Halbe Portion

Auf den ersten Blick ist Rolands Quad-Capture vielleicht nur eine halbe Portion. Das kompakte, vierkanalige USB-Audio-Interface ist aber mit den proprietären VS-Preamps bestückt und verfügt bei weitem nicht nur über eine komfortable Auto-Sens-Funktion. Genaues Hinsehen lohnt sich.

Von Michael Nötges

Allen Unkenrufen zum Trotz sind USB-Audio-Interfaces auch heute immer noch en vogue und oftmals keinen Deut schlechter als ihre feuergesichtigen Nebenbuhler. Bestes Beispiel ist wohl das Fireface UC (Test, Ausgabe 10/2009), welches sich in puncto Klang und Performance als vollkommen ebenbürtig gegenüber der Firewire-Variante erwies. Wer sich also heute ein USB-Interface gönnt, muss keine Angst haben, automatisch als Amateur abgestempelt zu werden. Vielmehr gibt es immer noch Hersteller, die auf den Universal Serial Bus in seiner schnellen 2.0-Version setzen und mit hoch entwickelten Treibern exzellente Performances und kurze Latenzen erzielen. Und die Aussichten am USB-Himmel sind keinesfalls schlecht: Lag die nutzbare Datenrate von USB 1.0 bei 1,5 Mbit/s, erreicht USB 2.0 bereits 320 Mbits/s, und die USB 3.0-Schnittstelle bietet eine Bruttodatenrate von 4.000 Mbit/s. Wahrscheinlich eine Frage der Zeit, bis endlich auch Audio-Interfaces die neue Schnittstellen-Topologie nutzen, um noch mehr Kanäle bei hohen Abtastraten fahren zu können. Es bleibt spannend. Roland hat aber zunächst keine Kosten und Mühen gescheut, um die USB-2.0-Schnittstelle auf Vordermann zu bringen und auch dem Quad-Capture einen neuen Treiber (ASIO, WDM, Core Audio) inklusive Control-Panel (siehe Screenshot, Seite 32) spendiert.

Bei je zwei analogen und digitalen Kanälen sollte die Datenrate eigentlich auch allemal ausreichen, selbst dann, wenn höhere Abtastraten zum Einsatz kommen. Von 44,1 bis 192 Kilohertz bei 16 oder 24 Bit ist alles möglich, jedoch – und da fängt das Performance-Dilemma an – muss bei höchster Samplingfrequenz auf die digitalen Ein- und Ausgänge (3/4) verzichtet werden. Außerdem sind der Anschluss 3/4 des Audio-Ausgabegeräts und die Anschlüsse ‚3/4‘ und ‚Main‘ des Audio-Eingabegeräts nicht verfügbar. Mit der Auto-Sens-Funktion als praktische Einpegelhilfe, die bereits beim Octa-Capture-Test überzeugen konnte und der Control-Panel-Software, die einen Kompressor/Gate, HPF, Phasenumkehrung sowie eine Monitoring-Sektion bereitstellt, bietet der Quad-Capture aber eine durchaus vielversprechende und praxisnahe Ausstattung. Mit einer UVP von 237 Euro gehört der Testkandidat nicht zu den Preisbrechern der Economy Klasse, sondern pendelt sich mit direkten Konkurrenten wie dem M-Audio Fast Track C400 (UVP: 260 Euro) oder dem Alva Nanoface (UVP: 249 Euro) im oberen Mittelfeld der vierkanaligen (2/2 analog; 2/2 S/PDIF, digital) ein. Der Quad-Capture ist überzeugter Mobilist und hat von daher weder die Ambition mit Rack-Ohren stationär fixiert zu werden noch durch ein lästiges Netzteil an Steckdosen gebunden zu sein. Die Stromversorgung wird über den USB-Bus gewährleistet, was im Test zu keinerlei Problemen führte, auch wenn Skeptiker für eine stabile Stromversorgung externe Netzteile empfehlen. Völlig autark und mobil, wäre man dann aber nicht und so kann das Notebook-Quad-Capture-Gespann zumindest für die begrenzte Akkulaufzeit auch fernab jeder Steckdose eingesetzt werden. Dabei kommt dem leichten Einpfünder seine kompakte Bauform zugute, die ihn in jedem Rucksack problemlos unterkommen lässt. Das Aluminiumgehäuse im schwarz-silbernen Design macht dabei einen durchaus roadtauglichen Eindruck. Der moderne Anstrich steht dem Quad-Capture ganz gut zu Gesichte, kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir es mit einem Produkt im unteren bis mittleren Preissegment zu tun haben. Das Outfit sieht zwar zunächst ganz schick aus aber bei genauer Betrachtung der Standard-Buchsen ohne Arretiermechanismus, der Kunststoff-Regler zum Einpegeln, die eine Portion Fingerspitzengefühl erfordern und den schmuck hinterleuchteten, aber etwas fummeligen Tastern wird klar, wo leichte Abstriche in der B-Note zu machen sind. Die beiden symmetrischen Analog-Eingänge in Form zweier Combo-Buchsen (siehe Foto, Seite 30) liegen, wie der regelbare Kopfhörerausgang auf der Vorderseite. Roland hat auch beim Quad-Capture die VS-Preamps verbaut, welche bereits beim Octa-Capture als auch dem V-Studio VS-700 (Test, Ausgabe 7/2009) für gute klangliche Eigenschaften verantwortlich zeichneten. Input 1 lässt sich mithilfe eines Schiebeschalters auf der Rückseite (siehe Foto, Seite 32) zusätzlich in den Hi-Z-Betrieb umschalten, um auch für E-Gitarren oder –Bässe beste Eingangsbedingungen zu schaffen. Die Klinken-Eingänge der Combo-Buchse haben eine etwas andere Range (-50 bis +4dBu), um auch Line-Pegel problemlos aufnehmen zu können. Ansonsten präsentiert sich die dreigeteilte Frontplatte recht übersichtlich: Im Zentrum liegen die beiden Eingangspegelregler. Ringförmig um die Bedienelemente angeordnet informiert je eine LED-Kette pro Kanal über den anliegenden Eingangspegel. Eine rote Peak-Anzeige, die sich beide Kanäle teilen, warnt vor unliebsamen Überteuerungen.

Mit der Auto-Sens-Funktion bietet der Quad-Capture eine hilfreiche Einpegelhilfe. Es gibt zwei Modi: Im Auto-Betrieb analysiert das Interface über einen festgelegten Zeitraum den Pegel des eingehenden Signals. Die Eingangsverstärkung wird nach diesem Zeitintervall – es empfiehlt sich den lautesten Part der folgenden Aufnahme zu spielen oder zu singen – automatisch angepasst. Der Vorteil dieses Modus: Man hat beide Hände zum Spielen eines Instrumentes frei und das Interface stoppt die Analyse ohne Zutun. Der Manual-Modus hingegen erfordert das Starten und Stoppen (jeweils den Auto-Sens-Button drücken) des Analyseintervalls. Dadurch kann beispielsweise ein kompletter Durchlauf eines Takes abgewartet werden. Hintergrund: Meistens singen oder spielen Musiker engagierter, sprich lauter, wenn es um die Aufnahme geht, als wenn man sie für einen kurzen Soundcheck bittet, einmal den lautesten Part zu performen. Ein kompletter Analyse-Durchlauf kann da unter Umständen die optimale Lösung sein. Ansonsten bietet der Quad-Capture frontseitig noch eine kleine Monitoring-Sektion. Sie bietet einen Mix-Regler, der das Verhältnis von Eingangs- und Playback-Signal bestimmt. Das bedeutet: Steht er auf Linksanschlag, ist nur der Rückhohlweg (Stream) aus dem Rechner zu hören, auf Rechtsanschlag ausschließlich das Eingangssignal. Zusätzlich bietet der Quad-Capture aber auch noch einen kleinen Monitor-Mixer mit drei virtuellen Reglern (siehe Screenshot, Seite 30), der allerdings nur softwaregesteuert über das Control-Panel aufrufbar ist. Auf diesem Weg lässt sich das Lautstärkeverhältnis der Eingänge 1, 2 sowie 3/4 für den Monitorweg anpassen. Der zusätzliche Mono-Button (siehe Detailfoto, Seite 31) ist hilfreich, wenn beispielsweise nur eine Gitarre zur Aufnahme an Input1 angeschlossen ist. Um sie beim Einspielen nicht nur auf der linken Seite im Stereopanorama, sondern mittig (mono) zu hören, muss er gedrückt sein. Auf der Rückseite liegen neben der USB-2.0-Buchse die MIDI-Ein- und -Ausgänge, um den Quad-Capture auch in komplexeren Umgebungen integrieren zu können. Außerdem findet sich hier die coaxiale S/PDIF-Schnittstelle (I/O), um digitale Signale einzuspeisen oder auszugeben. Dabei gibt es eine Besonderheit: Auf den digitalen Ausgang (3/4) kann entweder das Direct-Mix-Signal oder einer der beiden Datenströme aus dem Computer (Wave Out 1/2, Wave Out 3/4) gelegt werden. Dafür muss allerdings im Menü „Gerät“ des Control Panels der Digital Out (Pop-up-Menü) zugewiesen werden. Die beiden analogen Ausgänge sind symmetrisch. Allerdings, auch aufgrund des mangelnden Platzangebots als 6,35-mm-Klinkenbuchsen ausgeführt. Auch wenn die Stecker zunächst grundsätzlich sicher an ihrem Platz einrasten, ist diese Art der Verbindung aufgrund ihrer Fehleranfälligkeit gerade im Live-Business nicht unbedingt gern gesehen. XLR-Buchsen wären eine sicherere Bank. Last but not least hält der Quad-Capture noch drei Schiebeschalter parat: Den bereits erwähnten Umschalter für den Hi-Z-Eingang, einen Ground-Lift und den Aktivierungsbutton für die Phantomspannung, um auch Kondensatormikrofone problemlos an beiden Eingängen anschließen zu können. Die kleinen Bedienelemente sind zwar voll funktionstüchtig, machen aber einen eher nüchternen bis lieblos ausgewählten Eindruck. Das hätte man eleganter lösen können. Bevor’s ans Eingemachte geht noch ein kurzer Blick auf die Quad-Capture-Software: Das übersichtlich ansprechende GUI ist auf eine, in drei Abschnitte geteilte, Seite komprimiert. Die Preamp-Sektion ermöglicht das Zuschalten eines LCF und das Umkehren der Phase, was besonders für Stereoaufnahmen sehr hilfreich ist. Außerdem kann auch virtuell die Eingangsverstärkung geregelt werden. Der Kompressor bietet alle Standard-Parameter (Threshold, Ratio, Attack, Release und Gain) sowie einen Bypass pro Kanal. Außerdem gibt es eine praktische Link-Funktion (die Parameter von Kanal 1 werden auf Kanal 2 übertragen) für Stereokompressionen. Die Einstellungen werden grafisch dargestellt, die Gain-Reduction sowie Ausgangspegel mittels virtuellem Meter angezeigt. Der zusätzliche „Gate-Regler“ aktiviert ein Noisegate, der Signale unterhalb eines vom Anwender eingestellten Pegels stummschaltet. Für Software-Freaks lässt sich auch die Auto-Sens-Funktion aus dem GUI fernsteuern und zudem finden sich hier die bereits erwähnten Regler für den Monitor-Mix.

Alles in allem ist die Software mit ihren hilfreichen Zusatzfunktionen und Effekten (Kompressor, Gate, Phasenumkehrung, HPF, Monitor-Mix) eine sehr gelungene und komfortable Ergänzung zur Hardware. Im Messlabor von Professional audio macht der Quad-Capture ein ordentliche, wenn auch nicht überragende Figur. Geräusch- und Fremdspannungsabstand liegen bei guten 79,1 und 76,4 Dezibel. Letzterer Wert könnte besser sein, wenn nicht k2 und k3 – wahrscheinlich aus klangästhetischen Gründen – deutlich aus dem ansonsten sehr guten Noisefloor bei rund -100 Dezibel herausragen würde. Spitzenwerte von 90,4 und 87,9 Dezibel eines RME Fireface UC (Test, Ausgabe 10/2009) liegen genauso in weiter Ferne wie die 85,7 und 83,4 Dezibel des Economy Klassen-Konkurrenten Komplete Audio 6 von Native Instruments (Test, Ausgabe 7/2011). Sounddesign hin oder her, die Werte gehen in Ordnung, könnten aber besser sein. Die Eingangsempfindlichkeit der Preamps ist hingegen mit -56,3 Dezibel sehr gut, was selbst für schwachbrüstige dynamische Mikrofone in den meisten Aufnahmesituationen ausreichen sollte. Die THD+N-Werte des Quad-Capture liegen im Mittel bei guten 0,03 Prozent. Allerdings weichen die Messergebnisse der beiden Kanäle (maximal: 0,03 bis 0,08 Prozent) deutlich voneinander ab. Von präziser Kanalgleichheit kann also nicht die Rede sein. Das belegen auch die CMRR-Messungen von Kanal eins und Kanal zwei, die sich im Mittel bei weit auseinander liegenden -57 und -75 Dezibel einpendeln. Die Ursache der Unregelmäßigkeiten könnte in einer mangelnden Abschirmung der analogen Vorverstärker zu finden sein. In der Praxis schlägt sich der Quad-Capture sehr ordentlich. Der Treiber inklusive Control-Software ist ohne weitere Probleme im Handumdrehen installiert und nach dem Anstöpseln des Interfaces sofort einsatzbereit. Das Quad-Capture läuft stabil und beim Experimentieren mit der Buffer-Größe landen wir bei 96 Samples, sprich einer Latenz von sechs Millisekunden. Kürzere Verzögerungen sind durchaus drin und verbessern das Spielgefühl deutlich, ohne dass Aussetzer auftreten. Das liegt laut Michael Menze, Produktmanager von Roland, an der proprietären VS Streaming Technology, die mittels Quarz-Master-Clock eine optimale, Jitter-arme Synchronisation von Hardware Treiber und DAW gewährleiste. Allerdings kommt das für den Test verwendete Intel Core 2 Notebook (XP, SP3) mit zwei Gigahertz Taktung und zwei Gigabyte RAM beim Aufnehmen etwas ins Schwitzen. Will heißen, Sequoia zeigt erste Time-Outs an, die allerdings nicht zu hören sind. Besonders erfreulich ist zum einen die Kontroll-Software mit den hilfreichen Zusatzeffekten (Kompressor/Gate, HPF und Phase), die angenehm unauffällig klingen, aber einen sehr guten Job machen. Zum anderen ist die Auto-Sens-Funktion gerade bei Einmannaufnahmen Gold wert. Ich drücke den Button, spiele die lauteste Stelle des kommenden Takes und das Quad-Capture ist optimal eingepegelt. Ich muss mir keine Gedanken machen und kann mich ganz auf das Spielen konzentrieren. Klanglich folgt der Quad-Capture – wen wundert’s bei den gleichen Preamps –dem großen Octa-Bruder. E-Gitarren-Signale kommen frisch und sehr spritzig mit einem hohen Maß an drahtiger Authentizität. Bei einer Telecaster überzeugten die Steg-Pickup-Zwischenstellung mit funkiger Knackigkeit und der Hals-Pickup mit runder Vollmundigkeit. Ein leichter Hang zu mehr Druck in den unteren Mitten und minimal abgerundeten Transienten ist aber grundsätzlich zu vernehmen. Bei Akustikgitarrenaufnahmen überzeugen der ausgeglichene Detailreichtum und die gute Auflösung, wobei etwas mehr Offenheit in den Höhen schön wäre und der leicht abgerundete, druckvolle Gesamtklang Puristen zu viel sein könnte. Der Sound ist aber jederzeit Transparent und Rauscharm, auch wenn bei dynamischen Mikrofonen und leisen Schallquellen die Preamps langsam an ihre Grenzen stoßen. Bei den Sprach und Gesangsaufnahmen kann der Quad-Capture auch punkten. Der Gesamtklang ist gut aufgelöst, kommt natürlich und weitestgehend ausgewogen, auch wenn das Timbre etwas mächtiger und profilierter erscheint. Dabei hält sich der Quad-Capture aber jederzeit dezent zurück, spendiert den Signalen lediglich etwas mehr Druck und verleiht ihnen minimal weichere Züge.

Fazit

Der Quad-Capture ist ein gut ausgestattetes mobiles USB-Audio-Interface, das besonders durch die Auto-Sens-Funktion, die beiden gut klingenden VS-Preamps und die Kontroll-Software inklusive Kompressor/Gate, HPF und Phasenumkehrung punkten kann. Als kleines Besteck mit klanglichem Anspruch ist der kompakte Mobilist trotz leichter Abzüge in der B-Note (Messwerte, Bedienelemente) durchaus zu empfehlen.

Erschienen in Ausgabe 02/2012

Preisklasse: Economyklasse
Preis: 237 €
Bewertung: gut – sehr gut
Preis/Leistung: gut