Charakterstarke Rothaut

Focusrite präsentiert mit der Scarlett-Serie eine neue Reihe von USB-Audio-Interfaces, die bei kleinem Verkaufspreis großes in Sachen Klang und Features bieten wollen. Ob dies zutrifft und der Hersteller nicht zuviel versprochen hat, haben wir am Modell 8i6 in altbewährter Art und Weise nachgeprüft.

Von Georg Berger

Der Hype um die Firewire-Schnittstelle scheint so langsam aber sicher sein Ende gefunden zu haben. Immer mehr Hersteller wenden sich (wieder) USB zu und bringen verstärkt neue Audio-Interfaces auf den Markt mit ebenjener Schnittstelle. Focusrite steht dem in nichts nach und stellt seiner Saffire Firewire-Serie jetzt das USB-Pendant in Form der Scarlett-Reihe zur Seite. Drei Modelle stehen zurzeit zur Auswahl: Das rund 340 Euro teure Scarlett 18i6 markiert dabei die Obergrenze in Sachen Ausstattung und wartet mit acht analogen Eingängen, zwei analogen Ausgängen, ADAT-Eingang, coaxialem S/PDIF-I/O, Kopfhörer-Anschluss sowie MIDI in und out auf. Mit dem rund 160 Euro kostenden Modell Scarlett 2i2 rundet der Hersteller die Serie nach unten ab. Es verfügt ganz schnörkellos über jeweils zwei analoge Ein- und Ausgänge plus Kopfhörer-Anschluss und verzichtet auf die oben erwähnten Extras des Top-Modells. Unser Testkandidat, das knapp 280 Euro kostende Scarlett 8i6 ist quasi das Bindeglied zwischen den beiden zuvor erwähnten Interfaces und besitzt jeweils vier analoge Ein- und Ausgänge, coaxiale S/PDIF- und MIDI-Schnittstellen sowie einen Kopfhörer-Anschluss. Auffällig: Jedes Modell wartet mit zwei Mikrofon-Verstärkern auf, die hinter den frontseitig eingelassenen Combo-Buchsen werkeln.

Die Verstärker-Schaltung sowie eine Reihe weiterer Features sind dabei den Saffire-Interfaces entlehnt, die seinerzeit im Test einen sehr guten Eindruck hinterließen und Großes hoffen lassen für die sehr kostengünstigen Scarlett-Modelle (Tests in den Heften 2, 7 und 11/2009). Das Preis-Leistungs-Verhältnis verbessert sich dabei nochmals durch die im Lieferumfang enthaltene Software. So findet sich mit der Version Ableton Live 8 LE eine abgespeckte Version des beliebten Sequenzers, die virtuelle Umsetzung der Novation Bass-Station sowie eine knapp ein Gigabyte große Loop-Sammlung der Hersteller Loopmasters und Mike the Drummer. Der Clou: Ebenso wie bei den Saffire-Modellen hat sich Focusrite auch bei seinen USB-Interfaces nicht lumpen lassen und dem Scarlett 8i6 die sogenannte Focusrite Plug-in Suite, bestehend aus Kompressor, Equalizer, Noise Gate und Reverb beigelegt. Im Vergleich zu den Saffire-Plug-ins punkten die Scarlett-Varianten dabei mit einer aufgehübschten, in rot und silber gehaltenen Vintage-Bedienoberfläche. Das übrigens auch separat für etwa 70 Euro erhältliche Bundle setzt sich in Sachen Klang und Regelverhalten markant in Szene, es kann sich souverän als flexibel und sehr gut klingendes Sounddesign-Werkzeug behaupten, was den Mehrwert des Scarlett 8i6 nochmals vergrößert (siehe dazu den Test des Saffire Pro 40 in Heft 2/2009). Doch genug der Vorrede, schauen wir uns das Scarlett 8i6 einmal näher an. Mit seiner scharlachroten Frontplatte sticht das Scarlett 8i6 aus dem Einheits-Schwarz des Großteils aller Studio-Peripherie schon einmal deutlich heraus. Damit erinnert es an die schon legendär zu nennende Red-Serie mit ihren Highend-Studio-Prozessoren, aber auch an die aktuelle Rednet-Modellreihe. Jedenfalls setzt der Hersteller damit einen eindeutigen Akzent. Das aus stabilem Blech bestehende Desktop-Gehäuse nimmt die Dimensionen eines halben 19-Zoll-Geräts mit einer Höheneinheit ein. Entsprechende Winkel zur Montage ins Rack sind jedoch nicht im Lieferumfang enthalten und auch nicht vorgesehen. Die Frontplatte zeigt sich übersichtlich und schnörkellos ausgestattet, was gerade Recording-Einsteigern in die Hände spielt. Wie erwähnt finden sich dort die beiden Combo-Buchsen zum Anschluss von Mikrofonen oder Geräten mit Line-Pegel. Beide Buchsen können per Software-Steuerung auch separat auf Hi-Z-Empfindlichkeit umgeschaltet werden, um auch elektrische Instrumente dort anschließen zu können. Rot leuchtende LEDs informieren dabei über den aktiven Hi-Z-Status. Die Phantomspannung ist hingegen nur für beide Eingänge gemeinsam per frontseitigem Taster aktivierbar. Rechts von den Buchsen finden sich zwei Potis zum Regulieren der Eingangsverstärkung. Zwei beigeordnete LEDs pro Regler informieren knapp und zuverlässig über anliegende Pegel, respektive Clippings. Der Monitor-Regler nimmt Einfluss auf die Ausgangs-Lautstärke der Analog-Ausgänge 1 und 2. Drei grün leuchtende Status-LEDs geben schließlich Auskunft über den Betriebsstatus und ob sich das Scarlett 8i6 erfolgreich per USB mit dem Rechner verbunden hat. Die erwähnte Kopfhörer-Buchse nebst eigenem Lautstärke-Regler beschließt den Reigen an Einstellmöglichkeiten. Die Rückseite wartet mit zwei weiteren Analog-Eingängen zur Aufnahme von Line-Signalen – per Software-Steuerung umschaltbar zwischen Empfindlichkeiten von +16 dBu oder -10 dBV bezogen auf 0 dBFS –  sowie vier Analog-Ausgängen auf, die sämtlich als servosymmetrische Klinken-Buchsen ausgelegt sind. Besonderheit: Die Ausgänge 3 und 4 führen automatisch immer auch das Signal am Kopfhörer und werden auch vom entsprechenden Regler in der Lautstärke kontrolliert. Das ist zwar ökonomisch gedacht und findet sich in der Art auch bei anderen Interfaces. Allerdings schränkt diese Lösung die Einsatzmöglichkeiten dennoch ein wenig ein.

Doch zurück zu den weiteren Anschlüssen auf der Rückseite: Zu den Analog-Anschlüssen gesellen sich je ein Pärchen MIDI- und coaxialer Cinch-Buchsen zum Senden und Empfangen der entsprechenden Signale, der USB- sowie ein Netzgeräte-Anschluss. Ein USB-powered-Modus ist übrigens nicht möglich. Der Einsatz des Netzgeräts ist also in jedem Falle erforderlich, um das Scarlett 8i6 einsetzen zu können. Ein Manko in Bezug auf den mobilen Einsatz stellt dies jedoch in unseren Augen nicht dar. Denn mal Hand aufs Herz: Wer Aufnahmen on location machen will hat entweder Strom zur Verfügung oder greift zu einer dezidierten Field-Recording-Lösung. Last but not Least ist das Scarlett 8i6 in der Lage, Signale mit den üblichen Sample- und Bitraten bis hinauf 24 Bit und 96 Kilohertz wandeln zu können. Doch damit dies geschieht ist wie üblich die Installation von Software erforderlich. Dabei wird außer dem Treiber auch die sogenannte Mix-Control-Software installiert, eine virtuelle Mix- und Routing-Umgebung zum Einstellen des per DSP berechneten on-Board-Mixers. Das Layout, die Bedienung und Ausstattung der Control-Software sind übrigens identisch zu den Pendants der Saffire-Modelle. Einsteiger werden zwar angesichts der Opulenz an einstellbaren Möglichkeiten anfangs erschlagen. Doch einmal verstanden spielt die Mix-Control-Umgebung eindrucksvoll auf und entpuppt sich als mächtiges Tool rund um das Mixen, Routen und Abhören von Signalen. Drei Stereo-, respektive sechs Mono-Mixe sind realisierbar, wobei sich pro Mix 18 Channelstrips einstellen lassen. Zur Auswahl stehen die analogen und digitalen Eingangs-Signale am Interface. Dazu gesellen sich zwölf virtuelle Mono-DAW-Kanäle, die sich aus den Ausgangs-Signalen des Hosts zusammensetzen. Die Channelstrips arbeiten prefader, wobei die analogen und digitalen Eingangssignale ohne Umweg direkt zur DAW geleitet werden. Die Kanalzüge warten mit den üblichen Einstellmöglichkeiten auf, Zuweisungen der Eingänge auf die Strips sind bequem per Klick und Ausklapp-Liste erstellt. Unterhalb des Mixer-Dialogs findet sich schließlich eine Routing- und Monitor-Sektion sowie Optionen zum Definieren globaler Settings wie etwa der Samplerate oder in Windows-Systemen der Latenzzeit. Die Monitoring-Sektion offeriert übliche Funktionen wie Lautstärke-Kontrolle, Dim und Mute, wobei sich lediglich die analogen Ausgänge steuern lassen. Die resultierende Lautstärke wird dabei übrigens über die Monitor- und Phones-Regler am Interface eingestellt. Schade ist, dass sich zumindest diese Funktionen nicht per MIDI-Controller fernsteuern lassen, was wir bereits im Test des Saffire Pro 40 bemängelt haben. Das Routing-Feld erlaubt schließlich sämtliche Eingangs-,  DAW-Kanäle und auch die Mixe der Control-Software per Ausklapp-Liste auf die Hardware-Ausgänge des Scarlett 8i6 zu routen. Wer mag, kann beispielsweise unterschiedliche DAW-Ausgänge auf die Analog-Ausgänge legen oder die Eingangs-Signale direkt auf den Haupt-Ausgang routen. Je nach Bedarf lässt sich etwa ein Mix für den Regieraum, ein weiterer für einen angeschlossenen Kopfhörer-Verstärker und ein dritter Mix für die Aufnahme auf einen externen Recorder erstellen. Den Clou markieren die beiden Loopback-Kanäle. Sie erlauben auf virtueller Ebene das Routing zwischen zwei verschiedenen Anwendungen. In der Praxis stellt dieses Feature die Möglichkeit bereit, einen Mix in der Control-Software zu erstellen, der anschließend simultan auf zwei unterschiedliche DAW-Kanäle zurückgeschickt und sich im Host aufnehmen lässt. Der Einsatz dieser Kanäle sollte mit Bedacht erfolgen, denn Feedback-Schleifen sind bei unachtsamem Gebrauch leicht erzeugt. Einsteiger sollten in jedem Falle zunächst die per Button bereitgestellten Routing-Presets nutzen, die Szenarien für die Aufnahme, den Mix und das Abhören von Signalen bereitstellen. Die Tests im Messlabor von Professional audio schließt das Scarlett 8i6 mit guten bis sehr guten Noten ab, wobei sich die Ergebnisse auffälligerweise zumeist mit den Messungen des Saffire Pro 40 decken.

Die FFT-Spektren von Line- und Instrumenten-Eingängen zeigen Noisefloors unterhalb -100 Dezibel, was exzellent ist. Die gleiche Messung an den Mikrofon-Eingängen zeigt einen rund zehn Dezibel höheren Noisefloor, was jedoch immer noch sehr gut ist. Fremd- und Geräuschsspannungen sind ebenfalls erstklassig, die zumeist Werte besser als -82 Dezibel liefern (siehe Steckbrief). Damit ist das Scarlett im direkten Vergleich zum Saffire Pro 40 jedoch um wenige Dezibel schlechter. Gleichstand herrscht jedoch in Sachen Klirrfaktor: Hier wie dort zeigt sich ein konstanter Kurvenverlauf bei immer noch sehr guten 0,03 Prozent. Die Messung der Gleichtaktunterdrückung liefert ein insgesamt gutes Ergebnis: Die Kurve verläuft im relevanten Bereich bei -70 Dezibel und steigt zumindest in einem Kanal zum Bass hin auf -55 Dezibel an. Die Wandlerlinearität ist ebenfalls ordentlich, wobei sich erste Unlinearitäten ab -110 Dezibel zeigen. In Sachen Verstärkungsreserven liefert das Scarlett 8i6 an den Mikrofon-Eingängen gerade einmal -49,2 Dezibel, was wiederum fast deckungsgleich zum Saffire Pro 40 ausfällt. Beim Einsatz von Kondensator-Mikrofonen sollte es damit zwar keinerlei Probleme geben. Doch beim Anschluss von dynamischen und Bändchen-Mikrofonen könnten die Vorverstärker an ihre Grenzen stoßen. Im Hör- und Praxistest zeigen sich wiederum Parallelen zu den Firewire-Pendants aus gleichem Hause. So gerät das Einpegeln von Signalen auch im Scarlett 8i6 zu einer fummeligen Angelegenheit, wobei sich relevante Pegeländerungen bei Einsatz von Mikrofonen erst nach Zweidritteln des Regelwegs bemerkbar machen. Dies hatten wir seinerzeit auch schon am Saffire Pro 40 bemängelt. Auffällig ist jedoch, dass das Einpegeln von Line- und Instrumenten-Signalen hingegen deutlich besser gelingt. In Sachen Latenz gibt es während des Praxistests nichts zu meckern. Einstellungen bis hinab zwei Millisekunden sind realisierbar, was für ein latenzfreies Aufnehmen mehr als ausreichend ist. Im Hörtest tritt das Scarlett 8i6 gegen unsere Oberklasse-Referenz, das RME Fireface 400 an. In Sachen Grundsound ist das 8i6 durchaus der Transparenz verpflichtet. Ganz gleich ob elektrische Instrumente oder Mikrofon-Signale gewandelt werden sollen, der Klang wird stets detailliert nach oben hin aufgelöst. Erst im direkten Vergleich mit dem Fireface 400 treten schließlich Unterschiede auf, wobei einmal mehr das Focusrite-Interface mit einer leichten Dominanz im unteren Mittenbereich aufwartet, einhergehend mit einer merkbar stärkeren Vordergründigkeit der aufgenommenen Signale. In Folge dessen klingen die Scarlett-Aufnahmen nicht in gleichem Maße dreidimensional wie im RME-Interface. Letztlich ist das jedoch kein Makel, denn die Aufnahmen des Scarlett 8i6 besitzen einen durchweg ohrenschmeichelnden, schön färbenden Anstrich, der ästhetisch durchaus zu gefallen weiß. Mit diesen Qualitäten dürfte es auch dem Scarlett 8i6 leicht fallen, künftig eine Vielzahl von Liebhabern um sich zu scharen.

Fazit

Focusrite punktet mit dem Scarlett 8i6 künftig auch im Marktsegment der USB-Audio-Interfaces. Dabei haben es die Entwickler geschafft, sehr viele der guten, aber auch ein paar weniger gute Gene der Saffire-Firewire-Serie erfolgreich auf die USB-Ebene zu portieren, wobei in Sachen Klang keine Abstriche zu verzeichnen sind. Durch die schnörkellose Ausstattung der Hardware, das umfangreiche Software-Paket sowie den sehr günstigen Verkaufspreis ist das 8i6-Modell eine unbedingte Empfehlung für Recording-Einsteiger, die sich jedoch der Herausforderung im Umgang mit der Mix-Control-Software stellen müssen. Homerecordler, die dem Einsteiger-Status entwachsen sind und auf die nächst höhere Klasse upgraden wollen und preisbewußte Anwender, die auf USB umsteigen wollen, sollten sich das Scarlett 8i6 ebenfalls einmal näher anschauen.

Erschienen in Ausgabe 03/2012

Preisklasse: Mittelklasse
Preis: 279 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut