Das Einhorn rockt – MOTU 828es
Mittlerweile ist das einstige Firmenemblem von MOTU, das Einhorn, zwar nicht mehr Teil des Markenauftritts. Doch die ursprüngliche Philosophie dieses Herstellers hochwertiger Interfaces ist dieselbe geblieben. Wie das neue 828es die Herzen höher schlagen lassen kann, hat unser Test gezeigt.
Von Christian Stede
Motu ist bekannt für ein üppiges Produktportfolio, zu dem neben Midi- und Audio-Interfaces übrigens auch die DAW „Digital Performer“ Software zählt. Nun bringt der renommierte Hersteller aus den USA ein neues USB-Interface auf den Markt, das preislich etwas oberhalb der 1000 Euro-Grenze rangiert, was schon auf den ersten Blick angesichts der üppigen Ausstattung moderat wirkt. Denn zum Lieferumfang gehört auch ein umfangreiches Softwarepaket: Die Steuerungssoftware Pro Audio Setup, die Recording-Anwendung Audio Deskund eine kleine aber feine Sammlung von Audio Tools.
Die Systemvoraussetzungen sind im Vergleich zu den Möglichkeiten, die das virtuelle Mischpult bietet, relativ einfach: Lediglich ein Pentium-Prozessor mit einer Taktfrequenz von mindestens 1 Ghz sowie ein Arbeitsspeicher von 2GB werden verlangt, also können auch ältere Notebooks problemlos verwendet werden, sofern sie mindestens mit Windows 7 oder OS X 10.8 arbeiten.
An den Windows- oder Apple-Rechner schließt man das 828es wahlweise über USB oder Thunderbolt an. Will man allerdings alle Möglichkeiten des Motu, vor allem das umfangreiche Softwarebundle ausnutzen, solllte der Rechnner mindestens 8 GB RAM und einen schnellen Dual-Core Prozessor aufweisen.
Bedienung
Zwei der insgesamt zehn analogen Eingänge des 828es sind direkt auf der Gehäusevorderseite zu finden, was den Wechsel erleichtert. Die Anschlüsse sind wahlweise für Mikrofone (selbstredend mit zuschaltbarer Phantomspeisung), Line-Instrumente (die Pad-Schaltung kann den Pegel um -20dB absenken) oder Gitarren geeignet. Beide Eingänge haben zudem ihren eigenen Regler zur Pegelregulierung, der entsprechende Wert ist auf dem Display abzulesen, wobei eine Rasterung einem 1dB-Schritt entspricht. Während der Drehregler links neben dem Display der Menüsteuerung dient, stellt man mit seinem rechten Pendant den Pegel für die Abhörmonitore ein. Ferner werden auf der Frontseite noch zwei separate Kopfhörer-Ausgänge als 6,3mm Klinke angeboten, beide mit eigenem Lautstärkeregler.
Auf der Rückseite offeriert das Motu 828es weitere acht Analogeingänge, allerdings „nur“ als symmetrische TRS-6,3mm-Klinke ohne XLR-Anschluss. Auch die die acht analogen Zusatz-Ausgänge besitzen symmetrische Klinkenbuchsen. Mittels der Kontroll-Software lässt sich jedem dieser Ausgänge ein eigener Mix zuweisen, um im Studio beispielsweise damit unterschiedliche Sets von Abhörmonitoren anzusteuern. Die Audio-Main-Ausgänge sind selbstverständlich als symmetrische XLR-Klinken-Kombibuchsen ausgeführt.
Außerdem verfügt das Motu 828es, und das ist heute keine Selbstverständlichkeit mehr, über zwei ADAT- Ein-und Ausgänge und damit über 16 Kanäle. Die beiden S/PDIF-Ein/Ausgänge sind jedoch Standard in dieser Geräteklasse. Eine externe Word Clock lässt sich per BNC-Buchse anschließen, eine analoge Time Code-Schnittstelle im SMPTE-Format gibt es noch als Bonus oben drauf. Wer das 828es nicht einbauen möchte, kann die Rackohren auch abschrauben.
Die umfangreiche Ausstattung ist für ein Interface in dieser Preisklasse wirklich außergewöhnlich. Aber das war noch nicht alles: Das 828es besitzt außerdem einen Ethernet-Eingang, mit dem sich zwei (oder über einen optional erhältlichen Adapter auch mehrere) Geräte kaskadieren lassen. Schließt man dort aber das Netzwerkkabel seines heimischen WLAN-Routers an, kann man die Kontrolle über das Interface auch über iPad, iPhone oder ein Android Smartphones oder Tablets vornehmen, vorausgesetzt, die kostenlose Motu Control App ist dort installiert.

Die vielfältigen Anschlüsse lassen wirklich keine Wünsche offen. 2 komplette ADAT-Ports à 8 Spuren gehören ebenso dazu wie eine S/PDIF- und Midi-Schnittstelle
Die Kontrolle übernehmen
Beim Control Panel des 828es setzt Motu auf ein außergewöhnliches Konzept. Das Programm wird nämlich nicht eigentlich auf dem Rechner installiert, sondern steuert das Interface via Browser. Dies hat zwar den Nachteil, dass die Wartezeiten beim Umschalten zwischen den einzelnen Screens manchmal länger sind als gewohnt, aber auch einen entscheidenden Vorteil, wenn man das 828es an unterschiedlichen Rechnern benutzen möchte. Denn in diesem Fall werden die Mix-Setups im Interface selbst gespeichert und nicht im steuernden Computer. In einer anderen Studioumgebung braucht man also nichts weiter zu tun als das Interface anzuschließen, das dann per defaultdas zuletzt verwendete Szenario aufruft.
Das Setup-Programm offeriert die Möglichkeit, Samplerate und Buffer-Größe einzustellen. Das 828es unterstützt bis zu 192kHz bei 24 Bit. Auch die Kontrolle der Pegel der Eingangskanäle kann man hier übernehmen, was aber selbstredend auch am Interface selber möglich ist. Der nächste Reiter gibt den Blick auf das Routing der Ein-und Ausgänge frei. Um Audiosignale zur DAW zu leiten, stellt das 828es insgesamt 22 Kanäle zur Verfügung, als Return aus der Software stehen 20 Spuren bereit. Um die 8 analogen Ausgänge zu speisen, kann unter anderem aus 14 Aux-Kanälen und 3 zusätzlichen Subgruppen gewählt werden, für deren Konfiguration die beiden folgenden Seiten vonnöten sind. Die „Mixing“-Seite zeigt uns jeden Kanal der 828es mit dem dazugehörigen Channelstrip. Der Übersicht zuliebe können Elemente wie Spuren, die man nicht benötigt, ausgeblendet werden. Zur Bearbeitung des Signals stehen High Pass Filter, Gate, 4 Band parametrischer EQ und Kompressor zur Verfügung. Sends gibt es für alle Subgruppen und Aux-Mixe, zusätzlich dazu steht auch noch ein extra Reverb-Kanal zur Verfügung. Die Mixer-Setups lassen sich natürlich alle als Presets speichern.
Klangliche Schönheit kommt von innen
Für die im 828es verwendeten Wandler greift Motu auf die renommierte „ESS Sabre32 Ultra DAC-Technologie“ zurück, die bereits dem Interface 1248 AVB zu seiner großen Beliebtheit verholfen hat. Die 32-Bit Fließkommaverarbeitung sorgte bereits in diesem deutlich teureren Gerät für exzellenten Klang und hat nun auch in unser Testgerät Einzug gehalten. Die Jitter-Werte werden – so der Hersteller – durch die DSP-gesteuerte Engine auf einem extrem niedrigen Niveau gehalten. In unserem Messlabor sollte sich zeigen, dass Motu mit diesen Vorschusslorbeeren keineswegs zu viel versprochen hat. Die Empfindlichkeitsbereiche der beiden Fronteingänge betragen -64,8 bis -2,3dBu (Mic) und -45,0 bis +30dBu (Line). Die Übersteuerungsreserve von -3,8dBu (Mic) und +30dBu (Line) lässt mehr als genügend Spielraum für unvorhergesehene Pegelspitzen. Die Geräuschspannungsabstände von 91,1 dBu (Mic) und 105,3 dBu (Line, jeweils bezogen auf +4dBu) sind überragend gut und findet man sonst bei Geräten dieser Preisklasse so gut wie gar nicht.
Beeindruckender Klang
Um die Klangqualität der Mikrofonvorverstärker zu testen, haben wir zunächst das Earthworks PM40 mit dem 828es verbunden. Je nach Rechner sind Korrekturen am Sample-Buffer vorzunehmen, um Knackser zu vermeiden. Während unser Referenzrechner von Audioworx auch mit der kleinsten Buffergröße von 64 arbeiten konnte, mussten wir an unserem Alternativrechner mit 1,8 Ghz Pentium-Prozessor diese auf 512 erhöhen. Die Audioaufnahmen wurden mit der Motu Recording-Software „Audio Desk“ vorgenommen, die auf der Internetseite des Herstellers kostenlos verfügbar ist. Die klangliche Transparenz des Earthworks kam in den Aufnahmen wunderbar rüber. Das Obertonspektrum des Fazioli F 228 mit seiner auf Quinten und Oktaven abgestimmten Duplexskala brach nicht irgendwo ab, sondern wurde in seiner gesamten Breite erfasst.
Auch weibliche Gesangsstimme fingen die Wandler ohne jegliche Spur von digitaler Kälte ein, selbst mit dem vergleichsweise günstigen Großmembrankondensator-Mikrofon AT-2035 von Audio-Technica entstanden atmosphärisch dichte Aufnahmen. Die Channel-Strips des Audio Setup ermöglichten es, dem Mix noch etwas mehr an Tiefenstaffelung zu verleihen. Einziges Manko ist vielleicht nur, dass der Kompressor im Channel Strip keine Side Chain-Eingänge besitzt, aber angesichts des tollen Klanges ist das Jammern auf hohem Niveau.
So gut die eingebauten Mikrofonvorverstärker von Haus aus klingen, muss man doch fairerweise sagen, dass man mit den im Earthworks-Test verwendeten Mikrofonverstärkern von Focusrite ISA One noch ein ganzes Stück weiterkommt, wenn man diese mit der Wandlersektion des 828es betreibt. Dies zeigt eindeutig, dass die eingebauten Wandler auf Sabre ESS-Basis ein Qualitäts-Niveau erreichen, das den Vergleich mit wesentlich teureren Interfaces keineswegs zu scheuen braucht.
Und wie geht das Interface mit Simulationen um? Der „Guitar Rig Pro“ von Native Instruments klingt zusammen mit dem 828es so knackig und druckvoll, dass man sein Instrument gar nicht mehr aus der Hand legen möchte, bevor man alle Presets ausprobiert hat. Sowohl verzerrte als auch cleane Klänge ließen vollends vergessen, dass man nicht über einen echten Verstärker spielt.
Synthetische Klänge aus der neuen Version von Propellerheads Reason 10 spielt das 828es ebenfalls mit einer Lässigkeit, dass man beim Kennenlernen der neuen Funktionen des Software-Sequencers seine wahre Freude hat.
Das Kreieren von hybriden Arrangements, wie dem Mischen von Aufnahmen eines echten Klaviers mit dem neuen Reason Instrument „Radical Piano“ oder denen des Clavia „Nord Lead“ Hardware-Synthesizers mit dem „Europa“ (ebenfalls ein seit Reason 10 neues Instrument) gelingt mit dem 828es problemlos.
Audio Tools runden das Bild ab
Die Audio Tools, die zusammen mit dem Treiber mitinstalliert werden, runden das eigentlich schon komplette Bild des Motu 828es noch zusätzlich ab. Man hat mit Hilfe dieser Software die Möglichkeit, das Audiosignal aus einem der 11 Stereo-Ausgänge der Software in Echtzeit zu analysieren. Dabei stehen vier unterschiedliche Ansichten zur Auswahl, wobei die gängigsten die FFT-Kurve und das Oszilloskop sein dürften. Während erste am interessantesten ist, wenn man seinen Mix von den Frequenzen her ausgeglichen gestalten möchte, kann man mit dem Oszilloskop sozusagen auch optisch nachvollziehen, wie sich Manipulationen von Wellenformen bei einem Synthesizer klanglich auswirken.
Fazit
Mit dem 828es ist MOTU ein exzellent ausgestattetes und hervorragend klingendes Interface gelungen, das die Bedürfnisse vieler anspruchsvoller Produzenten komplett abdecken dürfte. Die eingebauten Mikrofonverstärker sind sehr gut, die Qualität der Wandler ist bezogen auf die Preisklasse gar herausragend.
Erschienen in Professional audio 12/2017