Klangvoller Nachschlag
Öhrchen nochmal gespitzt: Als Nachschlag zu unserem In-Ear-Vergleichstest in Ausgabe 6/2016 folgen nun vier nicht minder spannende und klangvolle Modelle von Audio-Technica und Cardas Audio, die wir Ihnen nicht vorenthalten wollen.
Von Sylvie Frei
Erinnern Sie sich noch an den großen In-Ear-Vergleichstest in der Professional audio 6/2016? Im diesem Rahmen hatten wir insgesamt 12 Modellen der Herstellern Brainwavz, Fidue, FiiO, PSB Lautsprecher, RHA, Sennheiser, Shure und Ultrasone getestet und uns dabei Querbeet durch so ziemlich alle Preisklassen gelauscht. Doch wie das im Leben so läuft: Ein paar der einbestellten Testkandidaten schafften es nicht mehr rechtzeitig ins Professional audio-Studio, gingen gar auf dem Postweg vorübergehend verloren oder kamen schlicht später auf den Markt als geplant. Doch nun sind sie da und warten nur darauf, genauso akribisch unter die Klang-Lupe genommen zu werden wie die 12 bereits getesteten Modelle. Mit dabei sind gleich drei Produkte vom japanischen Hersteller Audio-Technica und eines vom US-amerikanischen Hi-Fi-Kabel-Hersteller Cardas Audio. Preislich bewegen sich die vier In-Ears zwischen 229 und 399 Euro, also noch im mittleren Bereich. Wie beim Vergleichstest gehen wir auch diesmal in alphabetischer Reihenfolge vor.
Charaktervoll und solide:
Audio-Technica ATH-CKR9 (229,- €)
Der Audio-Technica ATH-CKR9 arbeitet mit einem besonderen Treiberkonzept: Sein sogenannter Dual Phase Push-Pull Driver besteht aus zwei dynamischen 13 mm Treibern, die gegenüberliegend angeordnet sind und in entgegengesetzte Richtung schwingen. Dazu werden die beiden Treiber mit zueinander nicht phasensynchronen Signalen gespeist. Während der eine Treiber Luft nach vorne schiebt (Push), bewegt sich der andere zurück (Pull). So unterstützen sie sich gegenseitig und das System arbeitet effizienter, was zu einem lineareren Frequenzgang und weniger Verzerrungen führt, so die Entwickler Hiromichi Ozawa und Hiroaki Kokubun im Interview auf der englisch-sprachigen Audio-Technica-Webseite. Beim ATH-CKR9 verbirgt sich diese Ingenieursleistung im Miniaturformat in einem Aluminiumgehäuse, das unerwünschte Resonanzen vermeidet und eine knackige Mitten- und Höhenwiedergabe fördert. Akustische Edelstahlwiderstände sorgen für optimierte Höhen und eine akkurate Bassdarstellung.
Das glatte, eher fragil wirkende 120 cm-Kabel endet in einer L-förmigen 3,5 mm-Stereominiklinke und ist fest mit den matten, schwarz-silbernen Ohrknöpfen verbunden – bei Kabelbruch ist der Nutzer also auf den Herstellerservice angewiesen.
Handling & Tragekomfort:
Die Ohrknöpfe, die an der Innenseite durch die recht klein aufgedruckte Rechts-/Links-Bezeichnung noch gerade so zu unterscheiden sind, sitzen mit Stöpseln in der richtigen Größe fest und rutschsicher im Ohr. Silikon-Stöpsel sind in vier Größen (S, M, L und XL) im Lieferumfang enthalten, ebenso eine kompakte und stabile Kunstledertasche für den praktischen Transport ohne Kabelsalat. Ein Adapter auf 6,3 mm-Klinke fehlt.
Klangeindruck:
Schon der erste Höreindruck mit dem ATH-CKR9 ist positiv: Das Klangbild ist recht ausgewogen und differenziert, dabei weitgehend neutral und unauffällig. Doch erst nach längerer Hörzeit zeigen sich die guten Klangeigenschaften des In-Ears in ihrer ganzen Fülle. Dazu zählt eine in der Stereobreite wie Tiefe gut ausgeprägte Räumlichkeit, in der sich einzelne Instrumente und Signalquellen zwar nicht punktgenau, aber ziemlich präzise im dreidimensionalen Raum orten lassen. Die Auflösung ist nicht übermäßig fein, wobei das Impulsverhalten, besonders in den Höhen, sehr gut ist. Das Klangspektrum enthüllte sich nach einer Weile als weitestgehend ausgewogen, doch nicht ganz linear. Es besitzt insgesamt angenehme, präzise Höhen, die mitunter zu einer leichten Dominanz im oberen Präsenzbereich neigen und hohe Gesangstimmen etwas weiter nach vorne bringen. Die Mitten verhalten sich insgesamt eher transparent und unauffällig, weisen allerdings eine leichte Anhebung im unteren Mittenbereich auf, die bis in den oberen Bassbereich ragt. Das verschafft manchen Percussion- und Drum-Klängen eine Extra-Portion Volumen. Die tiefen Bässe klingen im Vergleich konturierter, relativ straff, nicht zu wuchtig und ordentlich tiefgängig. Insgesamt können wir den ATH-CKR9 für den lustvollen Hörgenuss, aber auch durchaus für das Editing, Monitoring und Mixing – nicht nur unterwegs – empfehlen.
Ausgewogen und konsistent:
Audio-Technica ATH-CKR10 (329,- €)
Der ATH-CKR10 ist in vielerlei Hinsicht dem Brudermodell ATH-CKR9 ähnlich – allerdings ging Audio-Technica bei der Materialauswahl noch einen Schritt weiter, was den Ohrhörer merklich kostspieliger macht. Auch im ATH-CKR10 werkeln die speziell für die CKR-Serie entwickelten Dual Phase Push-Pull Drivers. Allerdings ist sind die Gehäuse beim ATH-CHR10 aus akustisch noch optimalerem, beschichtetem Titan gefertigt. Das Joch, das den Treiber wie einen Ring umgibt, besteht zudem aus reinem Eisen, was die Effektivität der Treibermagnete zusätzlich erhöhen soll. Hinsichtlich Kabel, Stecker und Zubehör ist der ATH-CKR10 identisch zum Bruder-Modell ausgestattet.
Handling & Tragekomfort:
Siehe ATH-CKR9
Klangeindruck:
Klanglich legt der ATH-CKR10 im Vergleich zum ATH-CKR9 noch einmal ganz schön nach und kann mit einem überaus ausgewogenen, plastischen, differenzierten und klaren Klangbild punkten. Beim Hören eigener Produktionen, anhand derer wir noch einmal jede Panning- und EQing-Entscheidung nachvollziehen, wird schnell klar, dass dieser Ohrhörer alle Signale so darstellt, wie er das auch soll. In der Räumlichkeit ist der ATH-CKR10 noch mal einen Hauch besser aufgestellt als der kleine Bruder, Stereobreite und Raumtiefe werden etwas deutlicher herausgearbeitet, die Ortung gelingt merklich präziser. Beim Impulsverhalten performt der ATH-CKR10 über den ganzen Frequenzbereich sehr ordentlich. Die Auflösung könnte sicherlich noch etwas feiner sein, geht aber für die Preisklasse mehr als in Ordnung. Womit der ATH-CKR10 hingegen wirklich punkten kann, ist das optimal ausgewogene Klangspektrum. Es setzt sich aus sehr angenehmen, unaufdringlichen und perfekt dosierten Höhen, überaus konsistenten Mitten und einem vollen, tiefgängigen und definierten Bass zusammen. Das macht sowohl das genussvolle Hören als auch die analytische Detailarbeit im Studio oder unterwegs zu einem Vergnügen. Den ATH-CKR10 können wir ohne Bedenken für den universellen Einsatz empfehlen.
Transparent und differenziert:
Audio-Technica ATH-E70 (399,- €)
Der ATH-E70 ist das brandaktuellste Audio-Technica-In-Ear-Modell und das Flaggschiff der neuen E-Serie des Herstellers. Anders als die Modelle der CKR-Serie, die – auch wenn die getesteten Modelle durchaus für professionelle Zwecke taugen –hauptsächlich für den Musikgenuss konzipiert wurden, ist die E-Serie eine spezielle Linie für das professionelle In-Ear-Monitoring. Bei der Treiberkonstruktion sind die Entwickler neue Wege gegangen und haben dem ATH-E70 einen aufwändigen Drei-Wege-Balanced-Armature-Treiber verpasst. BA-Treiber arbeiten mit einem Permanentmagneten und einem, in dessen Magnetfeldzentrum zentrierten, beweglich befestigten Anker. Fließt Strom durch die Spule des Ankers, wird dieser magnetisiert und fängt an sich zu bewegen. Diese Bewegung überträgt sich über den am Anker befestigten Membranantrieb auf die Membran, die daraufhin hörbare Schallwellen erzeugt. Das Prinzip hat gegenüber anderen Treibersystemen den Vorteil, dass es aus wenig Strom viel Klang erzeugt. BA-Treiber erfordern allerdings eine höhere Abdichtung als andere Treibertypen. Eine solche Konstruktion befindet sich im Inneren der transparenten Kunststoff-Gehäuse des ATH-E70 gleich in dreifacher Ausführung, einmal für den Höhen-, einmal für den Mitten- und einmal für den Basskanal. Das 160 cm-Kabel des ATH-E70 macht einen widerstandsfähigen Eindruck. Es besteht aus geflochtenem Metallfäden, ist mit einem transparenten Kunststoffmantel isoliert und abnehmbar. Das Kabel endet in einer L-förmigen 3,5 mm-Stereoklinke. Ein vergoldeter Adapter für 6,3 mm-Anschlüsse ist im Lieferumfang enthalten, ebenso Silikon-Stöpsel in vier Größen (SX, S, M, L) und ein paar Schaumstoff-Stöpsel, die für eine besonders saubere Isolation nach außen sorgen. Dem unkomplizierten Transport steht mit dem praktischen Textil-Etui samt Extra-Fach für Adapter und Ersatzstöpsel ebenfalls nichts im Wege.
Handling & Tragekomfort:
An der Stelle, wo das Kabel des ATH-E70 über die Ohren geführt wird, ist es mit Draht verstärkt und lässt sich so optimal der Ohrform anpassen. Die Ohrhörerseiten sind dank dem klein aufgedruckten L und R auch bei diesem Modell noch gut zu unterscheiden. Beim Anstecken des Kabels hilft die Farbcodierung. Der rechte Kabelstecker ist mit einem roten Ring markiert, der auch nach dem Einstecken noch sichtbar bleibt und zusätzlich bei der Unterscheidung der Ohrhörer hilft. Trotz der richtigen Wahl der Ohrstöpsel – bei der E-Serie empfiehlt sich eine Größe kleiner als bei der CKR-Serie – sitzt der ATH-E70 bei einigen Testern nicht ganz so angenehm im Ohr, sodass längere Hördistanzen aus Komfortgründen etwas unangenehm werden. Von der Bequemlichkeit her haben die CKR-Modelle klar die Nase vorn, in Sachen stabiler Sitz punktet der ATH-E70 dank der Überohr-Kabelführung.
Klangeindruck:
Klanglich präsentiert sich der ATH-E70 ohne Fehl und Tadel. Er besitzt ein transparentes, präzises, klares und nahezu perfekt ausgewogenes Klangbild. In der Räumlichkeit ist er mit dem ATH-CKR10 etwa gleich auf, wirkt aber in der Stereobreite noch etwas differenzierter. Sein Impulsverhalten ist Lagen-unabhängig sehr gut, die Auflösung noch ein ganzes Stück feiner als bei den CKR-Modellen. Die Lautstärke-Abstimmung der drei Wege ist fast optimal, wobei der Bass noch etwas lauter sein dürfte. Die Höhen kommen fein, detailliert, aber nicht scharf oder unangenehm. Die Mitten sind eher durchsichtig, aber angemessen vertreten. Die Bässe klingen sehr straff und definiert, gehen allerdings nicht ganz so tief in den Keller wie beim ATH-CKR10. Mitunter wirken sie etwas zurückhaltend, was aber sehr auf das Hörmaterial ankommt und kaum störend ins Gewicht fällt. Insgesamt punktet dieses Modell mit seiner Transparenz, Klarheit und feinen Auflösung. Wir können den ATH-CKR10 außer für das Monitoring, für das er klar optimiert wurde, auch universell für den Musikgenuss und sämtliche Studioaufgaben empfehlen, solange der Hörer mit dem Sitz der Ohrhörer klarkommt – im Zweifelsfall einfach ausprobieren.
Seidig und filigran:
Cardas Audio A8 (349,- €)
Der US-amerikanische Hersteller Cardas Audio wurde in Hi-Fi-Kreisen mit seinen edlen Kabeln bekannt, baut mittlerweile aber auch In-EarKopfhörer. Sein zweites und aktuellstes Modell ist der A8 – auch bei diesem zählt eine außergewöhnliche Kabellösung zu den Hauptfeatures, dazu gleich mehr. Treiberseitig ist der A8 mit einem dynamischen 11 mm-Breitbandtreiber ausgestattet, der mit einem Doppelmagneten arbeitet. Damit hat es Folgendes auf sich: Die normalerweise nicht magnetische Polplatte, die sich zwischen Membran und Magnet befindet, wurde bei diesem Treiber durch einen Permanentmagneten ersetzt. Eine insgesamt aufwändigere Konstruktion, die aber zu einem besonders linearen und verzerrungsarmen Klangbild führen soll. Der winzige Treiber verbirgt sich in einem kunststoffbeschichteten Vollmetall-Gehäuse, das durch sein dunkelblau-marmoriertes Finish und das Cardas-Logo – eine Nautilusgrafik – optisch angenehm auffällt. Der absolute Eyecatcher am A8 ist jedoch das aufwändig konstruierte und Textil-ummantelte Kabel. Dieses insgesamt 116 cm-lange Kabel setzt sich aus zwei Abschnitten zusammen: Die Verbindung zu den Ohrhörern ist beim A8 fest, die dünnen Kabel im Textilmantel sind farbcodiert (rechts blau, links grau) und münden in einen Stecker. Dort ist ist der zweite, abnehm- und austauschbare Kabelabschnitt angedockt, der in seinem aufwändig umflochtenen- und umknüpften Doppelhelixdesign einem DNA-Strang ähnelt und einen absolut widerstandsfähigen Eindruck macht – Kabelgeräusche sind beim Hören jedenfalls überhaupt kein Thema. Das Helixkabel endet in einer gewinkelten 3,5 mm Stereo-Miniklinke – ein Adapter auf 6,3 mm-Klinke ist nicht im Lieferumfang enthalten. Außerdem sind bei Cardas Audio spezielle Austauschkabel im gleichen Design mit Zwei-Stecker-3,5 mm-Verbindung für Pono-Player und 2,5 mm-TRRS-Klinke für Digital Audio Player der Marken Astell & Kern (für je 69 Euro UVP) zu haben. Der Hersteller hat dem In-Ear ein ganzes Arsenal von austauschbaren Silikonstöpseln und ein Paar isolierende Schaumstoff-Pfropfen beigelegt – da sollte jeder etwas Passendes finden. Zur Aufbewahrung findet sich außerdem ein schickes und praktisches Etui im Lieferumfang.
Handling & Tragekomfort:
Die Knöpfe des A8 sitzen sehr angenehm im Ohr und machen so auch lange Hörsessions möglich, der Sitz ist allerdings nicht ganz so stabil, da das Kabel – wie bei den ATH-CKR-Modellen – nicht über das Ohr geführt wird. Das Unterscheiden des linken und rechten Ohrhörers ist dank doppeltem Farbcode von Kabel und Ohrhörern (links blau, rechts rot) besonders einfach und komfortabel.
Klangeindruck:
Das Klangbild des A8 besitzt eine Form von Charakter, die nicht durch einen eigenwilligen Frequenzgang, sondern durch die akustische Anmutungsqualität des Signals entsteht. Der A8 zeigt bei einem sehr transparenten, ausgewogenen, dynamischen und plastischen Klangbild einen überaus feinen und seidigen Anstrich, der nicht schönfärbt, sondern lediglich die Filigranität der Signalwiedergabe betont. Die Räumlichkeit des A8 zeigt sich differenziert in Breite und Tiefe. Einzelne Signalanteile lassen sich sehr präzise orten. Insgesamt bestechen außerdem das gute Impulsverhalten und eine sehr filigrane Auflösung, mit welcher der A8 die drei Audio-Technica-Modelle in den Schatten stellt. Das ausgewogene Klangbild setzt sich aus sehr angenehmen, feinen, offenen und differenzierten Höhen, konsistenten und ausbalancierten Mitten und konturierten, straffen, sehr musikalischen und tiefreichenden Bässen zusammen. Im Vergleich zu den anderen Modellen besitzt der A8 am ehesten die Eigenschaft eines sehr guten Musikinstruments, was ihn gleichzeitig universell im professionellen Bereich und in hohem Maße für den audiophilen Musikgenuss, für den er schließlich konzipiert wurde, einsetzen lässt. Für einen In-Ear unter 400 Euro besitzt er ein herausragendes Klangbild.
Fazit
Der Test zeigt, dass es die vier In-Ears faustdick hinter den winzigen Ohrknöpfen haben und unsere Oberklasse auf hohem Niveau bereichern können. Wir hoffen, wir konnten Ihnen die Qual der Wahl unter den mittlerweile insgesamt 16 Modellen dennoch etwas erleichtern. Schließlich hat jedes Produkt seine ganz individuellen klanglichen Eigenheiten.
Erschienen in der Ausgabe 09/2016
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