All-inclusive
Firewire-Audio-Interfaces gibt es inzwischen wie Sand am Meer. Mit dem Orpheus von Prism Sound strandet jetzt aber besonders viel versprechendes Treibgut an der Pro-Audio-Küste. Ob das groß angekündigte Multitalent auch einen guten Test in den Hafen fahren kann, zeigt der Test.
Von Michael Nötges
Graham Boswell und Jon Dennis lernten sich in den 1970er-Jahren in Cambridge kennen. Nicht etwa beim Studium an der renommierten Elite-Universität, sondern bei der Arbeit. Seiner Zeit wirkten die beiden Ingenieure unter Rupert Neve entscheidend am DSP-Programm von AMS-Neve mit, das als erstes Ergebnis 1980 das digitale Mischpult DSP-1 vorstellte. Sieben Jahre später – die Chemie zwischen den beiden Entwicklern schien noch immer zu stimmen – gründeten sie die Prism Sound Ltd. und konzentrierten sich zunächst auf die Entwicklung und Forschung für Firmen im Bereich digitaler Audio-Anwendungen. Schnell wuchs das Start-Up-Unternehmen und legte 1992 mit der Prism Media Products Ltd. den Grundstein für die Entwicklung und Vermarktung eigener Prism-Sound-Produkte. Zunächst lag der Focus auf Test- und Messgeräten, sowie Übertragungs- und Protokollierungs-Systemen im Audio-Bereich. Doch bald nutzten die Entwickler ihr einschlägiges Know-how auch zur Entwicklung von Recording- und Produktions-Equipment, immer mit der Prämisse, das Bestmögliche anzubieten.
Bereits der AD-/DA-Wandler Dream ADA-8XR (Test in Ausgabe 10/2007) zeigte, zu was das Unternehmen in Puncto Klang und Praxistauglichkeit fähig ist, avancierte der Traumwandler, der mit über 12.000 Euro soviel kostet wie ein Kleinwagen, doch im Handumdrehen zum Referenzgerät seiner Klasse. Was im Produktportfolio der Amerikaner bislang allerdings fehlte, war ein universelles und verhältnismäßig kostengünstiges Interface. Das haben die Entwickler auch erkannt und stellten bereits auf der Musikmesse und NAMM-Show dieses Jahres ein neues Interface: Das Orpheus kostet immer noch gute 4.500 Euro und ist damit das mit Abstand teuerste von Professional audio Magazin bereits getestete Interface. Für Prism-Sound-Verhältnisse liegt das Orpheus aber im unteren Preissegment und gilt als hochwertige Low-Cost-Variante des ADA-8XR. „Wir wollten einen Mehrkanal-Wandler zu einem wesentlich günstigeren Preis entwickeln, der an die Bedürfnisse eines typischen Interface-Users angepasst war. Ohne überflüssige Features, aber mit der gleichen kompromisslosen Klangqualität“, erklärt Entwickler und Firmengründer Ian Dennis.
Das Orpheus empfiehlt sich im Gegensatz zum Spezialisten Dream ADA-8XR als achtkanalige All-Inclusive-Lösung für High-End-Produktionen auf Mac oder PC, wobei der Hersteller höchste klangliche Ansprüche an das Interface stellt. Über die verwendeten Bauteile, wie Wandler-Chips oder Bauteile der Verstärker-Schaltkreise schweigt sich der Hersteller allerdings beharrlich aus. Entwickler Dennis erklärt uns: „Wir haben gelernt, unsere Bauteilauswahl nicht preiszugeben, denn wir wollen nicht wegen nur eines Bauteils in eine bestimmte Schublade gesteckt werden. Auch wenn wir den gleichen Wandler-Chip wie ein anderer Hersteller verwenden, klingen die Geräte nicht automatisch gleich. In Bezug auf die Wandler, wie auch alle anderen Beuteile kann ich nur versichern, dass wir aus unserer Sicht immer das Bestmögliche verwenden, egal was es kostet.“
Das Orpheus ist mit acht analogen Ein- und Ausgängen bestückt, wobei die ersten vier mit Mikrofon-Vorverstärkern, und Kanal eins und zwei zusätzlich mit Instrumenten-Eingänge ausgestattet sind. Zusätzlich bietet das Multitalent insgesamt je zehn digitale Ein- und Ausgänge (acht ADAT und je zwei S/PDIF oder AES3). Gearbeitet wird beim Orpheus mit maximal 24 Bit Wortbreite und bis zu 192 Kilohertz Samplingfrequenz. Außerdem bietet es eine MIDI- und Wordclock-Schnittstelle und vor allem einen proprietären DSP-Mixer als Schaltzentrale, der neben flexiblem Monitoring und Signalrouting, Zusatzfeatures wie M/S-Decoder, einen speziellen Limiter und Sample Rate Converter offeriert. Stand alone bietet sich das Orpheus außerdem als AD-/DA-Wandler und vorkonfigurierten Mixer an und über die zweite Firewire-Schnittstelle sind bis zu sechs Interfaces kaskadierbar, was dann ein Gesamtsystem mit bis zu 48 analoge Kanäle verfügbar macht.
Die edel eloxierte Aluminium-Frontplatte zeigt sich im mattgrauen Nickelfinish sehr spartanisch und erinnert eher an puristisches HiFi-Gerät als an ein potentes, achtkanaliges Audio-Interface. Die Verarbeitung des 19-Zoll-Geräts ist sehr gut. Davon zeugen neben den aufwändig gefrästen Aussparungen für das Display und die Drehregler auch die vier elegant in die Frontplatte eingelassenen Klinken-Buchsen der Kopfhöreraus- und Instrumenteneingänge. Die beiden Gain-Regler der Kopfhörerverstärker laufen angenehm zäh und bieten damit gehobenen Pegel-Komfort – auch minimale Anpassungen der Lautstärke lassen sich sehr exakt durchführen. Dem Hauptregler können im Control-Panel je nach Setup-Anforderung die Gain der acht analogen und der beiden digitalen Ausgänge individuell zugewiesen werden. Dadurch sind 7.1-Surround-Systeme genauso praktisch zu handhaben wie Cue-Mixe für die Musiker bei Aufnahmen. Der Endlosregler verfügt über eine sehr weiche Rasterung in ein-Dezibel-Schritten. Er ermöglicht punktgenaue Einstellungen und interagiert unmittelbar mit dem Control-Panel, dient sozusagen als Fernsteuerung der Software. Ein grüner LED-Kranz rund um den Regler informiert über die eingestellte Position und lässt auch in dunklen Umgebungen die Kontrolle der Ausgangsverstärkung zu. Der Volumen-Regler verfügt über einen Push-Funktion, die derzeit aber noch nicht belegt ist. Ian Dennis erklärt: „Wir überlegen gerade, wie wir diese Funktion in Zukunft sinnvoll nutzen können und haben viele Ideen. Lasst euch überraschen, das Update wird bald kommen.“ Das gut überschaubare Display des Orpheus informiert wahlweise über die Ein- oder Ausgangspegel der analogen und digitalen Anschlüsse. Prism Sound hat elegant fließende Pegel-Anzeigen und keine plumpen LED-Ketten aus einzelnen diskreten Punkten gewählt: Bei geringen Pegeln bewegt sich die Farbsäule im unteren blauen Bereich und steigert sich über grün und orange bis hin zur oberen roten Spitze, wenn das jeweilige Signal übersteuert. Außerdem kann hier die Synchronisierung der digitalen Signale überwacht und der Status der Eingänge (Mic, Inst und Line) abgelesen werden.
Für die ersten vier Kanäle hat Prism Sound die elektronisch symmetrierten Eingänge mit Kombo-Buchsen versehen, um sowohl Line- als auch Mikrofon-Signale einspeisen zu können. Sind die beiden Hi-Z-Eingänge auf der Frontseite belegt, werden Kanal eins und zwei unmittelbar für hochohmige Instrumenten-Signale beschaltet. Ein händisches Umschalten der Eingänge ist nicht erforderlich, Line- und Mikrofoneingänge sind automatisch blockiert. Ein leises Klicken im Innern des Gehäuses verrät: Hier werkeln so einige Relais, um die gewünschten Konfigurationen vorzunehmen. Dadurch sei gewährleistet, dass sich keine unnötigen Bauteile im Signalweg befinden. Solche kostenintensiven Lösungen kennen wir von anderen High-End-Produkten wie dem Monitor ST/ST von Dangerous Music (Test in Heft 7/2008) oder dem m801 von Grace Design (Test in Heft 2/2007), die beide am Ende mit sehr gutem Klang punkten konnten. Die symmetrischen Eingänge fünf bis acht im 6,35-mm-Klinken-Format sind ausschließlich für Line-Pegel ausgelegt. Praktisch ist, dass sich alle Line-Eingänge (1-8) zwischen Consumer- (-10 dBV) und Profi-Standard (+4dBu) umschalten lassen, je nachdem, welche Pegel das angeschlossene Gerät ausgibt. Die gleiche Flexibilität bieten die acht analogen Ausgänge, die ebenfalls beide Pegel-Standards bieten.
Auch die Digitalsektion des Orpheus ist gut bestückt: Zunächst bietet sie zwei umschaltbare Cinch-Buchsen für je zwei digitale Ein- und Ausgänge im S/PDIF- oder AES3-Format. Zur Übertragung von AES/EBU-Signalen befindet sich ein Kabeladapter (Cinch auf XLR) im Lieferumfang. Die beiden Toslink-Buchsen dienen zum einen als ADAT-Ein- und -Ausgang. Dann lassen sich bis zu acht (44,1/48 Kilohertz) digitale Signale ein- beziehungsweise ausspielen. Im SMUX-Modus halbiert sich die Anzahl bei gleichzeitiger Verdoppelung der Samplingfrequenz (88,2/96 Kilohertz). Gleichzeitig können die Toslink-Buchsen aber auch zur optischen S/PDIF-Schnittstelle umfunktioniert werden, um zwei weitere Kanäle mit bis zu 192 Kilohertz zur Verfügung zu haben. Ist das Orpheus Teil einer komplexen Studio-Umgebung, lässt es sich per Wordclock synchronisieren und mittels der beiden BNC-Buchsen optimal integrieren. Die MIDI-Schnittstelle bietet einen Ein- und Ausgang zur direkten Anbindung von externen MIDI-Geräten, wie Synthesizern oder Hardware-Samplern. Über die beiden Firewire-400-Buchsen lässt sich das Interface an die DAW anzuschließen, per Daisy-Chaining kann man nach Bedarf mehrere Einheiten kaskadieren. Durch die limitierte Bandbreite der Firewire-Schnittstelle lassen sich bei 44,1 oder 48 Kilohertz zwar bis zu sechs, bei 88,2 und 96 Kilohertz aber lediglich drei Interfaces zusammenschalten. Bei Samplingfrequenzen von 176,4 oder 192 ist keine Kaskadierung möglich. Alle wichtigen Einstellungen und Konfigurationen kann man ausschließlich im Control-Panel vornehmen. Das bietet zwar hohe Flexibilität in Bezug auf das Signal-Routing und exakte Parametereinstellungen, allerdings leidet der Bedienkomfort ein wenig: Gerade beim Einpegeln haben viele Toningenieure und Musiker noch gerne reale Drehregler zwischen den Fingern. Vielleicht bietet das Update mit der neuen Push-Funktion die Möglichkeit, auch die Eingangspegel mit dem Hauptregler zu steuern. Uns erscheint dies jedenfalls eine mehr als sinnvolle Ergänzung.
Die virtuelle Schaltzentrale ist das eigentliche Herzstück des Orpheus. Nach unproblematischer Installation der Treiber-Software und des DSP-Mixers zeigt sich das GUI übersichtlich und durch die unterschiedlichen Kartenreiter sehr gut strukturiert. Prism Sound unterstützt Core Audio für Mac und WDM beziehungsweise ASIO für den PC. Im oberen Drittel jedes Fensters finden sich die gerätebezogenen und globalen Einstellungen. Sind beispielsweise drei Orpheus-Interfaces kaskadiert, bestimmen die allgemeinen Einstellungen die Samplingfrequenz, die Puffer- und Latenz-Zeit für fehlerfreies Aufnehmen und Abspielen und die Pegelanzeige des Frontplatten-Displays. Außerdem können gesonderte Einstellungen für jedes einzelnes Orpheus-Gerät im Gesamtverbund vorgenommen werden. Zunächst erweist sich aber die Benennung der einzelnen Units als sinnvoll, um den Überblick zu behalten. Das Pop-up-Menü listet automatisch alle verfügbaren Units dann namentlich auf. Zum schnellen Auffinden des ausgewählten Outboards dient zusätzlich der Identify-Button. Ist dieser aktiviert, blinkt der Power-Schalter auf der Frontplatte des entsprechenden Geräts rot. Das ausgewählte Interface kann so sehr schnell identifiziert werden. Gerade in komplexen Recording-Umgebungen mit vielen unterschiedlichen digitalen Geräten ist die stabile Synchronisation extrem wichtig. Dafür werden sechs unterschiedliche Einstellungen angeboten: Der Local-Modus synchronisiert das gesamte System auf die interne Clock des Orpheus. Ist Wordclock ausgewählt, bezieht das Interface das Sync-Signal von einem externen Wordclock-Geber, im DI-Modus synchronisiert das System auf ein externes S/PDIF-Signal. Sind ADAT-Signale angeschlossen, muss die zugehörige Einstellung ausgewählt sein, damit das Orpheus im Takt mit dem angeschlossenen Gerät läuft. Als Frontend einer DAW muss das Orpheus sich der System-Clock des Host PCs unterwerfen (PC DAW). Steht die Synchronisationsquelle auf CSP (Cycle Start Packet), dient die Clock des 1394-Firewire-Busses als Taktgeber. Für den Wordclock-Ausgang des Orpheus stehen drei Einstellungen zur Verfügung: Entweder entspricht der Takt der ausgewählten Samplingfrequenz (fs wordclock), es wird eine 256-fache Frequenz, die sogenannte Superclock gewählt (256x clock) oder eine Basis-Clock (Base clock) von 44,1 oder 48 Kilohertz, um auch auf Vielfache der Grundfrequenz zu synchronisieren. „Die meisten Geräte benötigen Wordclock-Signale“, erläutert Dennis die unterschiedlichen Einstellungen. „Wie verwenden daher eine herkömmliche TTL-level-Squarewave mit ansteigender Flanke, um den Sampling-Moment zu indizieren. Andere, wie zum Beispiel Pro Tools Loop-Sync und manche Geräte mit Two-Wire (Split96)-Interfaces benötigen die Baseclock und wieder andere die Superclock.“
Eine Besonderheit des Orpheus ist der zweikanalige Samplerate Converter (SRC). Dieser lässt sich in den digitalen Ein- oder -Ausgang schalten und passt unterschiedliche Samplingfrequenzen zwischen dem Interface und den vor- oder nachgeschalteten Geräten an. Dabei verwendet Prism Sound bei der Ausgabe zusätzlich Dither- und eigene Noise-Shaping-Algorithmen, die zur Klangoptimierung bei der digitalen Umsetzung führen sollen (siehe Kasten). Natürlich kann man den Konverter auch ganz aus dem Signalweg entfernen (Off), um das unveränderte Signal direkt weiterzureichen und es dann später zu bearbeiten. Die ADAT-Ein- und -Ausgänge lassen sich je nach Bedarf aktivieren oder abschalten. Dafür bietet das Pop-up-Fenster die Auswahlmöglichkeiten: send, return, send/return oder default. Soviel zu den allgemeinen Einstellungen, gehen wir ins Detail.
Das Input-Setup-Fenster in Form eines virtuellen Mischpults zeigt die acht analogen, sowie die beiden digitalen Eingangskanäle. Dank automatischer Erkennung der belegten Eingangs-Buchsen stellen sich die Kanäle auf die anliegenden Signale ein. Das führt dazu, dass die Phantomspannung für die ersten vier Kanäle bei Line- oder Instrumenten-Signalen deaktiviert wird. Trittschallfilter und Phasenumkehrung hingegen stehen bei den Kanälen eins bis vier für alle anliegenden Signale zur Verfügung, der interne Limiter mit der Bezeichnung Overkiller (OVK) sogar für alle acht Kanäle. Der OVK ist ein progressiver Limiter, der plötzlich auftauchende Transienten-Spitzen abrundet. (siehe Abbildung). Verfügen die ersten vier Kanäle über virtuelle Fader, einer alphanumerischen Darstellung des Pegels, sowie Übersteuerungsanzeigen zum sorgenfreien Einpegeln, geben sich die Line-Kanäle geradezu spartanisch. Die Eingänge lassen sich zur Lautstärkeanpassung lediglich per Button-Druck zwischen Profi- (+4 dBu) und Consumer-Format (-10 dBV) umschalten.
Sehr hilfreich ist der M/S-Decoder des Orpheus, der sowohl für das Kanalpaar eins und zwei als auch drei und vier zur Verfügung steht, um Aufnahmen im Mitte/Seite-Verfahren durchzuführen. Für die digitalen Eingänge hat man die Wahl zwischen coaxialen (Cinch) und optischem (Toslink) Eingang. Die beiden Informations-Anzeigen ULOCK und ASNC warnen: Es liegt kein S/PDIF-Signal an (unlock) oder das Signal stimmt nicht mit der ausgewählten Synchronisationsquelle überein (asynchronous).
Das Output-Setup-Fenster dient zur Überwachung und Kontrolle aller Ausgänge. Die Pegel der analogen Ausgänge können, wie schon erwähnt, für nachfolgende Geräte auf +4 dBu oder -10 dBV eingestellt werden. Die Stereosumme jedes Ausgangspaars kann auf einen Kopfhörer-Bus geroutet werden, um diese separat abzuhören. Eine Besonderheit des Orpheus ist der individuell belegbare Volumenregler, dessen Konfiguration in diesem Setup-Fenster vorgenommen wird. Welcher Pegel sich ändert, hängt von den aktivierten Ausgängen (VOL-Buttons) im Output-Setup-Fenster ab. Beispiel: Sind die Hauptmonitore an den Ausgängen eins und zwei angeschlossen, empfiehlt es sich, den VOL-Button der ersten beiden Kanäle zu aktivieren. Jetzt regelt der Volumen-Regler ausschließlich das erste Stereo-Ausgangspaar. Sollen sieben Monitore plus Subwoofer in einem Surround-Setup angesteuert werden, können dem Volumen-Regler alle acht Ausgänge zugewiesen werden, so dass sich der Pegel aller Lautsprecher gleichzeitig ändert. Zum Stummschalten aller Kanäle ist ein entsprechender Mute-Button im Control-Panel integriert. Für den digitalen Ausgang kann die Wortbreite zwischen 16 und 24 Bit gewählt werden, außerdem stehen vier Noise-Shaping-Algorithmen SNS 1-4 zur Verfügung (siehe Kasten). Zum Dithern auf 16 Bit setzt Prism Sound auf die neutrale Triangular Probability Density Function (TPDF).
Das Orpheus bietet sechs Mixer-Fenster, um für jeden der vier analogen Stereo-Ausgangspaare sowie den beiden Digital- und Kopfhörerausgängen individuelle Mischungen aus den anliegenden Audiosignalen zu erzeugen. Damit lassen sich beispielsweise bei der Aufnahmen von Jazz-Trios oder kleinere Formationen problemlos individuelle Kopfhörer-Mixe für die Musiker erstellen. Der Toningenieur bekommt seine eigene Mischung über den Kopfhörer-Weg oder reserviert sich zwei Ausgänge für die Abhöre. Jeder Kanal verfügt über einen Fader, eine Overload-Anzeige, die bei 0,05 Dezibel vor tatsächlicher Übersteuerung erglimmt sowie Mute-, Solo- und Pan-Funktionen. Über die alphanumerischen Anzeigen für Panorama und Lautstärke kann man exakte Werte per Tastatur eingeben. Außerdem lassen sich Kanalpaare für Stereo-Signale verlinken und mittels Master-Fader die Gesamtlautstärke der jeweiligen Cue-Mixes anpassen.
Zusätzlich zu den analogen und digitalen Eingängen ist ein Stereokanal für ein Rückholsignal aus der DAW reserviert. Das ermöglicht es, Audio-Streams aus dem Sequenzer beispielsweise den Kopfhörermischungen hinzuzufügen. Es gibt hierbei zwei Modi: Ist im Ausgangs-Setup-Fenster der Mix-Modus für ein Kanalpaar gewählt, liegt dieses, also der jeweilige Audio-Stream (DAW-Ausgang 1/2), im Mixer-Fenster auf dem Stereokanal DAW1/DAW2 an. Dadurch können jedem Ausgang zusätzlich auch bereits aufgenommenen Tracks aus der DAW zugewiesen werden. Im DAW-Modus werden die Signale direkt auf die analogen Ausgänge geroutet. Dabei sind sie im Mixer-Fenster zwar sichtbar, können aber nicht verändert werden.
Das ADAT-Fenster beschränkt sich auf die Anzeige der acht digitalen Signal-Pegel. Mit den Buttons Send und Return kann zwischen Ein- und Ausgangssignalen umgeschaltet werden. Um Übersteuerungen zu erkennen dient je eine Overload-Anzeige. Die Mixer-Software Orpheus bietet zunächst alles, was für professionelle Aufnahmen notwendig ist, allerdings ist sie nicht so reichhaltig bestückt, wie die des Mobile I/O ULN2 2d Expanded von Metric Halo oder des Motu 828 mk3 (Tests in Ausgabe 5/2008). Beide bieten zusätzlich die Möglichkeit, eigene Effekt-Plug-ins in den digitalen Signalweg einzuschleifen und werten den Software-Mixer dadurch deutlich auf – vielleicht ein weiterer Tipp für das kommende Update.
Bei den Messwerten lässt das Orpheus nichts anbrennen. Die Eingangsempfindlichkeit der Mikrofoneingänge liegt bei ausgezeichneten -70 Dezibel. Damit bieten die Vorverstärker genügend Verstärkungsreserven, um auch leise dynamische oder Bändchen-Mikrofone optimal zu verstärken. Geräusch- und Fremdspannungsabstand liegen bei 86,8 und 89,7 Dezibel. Das sind zwar sehr gute Werte, allerdings schaffen deutlich günstigere Geräte wie das Fireface 400 von RME (Test in Ausgabe 9/2006) mit 90,6 beziehungsweise 89,2 oder das Mobile I/O ULN2 2d von Metric Halo mit 91,5 und 88,4 absolut ebenbürtige Werte. Ähnlich gut sieht es beim Klirrfaktor aus, der wie bei den beiden Klassensiegern von RME und Metric Halo bei ausgezeichneten 0,005 Prozent rangiert. Die Gleichtaktunterdrückung bleibt über weite Strecken deutlich unterhalb von -70 Dezibel und steigt lediglich im Bassbereich bis zu -65 Dezibel bei 20 Hertz an (siehe Kurve). Die Übersprechdämpfung liegt deutlich unter -100 Dezibel.
Dass es mit den Werten beim Wandler-und Messgerät-Spezialisten Prism Sound auch auf digitaler Ebene nichts zu beanstanden gibt, zeigen das Jitter-Histogramm und die Wandlerlinearität. Der Jitter-Fehler beträgt lediglich 1,8 Nanosekunden und befinden sich damit in einem Bereich, der als Jitterfrei (siehe Wordclock-Artikel, Ausgabe 3/2007) bezeichnet werden kann. Prism Sounds sogenannte CleverClox – die meisten Firmen kochen ihr eigenes Süppchen und haben spezielle Schaltungen – hält also, was der Hersteller verspricht: minimalen Jitter. Die sehr gute Wandlerlinearität weist erst unterhalb von -110 Dezibel Abweichungen größer zwei Dezibel auf.
Für den Praxistest führen wir Aufnahmen mit 88,2 Kilohertz und 24 Bit durch. Dabei nehmen wir eine Fender American Standard Strat und einen Hohner E-Bass über die Instrumenteneingänge auf und mikrofonieren außerdem eine Akustikgitarre mit dem sehr neutralen Schoeps CMC64ug (Test in Ausgabe 05/2006). Schlussendlich lassen wir es uns nicht nehmen, auch den M/S-Encoder zu testen und wählen dafür ein Microtech Gefell M930 mit Nieren-Charakteristik (Test in Ausgabe 6/2007) für das Mitten- und ein Perception 420 von AKG (siehe Test Seite 62) mit Acht-Charakteristik für das Seiten-Signal. Zum Vergleich dienen Aufnahmen mit der Vorverstärker-Wandler-Kombination Lake People F355 (Test in Ausgabe 8/2006) und Lynx Aurora 8 (Test in 11/2006).
Eins ist bereits nach dem ersten Anspielen der E-Gitarre über den Instrumenten-Eingang klar: Das Orpheus klingt außergewöhnlich gut. Der authentische Klang der Gitarre kommt sehr natürlich und transparent. Auch die feinsten klanglichen Nuancen des Plektrum-Anschlags oder der Greifhand erscheinend plastisch und als direktes Abbilds des Instruments. Latenzprobleme gibt es nicht, lässt sich diese doch ohne Probleme auf einen Wert unter fünf Milisekunden einstellen. Aber direkt ist eben nicht nur die Ansprache des Interfaces sondern auch der Sound. Das wird auch bei den Bassaufnahmen deutlich. Der Sound verschwimmt auch bei sehr tiefen Frequenzen nicht, sondern ist immer gestochen scharf. Transienten werden exakt abgebildet, was das Klangbild präsent und trotzdem kraftvoll erscheinen lässt. Wem der Druck unten herum fehlt, sollte die Ton-Einstellung des Instruments überprüfen, denn das Orpheus ist absolut ehrlich und bringt das auf die Festplatte, was man ihm anbietet. Praktisch ist auch, dass Prism Sound die Overkiller-Funktion auch für die Instrumenten-Eingänge bereitstellt. Allerdings handelt es sich hierbei nicht um einen gnadenlosen Brickwall-Limiter, sondern vielmehr um einen subtilen Begrenzer, der kritische Transienten entschärft. Dieser hilft zwar ein Optimum an Aufnahmepegel fahren zu können, schützt allerdings nicht vor Übersteuerung. Man hört seinen Einsatz nicht, auch wenn der Klirrfaktor messtechnisch deutlich ansteigt, merkt aber an etwas harsch klingenden Parts im Grenzbereich sofort, wenn er ausgeschaltet ist.
Die Aufnahmen der Akustikgitarre über die Mikrofon-Vorverstärker sind absolut überzeugend. Vor allem zeichnet sich der Klang durch seine gnadenlose Signaltreue aus. Verfärbungen gibt es nicht. Der direkte Vergleich zu unserer Referenz-Kombination zeigt: Das Orpheus liegt klanglich ganz weit vorne. In Sachen Transparenz, Auflösung und Impulsverhalten steht es den Aufnahmen über den F355 und den Lynx-Wandler in nichts nach und hier handelt es sich schließlich um zwei hochwertige Aufnahmespezialisten. Der Charakter des Instrumentes wird natürlich und exakt abgebildet. Besonders die Höhen sind sehr fein aufgelöst und führen zu einer räumlichen Plastizität der Aufnahme. Das Orpheus klingt ausgewogen und überträgt auch dynamische Passagen mit spielerischer Leichtigkeit, ohne das klangliche oder technische Grenzen zu erahnen wären. Das zeigt auch die M/S-Aufnahme: Während über das M930 das Mitten-Signal und damit der Klang des Instruments optimal übertragen wird, öffnet das Seitensignal mit den feinen Reflektionsanteilen einen angenehm natürlichen Klang im Raum. Beim Abhören entsteht dadurch ein exaktes klangliches Abbild, als säße der Interpret unmittelbar vor dem Hörer. Das Orpheus ist im besten Sinne klanglich unsichtbar und bringt das Original-Signal bestmöglich auf die Festplatte.
Fazit
Das Firewire-Audio-Interface Orpheus von Prism Sound lässt des Profis Herz höher schlagen. Es bietet ausgezeichnete und vor allem neutrale und fein aufgelöste klangliche Ergebnisse und bringt eins zu eins das auf die Festplatte, was ihm geboten wird. Das kompakte Interface kann in Puncto Ausstattung und Klang mühelos mit hochwertigen Vorverstärker-Wandler-Kombinationen mithalten. Als praktische Schmankerl bietet es außerdem einen integrierten Transienten-Limiter (Overkiller) und einen M/S-Encoder. Der klanglichen Pole-Position entspricht der Preis: 4.500 Euro.
Erschienen in Ausgabe 09/2008
Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 4280 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: gut
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