Digitalpult inklusive
Mit der Virtual StudioLive-Software pflanzt Presonus der aktuellen AudioBox 1818VSL seinen digitalen Flagschiff-Mixer ein, der mit Fat-Channel, zwei Effektwegen und zahlreichen Hall- und Delay-Algorithmen ausgestattet ist. „Das kann teuer werden“, denken Sie? Nix da, das achtkanalige Interface gibt es für 548 Euro.
Von Michael Nötges
In den letzten Jahren sorgte der amerikanische Hersteller Presonus besonders mit den Digitalpulten der StudioLive-Serie für Aufsehen. Sowohl das StudioLive 16.4.2 (Test in Heft 8/2009) als auch sein großer Bruder StudioLive 24.4.2 (Test in Heft 10/2010) konnten wegen ihrer überzeugenden Usability, ihrem Klang und nicht zuletzt ob des durchdachten Gesamtkonzepts und der implementierten Virtual StudioLive-Software punkten. Eigentlich in erster Linie als Remote- und Editor-Software für die Digitalpulte gedacht, spendiert der Hersteller jetzt das virtuelle Mischpult den Produkten der AudioBox-Serie und etabliert so einen vielseitigen DSP-gestützten Monitor-Mixer in den USB-Audio-Interfaces der neuen Generation. Die AudioBox 1818VSL ist dabei mit acht Eingangskanälen neben der AudioBox 44VSL und dem 22er-Küken der Platzhirsch der aktuellen Serie, die zur Winter-NAMM 2012 in Anaheim vorgestellt wurden. Das hört sich viel versprechend an, weswegen Professional audio gleich ein Testgerät in die Redaktion zitiert hat. Presonus setzt bei der AudioBox 1818VSL auf seine XMAX-Class-A-Preamps (Die XMAX-Preamps sind diskret aufgebaute Class-A-Vorverstärker, weswegen ihnen der Hersteller hohe Transparenz, geringes Rauschen, und eine offene verfärbungsfreie Verstärkung attestiert, die zudem wegen der nicht vorhandenen Übernahmeverzerrungen musikalischere Ergebnisse als A/B-Preamps liefern sollen. Zudem schwört Presonus auf eine „High-Voltage“-Stromversorgung von 30 Volt (10 bis 18 sind üblich), die – so der Hersteller – zu mehr Headroom und einem verbesserten Gesamtsound beitragen.), die auch im Firestudio Project (Test in Heft 4/2008) und den Digitalpulten zum Einsatz kommen und klanglich bislang zu überzeugen wussten. Zwei der analogen Eingänge dienen zusätzlich als Hi-Z-Instrumenten-Inputs die anderen sechs als Line-Alternativen. Die AudioBox 1818VSL hat insgesamt zehn analoge Ausgänge und zusätzlich eine ADAT- und S/PDIF-Schnittstelle was summa summarum zu je 18 gleichzeitig zur Verfügung stehenden Ein- und Ausgängen führt. Der VSL-Mixer erweitert dieses Angebot intern noch mit weiteren acht Streams aus der DAW, was zu insgesamt 26 zu verarbeitenden Eingangs- und 18 Ausgangssignalen im virtuellen Mixer führt. Als USB-Audio-Interface erlaubt die AudioBox 1818VSL Samplingraten von bis zu 96 Kilohertz bei einer Wortbreite von 16 oder 24 Bit. Allerdings muss bei 88,2 und 96 Kilohertz auf vier ADAT-Datenströme verzichtet werden, die beim Sample-Multiplexing (S/MUX-Protokoll) auf der Strecke bleiben. Im Lieferumfang enthalten sind neben Quickstart-Guide, USB-Kabel und externem Netzteil eine Treiber-CD und eine Vollversion der eigenen Musik-Produktions-Software Studio One. Optisch folgt die AudioBox 1818VSL dem ehemaligen Spitzenmodell Firestudio, bloß ist die blau-silberne Farbgebung invertiert: Das widerstandsfähige Stahlgehäuse hat jetzt eine Blaumetallic -Frontplatte – vorher silber mit blauen Reglern – mit fein gerasteten, griffigen Pegelstellern in schmuckem Silber-Look. Das hohe Qualitätsniveau der acht, versetzt angeordneten Eingangspegelsteller sticht unmittelbar in die Fingerspitzen. Komfort und Präzision wird hier auf engstem Raum großgeschrieben. Weiße Skalenringe, die um die Drehregler auf dem Gehäuse markiert sind, helfen bei der Pegel-Orientierung und konstatierten die jeweilige Gain-Range (Mic: -15 bis +65 dB; Inst: -30 bis +50; Line: -20 bis +20 dB). Am Gehäuse sind neuerdings Lüftungslöcher – das gab es beim Firestudio noch nicht – für die Abwärme der Preamps ergänzt worden.
Das erscheint sinnvoll, denn die AudioBox 1818VSL mit ihren acht Class-A-Vorverstärkern wird auf Dauer recht warm, auch wenn das schmale Interface nur eine Höheneinheit im Rack einnimmt. Die acht Combo-Buchsen für die Eingänge und der Kopfhörerausgang – vor dessen Lautstärke (120 mV) der Hersteller warnt – sind frontseitig installiert. Bemerkenswert: Anders als bei vielen Interfaces ist die Phones-Buchse für volle Unabhängigkeit mit den Kanälen 7/8 gekoppelt. Das macht RME beim Fireface 400 (Test in Heft 9/2006; UC: 10/2009) übrigens auch. Die Phantomspannung kann mittels hinterleuchteter Taster für die Kanäle 1-4 und 5-8 separat aktiviert werden. Zum Einpegeln steht allerdings lediglich eine rote Clip-LED zur Verfügung, die erglimmt wenn 0 dBFS erreicht werden. Glücklicherweise bietet die VSL-Software eine exaktere Anzeige der Eingangspegel, denn ansonsten bleibt nur das vorsichtige Herantasten an die Overload-Grenze, um optimale Aufnahmepegel zu erhalten. Präziser geht es dann beim Output-Metering zu, wofür zwei 7-Segment LED-Ketten zur Verfügung stehen. Angezeigt wird das Main-Ausgangs-Signal, welches außerdem an den separaten Outputs 1/2 anliegt. Übrigens signalisiert eine Status-LED, ob das Interface mit dem Computer via USB-2.0-Buchse synchronisiert und einsatzbereit ist. Blinkt die Anzeige, muss zunächst die Verbindung zum Host überprüft werden, was die Fehlersuche im Eifer des Gefechts vereinfacht. Auf der Rückseite finden sich neben dem Power-Schalter, der Stromversorgungsbuchse für das externe Netzteil und der USB2-Schnittstelle die analogen Ausgänge (Main L/R und 1-8) als servosymmetrische 6,35-mm-Klinkenbuchsen. XLR-Anschlüsse mit Arretiermechanismus wären mir lieber, auch wenn die Bauteile grundsätzlich einen sehr guten Eindruck machen. Sicherlich, für zehn XLR-Buchsen hat der schicke Schmalhans einfach keinen Platz. Doch zumindest die beiden dezidierten Main-Outs, die primär als Monitor-Ausgänge gedacht sind, hätten wir uns in XLR gewünscht. Die Ausstattung auf der Rückseite wird schließlich mit einer S/PDIF-(Cinch), ADAT- (TOSLINK) und MIDI-Schnittstelle sowie einen Wordclock-Ausgang (BNC) abgerundet, um die AudioBox 1818VSL bestmöglich auch in digitale Environments zu integrieren. Bestens integriert ist auch der virtuelle Mixer der mit Installation der VSL-Software zur Verfügung steht. Wer den DSP-gestützten Mixer nicht benötigt und sein Monitoring mit der DAW regelt, kann ihn per virtuellem Power-Button ausschalten. Das GUI bietet für optimale Übersicht die Möglichkeit die ADAT-, DAW- und Output-Anzeigen auszublenden, je nachdem ob sie gerade benötigt werden. Damit findet der Mixer bei vollem Funktionsumfang auch auf kleineren Notebook-Bildschirmen Platz. Außerdem lässt sich die Arbeitsoberfläche per Overview- und FatChannel-Button optimal dem Workflow anpassen. In der Overview-Ansicht erscheinen im oberen Drittel des GUI lediglich stilisierte Anzeigen der Kompressor-, Noisegate- und EQ- Einstellungen, um möglichst viele Kanäle gleichzeitig im Blick zu haben. En Detail bearbeiten lassen sich diese Einstellungen, sprich die Kanal-Effekte, im FatChannel-Modus, welcher die grafischen Bedienelemente für den jeweils ausgewählten Kanal bereitstellt.
Ein Druck auf den Select-Button im gewünschten Kanalzug reicht. Zur Verfügung stehen pro Kanal zunächst ein Hochpassfilter (18 Hertz bis 1,3 Kilohertz), Phasenumkehrfunktion und ein Noisegate (Downward-Expander) mit verstellbarem Threshold und grafischer Anzeige, wobei detailliertere Gate-Einstellungen nicht möglich sind. Wesentlich mehr ins Eingemachte geht da schon das Kompressor-Modul, was neben den üblichen Verdächtigen (Threshold: -56 bis 0 dB; Attack: 0,2 bis 150 Millisekunden, Release: 40 bis 1.000 Millisekunden; Ratio: 1:1 bis 14:1 und Makeup-Gain + 28 Dezibel) einen zusätzlichen Limiter- (8:1) und Auto-Modus bietet. Der Autopilot fixiert die Attack- (10 ms) und Release-Zeit (150 ms), lässt aber alle anderen Parameter frei einstellbar. Sehr angenehm ist auch hier die grafische Darstellung des Regelverhaltens, die mit Zugriffspunkten auf die Kennlinie das intuitive Einstellen der Kompression ermöglicht. Zu guter letzt bietet das FatChannel-Modul noch einen semiparametrischen 3-Band-EQ mit ebenfalls grafischer Bedienoberfläche. Jedes Band ist einzeln aktivierbar. Die Amplitudenänderung beträgt ±15 Dezibel und die beiden Eckbänder verfügen zusätzlich über einen Shelving-Modus. Die Einsatzfrequenzen (Bass: 36 bis 465 Hertz, Mitten: 380 Hertz bis fünf Kilohertz, Höhen: 1,4 bis 18 Kilohertz) überlappen sich weit. Das Mittenband ist mit einem Glockenfilter bestückt, dessen Güte im Normalzustand 0.55 beträgt. Im High-Q-Modus verengt sie sich auf 2.0, um beispielsweise zielgenau nach störenden Resonanzfrequenzen suchen zu können. Wem die Algorithmen des FatChannels gefallen, der kann sie gleich direkt mit aufnehmen. Dafür hat jeder Kanal einen Post-Button, durch dessen Betätigung das Signal hinter dem virtuellen Channelstrip abgegriffen und an die DAW weitergereicht wird. Ansonsten wird natürlich das nackte Signal der Hardware-Preamps aufgezeichnet. Jeder Eingangskanalzug bietet außerdem eine Mute- und Solo-Funktion, einen Panorama-Regler sowie eine Link-Funktion (kleine Schaltfläche in Form eines Kreises) um zwei Kanäle zu einem Stereo-Element zu vereinen. Außerdem lassen sich mit den Monitor-Sends (3-8) komfortabel unterschiedliche Mischungen erstellen, indem mit den horizontalen Fader-Balken die Lautstärke des jeweiligen Kanals für einen Ausgang festgelegt wird. Die beiden FX-Send-Regler mischen dem jeweiligen Kanal einen der beiden Effekte (A,B) hinzu. Am rechten Rand des GUI findet sich ein zuschaltbarer Browser, welcher Hall- und Delay-Algorithmen (Effekt-Busse), aber auch zahlreiche FatChannel-Presets und ganze Mixer-Scenes – natürlich lassen sich auch eigene erstellen und abspeichern – bereithält. Per Drag-and-drop an die passende Stelle (Kanalzug, Effekt-Bus) gezogen, sind diese sehr komfortabel aufzurufen. Sehr praktisch ist auch, dass die Effektwege für die einzelnen Ausgänge separat an- und ausgeschaltet werden können. Im Messlabor von Professional audio kommt es, wie es selten kommt: Die AudioBox1818VSL verabschiedet sich während der Messroutine und es gelingt nicht, reproduzierbare Ergebnisse zu bekommen. Bis zum Redaktionsschluss konnten keine neuen Messungen mit dem angeforderten Ersatzgerät erstellt werden, weswegen wir die gewohnten Messwerte und Diagramme in der nächsten Ausgabe nachreichen. Bereits Tage vorher war die AudioBox noch im Handumdrehen und ohne Probleme für den Hör- und Praxistest installiert und einsatzbereit. Im Setup-Menü des VSL-Mixers versuche ich als erstes unterschiedliche ASIO Puffergrößen für ein optimales Latenz-Performance-Verhältnis.
Die Auswahl reicht von 32 bis 2048 Samples. Auch bei 64 Samples kommt mein System (Intel Dual Core Notebook, 2 GHz, 2GB RAM) zumindest bei den Testaufnahmen noch klar, neigt aber zu gelegentlichem Ruckeln. Darunter wird es unpraktikabel. Mit 256 Samples, rund acht Millisekunden Latenz, pendelt sich ein gutes Arbeitsverhältnis ein. Da die AudioBox aber einen eigenen DSP hat, gibt es zudem drei weitere Performance-Einstellungen (Safe: 4ms, Normal: 2ms und Fast: 1ms) für das Input-Monitoring. Auch im Safe-Modus lässt es sich hervorragend arbeiten. Beim Einspielen eines E-Gitarrenparts wird aber doch schnell klar, dass das Spielgefühl im Normal- und erst recht im Fastest-Modus noch einmal deutlich gewinnt. Sehr erfreulich ist – der eigene DSP lässt grüßen –, dass dieses virtuelle Direct-Monitoring unabhängig von der DAW funktioniert. Dabei ist die VSL-Software sowohl zum Einpegeln – die Clip-Anzeigen der Hardware sind wie gesagt etwas dürftig – und Überwachen der Signale, als auch zum Erstellen und effektvollem Anhübschen unterschiedlicher Mixe ein unverzichtbares und komfortables Werkzeug. Zudem klingen die Effekte (FatChannel, Reverb, Delay) sehr überzeugend und erwecken durchaus den Eindruck, das wir es mit hochwertigen Studio-Plug-ins zu tun haben. Dabei hinterlassen insbesondere das Stereo-Delay (ST_DEL_Spacey) und der Hall (REV_LargeHall) im Test einen sehr guten Eindruck. Mit den FatChannel-Einstellungen bekomme ich im Handumdrehen angenehm komprimierte und sehr gut klingende Signale (Gesang, E-Gitarre, A-Gitarre) hin, die für den Monitor-Mix Luxus sind und sich durchaus auch für die Übernahme bei der Aufnahme eignen. Sehr erfreulich ist außerdem die komfortable Drag-and-drop-Bedienung und die intuitiv zu bedienenden Effekte, welche in puncto Usability keine Wünsche offen lassen und helfen, sich auf das Wesentliche, die Musik, zu konzentrieren. Klanglich präsentieren sich die Preamps als transparentes, gut auflösendes Handwerkszeug. Bei der Aufnahme von Gesang und Sprache zeigt sich eine druckvolle Durchsetzungskraft, die aber keinesfalls im Bereich der Verfärbung sondern vielmehr im Ausreizen der Neutralitätsgrenzen anzusiedeln ist. Das Timbre kommt natürlich und angenehm frisch und besonders die rauschfreie Transparenz auch bei hoher Verstärkung von leisen Signalen weiß zu überzeugen. Bei Aufnahmen einer Konzertgitarre zeigt sich insgesamt ein sehr ausgewogenes Klangbild, dass durch seine detaillierte Auflösung aufzutrumpfen weiß. Das letzte Quäntchen Offenheit und Plastizität wird dem einen oder anderen vielleicht fehlen aber unterm Strich erhalte ich klanglich überzeugende Ergebnisse auf durchaus professionellem Niveau.
Fazit
Die AudioBox 1818VSL ist ein praxisnahes USB-Audio-Interface, was durch seine acht gut klingenden Preamps und vor allem den komfortablen und leistungsfähigen VSL-Mixer inklusive FatChannel und Hall- sowie Delay-Effekten zu überzeugen weiß.
Erschienen in Ausgabe 04/2012
Preisklasse: Mittelklasse
Preis: 548 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut
Hinterlasse einen Kommentar