Nippon-Stäbchen
Audio-Technica hat seine Profi-Mikrofonlinie, die beliebte 40er-Serie, um zwei neue Modelle erweitert, die wieder einmal mit der sprichwörtlichen Qualität von Japans Mikrofonhersteller Nummer Eins überzeugen.
Von Harald Wittig
Sowohl in der HiFi- als auch in der Pro-Audio Szene genießen die Produkte von Audio-Technica einen anhaltend guten Ruf. In den Gründerjahren nach 1962 machte das Unternehmen mit Sitz in Japans Hauptstadt Tokio dank seiner Tonabnehmer-Systeme für Plattenspieler weltweit sehr schnell Furore. Bis etwa 1978 war der Name Audio-Technica – zumindest außerhalb Japans – fest verbunden mit diesen berühmten Tonabnehmersystemen, dicht gefolgt von den ebenfalls hochgeschätzten Kopfhörern. Dabei fertigte das Unternehmen schon früh OEM-Produkte für andere Hersteller, namentlich Testgeräte für Messgerätehersteller. Diese Erfahrungen mündeten Ende der 1970er Jahre in eine eigene Mikrofonlinie, der AT800-Serie, mit der die Japaner die Messlatte in puncto Preis-Leistungs-Verhältnis für die Mitbewerber im Mikrofonbau weit nach oben setzten. AT-800-Mikrofone der ersten Generation sind noch heute im Einsatz – sowohl bei Amateuren als auch bei Profis –, inzwischen gibt es sogar ausgewiesene Audio-Technica-Sammler, die sich das ihnen eigene Affektionsinteresse einiges kosten lassen. Spätestens mit der Vorstellung des AT4033, dem ersten Kondensatormikrofon der professionellen 40er-Top-Baureihe, gehört Audio-Technica zu den führenden Mikrofon-Herstellern: Die Schallwandler aus Japan finden sich in Home-, Projekt- und Profistudios, bestechen nach wie vor durch ihr unschlagbares Preis-Leistungsverhältnis und exzellente Langzeitstabilität. Letzteres hat der Hersteller mit der 2007 eingeführten „lebenslangen Garantie“ unterstrichen und auch Professional audio Musik & Equipment konnte sich in Ausgabe 3/2008 davon überzeugen, dass das hohe Vertrauen in die Produkte absolut gerechtfertigt ist: Wir testeten nämlich ein fabrikneues AT4050 Großmembran-Mikrofon und verglichen es mit einem zehn Jahre alten AT4050/CM5. Das damalige Testfazit: Das neue Mikrofon hatte insgesamt vergleichbar gute Klangeigenschaften wie sein älteres Geschwister, das sein Eigentümer, der Tontechniker Michael Kusterer-Trenkle, zum harten Kern seiner umfangreichen Mikrofon-Kollektion zählt. Auch bei allen anderen Tests – insoweit sei auf die Ausgaben 11/2006 (AT 4050), 12/2006 (AT4041), 4/2007 (Schlagzeug-Mikrofonset MBDK7) und 11/2007 (Elektret-Stereomikrofon AT825) verwiesen – überzeugten die Japaner im typischen mattschwarzen Gewand. Deswegen waren wir gespannt, was die auf der diesjährigen Winter-NAMM präsentierten vier neuen Audio-Technica-Mikrofone zu bieten haben.
Kurzfristig lieferbar waren unsere beiden heutigen Testkandidaten, AT4021 beziehungsweise AT4022. Die beiden anderen Neuzugänge, die Großmembranmikrofone AT2035 und AT2050 werden wir in einer der nächsten Ausgaben testen. AT4021 und AT4022 sind unverkennbar Kleinmembran-Mikrofone, auf die der Hersteller selbstverständlich die lebenslange Garantie gewährt. Als neue Mitglieder der 40er-Serie sind beide – auch das ist eigentlich selbstverständlich – für anspruchsvolle Studio- und Liveaufnahmen konzipiert. Gleichwohl hält Audio-Technica preislich – wie gewohnt – den Ball flach:
Für das AT4021 sind rund 355 Euro, fürs AT4022 etwa 390 Euro anzulegen. Für Mikrofone mit professionellem Anspruch, die zudem ein Produzenten-Leben lang klaglos ihren Dienst versehen sollen, muten eine solche Preisgestaltung schon fast unverschämt günstig an. Beide Mikrofone sind extern polarisierte Kondensator-Mikrofone, benötigen also wie gemeinhin üblich für den Betrieb die 48-Volt-Phantomspeisung. Inzwischen gehören Mikrofon-Vorverstärker mit zuschaltbarer Phantomspeisung zum allgemeinen Standard und auch ein Einsteiger-Audio-Interface kann es sich heutzutage nicht leisten, auf dieses essentielle Ausstattungsdetail zu verzichten. Wer dennoch lediglich über eine anachronistische Aufnahmehardware verfügt – beispielsweise ein älteres Porta-Studio – findet im Audio-Technica-Katalog das Phantomspeise-Netzteil AT8801, das die notwendige Betriebsspannung bereitstellt und mit rund 100 Euro erschwinglich ist. Sofern nicht gleich in einen Vorverstärker investiert wird. Für vergleichsweise wenig Geld bieten beispielsweise Behringer oder ART gute Modelle an, die zudem noch über HiZ-Instrumenteneingänge verfügen.
Zurück zu den beiden Testkandidaten: Hinsichtlich der Kapselkonstruktion unterscheiden sich AT4021 und AT4022 wesentlich. Während es sich beim Erstgenannten um eine Druckgradientenempfänger-Kapsel handelt, ist das AT4022 ein Druckempfänger. Erkennbar sind diese grundlegenden Konstruktionsunterschiede daran, dass das AT4021 an der Seite Schalleinlässe (sogenannten Ports) hat, die beim AT4022 fehlen. Das AT4022 hat Kugel-Charakteristik, während sein zweieiiger Zwilling Nieren-Charakteristik hat. Eine entsprechende Gravur auf der Kapsel, die über die jeweilige Richtcharakteristik Auskunft gibt, fehlt bei beiden Mikrofonen, was den Fachmann weniger stört, aber den Einsteiger eventuell etwas ratlos lässt. Allerdings liefert das beiliegende, multilinguale Datenblatt alle notwendigen Informationen, weswegen etwaige Nörgler („Das ist doch nicht professionell!“) sogleich verstummen sollten. Beide Mikrofone sind abgesehen von den Kapseln gleich ausgestattet: Die Verstärkereinheiten sind in Transistor-Technik aufgebaut, die Symmetrierung erfolgt, wie es bei den Kondensator-Mikrofonen von Audio-Technica üblich ist, „eisenlos“, also ohne Ausgangsübertrager. Beide Verstärker sind mit einem Vordämpfungsschalter ausgestattet, der die Empfindlichkeit der Mikrofone um zehn Dezibel herabsetzt und die beiden Japaner auch für die Mikrofonierung lauter Schallquellen, beispielsweise Schlaginstrumenten qualifiziert. Die Beiden sollen laut Herstellerangabe Schalldrücke bis 146 Dezibel SPL, mit aktiviertem Dämpfungsschalter sogar 156 Dezibel verkraften. Ob die Mikrofone tatsächlich so verzerrungsresistent sind – es handelt sich bei den angegebenen um absolute Spitzenwerte – zeigt der finale Praxistest.
Ansonsten sind die Mikrofone ausweislich unserer Messungen durchschnittlich empfindlich: Der Messwert – wohlgemerkt mit deaktiviertem Pad-Schalter – beträgt für das AT4021 13,9 mV/Pa, der des AT4022 16,3 mV/Pa. Interessanterweise ist das Kugelmikrofon damit in allerbester Gesellschaft, denn auch unser Referenz-Kleinmembran-Mikrofon, das Schoeps MK 2H/CMC6ug weist mit seiner Empfindlichkeit von 15 mV/Pa einen sehr ähnlichen Messwert auf. Bei solchen Empfindlichkeitswerten kommt dem Geräuschpegelabstand, der Auskunft über das Eigenrauschen der Mikrofone gibt, besondere Bedeutung zu. Denn je höher das leise Ausgangssignal zu verstärken ist, desto weniger sollte das Mikrofon rauschen. In dieser Disziplin sind beide Mikrofone über jeden Zweifel erhaben: Der Druckempfänger AT4022 wetteifert mit einem Messwert von 82,4 Dezibel sogar mit unserem Schoeps, das es – ein wichtiger Eintrag fürs Mikrofon-Quartett – „nur“ auf glatte 82 Dezibel bringt. Auch das AT4021 muss sich nicht vor der oftmals um ein Vielfaches teureren Konkurrenz verstecken: 81,2 Dezibel ermittelt das Messlabor und hält fest: Störendes Rauschen auf den Aufnahmen kann viele Ursachen haben, diese Mikrofone sind aber definitiv nicht der Grund dafür. Zweites und durchaus zu begrüßendes Ausstattungsmerkmal ist der eingebaute Hochpassfilter, der jeweils bei 80 Hertz ansetzt und alle Frequenzen unterhalb dieser Einsatzfrequenz mit einer Steilheit von 12 Dezibeln pro Oktave absenken soll. Tatsächlich decken sich die Angaben des Herstellers einschließlich der in den Datenblättern abgedruckten Frequenzgänge mit unseren Messungen (siehe hierzu die Frequenzgänge mit aktiviertem Hochpassfilter auf Seite 30). Im Hause Audio-Technica wird also Ehrlichkeit großgeschrieben und der potenzielle Anwender erhält verlässliche Informationen, die über geschönte Katalogkurven und Phantasie-Daten hinausgehen. Die Verarbeitung der Mikrofone gibt keinerlei Anlass zur Klage: Die mattschwarzen Messinggehäuse machen einen robusten Eindruck, die empfindlichen Membranen der beiden Kapseln sind nicht nur vor neugierigen Blicken, sondern auch vor den Fingern nervöser Toningenieure im Terminstress geschützt. Audio-Technica liefert die Mikrofone im mit Schaumstoff ausgepolsterten Kunststoffetui, in das sie der Anwender nach Gebrauch sicher zur Ruhe bettet. Mit dabei ist auch eine Mikrofonklammer, über die sich nichts weiter sagen lässt, außer, dass sie ihren Zweck, das Mikrofon bei Stativmontage sicher zu halten, ohne weiteres erfüllt. Bevor wir die alles entscheidende Frage nach den Klangeigenschaften von AT4021 und AT4022 beantworten, werfen wir noch einen Blick auf die Frequenzgänge. Professional audio Musik & Equipment ermittelt die Frequenzgänge mit Hilfe der sogenannten MLS-(Maximum Length Sequence) Methode unter normalen Betriebsbedingungen im Studio, weswegen unsere Kurven unter Berücksichtigung von Raumflexionen oft weniger eindrucksvoll aussehen, als die Referenzschriebe der Hersteller, die üblicherweise im reflexionsarmen, vulgo schalltoten Raum ermittelt werden. Unter Berücksichtigung der verschiedenen Messbedingungen – und Methoden – zeigt sich einmal mehr, dass Audio-Technica in den Datenblättern zu seinen Mikrofonen aussagekräftige Frequenzgangschriebe abdruckt. Während der Frequenzgang des AT4022 zumindest vom Bassbereich bis hinauf zwei Kilohertz mustergültig linear verläuft, weist die Kurve des AT4021 einen dezenten Abfall ab 200 Hertz auf. Das muss kein Nachteil sein, denn immerhin handelt es sich um einen Druckgradientenempfänger und der dieser Kapselkonstruktion eigene Nahbesprechungseffekt, der für eine Andickung der tiefen Frequenzen sorgt, ist nicht immer erwünscht. Ab fünf Kilohertz ist im Falle des AT4021 eine steile Anhebung, die im Gipfel zwischen sechs und sieben Kilohertz knapp vier Dezibel beträgt. Ob und wie stark sich dies auswirkt, ist anhand der Messkurve kaum zu ermitteln. Insoweit ist tatsächlich beides möglich: Entweder ist dieser Anstieg klanglich praktisch vernachlässigbar, oder er sorgt für einen zusätzlichen Schuss Präsenz. Ohne Aufnahme- und Hörpraxis geht bei Mikrofonen eben nichts. Das gilt auch für das AT4022, dessen Frequenzgang weitgehend linear verläuft, allerdings wie sein Geschwister einen – wenngleich geringer ausgeprägten – Höhenabfall ab zehn Kilohertz aufweist. Kommen wir zur Praxis:
Damit Sie sich selbst ein Bild machen können, wie die beiden Nippon-Stäbchen klingen, haben wir mal wieder Soundfiles erstellt, die Sie in der Soundbank auf unserer Website,www.professional-audio.de, finden und herunterladen können. Die Aufnahmen eines kurzen Gitarrenstücks, aufgenommen mit einer Sanchis Carpio 1AF Flamenco-Gitarre in Dropped-D-Stimmung (tiefe Saite einen Ganzton tiefer gestimmt) liegen sowohl im Wave, als auch im MP3-Format vor. Als Vergleichstake gibt es dasselbe Stück noch einmal aufgenommen mit dem Schoeps MK 2 H/CMC 6Ug, als Vorverstärker kommt jeweils unserer Referenzkombination, bestehend aus Lake People Mic-Amp F355 und Lynx Aurora 8 Analog-Digital-Wandler zum Einsatz. Beide Mikrofone sind bei der Auflösung weit über dem Durchschnitt und auch wenn das Schoeps hörbar noch feiner und detailverliebter mit den Klanginformationen umgeht, beweisen AT4021 und AT4022, dass ihre Schöpfer etwas vom Mikrofonbau verstehen. Während das Kugelmikrofon sehr nahe an das Referenzmikrofon herankommt, klingt die Niere vom Grundtimbre her schon anders: Es repräsentiert in gewisser Weise den Audio-Technica-Klang, der sich durch eine leichte Silbrigkeit – hier macht sich dann doch die Präsenzanhebung im Frequenzgang bemerkbar – auszeichnet. Damit empfiehlt sich dieses Mikrofon durchaus für akustische Saiteninstrumente, läuft unserer Meinung nach aber erst als Overhead-Mikrofon fürs Schlagzeug zu richtig großer Form auf, nicht zuletzt wegen seines sehr guten Impulsverhaltens. Wenn Sie Wert auf einen klaren Becken- oder HiHat-Klang legen, dem ein guter Schuss Brillanz gut tut – das AT4021 ist eine gute Wahl. Hinzu kommt, was übrigens auch fürs AT4022 gilt, dass dieses Mikrofon auch hohe Pegeln verkraftet. Versuchsweise im Nahbereich auf eine Snare gerichtet, müssen wir die Sticks fast zum Glühen bringen, bis es endlich zu hörbaren Verzerrungen kommt. Ansonsten kann es matt klingenden oder allzu basslastigen Saiteninstrumenten wie manchen überdimensionierten Akustik-Gitarren mehr Ausgewogenheit verleihen. Zumal der Nahbesprechungseffekt sehr gering ausgeprägt ist. Es ist schon angeklungen: Das AT4022 ist eher der Allrounder des Zwillingspaares, denn grundsätzlich handelt es sich um ein neutral abgestimmtes Mikrofon. Für akustische, möglichst naturnahe Aufnahmen, auch als Stereo-Hauptmikrofon – dann allerdings als Paar – ist es jedenfalls empfehlenswert. Sicher: Ein Topmikrofon wie das Schoeps spielt eine Leistungsklasse höher, allerdings kostet es auch rund dreimal so viel. Festzuhalten bleibt aber, dass Audio-Technica mit dem AT4022 einen sehr guten Druckempfänger konstruiert hat, der auch den hohen Ansprüchen von professionellen Anwendern genügt.
Fazit
Die beiden Nippon-Stäbchen AT4021 und AT4022 von Audio-Technica sind ausgereifte Kleinmembran-Mikrofone, die wenigstens doppelt so teuer klingen als sie tatsächlich kosten. Während das Nierenmikrofon AT4021 mit seinem leicht silbrigen Klang vor allem als Drum-Overhead brilliert, ist das Kugelmikrofon AT4022 ein kompetenter Allrounder, das sich insbesondere für Aufnahmen akustischer Instrumente empfiehlt.
Erschienen in Ausgabe 04/2009
Preisklasse: Oberklasse
Preis: 356 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut
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