Der Kreis schließt sich
Propellerhead hat mit dem jüngsten Major-Update seines Bestsellers Reason auf Version 6 den nächsten logischen Schritt vollzogen und seine Produktions-Plattform endlich mit Audio-Funktionen ausgestattet. Gleichzeitig feiert die Software-Schmiede mit dem Audio-Interface Balance auch seinen Einstieg in den Hardware-Sektor.
Von Georg Berger
So richtig überraschend ist das, was der schwedische Software-Hersteller Propellerhead in seinem jüngsten Major-Update von Reason vollzogen hat eigentlich nicht. Reason 6 ist jetzt mit dem bislang als Einzel-Produkt erhältlichen Audio-Sequenzer Record verheiratet worden und offeriert zusätzlich zu seinen angestammten Funktionen sämtliche Features rund um das Aufnehmen, Bearbeiten und Abmischen von Audio-Material inklusive der opulent ausgestatteten Nachbildung der SSL 9000 XL Konsole. Denn bereits die Versionen Reason 5 und Record 1.5 konnten miteinander interagieren, um je nach Perspektive Reason in die Lage zu versetzen auch Audio-Material aufzunehmen respektive Record mit sämtlichen Instrumenten und Effekten von Reason auszustatten (siehe Test in Heft 10/2010). Somit erübrigt sich ab sofort der Kauf von zwei unterschiedlichen Produkten. Der Sequenzer Record ist indes mit Markteinführung von Reason 6 gänzlich verschwunden. An seine Stelle tritt die Version Reason Essentials, die sich mit abgespeckter Ausstattung gezielt an Einsteiger in die Musikproduktion richtet. Später dazu mehr. Insgesamt hat sich Reason – ganz gleich in welcher Version – damit jetzt vollends zu einer waschechten DAW gewandelt, die zwar nach wie vor als Insel-Lösung das Einbinden von Plug-ins verwehrt, dafür aber mit seinem einzigartigen Rack-Konzept punktet. Unumstrittener Hingucker im Reason-Neuheiten-Reigen ist jedoch das zweikanalige USB-Audio-Interface Balance, mit dem die Schweden ihren Einstand in den Hardware-Sektor feiern. Das schlicht ausgestattete Interface ist dabei konzeptionell auf einfachste Bedienung ohne Schnickschnack getrimmt und richtet sich primär an Recording-Einsteiger. Bemerkenswert: Das Balance-Interface ist nur im Bundle mit Reason Essentials erhältlich. Der ausschließliche Kauf der Hardware ist (bislang?) nicht möglich. In Sachen Preisgestaltung ist soweit alles beim Alten geblieben. Wie seinerzeit beim gemeinsamen Kauf von Reason 5 und Record 1.5 verlangt der Hersteller für Reason 6 knapp 400 Euro und lässt sich die hinzugefügten Audio-Features entsprechend bezahlen, was aber in Ordnung geht. Das Upgrade von Reason 5 gibt es schon für rund 150 Euro. Reason Essentials ist, ebenso wie zuvor Record, für etwa 280 Euro erhältlich. Das Reason Essential-Balance-Bundle kostet hingegen rund 500 Euro. Abseits der Vermählung von Reason und Record haben es sich die Entwickler selbstverständlich auch nicht nehmen lassen, Reason 6 mit einer Reihe neuer Features auszustatten. Allerdings fallen diese im Vergleich zum letzten Update nicht ganz so zahlreich aus. So bietet Reason jetzt erstmals volle Unterstützung für 64-Bit-Betriebssysteme und zeigt sich damit auf der Höhe der Zeit. Mit der direkt auf jeder Audio-Spur ausführbaren Transpose-Funktion hat Reason 6 jetzt endlich auch eine sehr gut klingende Pitch-Shifting-Option erhalten, was zuvor nur bedingt über Umwege mit Hilfe des Neptune-Prozessors möglich war. Zusammen mit der schon in Record integrierten Time-Stretch-Funktion bleiben keine Wünsche mehr in Sachen Tempo- und Tonhöhen-Anpassung offen. Darüber hinaus haben die Entwickler das Arsenal an mitgelieferten Sounds noch einmal erweitert und dem Programm drei markant ausgestattete neue Prozessoren hinzugefügt, die im Test nicht nur durch ihren exzellenten Sound bestechen. Der Umgang mit den Prozessoren The Echo, Pulveriser und Alligator macht einen Riesen-Spaß, sie wirken ausnahmslos inspirierend und beflügeln unsere Kreativität (siehe Kästen am Ende des Artikels).
Abseits dessen findet sich mit dem sogenannten Big Meter eine kombinierte Meter- und Tuner-Anzeige, die sich halbtransparent über die Bedienoberfläche legt und das Einpegeln und Stimmen von Signalen und Instrumenten dank seiner Größe deutlich komfortabler gestaltet als in der Spuranzeige. Reason-Anwender die bislang noch nicht mit Record in Kontakt gekommen sind, dürfen sich freuen, denn das Handling des Programms gestaltet sich jetzt deutlich komfortabler. Ab sofort stehen drei Hauptfenster zur Verfügung – Mixer, Sequenzer und Rack – die sich als Einzel-Fenster anzeigen und auskoppeln lassen. Dabei zeigt das Rack-Fenster jetzt zwei Reihen von Slots zum Einfügen von Prozessoren. Audio- und MIDI-Spuren werden im Rack durch eine schmale weiße Leiste angezeigt, die sich aufklappen lässt und den Blick auf Makro-Controller – ähnlich dem Combinator-Modul – gestattet, die frei belegbar das bequeme Steuern von darunter eingefügten Insert-Effekten realisieren. Jede Spur wird dabei automatisch auch im Mixer-Dialog angezeigt, der eine weitere Bearbeitung des Signals nach allen Regeln der Mixer-Kunst ermöglicht. Das Einfügen der nach wie vor existenten Rack-Mixer erübrigt sich dadurch. Der Einstieg in die Reason-Welt über die kleine Essential-Version erfolgt im Vergleich zu Record jedoch mit einem lachenden und weinenden Auge. Sehr schön: Propellerhead fügt dem Record-Nachfolger endlich mehr Instrumente hinzu. Außer dem rustikal ausgestatteten ID8-Instrument sind jetzt Redrum, NN-XT, Dr. Octo Rex und Subtractor mit an Bord. Somit bietet das kleine Reason einen perfekten und umfangreichen Einstieg in die Welt der elektronischen Musik und ins MIDI-basierte Produzieren. Allerdings ist der Mixer jetzt um einige Eingriffsmöglichkeiten ärmer geworden. So verfügen die Channelstrips in der Essential-Variante über lediglich zwei Equalizer-Bänder und sind um die Dynamik-Effekte beraubt worden. Anstelle von acht Send-Effekten finden sich lediglich vier und der Master-Bus-Kompressor besitzt keine Sidechain-Funktion. Ansonsten bleibt in Sachen Ausstattung, verglichen mit Record, alles beim Alten. Schade finden wir jedoch, dass der Block-Modus zum patternbasierten Produzieren von Musik sowie die neu hinzugefügte Audio-Transpose-Funktion ebenfalls außen vor bleiben. Vor dem Hintergrund einer Einsteiger-Version stellt sich Reason Essentials im Großen und Ganzen dennoch sehr gut dar. Propellerhead überfrachtet Einsteiger nicht mit einer überbordenden Fülle an Einstellmöglichkeiten und schafft es trotzdem, dieser Klientel eine ausreichend große Spielwiese zum Ausleben musikalischer Ideen zu schaffen. Mit dem zweikanaligen Audio-Interface Balance kümmert sich Propellerhead schließlich in besonderem Maße weiter um die Bedürfnisse von Reason-Einsteigern. Ausschließlich über USB mit Strom versorgt, finden sich an der robust verarbeiteten, stylisch aussehenden Hardware lediglich analoge Ein- und Ausgänge. Besonderheit: Obwohl lediglich zwei Kanäle gewandelt werden, verfügt das Interface über je zwei XLR-Eingänge, zwei Instrumenten-Eingänge sowie noch einmal zwei Pärchen von Klinkenbuchsen zum Empfang von Line-Signalen. Der Clou: Über Taster auf der Oberseite lassen sich diese Eingänge wahlweise für jeden Kanal blitzschnell auf die Wandler schalten, was aus Balance somit auch einen Signal-Router macht. Der Anwender kann somit sämtliche relevanten Klangerzeuger dauerhaft am Interface angeschlossen lassen. Nächste Besonderheiten: Balance dient gleichzeitig auch als USB-Dongle und fungiert somit als Kopierschutz. Über den Meter-Button lässt sich der Big-Meter-Dialog in Reason aufrufen und der Clip-Safe-Taster versetzt Balance in den gleichnamigen Modus. Später dazu mehr.
Drehregler zum Einpegeln der Signale, zur Lautstärke-Kontrolle des Stereo- und des Kopfhörer-Ausgangs, ein Taster zum Aktivieren des Direct Monitorings sowie weitere Taster zum separaten Aktivieren der Phantomspannung sowie eines Neun-Dezibel-Pads an den Instrumenten-Eingängen runden die Ausstattung der Propellerhead-Hardware ab. Mit der Clip-Safe-Funktion präsentieren die Schweden schließlich ein pfiffiges Verfahren zum Vermeiden von Übersteuerungen, wobei die Technik dahinter denkbar einfach realisiert ist. Allerdings steht diese Funktion ausschließlich für Mono-Aufnahmen zur Verfügung, denn bei Aufnahmen im Clip-Safe-Modus kommen beide AD-Wandler zum Einsatz. Während der erste Wandler das Signal mit dem voreingestellten Pegel aufnimmt, wird dasselbe Signal simultan im zweiten Wandler mit deutlich niedrigerem Pegel gewandelt. Derart aufgenommene Audio-Clips besitzen in Reason ein kleines CS-Symbol und zeigen am oberen Rand des Clips überall dort farbige Markierungen, wo Übersteuerungen aufgetreten sind. Ein Druck auf das CS-Icon lässt die Markierungen verschwinden und die Wellenform ohne Clippings erscheinen, indem quasi die resultierende Wellenform aus beiden Wandler-Kanälen zusammengerechnet wird. Konsequenz: Der so „entclippte“ Take klingt anschließend zunächst verzerrt, denn es wird die zuvor gewählte Aufnahmelautstärke wiedergegeben. Um dies zu vermeiden müssen wir die Lautstärke über den entsprechenden Anfasser im Clip lediglich soweit vermindern, bis keine Verzerrung mehr hörbar ist. Für dieses einfache wie geniale Feature gibt’s in jedem Fall ein Sonderlob. Schade ist lediglich, dass dies nur für Mono-Aufnahmen möglich ist. Um gleiches auch mit Stereo-Aufnahmen realisieren zu können, wären insgesamt vier Wandler-Bausteine erforderlich, was logischerweise mit einem höheren technischen Aufwand und Verkaufspreis einhergehen würde. Die im Professional audio Meßlabor ermittelten Messwerte liefern ein gutes bis sehr gutes Ergebnis, wobei sich das Balance-Interface insgesamt in der Economy-Klasse positioniert. Geräusch- und Fremdspannungen rangieren mit Ausnahme der Instrumenten-Eingänge im Durchschnitt bei etwas über 80 Dezibel (siehe Steckbrief auf Seite xx). In Sachen Gleichtaktunterdrückung gibt es ebenfalls nichts zu meckern. Die Kurve verläuft konstant bei sehr guten -70 Dezibel und steigt zum Bass auf immer noch gute -50 Dezibel an. Mit gemessenen 47,8 Volt ist die Phantomspannung vorbildlich und die Verstärkungsreserven am Mikrofon-Eingang mit knapp 50 Dezibel zufriedenstellend. Die für alle Eingänge – Mikrofon, Line, Instrument – ermittelten FFT-Spektren zeigen hingegen ein heterogenes Bild, wobei auftretende harmonische Oberwellen stets unterhalb -80 Dezibel bleiben. Gleiches gilt auch für den Klirrfaktor, der am Instrumenten-Eingang zumeist konstant gute 0,15 Prozent beträgt, am Mikrofon-Eingang bei sehr guten 0,015 Prozent liegt und lediglich im Bass auf knapp 0,05 Prozent ansteigt und am Line-Eingang einen welligen Kurvenverlauf zeigt, der im relevanten Bereich bei 0,009 Prozent liegt. Im Hörtest tritt Balance gegen unsere Oberklasse-Referenz, das RME Fireface 400 an. Der zugegebenermaßen recht unfaire Vergleich liefert jedoch ein deutliches Ergebnis, bei dem sich das Balance-Interface auch in dieser Disziplin in der Economy-Klasse einordnet, sich aber dennoch sehr gut zu behaupten weiß. Die Aufnahmen sind zwar sehr gut nach oben hin aufgelöst. Allerdings macht sich eine merkbare Dominanz im unteren Mittenbereich bemerkbar, einhergehend mit einem etwas unterbelichteten Höhenbereich. Insgesamt klingen die Balance-Aufnahmen dadurch nicht in gleichem Maße luftig und dreidimensional wie das RME-Interface. In Sachen Impulstreue geht das rund viermal so teure Fireface erwartungsgemäß ebenfalls als Sieger hervor. Dennoch gefallen die Balance-Aufnahmen durch einen wohlig angenehmen Grundsound, der vor allem Gesangsaufnahmen durchaus zu schönen versteht. Insgesamt gibt es beim Balance-Interface, nicht zuletzt auch hinsichtlich des Preis-Leistungs-Verhältnisses, wahrlich nichts zu meckern.
Fazit
Reason 6 ist endlich im Marktsegment der DAWs angekommen und hat sein letztes großes Manko – das Handling von Audio-Material – endlich abgelegt. Dabei trumpft das so erweiterte Reason mit all seinen Stärken auf und kann sich auch dort als kreativ nutzbares Werkzeug mit eigenständigem Konzept behaupten. Doch wer Reason nach wie vor als reines MIDI-Produktionswerkzeug nutzen will, kommt an der sechsten Version ebenfalls nicht vorbei, denn trotz nur drei neu hinzugefügter Efffekte erweitert sich das Kreativ-Potenzial von Reason enorm und bietet neue Möglichkeiten zum Formen von Sound. Mit dem Bundle, bestehend aus dem kleinen Bruder Reason Essentials und dem aufs Wesentliche konzentrierten Balance-Interface, das mit seiner narrensicheren Clip-Safe-Funktion punktet, hat Propellerhead schließlich ein kostengünstiges Gesamt-Paket zum Produzieren von Musik zusammengestellt, das Anfängern den Schrecken vor allzu viel Technik nimmt, den Spaß am Musizieren betont und trotz abgespeckter Ausstattung ein enormes Gestaltungs-Potenzial bereitstellt.
Pulveriser: Macht zahme Sounds richtig böse
Gleich fünf einstellbare Einzel-Effekte sind unter dem Dach des Pulveriser-Prozessors zusammengefasst, die in jeweils unterschiedlich starken Anteilen eingesetzt, Sounds subtil zu mehr Lebendigkeit verhelfen oder bis zur Unkenntlichkeit zerstören können. Das Signal lässt sich dabei der Reihe nach anteilig von einem Kompressor, Verzerrer, einer Filter-Sektion sowie einem LFO und einem Hüllkurven-Folger nach allen Regeln der Kunst verbiegen. Zudem erlaubt ein Blenden-Regler vor dem Ausgang eine parallele Signalverarbeitung. Schauen wir uns die Ausstattung von Pulveriser einmal genauer an: Hinter dem kryptisch bezeichneten „Squash“-Regler lässt sich die Kompressionsstärke einstellen. Der beigeordnete Release-Parameter nimmt erwartungsgemäß Einfluss auf die Rückstellzeit. Weiter geht’s mit dem „Dirt“-Parameter, der dem Signal anteilig Verzerrungen hinzufügt, wobei der Tone-Regler als Höhenblende fungiert. Das so komprimierte und verzerrte Signal wird anschließend in den Filter geroutet, der mit Cutoff- und Resonanz-Regler sowie fünf wählbaren Filter-Charakteristiken aufwartet. Ein Schalter erlaubt schließlich das Routen der Filter-Sektion wahlweise vor oder hinter die Squash- und Dirt-Funktion. Das Salz in der Suppe liefert schließlich der Hüllkurvenfolger und die Tremor-Sektion, hinter der ein herkömmlicher LFO mit einstellbarer Geschwindigkeit und neun wählbaren Wellenformen arbeitet. Mit Hilfe der kleinen bipolar arbeitenden Regler zwischen Filter und den beiden Modulations-Sektionen lässt sich anteilig die Intensität der Modulatoren einstellen. So kann der LFO simultan auf das Filter-Cutoff und die Lautstärke einwirken. Der Hüllkurvenfolger kann indes auf die LFO-Geschwindigkeit oder ebenfalls auf das Filter-Cutoff einwirken, wobei sich das generierte Steuersignal, das aus der Amplitude des eingespeisten Signals gewonnen wird, noch einmal mittels Threshold, Attack und Release fein einstellen lässt. Besonderheit: Über die CV-Ein- und -Ausgänge auf der Rückseite des Effekts lässt sich das Hüllkurvenfolger-Signal wahlweise zum Steuern anderer Geräte nutzen oder umgekehrt andere Steuersignale anstelle der eingespeisten Signal-Amplitude nutzen, was den Nutzen des Effekts entsprechend vergrößert. Im Hörtest setzt sich der Kompressor mit einem kraftvollen Regelverhalten durch, wobei der Grundsound in Richtung Urei 1176 geht und dem Klang einen höhenreichen Biss verleiht. Auffällig: Das Attack ist recht hoch eingestellt, was Transienten deutlich hervortreten lässt. Mit Hilfe des Release-Reglers lassen sich schließlich rhythmische Pump-Effekte erzeugen. Der integrierte Verzerrer sorgt über dreiviertel des Regelwegs für ein zumeist wohlig-warmes Andicken des anliegenden Sounds, der deutlich der Röhrenverzerrung verpflichtet ist. Erst im letzten Viertel wird die Verzerrung übermächtig und lässt vom Originalklang nur noch wenig übrig. Die Filter-Sektion gefällt ebenfalls durch einen zumeist angenehm klingenden Grundsound, der anliegende Signale im Mittenspektrum betont. In Kombination untereinander und unter Zuhilfenahme der Modulatoren entfacht der Pulveriser-Effekt im Test ein wahres Feuerwerk an lebendig klingenden und farbenprächtigen Effekt-Sounds. Vom banalen Tremolo über Wah-Wah-Sounds bis hin zu fauchenden Jet-Flanger-Klängen unter Zuhilfenahme des Kammfilters ist alles möglich und sogar noch mehr. E-Bass-Aufnahmen verwandeln sich mit einem Mal in synthetische Basslinien, wobei je nach Filtercharakteristik und bei voll aufgerissener Resonanz so manches Mal Parallelen an die TB-303 von Roland aufkommen. Dabei sorgt gerade der Hüllkurvenfolger für ein nachhaltiges, lebendiges Ausgestalten der Effektsounds, ganz gleich ob der Filter oder LFO darüber moduliert wird. Subtil eingesetzt verhilft der Pulveriser leblosen Aufnahmen und Sounds zu markantem Eigenleben. In extremen Stellungen lässt er so gut wie nichts mehr vom Originalklang übrig und setzt sich als kraftvoller Klang-Zerstörer mit musikalischen Eigenschaften eindrucksvoll in Szene. Dank paralleler Signalverarbeitung lässt sich der Pulveriser jedoch stets gefühlvoll dosieren, der auf diese Weise Klänge mit dem gewissen Etwas ausstattet.
The Echo: Repetitiver Klangfarben-Maler
Mit dem The Echo-Prozessor erweitert Propellerhead das Reason-Rack um einen farbenprächtig klingenden und flexibel formbaren Stereo-Delay-Effekt, der mit einer Reihe sehr interessanter Features ausgestattet ist. Die Bedienoberfläche ist sinnvoll in sechs Felder unterteilt mit jeweils eigenen Aufgabenbereichen. Die Delay- und Feedback-Sektion offeriert die üblichen Parameter zum Einstellen der Delay-Zeit zwischen einer und 1.000 Millisekunden und der Intensität der Wiederholungen. Die Offset-Regler gestatten dabei einen separaten Eingriff in die Verzögerungszeit und das Feedback des rechten Delay-Kanals. Via Button lässt sich eine Ping-Pong-Funktion aktivieren, die das Echo alternierend zwischen linkem und rechtem Kanal erklingen lässt, wobei der beigeordnete Regler Einfluss auf den Startpunkt im Panorama nimmt. Nicht alltäglich ist der „Keep Pitch“-Button, der den berüchtigten Micky-Maus-Effekt beim Ändern der Delay-Zeit im laufenden Betrieb unterdrückt. Ebenfalls nicht alltäglich sind die beiden gemeinsam aktivierbaren Diffusion-Parameter innerhalb der Feedback-Sektion. Durch Drehen des Amount-Parameters werden zusätzliche Wiederholungen in nächster Nähe zum eigentlichen Echo-Signal eingeblendet, die sich via Spread-Regler schließlich entsprechend breit im Stereo-Panorama verteilen. Im Test erhält der Echo-Effekt dadurch eine merkbare Fülle und je nach Einstellung und in Abhängigkeit zum Feedback entstehen wie von Zauberhand flächige Klangtexturen, die den repetitiven Charakter des Echos alsbald verschwinden lässt. Doch das ist ja erst der Anfang. Weiter geht’s mit der Color- und Modulation-Sektion, die weitere Optionen zur Klanggestaltung des Echo-Signals offerieren. So gestatten die Color-Parameter das anteilige Verzerren des Echos in wahlweise vier Geschmacksrichtungen (Limiter, Overdrive, Distortion, Tube). Die separat aktivierbare Filter-Sektion nimmt dabei Einfluss auf das verzerrte Signal. Dahinter werkelt ein Bandpass-Filter mit einstellbarer Center-Frequenz und Resonanz. Beide Sektionen entpuppen sich im Test als behutsam, aber dennoch nachhaltig wirkende Klangkomponenten. Damit stellt die Color-Sektion ein klangliches Pendant zu den Diffusion-Parametern dar. Die Modulations-Sektion nimmt schließlich Einfluss auf die Tonhöhe der Echo-Signale, wobei der bipolar arbeitende Envelope-Parameter wahlweise eine Transponierung nach oben oder unten realisiert. Der Wobble-Regler simuliert hingegen zufällig auftretende, leichte Tonhöhen-Schwankungen, die in alten Band-Echo-Geräten zum ständigen Begleiter gehören. Der integrierte LFO sorgt schließlich für ein separates Transponieren der Tonhöhe von linkem und rechtem Kanal, wobei der Modulator wiederum Einfluss auf den rechten Kanal nimmt. Schade ist, dass es dort keine Möglichkeit zur Auswahl unterschiedlicher Wellenformen gibt. Wem die in The Echo bereitgestellten Klangformungs-Möglichkeiten noch nicht ausreichen, braucht jedoch nicht zu verzweifeln. Auf der Rückseite erlauben separate Ein- und Ausgänge den Anschluss weiterer Effekt-Prozessoren, um das abgezweigte Echo-Signal bei Bedarf weiter zu verfremden. Doch zurück zur Frontseite: Die bisher vorgestellten Einstellmöglichkeiten sind von der Mode- und Output-Sektion eingerahmt, die mit pfiffigen Optionen zum Handling des Effekts aufwarten. Mit den drei Modi Normal, Triggered und Roll lässt sich The Echo wahlweise permanent (Normal) oder punktuell einsetzen. Im Triggered-Modus erklingt das Echo-Signal dabei nur dann, wenn auf den gleichnamigen Button gedrückt wird. Die Roll-Funktion arbeitet ähnlich, wobei der horizontale Fader ein anteiliges Hinzumischen des Echo-Signals erlaubt. Im Test stellen wir dazu wie vom Hersteller empfohlen den Effekt auf 100 Prozent Wet, wobei das Signal in Linksstellung des Faders ohne jegliche Effektbearbeitung hindurch gelassen wird. Das plötzliche Aufreißen des Faders bis zum Rechtsanschlag blendet schließlich das reine Echo-Signal ein, das als Endlos-Schleife die zuvor bearbeiteten Signalanteile ostinat wiedergibt. Besonderheit: In Zwischenstellung des Faders sind vielgestaltige Variationen an Echo-Sounds und rhythmischen Teil-Fragmenten des verzögerten Signals realisierbar. Damit eröffnen sich schier unendliche kreative Möglichkeiten zum Ausformen von Signalen. Solch eine Funktion würden wir uns auch bei anderen Delays wünschen. Dazu zählt auch die einstellbare Ducking-Funktion in der Output-Sektion, die das Echo erst dann behutsam einblendet, wenn das Nutzsignal verklungen ist. Insgesamt präsentiert sich The Echo mit dieser Ausstattung als mächtiger Sounddesigner. Im Hörtest werden wir folglich auch nicht enttäuscht. Auffällig: Unabhängig von den vielen Zusatzfunktionen wartet The Echo mit einem angenehm schmeichelndem und warmem Grundsound auf. Über den Diffusion-Parameter lässt sich diese Wärme noch zusätzlich herauskitzeln. Durch Hinzufügen der Wobble- und Color-Funktion ist in Windeseile ein klassischer Bandecho-Effekt erzeugt. Dank der Möglichkeit auch sehr kleine Delayzeiten einstellen zu können, sind Chorus-, Flanger- und Pseudo-Reverb-Effekte ebenfalls kein Problem. Die mitgelieferten Presets geben dabei ein mehr als ausreichendes Bild über die Mächtigkeit von The Echo ab. Beim Hören entdecken wir sowohl Sounds von Bandechos, als auch von uralten Digital-Delays der 1980er Jahre, die mit ebenfalls eigentümlich verzerrten und im Frequenzgang beschnittenen Sounds aufwarten. Amtliche Dub-Reggae-Sounds sind möglich, wer auf den Pfaden von U2’s The Edge wandeln will, kein Problem und wer mit Hilfe kleiner Delayzeiten, hoher Feedbacks und ausreichend Verzerrung schlappen Drumsounds zu stählerner Schärfe mit mehr Volumen verhelfen will, kann dies alles mit nur einem Prozessor in Windeseile erledigen. The Echo ist ohne Zweifel ein pfiffig durchdachter Prozessor, der erst dort ansetzt wo viele virtuelle Echos aufhören und künftig in vielen Produktionen prominent zu hören sein wird.
Alligator: Rhythmischer Torwächter mit Dreifach-Power
Gate-Effekte in der Dancefloor-Musik sind seit langem ein alter Hut. Signale etwa von Drum-Loops oder Flächen-Sounds erklingen durch rhythmisches Öffnen und Schließen eines Gates eigentümlich zerhackt und erhalten dadurch zusätzliche rhythmische Impulse, was für ein Auflockern des Arrangements sorgt und Groove-Variationen in Windeseile entstehen lässt. Im Alligator-Prozessor wird dieser Effekt jetzt verdreifacht, indem das eingespeiste Signal, ähnlich wie in einem Multiband-Kompressor, in drei Frequenzbereiche aufgesplittet wird, wobei in den Höhen ein Hochpass-, in den Mitten ein Bandpass- und in den Tiefen ein Tiefpassfilter für das Separieren der Frequenzbereiche sorgt. Pro Band stehen anschließend dabei die gleichen Einstellmöglichkeiten zur Verfügung. In der Filter-Sektion sind dies ein anteilig zumischbarer LFO, Filter-Cutoff und Resonanz sowie eine in der Intensität einstellbare Filter-Hüllkurve. Alleine damit würde sich der Alligator-Effekt schon vom Gros vergleichbarer Effekte deutlich absetzen. Doch die Propellerhead-Entwickler haben dieser Sektion noch weitere Effekte hinzugefügt, die wiederum separat pro Band der Filter-Sektion seriell nachgeschaltet sind. Im Einzelnen sind dies ein Verzerrer, ein Phaser, ein Delay sowie ein Panorama- und Lautstärke-Regler. Die Effekte, aber auch der LFO und die Filter-Hüllkurve lassen sich dabei am Fuß der Bedienoberfläche zufriedenstellend einstellen, wobei die Settings simultan für alle Bänder gelten. Das Öffnen der drei Gates ist schließlich über eine separat einstellbare Amplituden-Hüllkurve formbar. Insgesamt 64 wählbare Pattern sind an Bord des Alligator-Prozessors, die das Öffnen und Schließen der drei Gates auf musikalische Art realisieren. Ähnlich einem Arpeggiator sorgen eine Shift- und Shuffle-Funktion sowie ein einstellbares Taktraster für entsprechende Eingriffe in das Abspielverhalten der Pattern. Wer mag, kann durch Druck auf die Manual-Buttons die Gates auch nach eigenem Gusto bedienen. Alleine schon mit diesen gebotenen Möglichkeiten lassen sich eingespeiste Signale auf markante Art dekonstruieren und in ihrer Lebendigkeit steigern. Je nach Einstellung der Effekte lassen sich aus Synthesizer-Flächen völlig neue Teilspektren herauskitzeln. Während die Höhenanteile sich durch schrille Klangfragmente mit Hilfe des Verzerrers und der Filter-Resonanz bemerkbar machen, die in hektischer Abfolge impulsartig hörbar sind, pulsiert es im Bass eher gemächlich, der zudem mit einem Phaser deutlich fetter als im Original erklingt. Die Mittenanteile wabern durch Einsatz des Delays, die zudem via LFO und Panorama deutlich von den Höhen und Bässen abgesetzt sind. Das Ergebnis ist ein polyrhythmisches Klangerlebnis, das schon ein wenig Zeit erfordert, um sämtliche Ereignisse gehörsmäßig erfassen zu können. Doch die wahre Stärke von Alligator zeigt sich erst, wenn die drei Gates mit Hilfe der CV-Eingänge von anderen Reason-Prozessoren, etwa dem RPG-8-Arpeggiator, dem Matrix Step-Sequencer oder auch dem Redrum-Instrument getriggert werden. Denn Alligator empfängt nicht nur Steuer-Signale, sondern auch MIDI-Notenbefehle. Dazu muss die interne Pattern-Wiedergabe über den gleichnamigen Button deaktiviert werden. Anschließend ist es ein Leichtes polyrhythmische Gate-Effekte sogar mit ungeraden Taktrastern zu realisieren, indem etwa eine 13-stufige Matrix-Sequenz das Öffnen des Höhen-Gates übernimmt, der RPG-8 mit einem achttaktigen Raster die Mitten zu neuem Leben verhilft und die Bässe durch ein 16-taktiges Hihat-Pattern von Redrum rhythmisch zerhackt werden. Mit diesen schier grenzenlosen Möglichkeiten ist Alligator nicht nur auf sämtliche Dancefloor-Stile abonniert. Klangtüftler jenseits dieser Stile dürften ebenfalls ihre wahre Freude an dieser Art von Audio-Fleischwolf haben, sei es im Industrial, klassischer Neuer Musik und allen Spielarten von Sounddesign zum Erzeugen neuartiger, lebendiger Klangtexturen.
Erschienen in Ausgabe 02/2012
Preisklasse: Economyklasse
Preis: 499 €
Bewertung: gut – sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut
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