Die Röhre macht´s

Für den authentischen Analogsound gibt es nichts besseres als die gute alte Röhre – glaubt zumindest die ART-Company und stattet sein neues Firewire-Audio-Interface gleich mit vier glühenden Glaskolben aus.

Von Harald Wittig

Der amerikanische Hersteller ART gilt, obwohl bereits seit 1984 im Geschäft, hierzulande noch als Geheimtipp. Dabei lässt sich die Unternehmensgeschichte bis in die frühen 1970er-Jahre zurückverfolgen, waren doch die Gründerväter des Herstellers mit dem klangvollen Akronym dereinst Mitarbeiter und Entwickler des legendären Gitarren-Effektgeräte-Herstellers MXR. Da klingelt es bei der Stromgitarrenfraktion, denn die originalen MXR-Pedale werden auf dem Gebrauchtmarkt vergleichbar hoch gehandelt wie ein Vox Wah-Wah. Kein Wunder, denn MXR-Pedale schrieben Klanggeschichte. Beispielhaft seien nur Eddie Van Halens liebstes Kind, der MXR-Flanger oder das MXR 175 Delay, das bis heute einen festen Platz im Rack des Gitarrenvirtuosen und Klangfetischisten Eric Johnson hat, genannt.Es liegt womöglich an der MXR-Vergangenheit der ART-Gründer, dass alle Geräte der inzwischen sehr umfangreichen Produktpalette dem Retrosound verpflichtet sind. Getreu dem Unternehmens-Credo, dass die Digital-Technik nach wie vor für Sterilität und Kälte stehe und die viel beschworene analoge Wärme über allem stehe. Dass sich darüber trefflich streiten lässt ist klar. Fakt ist, ART ist beinharter Verfechter der Röhrentechnik. Denn allein die guten alten Glaskolben seien, so die Gründer, in der Lage, Digital-Aufnahmen die unabdingbare Wärme zu verleihen. Folgerichtig ist auch unser Testkandidat, das achtkanalige Firewire-Interface TubeFire 8 mit Röhren ausgestattet. Das in den USA entwickelte und in China gebaute Interface steht mit einem empfohlenen Verkaufspreis von rund 860 Euro in den Regalen. Sollte mit diesem Gerät die Suche nach dem heiligen Gral, also Retroklang im besten Sinne, seinen kostengünstigen Abschluss gefunden haben?

Das gut verarbeitete TubeFire 8 hat acht identisch aufgebaute Kanäle und einen A/D-Wandler, der mit einer maximalen Auflösung von 24 Bit/96 Kilohertz die analogen Signale übersetzt und via Firewire 400 an die DAW schickt. Befassen wir uns zuerst einmal mit dem Schaltungskonzept des Geräts, denn dieses ist das eigentliche klangentscheidende Herzstück des TubeFire 8.

Jeder der acht Kanäle ist hybrid aufgebaut, soll heißen: Das Signal wird zunächst von zwei verschiedenen Transistorstufen, eine in Class-A-Technik für den Mic-/Line-Eingang und eine für den Hi-Z-Instrumenten-Eingang aktiv aufbereitet. Erst danach durchlaufen alle Signale die Röhrenstufe. Vier chinesische 12AX7-Doppeltrioden-Röhren, das amerikanische Pendant zur europäischen ECC83, sollen die weitere Einfärbung der Signale besorgen. Aufgrund des hybriden Schaltungskonzepts können die Röhren mit einer sehr niedrigen Anodenspannung von gerade mal 25 Volt betrieben werden, denn die eigentliche Vorverstärkung übernehmen Transistoren. Ein ähnliches Konzept verwendete beispielsweise auch der japanische Gitarrenhersteller Ibanez 1995 für sein Verzerrerpedal Tube King: Dort sorgte ebenfalls eine mit Niedrigspannung betriebene Doppeltriode für einen röhrenden Klang, indem die 12AX7 dem bereits vorverstärkten Gitarrensignal harmonische Oberwellen zweiter Ordnung (K2) hinzufügte. Genau das tun auch die Röhren im TubeFire 8 (siehe FFT-Spektrum, Seite 24). Nun werden Röhren-Fachleute vermutlich aufschreien: „Die lassen die Röhre doch verhungern, dabei gehen doch Dynamik und Tiefe total flöten.“ Da ist was Wahres dran, nicht umsonst wird beispielsweise die Röhre in der aktuellen 2008er-Neuauflage des Tube King mit Hochspannung an der Anode betrieben. Andererseits: Wenn es gut klingt, ist allen Nörglern der Wind aus den Segeln genommen.

Alle Kanäle verfügen über eine schaltbare Vordämpfung („Pad“), Hochpassfilter, Phasenumkehrschalter und separate Regler für Input- und Output-Gain. Der Output-Gain-Regler dient beim TubeFire 8 zunächst dem Einpegeln des Ausgangssignals an den der Kanalzahl entsprechenden acht Analog-Ausgängen. Im Firewire-Betrieb regelt der Benutzer hiermit die Signalstärke, die der eingebaute A/D-Wandler empfängt. Kompetente Hilfe erhält der Anwender von der vierstufigen LED-Aussteuerungsanzeige, die beim Einpegeln für beide Pegelsteller zuständig ist. Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte unbedingt darauf achten, dass die rote Clip-LED nie aufleuchtet. Nach unserer Erfahrung kommt es anderenfalls bereits zu hässlichen, gänzlich unerwünschten digitalen Verzerrungen.

Die Phantomspannung lässt sich nicht einzeln pro Kanal aktivieren, dennoch erlaubt das TubeFire 8 die gleichzeitige Verwendung von Kondensator- und Bändchenmikrofonen. Der Benutzer hat die Wahl, die Phantomspannung für die Kanalgruppen eins bis vier (CHAN. 1 – 4) oder fünf bis acht (CHAN. 5 – 8) separat zu schalten. Damit sind auch auf Phantomspannung höchst allergisch reagierende Bändchen- zusammen mit Kondensator-Mikrofonen – in den gesetzten Grenzen – für Multimikrofonierungen einsetzbar.

Gut durchdacht ist die Kopfhörer-/Line-Mixer-Sektion. Über die vier Druckschalter (CHAN 1 -2, 3 – 4, 5 – 6 und 7 – 8) lassen sich die Aus-gangssignale der acht Kanäle immer paarweise auf den Kopfhörerausgang, der gleichzeitig auch als Stereo-Line-Ausgang fungiert, routen. Ebenso kann hier auch für Multitrack-Aufnahmen das über Firewire eingehende Summensignal der DAW beim Overdubbing mitgehört werden. Dafür ist lediglich im Sequenzer-Programm der entsprechende Summenausgang entsprechend den Druckschaltern CHAN 5 – 6 oder CHAN 7 – 8, die Kanäle fünf und sechs oder sieben und acht auszuwählen. Der Pegelsteller in dieser Sektion kann mehr als nur laut oder leise: In Mittelstellungen schaltet er das Ausgangssignal stumm. Wird er nach rechts gedreht, hört der Anwender einen Stereomix, nach links gedreht gibt der TubeFi-re 8 ein Mono-Signal aus. Insoweit bietet das Interface recht komfortable Monitoring-Funktionen, wie sie eher von Mischern oder dezidierten Monitor-Controllern bekannt sind.

Auf dem Seziertisch des Professional audio Magazin-Messlabors behauptet sich das TubeFire 8 mit überwiegend guten bis sehr guten Messwerten, abgesehen von einem kleinen Schnitzer: Der Pad-Schalter von Kanal 1 dämpft nicht linear um die angegebenen 20 Dezibel, sondern reduziert bei 20-dB-Stellung des Gain-Reglers nur um gemessene 15 Dezibel. Außerdem verursacht der Schalter eine leichte, im Test aber unhörbare Phasendrehung. Da dieser Effekt bei den übrigen Kanälen nicht auftritt, handelt es sich wohl um einen Individualfehler des Testgeräts, von dem nicht alle TubeFire 8 betroffen sein müssen. Denn ansonsten gibt das Gerät messtechnisch keinen Anlass zur Klage: Die Frequenzgänge sind tadellos, die Hochpassfilter arbeiten wie versprochen bei einer Einsatzfrequenz von 100 Hertz mit einer Steilheit von 6 dB/Oktave. Sowohl die Übersprechdämpfung als auch die Gleichtaktunterdrückung überzeugen und stünden auch deutlich teureren Geräten gut zu Gesicht. Bemerkenswert sind die unterschiedlichen Werte für den Gesamtklirr beim Mikrofon- und beim Instrumenten-Vorverstärker: Dank des offenbar sorgfältig umgesetzten Class-A-Designs der Mikrofon-Preamps, bleibt der Klirrfaktor standhaft unter guten 0,03 Prozent – Doppeltriode hin oder her. Anders sieht es hingegen bei den Instrumenteneingängen aus, denn nun betragen die Gesamtverzerrungen anscheinend gewollte 0,2 Prozent. Das macht neugierig, denn angesichts der geradzahligen Oberwellen, welche die 12AX7-Doppeltriode laut Audio-Precision-Messcomputer hinzuaddiert, kann hier klanglich einiges passieren – spannend, spannend.

Das TubeFire 8 ist schnell als Audio-Interface in Cubase 4 und Sonar 7 einsatzbereit, die notwendige Installation der Treiber ist schnell erledigt und wird niemandem Kopfzerbrechen bereiten. So muss das sein. Die Treiber selbst sind übrigens sehr gut. Einen einigermaßen leistungsfähigen Rechner vorausgesetzt, dürften auch in puncto Latenzen sehr sensible Musiker keine Probleme beim Einspielen haben.
Um den Klang der Mikrofon- und Instrumenten-Vorverstärker praxisgerecht testen zu können, spielen wir im Overdub-Verfahren eine kurzes Stück mit Latino-Flair, „Un poco loco“ genannt, ein. Die Monospuren Spuren 1 und 2 belegt jeweils die akustische Nylonstring, abgenommen mit unserem Kleinmembran-Referenz-Mikrofon, dem Schoeps MK 2 H/CMC 6U, den Melodiepart steuert die Gibson Les Paul bei, die direkt in den Instrumenteneingang des TubeFire 8 eingestöpselt ist. Ansonsten gilt: Keine Effekte, keine Amp-Simulationen, nur In-strumente, Mikrofon und das TubeFire 8.
Zunächst kann das Interface auf der Haben-Seite für sich verbuchen, dass sich seine Mikrofon-Vorverstärker als sehr sauber und rauscharm erweisen. Ihre Klangcharakteristik ist am Besten mit warm und rund beschrieben. Niemand wird hier ernsthaft Neutralität und nüchterne Sachlichkeit erwarten. Das TubeFire 8 soll und darf färben. Und das tun die Preamps auch, allerdings gehen sie dabei sehr musikalisch zu Werke und hüten sich vor klanglicher Gleichmacherei. Daher bleibt die Charakteristik des verwendeten Mikrofons erhalten. Vergleichstakes belegen das: So hat eine alternative Aufnahme mit dem Røde NT5 den typischen, präsenten Klang des australischen Mikrofons, dem allerdings das TubeFire 8 gerade bei Transienten die Schärfe nimmt. Denn für eine angenehm ins Ohr gehende Verrundung sorgen seine Preamps auf jeden Fall, ohne den Klang dabei mittenkomprimiert und muffig zu machen.

Von ganz anderem Kaliber sind die Instrumenteneingänge. Es gibt einen guten Grund, weshalb die überwiegende Zahl der E-Gitarristen ungern direkt ins Pult oder einen tontechnisch klangneutralen Vorverstärker spielen: Der Klang ist vielen oft zu rein und steril, obschon auch das ein Vorurteil ist – siehe hierzu den Test des Focusrite ISA828. Das TubeFire 8 klingt mit Sicherheit alles andere als steril. Die anscheinend speziell auf Gitarristen-Ohren abgestimmte Transistor-Stufe und natürlich die Doppeltriode sorgen für einen Sound, den genau das ausmacht, was der Röhre zugeschrieben wird: Eine eigentümliche Weichheit und Rundheit, verbunden mit einer feinfühlig über den Input-Gainregler einstellbaren Kompression. Bei Gitarren mit leistungsstarken Tonabnehmern wie der für den Test verwendeten Les Paul, wird der Klang bei voll aufgedrehter Gitarre ab Zwei-Uhr-Stellung des Input-Gainreglers hörbar mittiger und komprimierter. Positiver ausgedrückt: Der Sound wird immer fetter. Bis Zwölf-Uhr bleibt der Ton transparenter und klarer, denn jetzt sind die Höhen noch deutlicher am Klanggeschehen beteiligt. Mit den Single-Coil-Tonabnehmern einer Strat sind auch bei Zwei-Uhr-Stellung schöne Clean-Sounds mit glasig-weichen Höhen erzielbar, unabhängig vom Gitarrentyp ist der Ton in jedem Fall über die Anschlagsstärke formbar. Wir haben das selbst nicht erwartet, aber das Tube Fire 8 klingt wie ein guter alter Röhrenamp der ausschließlich Clean-Sounds liefert. Letzteres sollte bitte nicht überlesen werden, denn um einen Gitarrenverstärker handelt es sich trotzdem nicht. Overdrive oder gar High-Gain-Distortion kann, soll und will dieses Interface nicht liefern. Übrigens: Die im TubeFire 8 werkelnden chinesischen 12AX7-Röhren widerlegen die weit verbreitete Ansicht, dass rotchinesische Glaskolben analytisch-schrill klingen. Das mag wohl hin und wieder zutreffend sein, in diesem Fall aber ganz bestimmt nicht. Wer sein TubeFire 8 dennoch tunen möchte, kann das mühelos tun, denn der Röhrenwechsel geht dank guter Zu- und Eingriffsmöglichkeiten leicht von der Hand. Also, nur zu, immerhin ist das Angebot an Röhren, die klanglich auch besonders anspruchsvollen Ohren genügen, heutzutage so groß wie zuletzt vor dreißig Jahren.

Schließlich überzeugt auch die Qualität des D/A-Wandlers. Sicher, ein Gerät wie der Professional audio Magazin Referenz-Wandler, der Lynx Aurora 8, übersetzt die analogen Signale um einiges kompetenter und macht manches Detail, gerade auch in den Höhen hörbar, die der des TubeFire 8 unterschlägt. Aber dafür kostet der Aurora 8 als reiner Wandler ohne Mikrofon und Instrumenten-Eingänge gut viermal so viel. Das TubeFire 8 verdient sich somit sowohl absolut als auch unter Kosten-Aspekten durchweg gute Noten.

Fazit

Das TubeFire 8 bietet dank seiner ausgefuchsten Hybrid-Schaltung echten Retro-Röhren-Klang in achtfacher Ausfertigung. Dank seiner praxisgerechten Ausstattung und seiner Musikalität ist dieses Interface ein ganz heißer Tipp für alle, die ihre DAW-Projekte ohne viel Aufwand und noch dazu für kleines Geld analog im besten Sinne klingen lassen möchten.

Erschienen in Ausgabe 02/2008

Preisklasse: Mittelklasse
Preis: 859 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: gut – sehr gut