Amerikanische Kombination
Presonus schicken ein brandneues Audiointerface ins Rennen, das als eines der ersten in seiner Klasse nicht nur mit zahlreichen Ein- und Ausspielwegen aufzutrumpfen weiß, sondern auch eine komplette Monitoring-Sektion inklusive Talkback-Funktion an Bord hat. Wie sich das große Komplettpaket in der Studiopraxis macht, haben wir für Sie ausführlich getestet.
Von Johannes Dicke
Wer heutzutage Musik produzieren möchte, dem bietet der Markt gegenwärtig paradiesische Equipment-Möglichkeiten. Zahlreiche Lösungen von klein bis groß werden feilgeboten, wobei die Preise bei enorm angestiegener Qualität immer günstiger werden. Ganz in diesem Sinne präsentieren uns Presonus ihr neues Flaggschiff Studio 192. Seines Zeichens viel mehr als ein reines Aufnahmemittel, bietet es gleich eine Komplettlösung aus Audiointerface und Monitor-Controller-Station. Zwar gibt es bereits schon einige ähnliche Modelle in vergleichbarer Preisklasse. Doch in der Paarung mit acht Mic-Eingängen, acht Line-Ausgängen sowie zweifacher ADAT-Ausstattung und gehört das Presonus-Gerät mit zu den im wahrsten Sinne großen Vorreitern auf dem USB3-Sektor. Mit an Bord sind zuallererst acht XMAX Class-A Mic Preamps in IC-Bauweise und zwei Instrumenteneingänge. Ergänzt werden diese durch eine raktische Lautstärkeregelung für angeschlossene Studio-Monitore, zwei separat regelbare Kopfhörerausgänge sowie als besonderer Clou ein integriertes Talkback Mikro. Doch damit nicht genug, denn via Kontroll-Software namens UC Surface lassen sich noch weitere Gerätefunktionen steuern. Zudem liegt für alle, die noch nach einer passenden DAW suchen eine Lizenz für Presonus´ hauseigene Lösung Studio One bei (einen Test der Vollversion finden Sie in Ausgabe 8/2015), wenn auch in abgespeckter AI-Ausführung. Zu haben ist das ganze „Rundum-sorglos-Paket“ für knapp tausend Euro, nämlich genau 998,- Euro [UVP]. Gerade auch angesichts verbauter AD/DA-Wandlerelemente des renomierten Herstellers Burr Brown scheint uns das auf den ersten Blick ein überaus vielversprechendes Preisleistungsverhältnis zu sein.
Aller guten Dinge sind acht
Doch fangen wir erst einmal ganz vorne undzwar bei den Bedienelementen auf der Frontplatte an. Zwei der acht Mikrofoneingänge sind dort als erstes zu finden. Via Kombibuchse können die beiden zudem auch als Instrumenteneingänge genutzt werden. Eingepegelt wird dann per multifunktionalem Endlosdrehregler gleich nebenan. Mithilfe von Vor- und Zurücktasten lässt sich der gewünschte Kanal auswählen, ein 60 Dezibel umfassendes Digital-Display zeigt die eingestellte Verstärkung an. Bei Bedarf erfolgt auf gleichem Wege die Schaltung der Phantomspeisung über einen weiteren, bei Aktivierung blau hinterleuchten Button. Doch handelt es sich beim Studio 192 wie gesagt nicht nur um ein reines Mehrkanal-USB-Interface. Ebenfalls in derselben Sektion stehen nämlich eine Talkback-Funktion mit eingebautem Mikrofon, nebst Dim/Mute-Schalter zum abdämpfen, beziehungsweise stummschalten des Hauptausgangs parat, sowie ein Mono-Button zwecks Mono-Kompatibilitätscheck eigener Mischwerke. Ein großes, stufenloses Dreh-Poti garantiert schließlich präzise Befeuerung angeschlossener Studiomonitore und bietet zwecks minutiöser Einstellung einen großzügigen Regelumfang von 80 Dezibeln. Abgerundet wird die Hardware-seitige Monitoring-Abteilung durch zwei separat regelbare Kopfhörerverstärker und bietet damit – nach unserem Wissen einzigartig im 19-Zoll-Segment – alle Features für vernünftige Abhörmischungen. Last, but not least sorgen zehn achtstufige LED-Ketten, genauergesagt acht für die Mikrofoneingänge und zwei für den Master-Ausgang die Frontseite für optimale Aussteuerungskontrolle. Zusätzliche Indikator-LEDs weisen zualledem auf das Anliegen von Phantomspannung auf jedem einzelnen Kanal hin. Soweit so gut. In puncto restliche Anschlussmöglichkeiten begeben wir uns auf die Rückseite des kompakten 1HE-Chassis. Dort erwarten uns zunächst die besagten sechs restlichen Mikrofoneingänge auf der rechten Gehäuseseite, abermals im Kombibuchsenformat zwecks wahlweiser Nutzung für Mikrofon- oder Line-Signale. Analog dazu gibt’s auch die entsprechenden Mono-Ausgänge, undzwar in Form von acht Line-Outputs in TRS-Ausführung sowie den beiden Anschlussenbuchsen des Hauptausgangs. Wer nun jedoch denkt es sei das schon gewesen in Sachen Anschlussmöglichkeiten, irrt allzu vorschnell. Nicht nur obligatorische BNC Wordclock- und S/PDIF-In/Out sind am Start, sondern zudem auch gleich zwei S/MUX-fähige ADAT-Ein- und Ausgänge. Bei maximalen Sampleraten von bis zu 96 Kilohertz eröffnen diese einiges Erweiterungspotential, wozu Presonus sogleich das passende Digitalbesteck in der Pipeline haben, undzwar in Form ihres neuen AD/DA-Wandlers DigiMax DP88. Maximal zwei Stück davon können mit den vier ADAT-Ports am Studio 192 verbunden werden und bieten ihrerseits je acht Mikrofonvorverstärker sowie via D-Sub25 acht Line-Ins- und Outs. Erhältlich sein wird das Neugerät voraussichtlich ab Mitte Februar 2016 zum Preis von 898,- Euro [UVP].
Die volle Kanal-Power
Derart viele Kanäle wollen selbstverständlich entsprechend bedient werden, ganz zu schweigen davon, dass einige Hardware-Features ausschließlich per Computer-Anbindung steuerbar sind. Diese Brücke schlägt besagte Kontroll-Software UC Surface, die bereits den Live-Mixern der RM-Serie als praktische (Fern-)Steuerzentrale für FOH-Anwendungen und Co. dient. Neben diversen Grundeinstellungen liegt deren Clou in latenzfreiem Monitoring der bis zu 32 Monokanäle, zweier Effektkanälen in Form von Hall und Delay sowie vier DAW-Stereo-Returns und Main-Ausgang. Desweiteren vermag die Aplikation auch auf Apples IOS iPads in mobile Fernbedienungen zu verwandlen, um beispielsweise direkt vom Ort des Klanggeschehens an der Interface-Justage hantieren zu können. Beim Öffnen auf unserem Test-Macbook geht zuerst ein kleines, sogenanntes Launch-Fenster auf, in dem alle angeschlossenen Presonus-Geräte anzeigt werden. Dort kann erst einemal unabhängig von der Host-DAW vorab die Einstellung des Arbeitsformats mit Samplerate, Clock-Quelle und Puffergröße vorgenommen werden. Praktisch: Ganz am unteren Ende des Dialogs wird die sich aus der zuvor gewählten Abtastrate ergebende Anzahl zur Verfügung stehender Ein- und Ausgänge angezeigt. Wie bereits angesprochen bietet unser Gerät bei 44,1 und 48 Kilohertz seine größte Schlagkraft, bei der sich inklusive beider ADAT-Schnittstellen insgesamt 26 Ein- und 32 Ausgänge gleichzeitig nutzen lassen. Wird jedoch die Höchstauflösung von 192 Kilohertz gewählt, kommen wir nur noch auf acht Vorverstärker-Inputs, acht Line-Outputs sowie Main Out und S/PDIF. Da jedoch die ADATs bei solch großem Datendurchsatz bauartbedingt einfach nicht mehr hinterherkommen, stehen diese wie gesagt höchstens bis zu einer Auflösung von 96 Kilohertz zur Verfügung. Ist letztere eingestellt, wird auf sogenannten S/MUX Modus umgeschaltet und das reduziert logischerweise die ADAT-Kanalzahl – ob doppelt so hoher Samplerate wie im ursprünglich vorgesehenen 44.100- oder 48.000-Hertz-Betrieb – auf die Hälfte. Will heißen: Für größere Besetzungen stehen erst ab 96 Kilohertz abwärts weitere Kanäle und ab 48 Kilohertz deren allergrößte, mögliche Anzahl bereit. Doch zurück zum UC Surface. Nachdem das Studio 192 im Launch-Fenster erkannt ist öffnet ein Klick auf sein dortiges Icon den virtuellen Mixer. Dort können wie gesagt neben bis zu 32 physikalischen Eingängen vier DAW-Stereo-Return-Kanäle sowie ein Hall- und ein Delay-Kanal bedient werden. Darüber hinaus haben bis zu 16 Kanalzüge noch ein besonderes Zückerchen in Gestalt von Presonus´ hauseigenem, DSP-gestützten Fat Channel an Bord – in Studio One übrigens bereits als Plug-In mit dabei. Die somit latenzfreien Channelstrips enthalten diverse Signalprozessoren, die allerdings in fester, unveränderbarer Reihenfolge angeordnet sind. Stets durchläuft das Signal zuerst eine Phasendrehung, ein schaltbares Hi-Pass-Filter, ein Noise-Gate, einen Kompressor sowie einen Vierband-EQ und zu guter Letzt einen Limiter.
Lupenrein im Messlabor
Nach erfolgreichem Feature-Check geht’s schnurstracks ab ins Messlabor, wo unser Testkandidat zuallererst vorbildliche Daten in Sachen Eingänge offenbart, allen voran bei den Line-Inputs. Diese haben einen schnurgeraden Frequenzgang und einen sehr niedrigen Klirrfaktor von unter 0,02 Prozent vorzuweisen, was zudem von einem FFT-Spektrum ohne jegliche Ausreißer untermauert wird. Gleich dahinter rangieren die beiden Instrumenteneingänge und die Mikrofonvorverstärker. Beide glänzen ebenfalls mit ebenen Frequenzgängen, doch in puncto FFT-Analyse zeigen die Instrumenten-Inputs einige hohe Peaks bei zwei, drei und acht sowie weitere zwei Gipfel kurz vor 20 Kilohertz. Das geht jedoch im Hinblick auf die Nutzung mit DI-Gitarren & Co. völlig in Ordnung, zumal sich der Pegel der Obertöne noch im grünen Bereich bewegt. Bei den Mic-Preamps gibt’s hingegen nur kleine Ausreißer bei zwei- und dreitausend Hertz, was damit ebenfalls voll im Rahmen bleibt. Der Rausch-Signalabstand der IC-Schaltung fällt mit 69,1 Dezibeln allerdings noch gerade eben in das bei vergleichbaren Fabrikaten übliche Nutzspektrum von 70 bis 90 Dezibel und damit in den nicht wahrnehmbaren Bereich. Last, but not least überzeugt auch die Gleichtaktunterdrückung mit top Werten unterhalb jedweder Hörschwelle. Nachdem sich somit bei den Ein- und Ausgängen alles im grünen Bereich bewegt, trumpfen am Ende die Burr-Brown-Wandler nochmal so richtig auf. Ultralinear und mit absolut niedrigem Jitter machen sie ihrem Namen alle Ehre und sorgen ihrerseits für ein messtechnisch exzellentes Ergebnis. Im Anschluß an die messtechnische Feuertaufe machen wir nun noch in puncto Latenz die Probe aufs Exempel. Unser Performance-Test ergibt, dass die Übertragungsleistung des Studio 192 im Vergleich mit der eines Firewire-getriebenen RME Fireface 400 mehr oder weniger gleichauf ist. Lediglich das Presonus-Interface kommt rund eine Millisekunde langsamer daher. In der Aufnahmepraxis macht das zwar keinerlei hörbaren Unterschied aus und dürfte in puncto Monitoring-Latenz einwandfrei funktionieren. Dennoch müsste letztlich ein signifikanter Geschwindigkeitsvorteil zu erwarten sein, den wir uns für kommende Firmware- und Treiber-Updates als Nachbesserung wünschen würden.
Vocals & Piano Live In The Mix
Mit sehr guten Messwerten und Latenzen im Rücken begeben wir uns anschließend in die Praxis zum Klangtest. Bevor´s jedoch losgehen kann, gibt es jedoch noch eine Kleinigkeit zu beachten. Da wir unsere Testaufnahmen ebenfalls mit unserem MacBook Pro Baujahr 2011 und USB2 machen möchten, müssen wir erst einmal das richtige Kabel bemühen. Zwecks einwandfreier, abwärtskompatibler Verbindung empfiehlt sich dazu nämlich eine USB2- und nicht die mitgelieferte USB3-Strippe. Gesagt getan. Für erste Klangeindrücke lassen wir zuerst einen Sänger ein Brauner Phantom AE zur Brust nehmen, wobei wir für die vollste Sound-Breitseite die höchste Auflösung von 192 Kilohertz wählen. Das Ergebnis kommt tadellos sauber, transparent und transientenreich daher, ohne wenn und aber. Der beim Abhören zum Einsatz kommende, große Monitor-Regler arbeitet tadellos, wunderbar präzise und bietet genau den richtigen Einstellwiderstand. Auch bei anschließenden 44.1 überzeugt uns die Aufnahmequalität auf ganzer Linie, wobei wir hörbare Unterschiede zur höchsten Samplerate als lediglich gering empfinden. Nach somit klanglich vollends überzeugendem Erst-Check möchten wir nun einen Kopfhörermix für unseren Sänger erstellen, damit er bei seiner Aufnahme-Performance neben dem Playback aus Cubase 7.5 auch etwas Hall auf seiner Stimme hört. Dazu erzeugen wir im Cubase-Projekt zuerst einen zweiten Master-Bus, den wir ausgangsseitig auf den DAW-Stereokanal 1/2 von UC Surface routen und somit schon einmal das Playback weiterleiten können. Um dem Vokalisten den ersehnten Hall spendieren zu können müssen wir uns nun in UC Surface in die auf Fader-Höhe gelegene Sektion ganz rechts im GUI begeben, die unter anderem der Zuweisung der bis zu acht Monitor-Mixe dient. Dort rufen wir durch klicken auf den „FX A“-Button einen extra Send-Mixer auf, wodurch plötzlich alle Fader unten und ihre Köpfe mit violettem statt blauem Strich versehen sind. Nun können wir auf allen Ein- oder Ausgängen, die mit Hall versehen werden sollen den betreffenden Fader bis zum gewünschten Effektierungsgrad hochziehen. Nachdem wir dies beim betreffenden Mic-Input des Gesangmikrofons getan haben, müssen wir nur noch im Halleffektkanal via FX Edit-Button einen passenden Hallraum aussuchen. Damit ist die ideale Kopfhörermischung zum perfekten Treffen der Töne fast fertig, fehlt nur noch eine wohl eingepegelte Talkback-Kommunikation. Per Multifunktions-Poti, der nicht nur für die Gain-Einstellung der Preamps verantwortlich ist, lässt sich nämlich auch noch der Talkback-Pegel justieren. Mithilfe der Vor- und Zurücktasten an der Hardware muss das Digital-Display lediglich auf „c“ als Abkürzung für „communication“ eingestellt werden und die Talkback-Lautstärke kann verändert werden. Nachdem wir unserem Sänger einen amtlichen Kopfhörermix auf die Ohren gegeben haben, wollen wir nun auch noch das Stimmsignal mit dem integrierten Fat Channel aufpeppen. Laut Herstellerangaben arbeitet dieser dank DSP mit einer Latenz von gerade einmal 2 Millisekunden, was unser Hörtest untermauert. Kompressor, Noise-Gate und EQ erweisen sich nicht nur als grundsolide, sondern gehen blitzschnell und ohne erkennbare Verzögerungen zu Werke. Klanglich erweisen sich die eingebauten Werkzeuge als transparent wie präzise und ermöglichen mit wenigen Handgriffen auch dank zahlreicher Presets rasch mehr Lautheit und gezielte Störfrequenzbekämpfung. Einziger Wermutstropfen: Gerade zur Einstellung des EQ hätten wir uns eine intuitivere Bedienoberfläche gewünscht. Statt virtueller Potis und vollständig bewegbarer Steuerpunkte im grafischen Bedien-Feld finden sich lediglich Schiebefelder mit den jeweiligen Werten, ohne die zusätzliche Möglichkeit diese auch per Ziffernblock eingeben zu können. Auf dem iPad ist das sicherlich wunderbar haptisch, doch im Mausbetrieb erweist sich das ständige Herumfahren als weniger praktisch. Im Anschluß an die überzeugende Vocal-Performance wollen wir dann so richtig aufs Ganze gehen in Sachen Mic-Inputs und alles was geht rausholen. Zu diesem Zweck begeben wir uns in die Alte Kirche Spay und mikrofonieren den dortigen Steinway Konzertflügel mithilfe aller acht Mic-Eingänge. Wir platzieren ein Brauner Phantom AE über dem Diskant und unser Beesneez Jade Tube im Flügelschwanz über den Basssaiten. Zwei AKG C414 dienen anschließend als Groß AB-Stützen vor der Flügelbeuge, gefolgt von zwei RODE NT5, die als Stereostützen auf Höhe der Klaviatur rechts und links aufgestellt werden. Zu guter Letzt komplettieren zwei Raummikrofone in Form eines MXL Cube im Mittelfeld und eines Fame C02 im Fernfeld unser Achtkanal-Setup. Damit darf unser Testkandidat nun abermals seinem Namen alle Ehre machen und bei 192 Kilohertz zeigen, was in ihm steckt. Der aufwändige Aufbau hat sich gelohnt und wir werden mit kristallklarem, transparentem Flügelklang aus diversen Perspektiven belohnt. Dabei leisten die XMAX Preamps sowie die Burr-Brown-Wandler ganze Arbeit und liefern auch an dieser Stelle ein lupenreines, transientenreiches Klangbild.
Fazit
Messtechnisch ist zwar unser Referenz-Interface Fireface 400 minimal besser. Doch die wahren Stärken des Presonus-Interface liegen in der mächtig praktischen Kombination aus erstklassigem Klang und umfangreichen Hardware- wie Software-seitigen Monitoring-Funktionen.
Erschienen in Ausgabe 02/16
Preisklasse: Oberklasse
Preis: 534
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut
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