Zauberkasten

Auf der NAMM 2015 sorgte Arturia mit einer kleinen, schicken Box für viel Wirbel. Dann war erst mal Pause. Jetzt ist das AudioFuse, das erste Interface des Software- und Controller-Spezialisten, endlich lieferbar. Das Warten hat sich gelohnt.

Von Christian Stede

In der Vergangenheit hatte sich Arturia in erster Linie mit Instrumenten-Plug-ins und Midi-Controllern einen Namen gemacht. Inzwischen gehören allerdings auch eigenständige Hardware-Synthesizer zum Produktportfolio der Franzosen. Und nun wagt man sich abermals auf neues Terrain und präsentiert das erste Audio-Interface der Firmengeschichte: das AudioFuse, das wegen seines kompakten Formates sowohl im Studio als auch bei Aufnahmen unterwegs eine äußerst gute Figur machen soll. Trotz kompakter Abmessungen spendierten die Entwickler dem AudioFuse eine Vielfalt und Vielzahl von Anschlüssen, um eine möglichst große Bandbreite von Verwendungsmöglichkeiten abzudecken. Neben zwei Mikrofon-/Instrumenteneingängen gibt es zwei weitere analoge Line-Eingänge und einen Phono-Anschluss, sogar eine komplette ADAT-Schnittstelle ist mit an Bord. Da die Stromversorgung auch rein über USB erfolgen kann, kommen auch Field Recorder mit dem AudioFuse auf ihre Kosten.

Äußeres

Schon bei der ersten Ankündigung auf der NAMM-Show vor zwei Jahren hat das AudioFuse allein mit hochwertiger Optik und Verarbeitungsqualität sowie intuitiver Haptik viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Daran hat sich bis heute nichts geändert, im Gegenteil. Besitzer eines Mac-Mini werden beim Auspacken des Edelteils ein gewisses Déjà-Vu verspüren, denn die Ähnlichkeit ist verblüffend. Eine Gehäuseabdeckung gehört übrigens zum Lieferumfang und soll die Reglereinheit im Outdoorbetrieb vor Beschädigungen schützen. Doch trotz des schönen Designs gibt sich das Audio Fuse nicht als Mimose. Ganz im Gegenteil: Das Metallgehäuse, auf seiner Unterseite mit einem gummierten Boden als Rutschsicherung versehen, wirkt mit den edlen Drehreglern aus Metall sehr robust und verspricht lange Zeit viel Freude.

Auf der Gehäuseoberseite befinden sich neben den Drehreglern noch jeweils vier hintergrundbeleuchtete Taster für die beiden Eingangskanäle 1 und 2, mit denen sich unter anderem eine 48V-Phantomspeisung für Kondensatormikrofone zuschalten lässt. Daneben gibt eine LED-Kette Aufschluss über die Stärke des Eingangssignals beider Kanäle. Die anderen Taster dienen hauptsächlich dazu, den Signalfluss zu routen. Das meiste lässt sich dabei hardwareseitig erledigen, für einige wenige zusätzliche Funktionen muss man auf das „Control Center“ zurückgreifen, ein Programm, das AudioFuse-Käufer kostenlos auf der Arturia-Seite herunterladen können und das auch die Treiber enthält.

An der Vorderfront finden sich die beiden voneinander unabhängigen Kopfhörerausgänge (3,5 und 6,3mm-Buchse) sowie individuelle Drehregler für die Lautstärke. Daneben liegen die Eingänge 1 und 2, als XLR-/Klinke-Kombination. Auf der Rückseite finden sich die Eingänge 3 und 4 sowie Insert 1/2 und die (Aktivlautsprecher-) Ausgänge A und B (als Stereopaar), alles als 6,3mm-Klinke. Wahlweise kann man auch über Cinch einen Plattenspieler anschließen, die AudioFuse verfügt nämlich über einen eingebauten Phono-Vorverstärker. Auch mit digitalen Ein-/Ausgängen geizt das AudioFuse nicht, neben ADAT-in/-out bietet es ein S/PDIF- sowie ein WordClock-Port. Mit den mitgelieferten Adaptern kann man auch Midi-Equipment anschließen, um mit dem AudioFuse Software-Synthesizer anzusteuern. Zur Verbindung mit dem Computer wird ein spezielles USB-Kabel mitgeliefert, der Anschluss am Rechner belegt zwei Ports. Diese müssen jedoch nicht unbedingt nebeneinander liegen, das Kabel ist nämlich so gestaltet, dass an Laptops auch zwei Anschlüsse an gegenüberliegenden Gehäuseseiten genutzt werden können. Um die die Anschlussmöglichkeiten für weitere Peripheriegeräte muss man sich allerdings keine Sorgen machen, denn das AudioFuse bietet an seiner Rückseite einen 3-fach USB-Hub. Diese Anschlussvielfalt lässt manch größeres (und teureres) Gerät vor Neid erblassen. Die übersichtliche Anordnung der Anschlüsse erlaubt zudem ein höchst flexibles Routing der Signale.

Bedienung

Das auffälligste und wichtigste Steuerungselement des AudioFuse ist der zentrale Drehregler, mit dem die Lautstärke des Main-Outputs eingestellt wird. Die grünen LEDs, die den Regler kreisförmig umgeben, zeigen dabei die jeweilige Stellung an. Welche Signale am Main-Ausgang anliegen, lässt sich mit Hilfe der schwarzen Drucktasten wie auch mittels der Control Center-Software einstellen. So lassen sich wahlweise die Eingänge 1 und/oder 2 zuschalten, die Pegel dieser beiden Kanäle stellt man mit den kleineren Reglern ein. Per Drehrad oben rechts kann man den Anteil von Monitor- und Playbacksignal justieren, wobei der Regler wie ein Crossfader wirkt. Als zusätzliches benutzerfreundliches Feature dient der hintergrundbeleuchtete Knopf mit dem Arturia-Logo oben links, denn mit diesem lässt sich jederzeit die Control Center-Software auf den Vordergrund des Desktops holen. Zusätzlich verfügt das AudioFuse wie gesagt über die beiden Lautstärkeregler für die Kopfhörerausgänge 1 und 2.

Arturia AudioFuse

In der Control Center-Software gibt es noch zusätzliche Routingoptionen. In der unteren Zeile werden die Pegel der digitalen Kanäle eingestellt.

Per Drucktaster lässt sich bei den Inputs 1 und 2 eine 48V-Phantomspeisung zuschalten, des weiteren gibt es einen „Phase Invert“-Taster, eine mögliche Absenkung des Signals um -20dB sowie einen Hi-Z-Modus für Instrumente. Eine Änderung in der Beleuchtung gibt Aufschluss darüber, welche Taste gerade aktiv ist.

Startet man eine DAW auf dem Rechner, stellt das AudioFuse theoretisch bis zu sechs analoge Eingänge zum Aufnehmen zur Verfügung, die den physischen Eingängen auf dem Gerät entsprechen. In Wahrheit sind aber nur vier Kanäle praktisch nutzbar, denn die Kanäle 5 und 6 sind dem eingebauten Talkback-Mikrofon fest zugewiesen. Darüber kann der Produzent wie üblich Anweisungen an die Musiker geben. Dieses Mikrofonsignal wird wahlweise über den Speaker-Output oder die Kopfhörer ausgegeben und kann auch per Software aufgezeichnet werden, ist allerdings aufgrund des starken Rauschens nicht für Gesangsaufnahmen tauglich. Bei angeschlossenem digitalem Equipment erweitert sich die Anzahl der Inputs sogar auf 14 beziehungsweise 12, weil dann die acht ADAT-Spuren noch dazukommen. Die Aussteuerung der digitalen Kanäle nimmt man ausschließlich über das Control Center vor.

Bei den Ausgängen verhält es sich ähnlich, auch hier stehen sechs analoge Ausgänge zur Verfügung, nämlich der Main-Output sowie die beiden Stereopaare Cue 1 und 2, zusätzlich dazu noch die beiden S/PDIF- respektive die acht ADAT-Kanäle. Dabei kann es anfangs etwas irritieren, dass die Software die Kanäle Output 3/4 und 5/6 nennt, während sie auf dem Interface Cue 1 und 2 heißen.

Die drei Stereo-Ausgangsbusse (Main, Cue 1, Cue 2) wiederum können flexibel geroutet werden. Das heißt, man kann sie den beiden Lautsprecherausgängen A und B und den Kopfhörerbuchsen 1 und 2 frei zuweisen. Das kann in der Praxis beispielsweise so aussehen, dass im Softwaresequencer eine Instrumentengruppe über den Cue 1-Bus wiedergegeben wird und die Rhythmussektion über den Bus 2. Diese lassen sich dann separat voneinander monitoren und abmischen, während man zwischendurch per Kopfhörer das Summensignal kontrollieren kann. Denn anders als bei den Kopfhörerausgängen lassen sich die Kanäle Speaker A und B nicht parallel betreiben. Allerdings kann es in bestimmten Studio-Setups auch hilfreich sein, das Signal abwechselnd über zwei unterschiedliche Monitorpaare zu schicken.

Das AudioFuse wartet noch mit einem weiteren Feature auf, das über die Ausstattung vieler anderer Interfaces der Preisklasse hinausgeht und besonders die Gitarristen freuen wird. Dabei handelt es sich um die „Reamping“-Funktion. Der Clou: Wenn das Rohsignal einer Gitarre aufgenommen wird, lässt sich mit „Reamping“ die Impedanz des zweiten Lautsprecherausgangs so anpassen, dass man ihn direkt mit dem Eingang eines Gitarrenverstärkers verbinden kann. So kann man den Take in einem Loop laufen lassen und währenddessen an den Einstellungen des Amps und den Effektgeräten auf dem Pedalboard hantieren, bis der perfekte Sound gefunden ist.

Das Unibody-Metallgehäuse wird während des Betriebs etwas mehr als handwarm, dient also gleichzeitig als großflächiger Kühlkörper. Auch das Flackern der Hintergrundbeleuchtung bei angeschlossenem Netzteil ist auffällig, insbesondere dann, wenn die Levelmeter ausschlagen. Arturia hat diesbezüglich bereits ein Firmware-Update angekündigt, das diesen Effekt deutlich mindern soll. Schließt man das Interface per USB an, tritt dieses Flackern nicht auf.

Messwerte

Dass das Innenleben des AudioFuse der hochwertigen äußeren Erscheinung entspricht, hat sich bei den Messungen bestätigt. Der Geräuschspannungsabstand von 90,9 dBu (Mikrofon) beziehungsweise 92,4 dBu (Line) ist ein klarer Beleg für die hohe Qualität der Bauteile. Der Fremdspannungsabstand beträgt 82,9 dBu (Mikrofon) und 80,5 dBu (Line, alle Werte bezogen auf +4dBu). Der Frequenzgang beider Eingänge ist absolut linear (siehe Grafik).

In Sachen Empfindlichkeitsbereich lassen die gemessenen -58,6 dBu für die Mikrofoneingänge ebenfalls keine Wünsche offen, die Pad-Schaltung für Line-Pegel reduziert den Wert genau um 20 dB. Die maximalen Eingangspegel liegen bei -14,3 dBu (Mikrofon) und -4,5 dBu (Line). Als maximalen Ausgangspegel weist das AudioFuse stattliche -4,8 dBu auf.

AudioFuse im Praxiseinsatz

Das AudioFuse kam während unseres ausführlichen Tests in den unterschiedlichsten Anwendungen zum Einsatz, sowohl was die Hardware- als auch die Software betrifft. Wir betrieben sie nicht nur an dem von uns in Ausgabe 6/2017 getesteten extrem potenten Referenz-Rechner von Digital Audionetworx, sondern auch an einem schon 3 Jahre alten Sony VAIO-Notebook mit 2,5 GHz Dual-Core-Prozessor. Selbst bei diesem Setup war der gleichzeitige Betrieb von 48 Spuren mit teilweise sehr rechenintensiven Plug-ins möglich. Hier macht sich das von Arturia verfolgte Konzept des „class compliant“ USB-Anschlusses bezahlt. Dazu zählt neben der Unterstützung älterer Rechner auch der Verzicht auf lästige Treiberubdates. Das erklärt auch, dass sowohl im Handbuch wie auf der Arturia-Internetseite keine Systemanforderungen zu finden sind. Für die Installation des „Control Center“ gibt der Hersteller zwar Windows 7 beziehungsweise OS 10.8+ an. Einschränkungen bezüglich der Prozessorleistung sucht man freilich vergebens.

In der Praxis zeigte sich immer wieder: Das Handling des AudioFuse ist denkbar einfach, da man sofort sehen kann, auf welche Parameter man zugreift. Die Oberfläche des Control Centers ist sehr übersichtlich und dürfte niemanden vor ernsthafte Probleme stellen.

Das Interface wurde für Musiker unterschiedlichster Couleur konzipiert und diese werden mit dem AudioFuse auch garantiert auf ihre Kosten kommen. Stilistische Einschränkungen konnten wir im Praxistest nicht feststellen. Die Mikrofonvorverstärker sind praxisgerecht ausgelegt und zeigen klanglich ein sehr hohes Niveau. Die enorme Detailtreue beispielsweise, die das WeissKlang V13 bereits im Test in Ausgabe 7/2017 bei Klavieraufnahmen unter Beweis gestellt hatte, arbeiteten die AudioFuse-Micamps in Kombination mit den nachgeschalteten Wandlern sauberst heraus und gefielen durch ein exzellentes Impulsverhalten. Auch bei der Mikrofonierung von Gitarrenamps bei hohem Schalldruck kamen die Wandler nicht ins Schleudern. Die Wiedergabe der Obertöne blieb stets klar und rein und zeigten keinerlei Härten.

Hip-Hop-Beats aus Steinbergs „Groove Machine“ werden ebenfalls schön knackig wiedergegeben. Spielt man dazu einen funkigen Begleitrhythmus auf der Gitarre ein, landen die Schläge dank der immens schnellen Reaktionszeit des AudioFuse da, wo sie sein sollen. Hierbei ist es auch eine ungemeine Erleichterung, dass der Eingangspegel direkt auf dem Gerät ausgesteuert werden kann und man nicht erst das Mixer-Fenster der DAW bemühen muss.

Fazit

Mit dem AudioFuse ist Arturia ein Audio-Interface gelungen, das auf ganzer Linie überzeugen kann. Hervorragender Klang, vielfältige Einsatzmöglichkeiten, intuitive Bedienung und eine Verarbeitung, die in der Preisklasse ihresgleichen sucht.

 Erschienen in Professional audio 08/2017