Außer Rand und Band

Mit Satin liefert die Synth- und Effekt-Schmiede U-He ein sehr flexibles Bandmaschinen Plug-in ab und zielt dabei nicht, wie viele Konkurrenten, nur auf die Simulation eines bestimmten Modells ab. Zusätzlich besitzt Satin einen Delay Mode für Tape-Echos und Reverb-Effekte, sowie einen Flanger Mode für einzigartige Modulationsspielereien. Ob nun auch die letzte Bandmaschine in Rente geschickt werden kann, und was Satin sonst noch so unter der Haube hat, verrät folgender Test.

Von Stefan Feuerhake

Bei wem leuchten nicht die Augen, wenn er/sie ein Studio betritt und dabei auf eine Bandmaschine trifft? Denkt nicht ein jeder sofort an den „warmen“ gefälligen Sound und die „weichen“ Höhen der alten Magnetbänder? Und fühlt man sich nicht voller Nostalgie in die Vergangenheit zurückversetzt? Immerhin wird dem Sound der alten Bandmaschinen nicht nur viel „magisches“ nachgesagt, sondern er hat vielmehr auch die Ohren ganzer Generationen mitgeprägt. Dabei stehen solche Geräte mittlerweile meist nur noch als schmückendes Beiwerk in den Studios. Benutzt werden sie kaum noch. Allein die Wartung der alten Damen ist ein immenser Arbeits- und Kostenaufwand. Dazu kommt, dass Tonbänder mittlerweile kaum noch zu bekommen und nebenbei auch sehr teuer sind. Da bietet es sich natürlich an, den besonderen Sound als Plug-in im Rechner zu konservieren. Die große Beliebtheit von Bandmaschinen zeigt auch die große Auswahl an Plug-ins auf dem Markt. Schauen wir mal, ob U-He es geschafft hat, dem Thema eine neue Nuance hinzuzufügen.

Satin‘s Oberfläche unterteilt sich in drei Bereiche: Oberer, Unterer und Service. Das GUI ist sehr übersichtlich und die Farben in angenehmen Retrotönen gehalten. In der Kopfzeile des Plug-ins gibt es neben einem globalen Bypass eine nützliche Undo/Redo Funktion. Ebenso kann man hier direkt Presets auswählen oder in den übersichtlicheren Browser wechseln. Über 200 Presets laden jeden Tapemachine-Freund zum illustren Probieren ein. Auch für den Delay- und Flange-Mode bekommt man einige gute Anregungen, was damit überhaupt für Sounds möglich sind. Von kleinen HiFi-Bandmaschinen, die in 7.5ips (inches per second) laufen, bis zu großen Studiogeräten mit 30ips, kann in Satin nahezu alles simuliert werden.
Den Hauptteil des oberen Bereiches nehmen Input/Output-Poti und ein oldschooliges VU-Meter ein, das entweder den Input- oder Output-Pegel anzeigen kann. Im unteren Bereich lässt sich der Modus, also Studio, Delay oder Flange wählen. Dazu können hier wichtige Funktionen wie die Bandgeschwindigkeit und auch das Decoding/Encoding eingestellt werden. Befindet man sich im Studio-Mode, kann man im unteren Bereich bis zu acht Gruppen zuweisen. Aber dazu später mehr. Der dritte und letzte Bereich ist der Service-Bereich. Hier geht es ans Eingemachte und hier befindet sich die Frequenzspektrum-Anzeige. Satin‘s GUI ist also sehr übersichtlich gestaltet und man hat sich schnell mit allem vertraut gemacht. Hinzu kommt, dass man per Rechtsklick auf das Plug-in noch die Größe oder die Helligkeit von Satin individuell an den eigenen Gusto anpassen kann. Das gefällt schon einmal sehr gut. Aber eine schöne Fassade ist ja bekanntlich nicht alles, und so wollen wir gleich mal testen, was sich hinterm Vorhang so verbirgt.

Wenden wir uns zu Anfang gleich dem Kernthema – Satin als Bandmaschine – zu. An dieser Stelle sei gleich ein Blick in das sehr ausführlich geschriebene Handbuch empfohlen. Hier gibt es viele Basics über Bandmaschinen zu lesen und zu lernen, außerdem einiges an hilfreichen Tipps und Tricks für die Arbeit mit Satin. Wichtig zu wissen: Der Effekt der Bandsättigung fällt oft subtiler aus als man glaubt. Das Ohr benötigt zunächst etwas Schulung, um die Unterschiede genau beurteilen zu können. Wenn Sie Satin testen wollen, sollten Sie das Signal immer gleich laut beurteilen. Es sollte also gleich laut vor und nach der Bearbeitung sein, damit Sie nicht von dem Lautheits-Unterschied in die Irre geführt werden – schon ein halbes Dezibel Unterschied kann zu einer völlig falschen Beurteilung führen. Dazu gleich noch ein kleiner Tipp: Da der Service-Bereich im Studio Mode nicht standardmäßig ausgeklappt ist, sich dort aber eine kleine, feine Spektrum-Anzeige für die Frequenzen befindet, sollten Sie den Bereich beim Arbeiten mit Satin immer aufklappen. Das funktioniert natürlich in Echtzeit, sodass sich alle Parameteränderungen immer gleich auch optisch bemerkbar machen – eine sehr praktische Sache. Schauen wir einmal, was Satin so mit unseren Signalen anstellt und wenden es auf einer Drumgruppe an. Durch Erhöhen des Inputsignals werden die Transienten gefälliger und vom Gefühl her leicht abgeschwächt. Erhöht man den Inputpegel weiter, kommt es schnell zu Verzerrungen. Interessant ist, dass bei aktiviertem Auto Makeup ein Pegelverlust am Ende immer wieder automatisch kompensiert wird. Senkt man nun den Input ab, wird es nicht wie erwartet leiser, sondern immer druckvoller und die Transienten werden betonter, je weiter man in den Minusbereich kommt. Ebenso gibt es einen kleinen angenehmen Boost in den Bässen. Das Drumgruppen-Signal wirkt insgesamt harmonischer, zusammengehöriger.
Als nächstes probieren wir Satin auf den Einzeldrum-Spuren und nutzen dabei die integrierte Gruppenfunktion. In Satin lassen sich bis zu acht Gruppen für Mehrkanalanwendungen zuweisen. Das ist sehr praktisch, da sich alle Plug-in Instanzen, die zu einer Gruppe gehören, damit gleichzeitig editieren lassen. Hier ist das Ergebnis schon ein anderes, aber auch hier gefällt, was Satin mit den Signalen macht. Möchten Sie verschiedenste Bandmaschinen simulieren, wird das Speed Poti wichtig. Damit wird eingestellt, wie schnell das Band am Tonkopf vorbeigezogen wird. Eine schnelle Bandgeschwindigkeit (30 ips, entspricht 76 cm/s) sorgt für eine bessere Klangtreue. Je langsamer das Band wird, desto mehr wird der Frequenzgang beeinflusst und die Höhen abgesenkt.
Dazu gesellt sich der Einfluss der Pre-Emphasis, die aufgedreht dem Signal hohe Frequenzen wieder dazu gibt. Insgesamt haben wir im Test das Gefühl, die Signale werden mit Satin komprimiert, allerdings nicht runtergedrückt und mit Hüllkurve versehen, wie bei einem Kompressor, sondern eher angenehm gesättigt und weicher gemacht. Es passiert auch immer etwas Angenehmes mit den Transienten. Aber wie gesagt, das alles eher im subtilen Bereich. Oft haben wir, um die Unterschiede zu hören, einen Kopfhörer benutzen müssen.

Im Studio Mode kann Satin auch als De/Encoder benutzt werden. Eine sehr nette Idee. Dazu einfach ein mit Dolby oder uhx codiertes Signal in eine Spur laden, Satin aktivieren, Typ auswählen und schon wird das Signal encodiert abgespielt. Noch viel wertvoller macht diese Funktion, dass sie jegliches De- und Encodierverhalten imitieren kann. Zum Beispiel wurden früher gerne mal Drums mit DBX codiert aufgenommen, dann aber ohne DBX wieder abgespielt. Das hat den Sound besonders knackig und druckvoll gemacht, was Satin nun wunderbar simuliert. Oder: Um Vocals etwas präsenter zu bekommen, wählen Sie mal B-Type als Encoder, aber keinen Decoder.

Das ist aber alles erst der Anfang, denn im unteren Bereich befindet sich ja die Spielwiese Service-Bereich, den Sie, wie schon gesagt, separat ausklappen können und sollen. Und hier geht es nun ans Bandmaschinen-Eingemachte. Man hat bei U-He versucht, alle relevanten Dinge, die den Sound einer Maschine beeinflussen, zu berücksichtigen. Während man schon mit den Grundfunktionen schnell und leicht in den Genuss von Tape-Sounds kommt, bedarf es hier etwas mehr Einarbeitungszeit. Im Tape-Abschnitt kann der Pegel des Bandrauschens durch den Hiss-Wert bestimmt werden. Das Bandrauschen ist auch aktiv, wenn kein Signal durch Satin läuft. Da wundert es dann auch nicht, wenn am Ende des Songs, wenn aller Hall verklungen ist, ein leichtes Grundrauschen übrig bleibt. Analoger Sound bringt ja per se auch immer Rauschen mit sich. Und somit ist das absolut authentisch, kann aber bei Nichtgefallen komplett ausgeschaltet oder auf Auto Mute gestellt werden. Dann wird Rauschen automatisch stummgestellt, wenn kein Signal anliegt. Diese Funktion lässt sich gut für abgefahrene Pump-Rausch-Effekte zweckentfremden, wenn man das Rauschen mal etwas stärker einsetzt. Hinzu kommen im Tape-Abschnitt noch Potis für Crosstalk, Wow and Flutter und den Bias-Osc. Im ReproHead-Bereich gibt es zudem Gap With, Bump und – ganz neu seit dem Update 1.2 – Azimute. Die Entwickler haben hier wirklich an alle Klang beeinflussenden Eigenschaften von Bandmaschinen gedacht. Wer mag, kann mit Satin richtig tief in die Welt der Bandmaschinen eintauchen.

Mit so einer Bandmaschine können naturgemäß ja auch sehr gut Delays und Echos erzeugt werden und so hat man bei U-He in Satin auch gleich einen entsprechenden Mode integriert, was sich als sehr gute Idee entpuppt. Der Delay Mode ist wahlweise mit zwei oder vier Tonköpfen zu betreiben. Jeder der Köpfe besitzt einen eigenen Fader, mit dem sich das Signal entweder im Sync zum DAW-Tempo oder frei verzögern lässt. Dazu gibt es noch ein paar Einstellungen pro Kopf wie Mod Rate, Mod Amt, Pan und Level. Am Ende findet sich noch ein obligatorisches High- und Lowcut Filter. Satin erzeugt im Delay-Mode typische Dub-Delays mit endlosen Feedbackschleifen, aber auch sehr eigen klingende Raum/Reverb-Effekte. Ebenso können Sounds sehr stark verfremdet werden. Eine echte Bereicherung.

Der Flanging Effekt einer Bandmaschine unterscheidet sich hingegen schon etwas von der üblichen Arbeitsweise eines Flangers, der durch Splitten des Signals und zeitliches Verzögern eine Phasenverschiebung erzeugt, die zusätzlich noch durch einen LFO moduliert werden kann. In Satin ist der Flanger eher für One-shot Geschichten, etwa einen dramatischen Woosh-Effekt gedacht. So etwas wurde bereits in den 60er Jahren im Hendrix Song „Bold as Love“ oder auch von Led Zeppelin benutzt. Allerdings eignet sich der Flanger auch sehr gut, um Sounds im Mix ihren eigenen Raum zu verpassen. Das macht er hervorragend, mit einem echt sehr eigenen warmen Sound. Es fällt auf, dass Satin im Flange Mode den Sound zusätzlich noch sättigt. Bei herkömmlichen Flangern besteht ja oft das Problem, dass sie den Sound dünner machen. Das ist hier nicht der Fall und gefällt uns sehr gut. Er ist sehr vielseitig, auch gerne über Send/Return einsetzbar.

Fazit
Satin ist eine rundum gelungene Sache und fügt dem Thema Bandmaschinen-Emulation mehr als nur eine neue Nuance hinzu. Das Plug-in klingt hervorragend, es simuliert jegliche Art von Bandmaschine und lässt sich auf jeder Art Signal einsetzen. Besonders gut macht es sich auf Gruppen, der Summe und bei Mehrkanalbearbeitungen. Hinzu kommt, dass man nicht nur im Delay und Flange Mode mit Satin einzigartige Sounds erzeugen kann, die echte Tapes so nie konnten. So empfiehlt sich U-He Satin als interessantes Klangformungs-Tool sowohl beim Mixing , als auch fürs Sounddesign.

Erschienen in Ausgabe 10/2014

Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 122 €
Bewertung: sehr gut – überragend
Preis/Leistung: sehr gut