Urleiwandes Universalmikro

Dynamische Instrumentalmikrofone gibt es mittlerweile wie Sand am Meer. Bleibt da überhaupt noch Spielraum für Innovation?

Anscheinend ja, denn aus Österreich kommt mit dem OD5 ein Mikrofon auf den Markt, bei dem augenscheinlich viele Aspekte neu gedacht wurden. Der jüngste Sprössling von Austrian Audio überrascht nicht nur mit eigenständiger Optik, sondern auch mit einem neuen technischen Ansatz.

Von Raphael Tschernuth

Austrian Audio könnte fast als „junges Traditionsunternehmen“ bezeichnet werden. Zwar wurde die Firma aus Wien erst 2017 gegründet, allerdings bringen es die Mitarbeiter bereits auf eine kumulierte Erfahrung von über 350 Jahren auf dem Gebiet des Mikrofonbaus. Handelt es sich bei dem Team doch um ehemalige Mitarbeiter von AKG, die sich nach der Schließung des Hauptquartiers in Wien das Ziel gesetzt haben, mit innovativen Produkten den Pro Audio Markt zu erobern.

Mit dem Großmembran-Kondensatormikrofon OC818 ist Austrian Audio auch ein hervorragender Einstand gelungen. Der in Wien von Hand gebaute Allrounder überzeugte dank CK12R Kapsel klanglich auf ganzer Linie. Auch in technischer Hinsicht bietet dieses Mikrofon, im Zusammenspiel mit seiner umfangreichen Software, einen einzigartigen Funktionsumfang (Test in Heft 09/2019).

Beim neuen OD5 ist ebenfalls deutlich zu sehen, dass sich der Hersteller nicht auf altbekannten Designs ausruhen will. In Zeiten, in denen fast nur noch Mikrofon-Klone auf den Markt kommen, schickt sich Austrian Audio an, den Mikrofonbau noch ein klein wenig zu verbessern.

Rein optisch hebt sich das OD5 von der Masse ab. Die Kapsel ist vom Schaft getrennt, die Verbindung zum Verstärkerteil erfolgt über einen einseitigen „Swivel Joint“. Durch diesen lässt sich die Kapsel rotieren und in der gewünschten Position feststellen, ohne dass der Anwender den Mikrofonständer und Galgen lösen und bewegen muss. Gerade bei Recording- oder Live-Setups, in denen viele Mikrofone und Mikrofonstative zum Einsatz kommen, kann das die Arbeit des Toningenieurs deutlich vereinfachen.

Insgesamt erlaubt die Mechanik des OD5 eine Drehung von 220 Grad. Auch Feinabstimmungen werden so zum Kinderspiel, wie beispielsweise die Ausrichtung der Kapsel vor einem Bass- oder Gitarrenverstärker. So lässt sich der Sweet-Spot im Handumdrehen einstellen.

Ein weiterer Vorteil dieses eigenwilligen Designs ist, dass die „Open Acoustic Technology“ von Austrian Audio zum Tragen kommt. Mikrofonkorb und Aufhängung des OD5 sind so entworfen, dass rückseitiger Schall ungehindert zur Kapsel durchdringen kann. Dadurch werden akustische Beeinträchtigungen vermieden und eine äußerst präzise Nierencharakteristik erreicht. Schall, der seitlich oder von hinten auf das Mikrofon fällt, wird nicht verfälscht, sondern weitestgehend neutral abgebildet. Dies führt zu einer homogen klingenden Räumlichkeit und reduziert klangliche Verfärbungen beim Übersprechen mit anderen Instrumenten.

Neben diesen mechanischen Besonderheiten ist auch die Schaltung des OD5 eine Innovation. Obwohl es sich um eine dynamische Mikrofonkapsel handelt, benötigt das OD5 für den Betrieb 48 Volt Phantomspeisung. Grund dafür ist, dass im Inneren des Schafts eine Verstärkerschaltung arbeitet, die den Pegel auf das Niveau eines Kondensatormikrofons anhebt. Vereinfacht gesagt: ein Inline-Verstärker, wie sie von Herstellern wie Cloudlifter, Triton, und weiteren angeboten werden, ist beim OD5 bereits im Mikrofon integriert. Der Anwender profitiert nicht nur von einem höheren Ausgangssignal, sondern zudem von einem konsistenten Klang bei hohen Kabellängen. Zudem ist das Klangresultat weniger abhängig von der Qualität des verwendeten Preamps.

 

 Technische Daten

Wie bereits erwähnt, handelt es sich beim OD5 um ein aktiv-dynamisches Mikrofon mit konsistenter Nierencharakteristik. Den Übertragungsbereich gibt Austrian Audio zwischen 20 Hz und 18 kHz an. Die Empfindlichkeit liegt dank der aktiven Schaltung bei 6,7 mV/Pa. Zum Vergleich: andere dynamische Mikros wie etwa das Shure SM57 besitzen eine deutlich geringere Empfindlichkeit von nur etwa 1,6 mV/Pa.

Der Grenzschalldruck des OD5 ist mit 151 dB SPL ausgesprochen hoch und kann durch ein zusätzliches Pad auf 160 dB erweitert werden. Gemessen bei 0,5 % THD ist das ein hervorragender Wert und in der Praxis wird es selbst vor den lautesten Amps und mit kräftigsten Schlagzeugern nicht gelingen, das OD5 in die Übersteuerung zu treiben.

Zusätzlich zum schaltbaren Pad ist noch ein zweistufiger Hochpassfilter mit an Bord, der bei 80, respektive 120 Hz ansetzt. Auch hier hat sich Austrian Audio eine Besonderheit einfallen lassen: Während die erste Stellung bei 120 Hz eine reine Bassabsenkung bewirkt, kommt bei der 80 Hz Stellung eine Cut’n’Boost-Schaltung zum Einsatz.

In dieser Position werden also einerseits die tiefsten Frequenzen eliminiert, die in der Nachbearbeitung ohnehin nur stören würden, andererseits werden Frequenzen um 100 Hz etwas akzentuiert, um dem Signal das Extra-Quäntchen Bottom-End zu verleihen.

Einige von euch kennen das bestimmt von der Arbeit mit einem Pultec-EQ, bei dem die Bässe abgesenkt und gleichzeitig angehoben werden können. Im konkreten Fall verwendet Austrian Audio dafür einen Gütefaktor Q von 1,7 während dieser beim normalen 120 Hz Filter bei 0,7 liegt.

Das Eigenrauschen gibt der Hersteller mit 21 dB(A) an. Erfahrungsgemäß sind das bei Austrian Audio aber Worst-Case Werte, denn bei den bisherigen Tests schnitten die Mikrofone aus Österreich in diesem Punkt stets besser ab als es das Datenblatt suggerierte. Bei einem Instrumentenmikrofon sind 21 dB aber ohnehin ein Wert, mit dem in der Praxis keinerlei Probleme auftreten sollten.

Mit nur 265 Gramm ist das Mikrofon erfreulich leicht und stellt nur geringe Ansprüche an das Mikrofonstativ. Die Impedanz beträgt 275 Ohm und der Hersteller empfiehlt eine heutzutage übliche Lastimpedanz von 1000 Ohm am nachgeschalteten Mikrofonvorverstärker.

Bei der Stromaufnahme zeigt sich das OD5 recht sparsam und verbraucht im Betrieb weniger als 1,5 Milliampere.

 

I like to move it, move it!

Geliefert wird das OD5 in einem sehr ansprechenden und gut gepolsterten Soft-Case. Darin befinden sich gut geschützt das Mikrofon, eine Mikrofonklemme mit Arretiergewinde, ein Quickstart-Guide, ein Sticker sowie ein signiertes Qualitätszertifikat von jenem Tag, an dem die abschließenden Messungen und Inspektionen durchgeführt wurden. Das Mikrofon ist im echten Leben etwas kleiner, als ich es aufgrund der Werbebilder vermutet hatte.

Gleich zu Beginn fällt die robuste Bauweise auf. Metallverarbeitung und Lackierung sind erstklassig gelungen, auch das Gitter des Mikrofonkorbs wurde rundum perfekt eingearbeitet. Der Swivel-Mount lässt sich sehr fest anziehen und es ist einfach den Mikrofonkorb nach Belieben zu drehen und auszurichten. Erfreulich ist, dass der Swivel-Mount komplett aus Metall besteht, was der Langlebigkeit dienlich sein wird. Er hält zudem absolut stabil und lässt sich fixieren, ohne auch nur minimal zu wackeln.

Wird der obere Teil des Mikrofonkorbs abgeschraubt, ist der Blick frei auf die Mikrofonkapsel. Diese ist intern noch einmal von einem Plastikgerüst geschützt, was gleichzeitig den Schaumstoff in seiner Form hält. Auch hier zeigt sich wieder die erstklassige Verarbeitung, das Mikrofon scheint damit unkaputtbar zu sein.

Auf der Rückseite finden sich die beiden im Gehäuse versenkten Schalter für das Filter und das Pad. Die XLR-Stifte auf der Unterseite sind zudem vergoldet und vor Korrosion geschützt.

Jedes OD5 kommt mit einer eigenen Seriennummer und der „Made in Austria“ Schriftzug wurde deutlich lesbar am Mikrofonschaft angebracht. Bei dem derzeit günstigen Straßenpreis von nur 259 Euro überrascht es etwas, das dieses Mikrofon komplett inhouse in Wien entwickelt und hergestellt wurde.

 

Messungen

Im direkten Vergleich zu einem gewöhnlichen, dynamischen Mikrofon wie etwa dem Shure SM58, liefert das OD5 einen deutlich höheren Pegel und benötigt rund 13 dB weniger Gain vom Vorverstärker.

Die Messungen offenbaren, dass das OD5 für die Nahmikrofonierung gedacht ist. Beim Abstand von 60 Zentimetern kommt es zu einer leichten Absenkung der tiefen Frequenzen ab circa 120 Hz. Dem gegenüber steht ein Anstieg der Frequenzen ab 1–2 kHz bis hinauf zu 7 kHz.

Das OD5 ist zwar nicht per se rauschärmer als andere dynamische Mikros. Da dem Mikrofonvorverstärker jedoch weniger Arbeit abverlangt wird, kann sich der Einsatz des OD5 durchaus in niedrigerem Rauschen äußern. Laut unseren Messungen sind die angesprochenen 21 dB recht konservativ, wir erreichen in der Praxis einen Wert von etwa 17 dB, was deutlich besser ist, als es das Datenblatt suggeriert.

 

Das OD5 im Einsatz

Im Studio vergleiche ich drei Mikrofone an der Snare Drum: Das Shure SM57, welches wohl eines der beliebtesten Snare-Drum-Mikros aller Zeiten sein dürfte, daneben das Black Ops Bändchenmikrofon der englischen Edelschmiede Extinct Audio, mein persönliches Go-To Mic an der Snare, sowie das Austrian Audio OD5.

Bei der Aufstellung der Mikrofonständer zeigt sich sofort, wie praktisch der Swivel-Mount des OD5 ist. Ich versuche die Mikros unterhalb der Hi-Hat anzubringen, um eine möglichst große Auslöschung dieser Becken zu erreichen. Beim SM57 muss die Mikrofonklemme angewinkelt werden, um das Mikro nach unten auf das Fell der Snare Drum auszurichten. Dann zeigt allerdings der Schaft des SM57 nach oben zur Hi-Hat. Der nötige Platzbedarf vergrößert sich noch durch das rückseitig angeschlossene Kabel und es bleibt kaum Platz zur Ausrichtung. Das OD5 hingegen lässt sich ohne jegliche Fummelei auf Anhieb präzise positionieren. Der Mikrofonkorb wird einfach im entsprechenden Winkel eingestellt. Dabei zeigt der Schaft des Verstärkerteils nach unten und kommt den Becken nicht in die Quere. Auch das Kabel ist keine Problemquelle mehr.

Klanglich präsentiert sich das OD5 ungemein spritzig mit ausgeprägten Transienten, was für eine dynamische Kapsel eher ungewöhnlich ist. Der Sound der Snare Drum wird sehr präzise und mit hohem Realismus abgebildet. Im direkten Vergleich besitzt der Sound des SM57 einen stark färbenden Charakter und wirkt auf gewisse Art vorgefertigt. Das OD5 präsentiert sich hingegen ungemein druckvoll und schon die erste Positionierung zaubert uns im Studio ein Lächeln ins Gesicht.

Der Bassbereich scheint für den kurzen Abstand gut abgestimmt zu sein. Kraftvoll, dynamisch und trotz schneller Transienten nicht grell oder höhenlastig, so wird die Snare im Mix sehr durchsetzungsfähig. Das hat Power.

Obwohl der Nahbesprechungseffekt beim OD5 eher gemäßigt ausfällt, lässt es sich auch an der Bassdrum einsetzen. Hier hat es mir besonders an Positionen gefallen, die das Attack der Kick akzentuieren. Die knackigen Transienten sorgen für einen prägnanten Sound und die Abbildung des restlichen Kits bleibt durch die konstante Nierencharakteristik sehr homogen. Für die Aufnahme der tiefsten Frequenzen gibt es bestimmt andere Spezialisten, die sich für diese Aufgabe besser eignen. Mit gewissen Musikstilen wird das OD5 an der Kick aber perfekt harmonieren. Durch den extrem hohen Grenzschalldruck sind auch keinerlei Übersteuerungen zu fürchten.

Der Cut’n Boost Modus ist bei Toms von Vorteil, da er diesen mehr Tiefen verleiht, ohne dem Sound der Kick in die Quere zu kommen.

Durch den einstellbaren 90 Grad Winkel lässt sich das OD5 auch sehr platzsparend vor dem Gitarren- oder Bassamp positionieren. Im klanglichen Vergleich zum SM57 kommt ein deutlich differenzierterer Charakter zum Vorschein. Das OD5 betont den Bereich um 2 kHz etwas mehr, ist aber dafür zwischen 5 und 10 kHz weniger höhenlastig als das SM57. Auch wird beim SM57 recht schnell jener Klangstempel bemerkbar, der vielen von euch von tausenden Songs mit verzerrten E-Gitarren bekannt sein dürfte. Ob dieses charismatische Bruzzeln gefällt, ist eine Frage des Geschmacks. Ich persönlich greife vorm Gitarrenamp stattdessen gerne auf Bändchenmikrofone zurück. Hier gefällt mir die Kombination aus OD5 und Black Ops ausgesprochen gut.

Weiter geht es an den Kontrabass. Hier nutze ich neben dem OD5 ein Electro Voice RE-20 für den Vergleich. Während beim EV-Mikro rund 44 dB Vorverstärkung benötigt werden, reichen beim OD5 bereits 30 dB. Beide Mikrofone liefern an diesem Instrument sehr ansprechende Ergebnisse. Im Abstand von zehn Zentimetern ist der Tiefbassbereich beim RE-20 ein wenig voluminöser, dafür klingt der Bass des OD5 schön straff und abgerundet. Auch die Natürlichkeit des Instruments wird authentischer reproduziert.

Interessant ist auch hier die Verwendung des Cut’n’Boost Filters. Durch den Boost steigt zunächst der Pegel des OD5 weiter an, da das Signal im Bassbereich ansteigt. Damit es aber nicht zu viel des Guten wird, vergrößere ich den Abstand auf 20 Zentimeter. Jetzt ist der Sound “Mix-ready” und es bedarf in der Postproduktion kaum noch einer Nachbearbeitung, der Kontrabass setzt sich gut im Mix durch.

Was mir in der Anwendung des OD5 weniger gut gefällt ist, dass das Mikrofon laute Entladungsgeräusche erzeugt, wenn die Phantomspeisung deaktiviert wird. Etwas hinterlistig dabei ist, dass diese Störgeräusche erst einige Sekunden nach der Abschaltung auftreten. Hier heißt es also vorsichtig sein und zuvor immer die Fader runterziehen, um bei Kopfhörern, dem In-ear-Monitoring oder mit der PA nicht in Schwierigkeiten zu geraten. Das soll aber all die positiven Eindrücke, durch die sich das OD5 im Test ausgezeichnet hat, nicht schmälern.