sind nach aktuellem Stand eine Auswahl von EQs, Kompressoren und Gitarrenverstärker-Simulationen. Antelope Audio hat aber bereits angekündigt, dass weitere Plug-ins folgen werden, die die Klangmöglichkeiten erweitern. Vermisst haben wir modulatorische Effekte wie Chorus oder Delay, die nämlich auch in den nachgebildeten Gitarrenamps nicht vorkommen. Einen „Aura Verb“ getauften Halleffekt gibt es  allerdings, dieser liegt bereits auf dem Mixerfenster parat und muss nicht erst in die Effektslots geladen werden.

Diese Konfiguration mit den mitgelieferten Effekten erlaubt es jetzt, das trockene, unbearbeitete Signal, das an den Vorverstärkern der analogen Eingänge anliegt, gleichzeitig mit dem Effektsignal in die Sequencer-Software aufzunehmen. Hierfür genügt es, auf dem Routing-Screen den Eingang, der sich entsprechend des angeschlossenen Instrumentes auch umbenennen lässt, per Drag&Drop auf die gewünschten Ausgänge (USB REC 1 und 2) zu ziehen. Dieses flexible Konzept des Studio Launchers erklärt auch, warum es deutlich mehr USB REC-Eingänge (nämlich 64) als analoge Eingänge gibt. Bei der Wiedergabe aus der DAW heraus kann man die Signale ebenfalls auf bis zu 64 Spuren der Mixersektion verteilen und mit den Send-Reglern den „Aura Verb“ als Hardware-Effekt in die Signalkette einbinden. Mit den AFX-Channel-Strips geht das jedoch nicht, weil sich auf diese nur die physischen Inputs 1 bis 12 leiten lassen.

Die unterschiedlichen Setups, welche man je nach Aufnahmesituation konfiguriert hat, lassen sich im Studio Launcher abspeichern und bei Bedarf wieder aufrufen. Im Flipmenü, das sich öffnet, ist eine genaue Auswahl der Parameter möglich, die man speichern möchte.

Beeindruckender Klang

Der Klangqualität der Mikrofonvorverstärker haben wir in mehreren Gesangs- und Klavieraufnahmen auf den Zahn gefühlt. So blieb der warme Charakter des in Ausgabe 09/2017 getesteten Roswell „Delphos“ voll und ganz erhalten. Bei höherem Gain trat dessen Tendenz zum Röhrenmikrofon sogar noch deutlicher hervor. Das Timbre von Männerstimmen wird ohne den leisesten Anflug von Muffigkeit sehr gut eingefangen. Weibliche Lead-Vocals blieben schön brilliant und drängten sich im Mix nicht auf.

Den Wandlern gelang es, den Klavierklang in all seinem Obertonreichtum nachzuzeichnen. Das Stereopanorama kam voll zur Geltung, die Dynamik des Originals blieb auch an den zartesten Pianissimo-Stellen voll erhalten. Auch bei der Wiedergabe virtueller Instrumente trumpfte das Interface auf. Die analogen Klänge aus der „Syntronik“-Sample Library von IK Multimedia (siehe S. 46) ließ das Orion Studio HD nur so aus sich heraussprudeln. Bei geschlossenen Augen dachte man regelrecht, einen echten Minimoog Model D im Studio stehen zu haben. Klanglich ähnelt der Orion Studio HD dem zweikanaligen Mytek Brooklyn, klingt ähnlich offen und fein, kann aber nicht ganz dessen Souveränität und Durchhörbarkeit bei komplexem Programm-Material erreichen. Dennoch gehört der Orion Studio sicherlich zu den am besten klingenden Mehrkanalwandlern seiner Klasse.

In diesem Zusammenhang ist es jammerschade, dass sich mit dem Orion Studio HD nur der „Aura Verb“ als Hardware-Effekt nutzen lässt, weil sowohl Auswahl als auch Klangqualität der Kompressoren und EQ-Plug-ins wahrlich keine Wünsche offenlassen. Gerade bei den von uns zum Test vorgenommenen Gesangsaufnahmen hat sich die hohe Qualität der Equalizer im Verbund mit den Mikrofonvorverstärkern gezeigt. Frequenzen, die es anzuheben galt, ließen sich wie gewünscht betonen, zudem unterlegte der EQ das Signal mit einer Wärme, wie wir sie selten bei einer Software erlebt haben.

Auch die Kompressoren arbeiteten sehr sensibel und auf einem hohen, sehr fein nuancierten Niveau. Durch die 12 Mikrofoneingänge ist das Orion Studio HD ja auch gerade für Schlagzeugaufnahmen interessant, so dass man sich wirklich auch eine nachträgliche Bearbeitung der Signale durch die dynamischen Effekte wünschen würde. Es ist daher gut möglich, dass Antelope Audio an dieser Stelle nachbessert und in folgenden Firmware-Updates auch die Kompressoren und EQs in die Send/Return-Sektion des Studio Launchers einsetzt.

Trotz dieses kleinen Wermutstropfens macht die Arbeit mit dem Interface einen Riesenspaß. Die virtuellen Gitarrenverstärker liefern einen druckvollen Sound, der besonders gut für Stile wie Jazz und Bluesrock geeignet ist.

Fazit

Das Orion Studio HD ist ein funktionsmächtiges AD/DA-Interface, das durch seine immens hohe Klangqualität und seine extrem geringen Latenzen voll und ganz überzeugen kann. Zudem lässt die Ausstattung mit 12 analogen Eingängen und den im Software-Panel enthaltenen hochwertigen Effekten keine Wünsche offen. Das Bedienkonzept ist – von dem etwas zu kleinen geratenen Display abgesehen – gelungen. Gitarristen, Sänger, Musiker aller Art werden beim Studioeinsatz ihre wahre Freude mit diesem Wandler haben.

Erschienen in Professional audio 10/2017